Begraben: Sahagun
Ältester Sohn des Königs
Ferdinand I. der Große von Kastilien und der Sancha
von Leon-Asturien, Tochter von König
Alfons V.
Lexikon des Mittelalters: Band I Spalte 398
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Alfons VI., König von Leon und Kastilien
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* Juni 1040, + 30. Juni 1109
Toledo
Begraben: Sahagun
2. Sohn von Ferdinand I. und Sancha
Bei der von seinem Vater vorgenommenen Teilung erhielt
Alfons
Leon und den Tribut des islamischen Königreiches Toledo, wobei es
zu langandauernden Konflikten mit seinem ältesten Bruder Sancho
kam, der Kastilien und den Tribut von Zaragoza geerbt hatte. Bei mehreren
kriegerischen Auseinandersetzungen unterlegen, wurde Alfons
1072
von Sancho abgesetzt und mußte
sich an den Hof seines maurischen Vasallen in Toledo zurückziehen.
Nach dem Tode Sanchos bei der Belagerung
von Zamora trat Alfons VI. die Herrschaft
über Leon, Kastilien und Galicien an, das seinem Bruder Garcia
entzogen worden war. In Kastilien wurde er von den Vasallen nur wiederstrebend
anerkannt; er hatte zuvor in Burgos dem Cid die Unschuld am Tode seines
Bruders Sancho II. (1072) durch einen
Reinigungseid bezeugen müssen. Die Regierungsjahre Alfons
von
1072-1086 sind durch einen imperialen Aufschwung der kastilisch-leonesischen
Herrschaft geprägt. Alfons VI.
bemächtigte sich des Roja-Gebietes, zwang Sancho
Ramirez zum Lehnseid für das nördlich des Ebro gelegene
Navarra und eroberte Toledo im Mai 1085 nach langer Belagerung. Angesichts
der kastilischen Bedrohung rief Mu'tamid von Sevilla
den ALMORAVIDEN-Emir Jusuf ibn Tasufin
zu Hilfe, der mit seinen berberischen Truppen Ende Juni 1086 in Algericas
landete und dem Heer Alfons' am 23.
Oktober 1086 bei Sagrajas nahe Badajoz eine vernichtende Niederlage zufügte.
Ein Rückgang des kastilischen Einflusses auf die Taifa-Königreiche
war die Folge, ebenso aber auch die Versöhnung mit dem von ihm 1081
verbannten Cid, der in der Folge die iberische Levante erfolgreich im Auftrag
Alfons'
besetzte
und verteidigte. 1086-1109 erzielte Alfons VI.
im Kampf gegen die ALMORAVIDEN
fast
ausschließlich Mißerfolge. Neid und Rivalität gegenüber
dem Cid verhinderten ein dauerhaftes militärisches und politisches
Zusammengehen mit diesem, wodurch die Möglichkeit einer gesamtspanischen
Herrschaftsbildung ungenutzt blieb. Die Verheiratung seiner Tochter Urraca
mit Alfons I. dem Eroberer brachte
nicht den gewünschten politischen Erfolg. - Kulturell wurde das verstärkte
Eindringen abendländisch-französische Einflüsse unter Alfons
VI. gefördert, wozu wohl auch seine Heiratsverbindungen
mit französischen Prinzessinnen und die Einsetzung von Bischöfen
französischer Herkunft beitrugen. Der romanische Baustil breitete
sich während seiner Herrschaft südlich der Pyrenäen aus,
die römische Liturgie wurde eingeführt, die westgotische Schrift
durch die französische verdrängt. Begünstigt wurde das Eindringen
dieser Neuerungen durch die große Pilgerstraße nach Santiago
de Compastela, die der König wiederherstellen und sichern ließ.
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Alfons VI. wurde
1065 König von Leon und lag seit dem Tode der ausgleichenden Mutter
1067 ständig mit seinem Bruder Sancho
in Krieg, der ihn nach einer Niederlage 1070-1072 nach Toledo verjagte.
Nach der Ermordung seines Bruders wurde er 1072 Alleinkönig von Leon-Asturien,
Kastilien und Galizien und gewann 1076 La Rioja, Logrono und Calahorra
von Navarra. Er wandte sich wieder verstärkt der Reconquista zu und
eroberte 1085 das Taifenreich Toledo, wohin er seine Residenz verlegte
und wo er das alte Erzbistum restituierte. Mit diesem Erfolg rief er die
scharfe Reaktion der marrokanischen ALMORAWIDEN
hervor, die seit 1086 die restlichen Taifenreiche nach der Schlacht von
Zalaka, die Alfons VI.gegen Kalif ben
Jussuf verlor, unterwarfen. Alfons VI.
behauptete aber Toledo, führte wie der Vater auch den Titel Kaiser,
sorgte mit energischer Hand für Recht und Ordnung, förderte
die Cluniazenserbewegung und die römische Liturgie, die weitgehend
die alte westgotische verdrängte. Alfons
VI. erlitt bei seiner neuen Offensive 1108 mit der Schlacht
bei Ucles einen bösen Rückschlag, konnte in einem letzten Feldzug
Cordoba plündern, Sevilla und Jaen leisteten Tribute. Er war bedeutend
als Herrscher, fragwürdig als Mensch.
