WALISISCHE MARK
Lexikon des Mittelalters:
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Walisische Mark (auch: Walisische Marken)
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Die Walisische Mark wurde
als westliche Grenzregion des
Königreiches England im
Kielwasser der normannischen und englischen Eroberungen in Wales
zwischen 1067 und 1284 errichtet. Sie war ein Land der Gewalt und des
Krieges, in der die Könige von England (besonders Heinrich I. und Eduard I.)
und ihre Adligen nach Territorialgewinnen strebten. Die in mehreren
Etappen eroberten walisischen Königreiche und
Fürstentümer bildeten oft die Grundlage
neuer Herrschaften in der Walisischen Mark
(marcher lordships), die sich
zum Teil an die älteren walisischen Verwaltungsbezirke (commote,
cantref) anschlossen; als neue administrative Zentren entstanden
anglonormannische Burgen (Burg, C. X) und mit Privilegien (charter)
ausgestattete boroughs (zum Beispiel Cardiff
in Glamorgan).
Die Walisische Mark
entwickelte eigene Charakterzüge:
Hier siedelten walisische,
englische und französische Bevölkerungsgruppen, mischten sich
Sprachen und
Kulturen, so daß Bräuche und Gewohnheitsrechte entstanden,
die sich von den Rechts und Lebensformen sowohl im unabhängigen
Wales ('pura Wallia') als auch
in den englischen Grafschaften abhoben.
Während zweier Jahrhunderte schwankte die territoriale Ausdehnung
entsprechend den wechselnden politischen und militärischen
Rahmenbedingungen; um 1300 war jedoch ein weitgehend stabiler
Gebietsumfang erreicht, wenn auch weiterhin Herrschaften innerhalb der
Mark ihre Besitzer wechselten und noch um die Mitte des 15. Jh. eine
neue Lordship (Raglan im
Südosten) durch Zweiteilung einer bestehenden
Herrschaft geschaffen wurde. Um 1300 umfaßte die Walisische
Mark etwa die
Hälfte von Wales und erstreckte sich in einem weiten Bogen von
Nordosten
(Herrschaften Denbigh und Ruthin) zum Südosten und Südwesten,
wo die frühesten
Herrschaften errichtet worden waren (Chepstow und Glamorgan, Pembroke
und Haverfordwest). Die Walisische Mark
war rechtlich gesondert einerseits von den
englischen Shires,
andererseits dem von Eduard I.
geschaffenen königlichem Fürstentum
(principality) Wales.
Durch die Bedingungen der Eroberung konnten sich die adligen Herren in
der Walisische Mark (marcher lords) ausgedehnte eigene
Rechte für
Jurisdiktion, Verwaltung, Steuer- und Abgabenerhebung sowie
Kriegführung sichern; die königliche Autorität schuf
keineswegs
überall gleichmäßig wirksame Institutionen zur
Überwachung der adligen Machtausübung.
Seit dem 13. Jh.
besaßen einige der mächtigsten Aristokraten-Familien
Englands
ausgedehnte Herrschaften in der Walisische Mark,
so die Häuser MARSHALL,
CLARE, FITZ-ALAN, MORTIMER
und BOHUN. Das einzige
größere
walisische Herrschaftsgebiet, das ohne militärische Eroberung und
auf
friedlichem Wege in den Verband der Walisische
Mark überging, war Powys.
König Eduard I. intensivierte
seinen Einfluß auf die Marcher
lords;
da diese zumeist aber auch Besitz- und Machtinteressen im inneren
England wahrnahmen, wurde die Walisische Mark
in die politischen Streitigkeiten und
Bürgerkriege des 13.-15. Jh. verstrickt (Krieg der Barone;
Auseinandersetzungen um Eduard II., 1307-1327; Rosenkriege, 1450-1487).
Diese Konflikte warfen ein Schlaglicht auf die inneren Probleme der Walisische
Mark, die unter einer Schwäche der
öffentlichen Ordnung und
Autorität sowie einer Tendenz zur politischen Zersplitterung
(Übergang vieler Herrschaften an kleinere Adels-Geschlechter)
litt.
Als sich große Familien aus der Walisische
Mark der englischen Krone
bemächtigten (1399,1461), wurden die Anomalien offenkundig.
Eduard IV. war daher
bestrebt, die königliche Kontrolle in den Jahren nach
1470, gestützt auf den Rat seines Sohnes, des Prince of Wales, zu
verstärken; die TUDOR bauten diese
Herrschaftstechniken aus und
beseitigten schließlich den Sonderstatus der Walisische
Mark, indem sie das
englische Shire-System auf
ganz Wales übertrugen (Acts of
Union
Heinrichs VIII., 1536-1543).
R.A. Griffiths