BASTARD FEUDALISM
Lexikon des Mittelalters:
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Bastard Feudalism ('Bastardfeudalismus')
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Mit diesem Terminus bezeichnet die englische Geschichtswissenschaft die
Gesellschaftsordnung des spätmittelalterlichen England (ca. 1300-ca. 1500).
Der zuerst
von Rev. Ch. Plummer in seiner Edition von Sir John Fortescue,
»On the Governance of England« (1885), verwendete Terminus
erlangte durch zwei bedeutende Arbeiten von K. B. McFarlane
(1944,1945-47) allgemeine Verbreitung. K. B. McFarlane,
hierin einem Aufsatz von H. M. Cam (1940) verpflichtet,
betrachtete den Bastard Feudalism
als »höchst unfeudale Gesellschaftsordnung«, die nach
seiner Auffassung nur oberflächliche Ähnlichkeit mit der
feudalen Gesellschaft des anglo-normannischen England besaß.
W. H. Dunham jr. (1955) sah den Bastard
Feudalism dagegen als verfeinerte und
ausgeklügelte Variante des Feudalismus an.
Als charakteristisches Moment des Bastard
Feudalism kann die Zahlung von Geld im Austausch
gegen militärische Dienste, welche die Gefolgsleute (die jedoch
keine Vasallen im Sinne des Lehnswesens sind) ihrem Herrn leisteten,
gelten.
Während der Regierung König
Eduards
I. (1272-1307)
begannen Verträge von kurzer Laufzeit, die eine Bezahlung von
Kriegsdiensten beinhalteten, den unbezahlten feudalen Heeresdienst, den
die Kronvasallen dem König schuldeten, zu verdrängen.
Die
Bürgerkriege unter Eduard
II. (1307-27) veranlaßten verschiedene Große
(besonders Thomas, Earl
of Lancaster,
† 1322), Gefolgsleute
anzuwerben, die mit Jahresrenten auf Lebenszeit entlohnt wurden. Diese
Entwicklung wurde durch den Ausbruch des Hundertjährigen Krieges
(1337) begünstigt. Neben Mitgliedern der Haushalte und Inhabern
grundherrschaftlicher Ämter umfaßte die affinity (Gefolgschaft, familia)
englischer Adliger auch Rechtsberater und Mitglieder der Gentry
(des
niederen Adels), die durch schriftlichen Vertrag auf Lebenszeit dem
Haushalt ihres Herrn gegen eine Rente oder Pension verbunden waren
(indentures of retainer; vgl.
auch indentures).
Die
Tatsache, daß
dieses System der Dienstverpflichtung und der Gewährung von
Unterhalt (traditionelles Symbol des Patronats des Lehnsherren und der
Bindung des Vasallen) immer mehr um sich griff, erwies sich als
nachteilig für die politische und rechtliche Ordnung; das
Anwachsen aristokratischen Macht vollzog sich auf Kosten der
politischen Stabilität, was sich vor allem während der
Regierung Richards
II. (1374-99) und in der Periode der Rosenkriege (ca. 1455-1487) bemerkbar
machte. Mit gesetzgeberischen Maßnahmen (1468,1504) wurde
versucht, das aristokratische Gefolgschafts- und Söldnerwesen
einzudämmen. - Wir besitzen reiches Quellenmaterial über die
Klientelen einiger weniger großer Herren, und zwar über
diejenigen von John
of Gaunt († 1399), Herzog
von Lancaster, dessen affinity
an Größe und
Kosten ihresgleichen suchte; Humphrey
Stafford († 1460), 1. Herzog von Buckingham;
William
Lord
Hastings († 1483).
Wie verbreitet im spätmittelalterlichen England jedoch
tatsächlich die Gewohnheit war, sich auf Lebenszeit einem Herrn
gegen indenture zu verdingen,
bleibt unsicher. Auch in anderer Hinsicht ist nicht nachzuweisen,
daß der Bastard Feudalism
einen signifikanten Wandel der englischen Gesellschaft mit sich
brachte. Dem Bastard Feudalism
vergleichbare Phänomene sind im Spät-Mittelalter auch
außerhalb Englands feststellbar, wurden jedoch bisher nicht unter
diesem Begriff gefaßt. indentures, Feudalismus,
Söldnerwesen, Heer, Hundertjähriger
Krieg.
T. B. Pugh