ARRAS, FRIEDEN VON
Lexikon des Mittelalters:
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Arras, Frieden von (1435)
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Aufgabe des Kongresses, der unter der Leitung des von Papst Eugen IV. entsandten Kardinals Albergati am
5. März 1435 in der Abtei St-Vaast zu Arras zusammentrat,
sollte es sein, den »Hundertjährigen
Krieg« zu beenden.
Neben dem schon mehrfach um Vermittlung
bemühten Albergati
erschien in der flandrischen, jetzt zum burgundischen Staat Philipps des Guten
gehörigen Kongreßstadt Kardinal
Hugo (von Lusignan-Zypern;
Lusignan)
als Verteter des mit Papst
Eugen zerstrittenen Konzils
von Basel. Die burgundische Delegation wurde vom Kanzler Nicolas Rolin geführt.
Der minderjährige Heinrich VI. von
England (1422-1461)
und seine Onkel, die Herzöge
Johann von Bedford
und Humphrey von
Gloucester, wurden neben zahlreichen anderen geistlichen und
weltlichen Würdenträgern durch
Kardinal Kemp, Erzbischof von
York, und den später eintreffenden Kanzler Heinrich von Beaufort,
Kardinal und Bischof von Winchester,
vertreten.
Die Leitung der großen französischen
Gesandtschaft hatte Herzog Karl von Bourbon
und der Auvergne. Auch Vertreter der Stadt und der Universität
Paris waren anwesend.
König Karl VII. hatte
zwar
dank der Jeanne d'Arc 1429
in Reims die Krönung
empfangen, sich aber nicht Paris' bemächtigt, so daß Heinrich VI.
dort hatte gekrönt werden können. Unzweifelhaft wollte Philipp der Gute,
dessen flandrische Tuchmacher jetzt weniger als noch vor einigen
Jahrzehnten von England abhingen,
einen Ausgleich mit Frankreich.
Die Engländer forderten für Heinrich VI.
die Ehe mit einer Tochter Karls VII. und
nur einen
Waffenstillstand, während die Franzosen den Verzicht Heinrichs
VI. (von Lancaster) auf
den Titel »König von Frankreich« verlangten, auf der
Rückgabe aller besetzten Festungen und Städte, der Lehennahme
bestimmter Herrschaften vom französischen König und einem
vollständigen Frieden beharrten. Da die Engländer von ihren
Forderungen nicht abrückten, wollten die Franzosen den
größten Teil der Normandie
England überlassen. Aber
auch weitere Verhandlungen ermöglichten es Albergati nicht, den erstrebten
allgemeinen Frieden herbeizuführen. Die Engländer gaben unter
anderem wohl deshalb nicht nach, weil sie darauf rechneten, daß Philipp der Gute
zu seinem Eid (1420), ohne Zustimmung des englischen Königs keinen
Frieden mit den Franzosen zu schließen, stehen werde; sie
verließen Arras am 6. September, nachdem sie im Falle eines
Sonderfriedens mit Krieg gegen Burgund und seinen Handel gedroht hatten.
Die Beauftragten der Kurie zerstreuten mit historischen und uristischen
Argumenten die Bedenken Philipps
gegen den Bruch des Vertrages
von Troyes 1420, den der Herzog vor allem wegen der Ermordung
seines Vaters Johann Ohnefurcht
(1419)
beschworen hatte (Armagnacs et
Bourguignons). Der vom Kanzler
Rolin entworfene
Friedensvertrag zwischen Burgund und
Frankreich (21. September 1435) sicherte deshalb Philipp ausführliche
Genugtuung für den Mord zu. Frankreich überließ dem
Herzog unter anderem die Grafschaften Mâcon und Auxerre,
Péronne, Montdidier, St-Quentin, Corbie, Amiens, Abbeville,
Boulogne. Im Falle eines englischen Angriffes auf Burgund versprach Karl VII.
Hilfe. Damit war die burgundische
Nebenlinie der VALOIS
mit dem Königs-Haus ausgesöhnt, England aber seiner
traditionellen Stütze in Flandern - und den übrigen
burgundischen Herrschaften - beraubt.
Kaiser SIEGMUND war
an der Lösung des Problems nicht beteiligt. - Die Zusammensetzung
der Delegationen aus hervorragenden Fachleuten, genaue
Gesandteninstruktionen, Protokolle und andere diplomatische
Schriftstücke zeigen, daß der Kongreß von Arras neben
anderen derartigen Versammlungen dieser Jahrzehnte (Konstanz, Florenz,
Basel, Luck) einen wichtigen Schritt zur Ausbildung einer
internationalen Diplomatie und Vertragstechnik darstellt (Diplomatie
und Gesandtschaftswesen).
H. Patze