ESSEX
Lexikon des Mittelalters:
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Essex
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Altes angelsächsisches Königreich und große Grafschaft
im südöstlichen England, begrenzt
im Osten von der Nordsee,
im Süden von der Themsemündung, im Norden von Cambridgeshire
und Suffolk. Ihre ursprünglich westliche Grenze verlief nur 10
Meilen von London, was die Geschichte der Grafschaft tiefgreifend
beeinflußte. Bis zum 9. Jh. umschlossen diese Grenzen den
Kernbereich des Königreiches der Ostsachsen (Angelsachsen;
England, Abschnitt A), von denen Essex seinen Namen erhielt.
Die angelsächsische Ansiedlung des Gebietes von Essex begann wohl
im frühen 5. Jh., obwohl die ostsächische
Königs-Dynastie erst gegen Ende des 6. Jh. faßbar
wird. Aufgrund von archäologischen Funden und genealogischen
Quellen ist anzunehmen, daß ein großer Teil der Siedler aus
dem alten kontinentalen Sachsen stammte. Während des 7. Jh.
beherrschten die ostsächsischen Könige auch Teile der Gebiete
von Hertfordshire und Middlesex, einschließlich von London, doch
kam das Provinzial-Königreich von Essex im 8. Jh. unter die
Oberherrschaft der Könige von Mercien. Im ostsächsischen
Königreich war das Mit-Königtum üblich; daher herrschten
zumeist mehrere Könige mit unterschiedlichen Rechtsstellungen und
Verwandtschaftsverhältnissen nebeneinander. Nachdem Essex 825 zum scir (shire) innerhalb
des Verbandes von Wessex geworden war, verschwand auch die
ostsächsische Königs-Dynastie.
Noch vor 878 bildete Essex den südlichen Teil des Wikinger-Reichs
des Königs Guthrum; die
skandinavische Siedlung blieb aber gering. König Eduard der Ältere
eroberte die Grafschaft 915-917 zurück und ließ burhs in
Colchester und Maldon errichten. Bei Maldon fand, im Zuge einer neuen
wikingischen Angriffswelle, 991 die in einem berühmten
angelsächsischen Gedicht geschilderte Schlacht statt. In der
ausgehenden Angelsachsen-Zeit war die Familie
des Earl Godwin ein bedeutender
Machtfaktor in Essex.
Nach der normannischen Eroberung von 1066 übertrug König Wilhelm I. der mehreren
seiner Gefolgsleute Land in Essex, darunter den Begründern der Häuser DE MANDEVILLE und DE VERE, die während des
späteren Mittelalters durchgängig eine bedeutende Rolle in
der Grafschaft spielten. König
Stephan erhob Geoffrey de Mandeville und Aubrey de Vere 1140 jeweils
zu Earls von Essex und Oxford, was Geoffrey jedoch nicht an einer
Rebellion gegen Stephan
hinderte. Die Grafschaft war in eine Reihe von Aufständen
involviert, unter anderem in die Bürgerkriege um die Magna Carta
(1215-16) und in den großen Bauernaufstand unter Wat Tyler (1381). Die
Klöster
und Kirchen von Essex waren 1403-1404 Keimzellen einer
Verschwörung gegen König Heinrich IV. Zumeist
aber herrschten friedliche Verhältnisse in der Grafschaft, die
ihren Wohlstand dem Wollhandel sowie der Lieferung von Agrarprodukten
und Fisch auf dem stets aufnahmebereiten Londoner Markt verdankte.
Neben den alten städtischen Zentren wie Colchester entwickelten
sich im Spät-Mittelalter blühende boroughs wie etwa
Chelmsford.
B.A.E. Yorke