Einziger Sohn des Grafen Konrad II. von Auxerre
aus dem schwäbischen Geschlecht derWELFEN
und der Adelais
Lexikon des Mittelalters: Band VII Spalte 1075
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Rudolf I., König von Hoch-Burgund
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+ wohl 25. Oktober 912
Sohn von Konrad Dux in Transjuranien, aus dem Geschlecht der sogenannten westfränkischen WELFEN (RUDOLFINGER), und einer Waldrada
Er folgte dem Vater vor 878 in Herzogswürde und Laienabbatiat von St-Maurice d'Agaune nach. Nach dem Tode KARLS DES DICKEN ließ sich Rudolf I. in Agaune zum König krönen (Januar 888), kurz darauf in Toul (Frühjahr 888), wodurch er seinen Anspruch auf Lotharingien manifestierte. Der ostfränkische KAROLINGER ARNULF nötigte ihn jedoch, Lotharingien und Elsaß abzutreten und sich als 'fidelis' ARNULFS zu erklären (Regensburg, Oktober 888). Rudolf I. behielt seine transjuranischen Länder sowie die Grafschaften jenseits der Saone (Outre Saone: Portois, Ecuens, Varais) und zog den Erzbischof Theoderich von Besancon als Erzkanzler heran. Seine Schwester hatte sich mit dem Herzog von Burgund, Richard le Justitiar, vermählt. Doch verlieh ARNULF, der den Königstitel des in der Provence herrschenden LUDWIGS 'DES BLINDEN' anerkannt hatte, Lotharingien und Burgund an seinen Sohn Zwentibold (895); Rudolf I. sah damit seinen Herrschaftsbereich reduziert auf die transjuranischen Gebiete (Wallis, Bistümer Genf und Lausanne), was sich im Übergang des Erzkanzleramtes an den Bischof von Sion (Sitten) dokumentierte. Der Tod Zwentibolds und dann ARNULFS ermöglichte Rudolf I. die Rückeroberung des Gebiets von Besancon, und er griff kurz vor seinem Tode nach Basel. Rudolf I. war anerkannter König von Burgund und hinterließ sein Königreich dem Sohn Rudolf II., aus der Verbindung mit seiner Frau Wila (von umstrittener Herkunft; die Ansicht von M. Chaume, dass sie eine Tochter Bosos gewesen sei, bleibt unsicher). Wenn Rudolf I. auch nur einen Teil seiner Herrschaftsziele erreichte, so war er doch Begründer der ersten dauerhaften nicht-karolingischen Dynastie; noch artikulierte er keine Ansprüche auf Italien, sondern beschränkte sich hier auf ein Paktieren mit WIDO von Spoleto und LAMBERT.
Quellen:
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Die Urkk. der burg. Rudolfinger, ed. Th. Schieffer, 1977.
Literatur:
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H.E. Mayer, Die Politik der Kg.e v. Hochburgund im Doubsgebiet,
DA 18, 1962.
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Rappmann Roland/Zettler Alfons: Seite 433
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"Die Reichenauer Mönchsgemeinschaft und ihr Totengedenken
im frühen Mittelalter"
RUDOLF I. VON HOCHBURGUND
Necr. B 27.10. "Ruodolfus rex", König von Hoch-Burgund 888-911/12, + 27.10.911 oder 25.10.912
Literatur:
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Trog, Rudolf I.; Poupardin, Le royaume de Bourgogne Seite
1-28; Biographisches Wörterbuch 2 Spalte 2391; Die Urkunden der burgundischen
Rudolfinger Seite 3-8; Boehm, Geschichte Burgunds, besonders Seite 100ff.;
Hlawitschka, Die verwandtschaftlichen Verbindungen Seite 28-57; Ders.,
Die Königsherrschaft Seite 444-456; Ders., Lotharingien. Zum Todestag:
Regeste genevois Seite 36 Nr. 117; Dümmler, Geschichte des Ostfränkischen
Reiches 3 Seite 581f. Anmerkung 5; Trog, ebd. Seite 80ff.; Poupardin, ebd.
Seite 365ff.; Genealogisches Handbuch zur Schweizer Geschichte I Seite
74f.
