CHANCERY, COURT OF
Lexikon des Mittelalters:
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Chancery, Court of
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Englisches Kanzleigericht
Die Ausprägung des Court of Chancery erfolgte
während zweier Jahrhunderte, aber vieles seiner
Entstehungsgeschichte ist noch unsicher.
Seit dem späten 13. Jh.
gibt es Hinweise auf von einem chancellor ('Kanzler')
abgefaßte Rechtsmittel und auf den Erhalt und die Beantwortung
von Petitionen. Der chancellor
war bald der wichtigste Beamte des Königs, ein führender
Ratgeber, der der chancery
(zu den allgemeinen Voraussetzungen Kanzler, Kanzlei) vorstand, wo zum
Beispiel Kläger writs
erwirkten, die für die Einleitung von Prozessen in den Common-Law-Gerichtshöfen
notwendig waren und wo Anordnungen über die Einleitung von
Untersuchungen in Erbschafts- und Grundbesitzfragen getroffen sowie
Untersuchungsergebnisse archiviert wurden. Es ist verständlich,
daß der Kanzler in Hinblick auf seine Stellung und seine Arbeit
in der Kanzlei begann, administrative und jurisdiktionelle Rechtsmittel
zu erteilen - entweder allein oder zusammen mit Richtern und Ratgebern.
Allerdings darf man in dieser Zeit noch nicht zu sehr zwischen der
Tätigkeit des Kanzlers und derjenigen der Gruppe der Ratgeber und
Beamten am königlichen Hof differenzieren.
Eindeutige Hinweise auf einen Court of Chancery mit
eigenen Verfahrensweisen gibt es dann seit dem 2. Viertel des 14. Jh.
Diese Entwicklung wurde vor allem dadurch begünstigt, daß
ein Gerichtshof notwendig wurde, der die Gerichtshöfe des Common-Law ergänzte, deren
Gerichtspraxis starr geworden war und die neuartige Fälle nicht
beachten wollten. Um 1350 wurde auch erstmals zwischen Common-Law und Billigkeitsrecht
unterschieden. Im späten 14. Jh. setzt dann die Überlieferung
der Gerichtsakten des Court of Chancery in
größerem Umfang ein, zuerst erscheinen hauptsächlich
Petitionen (bills) an den
Kanzler und dann seit 1440 auch Petitionen, Vorladungen, Klagschriften
und einige Urteile. Im 15. Jh. stieg die Zahl der Fälle
ständig an, von über 100 pro Jahr in der ersten Hälfte
des Jahrhunderts auf fast 600 pro Jahr zwischen den 1460-er Jahren und
1500.
Die Gerichtsverhandlungen wurden entweder vom Kanzler allein oder
zusammen mit den Richtern des Common-Law
und Räten abgehalten. Einige Gerichtsfälle wurden
wahrscheinlich vor dem Council
in Chancery verhandelt,
dessen Jurisdiktion und Zusammensetzung sich mit dem Court of Chancery
überschnitt. Allerdings stellt die heute vielfach gängige
Ansicht, daß die Jurisdiktion des Court of Chancery vom
Council delegiert worden sei, eine Simplifizierung dar. Der
höchste Kanzleibeamte, der keeper
oder master of the rolls,
wurde der Vertreter des Kanzlers, und die anderen höheren Beamten
oder Vorsteher der Kanzlei dienten als Gerichtsbeamte. Der
Funktionswandel von den eigentlichen Aufgaben einer Kanzlei zu einem
Gerichtshof zeigt sich darin, daß es sich in der 2. Hälfte
des 15. Jh. bei diesen Beamten zunehmend um Graduierte des
römischen und kanonischen Rechtes handelte und daß sie im
späten 16. Jh. untergeordnete Richter des Court of Chancery waren.
Der Court of Chancery
besaß sowohl die Jurisdiktion für das Common-Law als auch für das
Billigkeitsrecht. Es wurden jedoch vor dem Court of Chancery Prozesse
verhandelt, auf die die Rechtsmittel des Common-Law wegen Nötigung,
Armut oder anderer Gründe nicht anwendbar waren, sowie auch
Fälle, die nicht unter das Common-Law
fielen. Im 15. Jh. handelte es sich meistens um Streitfälle des
Handels, in die sowohl Ausländer (die nach dem Common-Law nicht klagen bzw.
beklagt werden konnten) als auch Einheimische verwickelt waren, zum
Beispiel Auseinandersetzungen um Verträge, die nicht ohne weiteres
in den Bereich des Common-Law
fielen. Allgemein üblich waren auch Gerichtsverhandlungen, die zu
Nießbrauch ausgetane Lehen betrafen - davon wurde ausgiebig
Gebrauch gemacht, um feudale Erbschaftsregelungen zu umgehen.
Der Court of Chancery war eine
blühende Rechtsinstitution, weil er - im Unterschied zu sonstigen
Gerichtshöfen - auf dem Billigkeitsrecht beruhende und weniger
schwerfällige Verfahrensweisen bot. Seine Vorladungen von
Angeklagten, besonders die »sub
poena«, waren wirksam und fanden überall Beachtung.
Außerdem fanden stärker schriftliche als mündliche
Plädoyers Anwendung, während die Zeugenaussagen sowohl
schriftlich als auch mündlich vorgetragen werden konnten. Deshalb
waren die Gerichtsverfahren am Court of Chancery
zügiger und billiger als diejenigen an den Gerichtshöfen des Common-Law. Im 16. Jh. nahm die
Tätigkeit des Court
of Chancery noch zu, und die Funktion der
Kanzlei wurde in erster Linie die eines Gerichtshofes, und der Kanzler
wurde zum Justizbeamten - wie er es noch heute ist.
A.L. Brown