1069
1. oo Agnes von Poitou, Tochter des Herzogs Wilhelm
VIII.
- 1077 - um
1078
1081
2. oo Konstanze von Burgund, Tochter des Herzogs
Robert I.
- 1093
1093
3. oo Bertha von Frei-Burgund, Tochter des Grafen
Wilhelm I.
- 1097 (nach 17.11.1099 Lexikon des MA bei Artikel Zaida)
1098/99
4. oo 2. Isabella von Denia, Tochter des Maurenkönigs
Abn Alhaje
- 1107
1108
5. oo Beatrix von Poitou, Tochter des Herzogs
Wilhelm VIII.
- 1110
Kinder:
2. Ehe
Urraca Königin von Kastilien
1082-8.3.1126
4. Ehe
Sancho Erbe von Kastilien
ca. 1093-30.5.1108
bei Ucles
Sancha
- vor 1125
1120
oo Rodrigo Gonzales de Lara Graf de Liebana
- 1143
Elvira
um 1100-8.2.1135
1118
oo Roger II. König von Sizilien
22.12.1095-26.2.1154
Illegitim
Elvira
- nach 1151
1094
oo Raimund IV. Graf von Toulouse
-28.2.1105
Therese
von Jimena Muniz
um 1070-1.11.1130
Regentin, 1113 Königin von Portugal, ihrem Erbteil
um 1093
oo Heinrich von Burgund Graf von Portugal
1069/70-1.11.1112
Literatur:
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Brouwer Johan: Johanna die Wahnsinnige. Glanz
und Elend einer spanischen Königin. Eugen Diederichs Verlag München
1995 Seite 47 - Die Begegnung des Westens mit dem Osten, hg. von
Odilo Engels und Peter Schreiner, Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1993,
Seite 225,228,229,230,231,233-237,239,241 - Vones Ludwig: Geschichte
der Iberischen Halbinsel im Mittelalter 711-1480. Reiche - Kronen - Regionen.
Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1993 Seite 11,62,68,70-73,77,80-84,88-93,107
- Vones-Liebenstein: Königin Urraca. in: Frauen des Mittelalters
in Lebenbildern. Schnith Karl (Hrsg.) Verlag Styria Graz Wien Köln
1997 Seite 175,177-183,187 -
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Vones Ludwig:
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„Geschichte der Iberischen Halbinsel“
Mit dem Tod Sanchos,
der seine letzte Ruhestätte im Kloster San Sebastian de Ona fand,
ging die legitime Nachfolge im Reich auf Alfons
VI. über. So wurde er, allgemein vom Adel anerkannt, bei
seiner Rückkehr nicht nur wieder als König von Leon begrüßt
- eine Würde, die er nun mit seiner älteren Schwester Urraca
teilte -, sondern er konnte auch aufgrund der Erbfolge unwidersprochen
Ansprüche auf das Königtum Kastilien geltend machen. Allein der
kastilische Adel, nochmals die Unabhängigkeit und die rechtliche Stütze
seiner Stellung betonend, verlangte unter Führung des Rodrigo Diaz
einen Reinigungseid, wodurch der neue König seine Unschuld an der
Ermordung Sanchos erhärten sollte.
Alfons VI. war vor seiner Anerkennung als König von Kastilien
gezwungen, diesen Eid vor dem Cid durch 12 Schwurhelfer in der Burgenser
Kirche Santa Gadea (Agueda) leisten zu lassen. Im Gegenzug empfing er vom
Cid den Lehnseid und vom kastilischen Adel das Treueversprechen. Anders
als Menendez Pidal vermutete, scheint Alfons VI.
den treuesten Gefolgsmann seines Vorgängers keineswegs aus seinen
inzwischen gefestigten Machtpositionen entfernt, sondern ihn vielmehr umworben
zu haben. Zwar hatte hinfort Pedro Ansurez die führende Stellung am
Hof inne, doch fiel der Cid schließlich nur deshalb in Ungnade und
mußte ins Exil gehen, weil er seinen Pflichten als Lehnsmann nicht
in der vorgeschriebenen Weise nachgekommen und der ira regia, dem als verfassungsrechtliches
Strafmittel vorgesehenen königlichen Zorn, verfallen war. Es darf
allerdings nicht übersehen werden, dass der leonesische Adel anscheinend
nur auf eine Gelegenheit gewartet hatte, um die ungeliebte Leitfigur der
kastilischen Adligen zu Fall zu bringen. Die Vereinigung der Königreiche
Leon, Kastilien und Galicien - Alfons VI.