Rudolf war der Sohn
Graf
Konrads von Auxerre aus dem Geschlecht der WELFEN
und Großneffe von Judith und
Hemma,
den beiden Gemahlinnen LUDWIGS DES FROMMEN
und Ludwigs des Deutschen; vgl. Tellenbach,
Über die ätesten Welfen Seite 339. Zu Rudolfs Verhältnis
zu Kaiser ARNULF von Kärnten,
siehe Hlawitschka, Lotharingien Seite 69ff., Seite 154ff.; ebd. Seite 145ff.
wird zu einem Gedenkeintrag mit Rudolf
im Liber memorialis von Remiremont Stellung genommen. Das Todesdatum Rudolfs
ist aufgrund der widersprüchlichen Angaben der Quellen umstritten.
Da sein Tod aber nachweislich auf einen Sonntag fiel, kommen nur der 27.10.911
oder der 25.10.912 in Frage.
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Diener, Ernst: Seite 74
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"Könige von Burgund aus dem Hause der Welfen. in:
Genealogisches Handbuch zur Schweizer Geschichte I. Band: Hoher Adel Zürich
1900-1908"
1. Rudolf I., König von Hoch-Burgund 888-912
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872 Rodulfus humilis
comes necnon et monasterii sancti Mauricii Agaunensis abba (Dümmler,
Ostfränk. Reich III² p. 318 Anm. 2), 885 und 886 marchio bzw.
marchius (1. c. p. 319 Anm. 1), Sohn des WELFEN
Konrad, König von Burgund 888, vgl. Reginonis chronicon
SS I 598: Per idem tempus
Ruodolfus,
filius Chuonradi, nepos Hugonis abbatis
... provoinciam inter Jurum et Alpes Penninae accupat et apud sanctum Mairitium
..... coronam sibi imposuit, regemque se appallari iussit; ebenso Annal.
Fuldenses SS I 403; Annal. Vedastini SS I 525; Annal. Flaviniac. et Lauson.
SS III 152; Chronicon Luxoviense SS III 221; Sigeberti chronica (zu 890)
SS VI 343; Annalista Saxo SS VI 587; Hugonis Flaviniac. chron. (zu 892)
SS VIII 357; Annal. Lausann. SS 24, 780. - Ekkehard IV. nennt in seinen
casus sancti Galli, ed. Meyer von Knonau in St. Galler Mitteil. 15, 121
den Abt Hartmuot von St. Gallen cognatus König
Rudolfs, mit wieviel Recht, muß dahingestellt bleiben.
- Das Todesjahr Rudolfs steht nicht
absolut fest. Die Annal. Flaviniac. et Lauson. SS III 152 und die Ann.
Lausann. SS 24, 780 überliefern zu 911: hoc anno obiit Ruodolfus
rex, die dominicio 8 kal. Novembris, während die Annales
Alamann. SS I 155; Herm. Contract. SS V 112; Ekkeh. chron. Wirziburg. SS
VI 28 als Todesjahr 912 angeben. Aus Gründen der Diplomatik
und Chronologie entscheiden sich Trog, Rudolf I. und Rudolf II. von Hoch-Burgund,
Diss. Basel 1877, Exkurs, und neuestens Morel im Anz. f. Schw. Gesch. 1901
p. 421 f. für 911, Brunel in dem sub. 2. cit. Aufsätze für
912.
Da der 25. Oktober im Jahre 911 nicht auf einen Sonntag, sondern
auf einen Freitag fiel, möchte Trog vorschlagen, statt VIII kal. XIII
kal. zu lesen, was auf Sonntag, den 20. Oktober 911 führen würde,
welche Korrektur jedoch nicht angenommen werden kann, da das Necrolog von
Merseburg (Zeitschrift f. Archivkunde I 124) den 26. X., das Reichenauer
(Necrol. I 280) den 27. X. als Todestag nennen.
912 war der
25.
X. ein Sonntag, 911 der 27. X. - Rudolfs
Gattin war Willa;
Rudolfs
uxor, filii und filiae werden bereits 888 XII 21. genannt (Gallia christiana
XV, Instrum. col. 126).
