MORTAIN
Lexikon des Mittelalters:
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Mortain
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Ort und Grafschaft in der Normandie
(Basse-Normandie, dép. Manche,
arr. Avranches).
Mortain ist zwischen 1015
und 1026 erwähnt als Sitz einer
Burg und vielleicht bereits als Vorort einer Grafschaft, die von Robert,
» Graf von Avranches«,
einem Bastard Herzog Richards I. von
Normandie, gehalten wurde.
Roberts
Sohn Richard, als
»Graf
von
Mortain«
genannt, folgte dem Vater nach, wurde aber von seinem Onkel
Herzog Richard II., vor 1026
exiliert. Erst um die Mitte des
11. Jh.
wird erneut ein Graf erwähnt:
Wilhelm
(Guillaume Werlenc),
verschwägert mit der Herzogs-Familie,
der aber abgesetzt wurde und
ins Exil nach Apulien ging (1056).
Herzog
Wilhelm verlieh die
Grafscvhaft seinem
Halbbruder Robert († nach 1095),
der sie bis zu seinem Tode
besaß. Der Ausbau des Burgorts Mortain
fällt in diese Zeit, mit
der Gründung der Kollegiatkirche St-Evroult und des Priorats N.-D.
du Rocher durch Graf Robert
(1082) sowie der Entstehung von 'burgi'
(Burgus).
Die Grafschaft Mortain
kam in Sohnesfolge an Wilhelm,
der von Heinrich
I. 1106 enterbt wurde, dann an Stephan von Blois,
der sie, nachdem er
König von England
geworden war (1135), seinem natürlichen Sohn Wilhelm (†
1159) verlieh.
1189-1204 hatte König Johann, infolge einer
Übertragung von seiten seines
älteren Bruders König Richard,
die Grafschaft inne. Das Territorium der Grafschaft des 11. und
12. Jh.
gliederte sich in drei Bereiche:
1. der Besitzkomplex um Mortain,
der sich
bis Tinchebray erstreckte;
2. ein weiterer um Coutances (und in
Coutances selbst);
3. ein dritter im Cotentin (zwischen Coutances und
Valognes).
Nach der Eroberung der Normandie durch König
Philipp
II. August von Frankreich war die Grafschaft Mortain
nur mehr eine Apanage,
die an Mitglieder der königlichen Familie oder an Herren, deren
Treue sich der
König zu sichern wünschte, ausgetan wurde.
1204-1261/62
besaß
das Haus BOULOGNE die
Grafschaft. Nach Rückkehr in Kronbesitz und einer
Übertragung (um 1310) an Wilhelm
von Artois, den Neffen Ludwigs
des
Heiligen, fiel Mortain
dem Hause ÉVREUX (Navarra)
zu (1317-1412).
König Karl
VI. verlieh sie 1413 seinem
älteren Bruder (richtig: älteren Sohn), Herzog Ludwig von Guyenne
(Ludwig, Dauphin), der sie wiederum seinem
Onkel, dem WITTELSBACHER
Ludwig VII. von Bayern-Ingolstadt,
übergab.
Die englische
Besetzung in
der 1. Hälfte des 15. Jh. hatte eine Verdoppelung der
Grafenreihe zur Folge. Karl von
Anjou,
der Schwager König Karls VII.,
führte den Grafentitel 1425 bis 1472; er ging an seinen Sohn Karl
(† 1481) über. Danach kam
die
Grafschaft durch Heimfall an König
Ludwig
XI. und seine Nachfolger, Karl
VIII. und
Ludwig XII.
J.-M. Bouvris