wurde bereits im Dezember 1072 als rex...in Castella et in Legione et
in Gallecia bezeichnet und ließ seinen Bruder Garcia
im Februar 1073 für den Rest seines Lebens auf der Burg Luna
bei Leon einkerkern - in der Hand eines Herrschers wurde somit begleitet
von der Verfestigung alter, vorerst unüberbrückbarer Gegensätze
zwischen den unterschiedlichen Adelsgruppen der einzelnen Reichsteile.
Das Verhältnis des leonesisch-asturischen, kastilischen und galicischen
Adels zueinander blieb fortan geprägt von tiefem Mißtrauen und
steter Wachsamkeit, wenn es um Vormachtstreben innerhalb der Reichsorganisation,
die Abwehr äußerer Eingriffe in eigene Belange und konkrete
Tendenzen zur Abspaltung ging. Selbst die Eroberung Toledos 1085 und die
damit im ideologischen Bereich verbundene, als Ziel der Reconquista seit
den Zeiten Alfons' III. propagierte
Wiederherstellung des Westgotenreiches sowie die neuerliche Wiederbelebung
der Kaiseridee als allumfassende Klammer sollten zukünftige Spannungen
auf der Adelsebene ebensowenig verhindern können wie das Fortleben
partikularistischer Vorstellungen, die in diesen verfassungsrechtlich bedingten
Antagonismen den geeigneten Nährboden fanden.
Mit der über sechs Jahre durch zahlreiche Feldzüge
vorbereiteten Einnahme von Toledo (6. Mai 1085), der alten Hauptstadt des
Westgotenreiches, war das große Ziel der Reconquista, das seit den
Tagen Alfons' III. propagiert worden
war, im eigentlichen Sinne verwirklicht. Alfons
VI. konnte mit Fug und Recht den Titel eines "Toletani imperii
rex et magnificus triumphator", eines "totius Espanie imperator"
oder eines "Adefonsus Imperator super omnes Hispaniae nationes constitutus"
annehmen
und dazu übergehen, seinen Anspruch auf eine Hegemonialstellung über
alle Reiche jedweder Religion auf der Iberischen Halbinsel in die Tat umzusetzen.
Dies galt nicht nur für den christlichen Norden, wo ihm Sancho
Ramirez den Titel eines "Kaisers in Toledo und in Leon" nicht
verweigerte, sondern auch für die verbliebenen islamischen Herrschaften
im Süden, insbesondere für seine Beziehungen zum Taifenreich
von Sevilla, gegenüber dem er den Titel eines "al-Imbratur dhu-l-Milla-tayn",
eines "Kaisers der zwei Religionen" ins Spiel brachte. Der Versuch Alfons
VI., dort leonesische Adlige aus seiner engsten Umgebung gewissermaßen
als beigeordnete Machtwalter einzusetzen, mußte zwangsläufig
auf entschiedenen Widerstand stoßen, läßt aber andererseits
verständlicher werden, wieso die christlichen Reiche begierig die
päpstliche Schutznahme anstrebten.
Die Machtaspirationen des kastilisch-leonesischen Herrschers
gegenüber den Taifenreichen wurden im Keim erstickt, als die in äußerer
Bedrängnis herbeigerufenen ALMORAVIDEN
nach Spanien übersetzten und Alfons VI.,
der die Belagerung Zaragozas abbrechen mußte, unter ihrem Führer,
dem amir al-muslimin ("Befehlshaber der Muslime" im Gegensatz zum herkömmlichen
Kalifen "Befehlshaber der Gläubigen") Yusuf
ibn Tasufin, bei az-Zallaqa (Sagrajas) am 23. Oktober 1086 eine
vernichtende Niederlage beibrachten. Damit wurde die zweite Phase der Regierung
Alfons'
VI., die 1072 mit der Reichseinigung begonnen hatte und von
großen Erfolgen bei der Reconquista begleitet worden war, abrupt
beendet, ohne dass seine Stellung im christlichen Bereich eine nennenswerte
Erschütterung erfahren hätte.