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Rudolf I. wurde 888
in St.-Maurice-d'Agaune zum König von Hoch-Burgund ausgerufen und
galt formell als Vasall der ostfränkischen
KAROLINGER. Er versuchte die Kaiserkrönung ARNULFS
von Kärnten zu verhindern und bemächtigte sich 912
der Stadt Basel. Rudolf stand im schroffen
Gegensatz zum Königreich Nieder-Burgund, da beide das Ziel der Wiederherstellung
des Zwischenreiches Lothringen als Schwerpunkt vor Augen hatten. Seine
Regierungszeit war eine Zeit der politischen Instabilität und erster
Ungarneinfälle.
Schieffer Rudolf:
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"Die Karolinger"
Der WELFE Rudolf,
der den Dukat um den Genfer See beherrschte, faßte bei seiner in
Saint-Maurice d'Agaune erfolgten Königskrönung 888 (Februar?)
die Erneuerung des Lothar-Reiches ins
Auge. Der ostfränkische König ARNULF
war nicht bereit, Rudolfs Ehrgeiz auf
Lotharingien, ausgedrückt in einer Königskrönung während
des Sommers in Toul, hinzunehmen. Durch einen Aufmarsch im Elsaß
nötigte er den WELFEN zum Rückzug
und zum Erscheinen im Oktober in Regensburg, wo er ihm die Königsherrschaft
allein für den westlichen Alpenraum zugestand. Gegen Rudolfs
Reichsbildung fand sich ARNULF nur
mühsam ab und förderte, um deren Expansion vorzubeugen, sogar
die Wiederaufrichtung des burgundisch-provenzalischen Königsreiches
der BOSONIDEN.
Der lästige WELFE Rudolf
wurde
durch die Siege WIDOS von Spoleto
in
Italien spürbar gestärkt, weshalb König
ARNULF nach seinem Italienzug 894 auf dem Umweg einer Strafexpedition
durch Rudolfs hoch-burgundisches Kernland
heimkehrte. Gegen den schwer zu packenden WELFEN
waren ein erneuter Feldzug Zwentibolds
und eine Zusammenkunft ARNULFS mit
LUDWIG
von der Provence im Sommer 894 gerichtet, zu einem guten Teil
aber auch ARNULFS
Plan, den Erstgeborenen,
der seit der Geburt Ludwigs des Kindes
sein Thronfolgerecht in O-Franken eingebüßt hatte, mit einem
gesonderten Regnum auszustatten, dass außer dem eigentlichen Lotharingien
auch Burgund umfassen sollte.
Büttner Heinrich:
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"Geschichte des Elsaß I" 1991
Rudolf, der Sohn Konrads
und Enkel des Abtes Hugo von St. Maurice, welch letzterer bereits zu Lothars
II. Zeiten die Gebiete zwischen Alpen und Jura beherrscht hatte,
ließ sich sofort nach der Absetzung KARLS
III. zum König dieses Gebietes erklären. Aber er spannte
seine Ziele sofort weiter; durch seine Boten ließ er in dem ganzen
ehemals lothringischen Gebiet für sich werben, und tatsächlich
gelang es ihm, in raschem Zug nach Toul vorzustoßen, wo der Bischof
dieser Stadt ihn zum König krönte. Vom Elsaß aus schickte
ARNULF
von Kärnten ein alamannisches Heer gegen
Rudolf. Dieser Einfall zwang
Rudolf,
die lothringischen Eroberungen herauszugeben. Der Feldzug vom Spätsommer
888 brachte keinen entscheidenden Erfolg gegen Rudolf,
dem die geographischen Gegebenheiten sehr zustatten kamen. Im Oktober/November
888 erschien Rudolf
in Regensburg,
aber ARNULF mußte das Bestehen
des burgundischen Reiches anerkennen und sich mit einer nur formellen Oberhoheit
begnügen. Im Jahre 891 konnte ARNULF
noch einen weiteren Erfolg gegen Rudolf von Burgund
buchen.
Dem burgundischen Reich blieben nach dem abgeschlagenen Versuch von 888
nur die Gegenden von St. Maurice nach Lausanne-Genf hin.
Kaiser
ARNULF kehrte im Frühjahr 894 aus Italien mit großen
Schwierigkeiten durch das Aostatal und über den Großen St. Bernhard
zurück. Rudolf hatte sich zwar
vor den Truppen ARNULFS ins Gebirge
zurückziehen müssen, aber beizukommen war ihm hier nicht. Der
Zug Zwentibolds mit alamannischen Truppen
gegen König Rudolf
endete im Sommer
894 erneut als Mißerfolg.
Im Jahre 912 glaubte er die Zeit gekommen für einen
Angriff auf Basel, das ihm als Endpunkt der Jurastraße und als Schlüsselstellung
am Rhein sehr wichtig und erstrebenswert sein mußte. Wahrscheinlich
bewog das Erscheinen KONRADS I. im
Elsaß Rudolf zum Rückzug.
Schneidmüller Bernd: Seite 70,74,76,78-82,104
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""Die Welfen. Herrschaft und Erinnerung."
Konrads Sohn
Rudolf
blieb auf den Dukat in Hoch-Burgund beschränkt und urkundete dort
als Amtsträger der ostfränkischen
KAROLINGER
878 und 885 als Graf und Abt von St-Maurice d'Agaune oder als Graf und
Markgraf (marchius). Die Vettern Konrad und Welf waren 881 und 882
verstorben.
Ein dezidiertes Urteil formulierte die Regensburger Fortsetzung
der Fuldaer Annalen aus der Parteigängerschaft für ARNULF:
"Während er lange verweilte, stiegen viele Königlein (reguli)
in Europa oder dem Reich seines Onkels KARL
empor." Daß der WELFE Rudolf
zur neuen monarchischen Elite zählen konnte, ergab sich aus den Handlungsspielräumen
seiner Familie und mochte allenfalls aus dem fernen O-Franken zögerliche
Beschreibung hervorrufen: "Rudolf aber,
der Sohn Konrads, beschloß in königlicher Art das obere
Burgund bei sich zu behalten."
Präziser beschreibt Regino von Prüm den Aufstieg
Rudolfs
zum König und sein zähes Beharren in unwegsamen Alpengegenden:
"Um diese Zeit eroberte der oben erwähnte Rudolf,
Sohn Konrads und Neffe des Hugo Abbas, das Land (provintia)
zwischen Jura und penninischen Alpen. Unter Beiziehung einiger Adliger
und Priester setzte er sich selbst die Krone auf und befahl, daß
er König genannt werde. Danach schickt er Gesandte durch ganz Lotharingien
(durch das ganze Königreich Lothars);
durch Zureden wie Versprechungen stimmte er den Sinn der Bischöfe
und adliger Männer zu seinen Gunsten. Als das
ARNULF gemeldet wurde, fiel er sogleich mit einem Heer über
ihn her. Jener floh auf schmalsten Wegen und suchte in sichersten Felsennestern
Schutz für sein Leben. Ihr ganzes Leben lang verfolgten ARNULF
und
sein Sohn Zwentibold diesen Rudolf.
Trotzdem konnten sie ihn nicht schädigen, weil, wie emerkt, unzugängliche
Orte, die an vielen Stellen nur Steinböcken zugänglich sind,
die geschlossene Truppe der Verfolger vom Eindringen fernhielten.
Solch knappe Meldungen umschreiben die neue Königswürde
noch mühsam. Ihnen ist wenig zu entnehmen über die Legitimation
des welfischen Königtums, über Rudolfs
Anhängerschaft,
über einen etwaigen Herrschaftsvertrag, wie wir ihn vom westfränkischen
König Odo besitzen, oder über die tatsächlichen
Machtgrundlagen. Auch die späteren Königsurkunden Rudolfs
I., fast alle im Bistum Lausanne und nicht in der Breite des
Königreichs überliefert, helfen kaum weiter: Seit 888 nennen
sich die burgundsichen WELFEN König
(rex). Selbst der einzige blasse Bezug auf merowingische
oder karolingische Vorgänger in
einer Urkunde fußt auf späterer Zeit des Empfängers.
Doch nicht nur für den welfischen
Aufstieg zum Königtum erweisen sich die überlieferten Quellen
als überaus dürftig.
Undeutlich bleibt das Konglomerat von Herrschaft und
Besitz, das sich Konrad und sein Sohn Rudolf
in
den mehr als 20 Jahren seit Zuweisung der Amtsgewalt in den W-Alpen aufgebaut
hatten. Immerhin wird ihr Rang in diesem Raum durch die Ehe von Rudolfs
Schwester Adelheid mit Herzog Richard
Justitiarius von Burgund ebenso deutlich wie in der (welfischen)
Namengebung des aus dieser Ehe hervorgehenden Nachfolgers Rudolf,
Herzog von Burgund und von 923 bis 936 König des westfränkischen
Reiches.