Mit der Regierung Alfons' VI.
begann gleichfalles auf der dynastischen Ebene eine Annäherung von
Kastilien-Leon an die Reiche nördlich der Pyrenäen, wobei das
Bestreben, mit dem burgundischen Raum, der Wiege Clunys, in verwandtschaftliche
Beziehungen zu treten, nicht zu übersehen ist. Sollte sich die erste
Ehe des Königs mit Agnes von Aquitanien,
einer Tochter des eng mit dem burgundischen Herzogs- und dem deutschen
Kaiserhaus verwandten Herzog Wilhelm VIII., noch als wenig fruchtbar erweisen
und dieselbe schon um 1077 wegen Kinderlosigkeit geschieden werden, so
führte die zweite Heirat mit Konstanze,
der Tochter des vom KAPETINGER-Haus
abstammenden Herzogs Robert I. von Burgund,
im Jahr 1079 nicht nur zur Geburt der nachmaligen Königin
Urraca
und
einem verstärkten Zuzug cluniazensischer Mönche sondern auch
zur dauerhaften Übersiedlung burgundischer Adliger auf die Iberische
Halbinsel.
Eindrucksvolle Beispiele für diese Tendenz zu gegenseitiger
Verflechtung sind drei Eheschließungen: die des Grafen Raimund
von Burgund, der gemeinsam mit seinem Schwager, Herzog
Odo I. Borell von Burgund, 1086-1087 an einer erfolgreichen
Belagerung von Tudela teilgenommen hatte, mit eben jener Königs-Tochter
Urraca um das Jahr 1087, was ihn, einem entfernten Verwandten
der Königin Konstanze, die Grafschaft
Galicien einbrachte, die des Grafen Heinrich von
Burgund, Enkel Herzog Roberts von Burgund,
Neffe der Königin Konstanze, Bruder
Abt Hugos von Cluny und Vetter Raimunds, mit Teresa
(1095), einer illegitimen Tochter Alfons' VI.
von
seiner Konkubine Jimena Muniz, die ihm die Grafschaften Coimbra
und Portugal eintrug; und die des Königs selber, der nach dem Tod
seiner zweiten Gemahlin Konstanze 1093
Bertha,
die Tochter des Grafen Wilhelm I. von Burgund
und Schwester Raimunds, heiratete. Sie alle waren nicht nur mit
der französischen Königsdynastie sondern auch mit dem Grafenhaus
von BARCELONA verwandt. Darüberhinaus gab Alfons
VI. eine weitere illegitime Tochter Elvira
dem
Grafen Raimund IV. von St. Gilles zur Gemahlin, wodurch das Grafenhaus
von TOULOUSE in der Gestalt des aus dieser Verbindung hervorgegangenen
Grafen Alphonse-Jourdain (+ 1148) ebenfalls verwandtschaftlich an Kastilien-Leon
gebunden wurde. Über Heiratsverbindungen strebte der König den
Aufbau eines politischen Bildungsgeflechtes an, um seinem Reich den Rang
einer europäischen Macht zu verschaffen. Mit dem Einsatz seiner Töchter
als Mittel, um einen solchen Konnex herzustellen, verhielt er sich nicht
anders als die übrigen Herrscher seiner Zeit, ja selbst das Sozialverhalten
des Adels unterschied sich in nichts, wenn es darum ging, über matrilineare
Bindungen ein Verwandtschafts- und damit Herrschaftssystem zu begründen
und abzusichern.
Seine beiden burgundischen Schwiegersöhne setzte
der kastilisch-leonesische König in kluger Berechnung ein, um die
galicischen und portugiesischen Adelsgruppen, die seit jeher zu selbständigen
Handeln neigten und häufig durch Unbotmäßigkeit sowie Aufstände
gegen die Reichsgewalt hervorgetreten waren, durch landfremde Grafen besser
in den Griff zu bekommen. Er konnte allerdings nicht verhindern, dass Raimund
und mit größerem Erfolg Heinrich die
Gelegenheit nutzten, um in ihren Grafschaften eine weitgehend unabhängige
Stellung aufzubauen. In letzter Konsequenz schielten beide sogar nach der
Königsmacht in Kastilien-Leon. Denn obwohl Alfons
VI. nach dem Tode Berthas,
mit der er keine Kinder hatte, noch zweimal heiratete - zuletzt mit Beatrix
von Aquitanien eine weitere Tochter Herzog Wilhems VIII. -,
blieb ihm der legitime männliche Leibeserbe ohne Makel versagt, der
allein eine reibungslose Herrschaftsnachfolge garantiert hätte. Einzig
die Maurin Zaida, die 1098/99 bei der
Eheschließung den christlichen Taufnamen Isabella
annahm,
schenkte ihm einen Sohn Sancho. Doch
auch diese Hoffnung trog. Als der kastilisch-leonesische König nach
dem Tod seines Schwiegersohnes Raimund, dem von
Urraca ein Sohn Alfons (Raimundez,
der spätere Alfons VII.) geboren
worden war, das Nachfolgerecht Sanchos
gesichert hatte, fiel dieser in der Schlacht von Ucles (1108), in der die
ALMORAVIDEN
dem christlichen Aufgebot eine verheerende Niederlage beibrachten.