Die Königserhebung des WELFEN
Rudolf im Januar 888 erfolgte in St-Maurice/Agaune, einem herausragenden
sakralen Zentralort seines Reichs. In diesem Kloster am Großen St.
Bernhard, das seine Gründung auf den heiligen Burgunder-König
Sigismund zurückfürte, wurden die Märtyrer der
Thebanischen Legion verehrt. Zur Begründung eines auf politisch-militärische
Tüchtigkeit beruhenden burgundischen Königtums war der ehrwürdige
Ort darum in vielfacher Hinsicht gut gewählt. Ungewöhnlich mutet
dagegen die Maldung Reginos von Prüm über Rudolfs
Selbstkrönung
an. Ob hier Negativberichterstattung vorliegt, ob im winterlichen St-Maurice
kein Bischof zur Verfügung stand, ob
Rudolf
gar
das Vorbild der Aachener Krönung LUDWIGS
DES FROMMEN von 813 ohne Zutun der Geistlichkeit zurückgriff,
- wir können es nicht entscheiden.
Doch der WELFE verfolgte
ausgreifendere Pläne. Offensichtlich strebte er die Herrschaft im
ganzen lotharingischen Mittelreich an, das 864 zur neuen politischen Heimat
seines Vaters geworden war. Balds zog Rudolf gen
Norden nach Toul und vielleicht sogar weiter. Dort spendete ihm Bischof
Arnald von Toul die Königsweihe. Die Annalen von St-Vaast wußten
dazu: "Diejenigen, die jenseits des Jura und diesseits der Alpen wohnen,
versammelten sich in Toul und forderten, daß Rudolf,
der Neffe des Hugo Abbas, durch den Bischof dieser Stadt zum König
geweiht würde, was dieser also tat."
Der Ausgriff nach Lotharingien, so plausibel er aus den
historischen Erfahrungen des WELFEN
auch sein mochte, griff freilich in jenen Handlungsrahmen ein, den die
ostfränkische Reichspolitik seit 869/70 gefunden hatte. Die Interessen
ARNULFS
waren massiv berührt. Darum wird sein konsequentes Vorrücken
gegen Rudolfins Elsaß ebenso
verständlich wie das Nachsetzen eines alemannischen Aufgebots. Noch
888 konnte ein Einvernehmen zwischen beiden Königen erzielt werden,
als sich Rudolf im Oktober zu vertraulichen
Gesprächen zu ARNULF nach Regensburg
begab. Zum Unwillen moderner Historiker wußte die Regensburger Fortsetzung
der Fuldaer Annalen zwar vom friedensstiftenden Charakter dieses Treffens,
nichts aber von Über- oder Unterordnung oder gar von ostfränkisch-deutscher
Hegemonie in Europa: "Der König geht gegen Rudolf
ins
Elsaß vor. Dort schickt er gegen ihn ein alemannisches Heer und kehrte
über Franken nach Bayern zurück. Nach einer Beratung mit den
Adligen der Alemannen begab sich Rudolf
freiwillig zum König in die Stadt Regensburg. Nachdem sie vieles einträchtig
verabredet hatten, kehrten er [Rudolf],
vom König in jenem Frieden entlassen, in dem er gekommen war, nach
Hause zurück."
Indem der WELFE seinem
Gepsrächspartner bis in dessen Hauptort Regensburg entgegenkam, respektierte
er durchaus seinen Vorrang.
Die Ereignissse des Jahres 888 hatten freilich im Ergebnis
Rudolfs
Königtum auf den W-Alpenraum, konkreter auf die Landschaft um den
Genfer See, begrenzt. Trotz des Rückschlags von Toul glückte
Rudolf
die
Behauptung des nordwestlichen Vorlandes im Doubs-Gebiet. Entstanden war
damit ein Königreich mit vielfältiger Namengebung. Zwar blieben
die Grenzen des welfischen Burgund
noch lange erheblichem Wandel unterworfen. Doch das neue Gebilde behauptete
sich im Kräftespiel der fränkischen Nachfolgereiche, und das
sollten ARNULF und seine Sohn
Zwentibold
bald drastisch erfahren.
Im April 894 fiel ARNULF,
von einem militärischen Unternehmen gegen WIDO
von Spoleto in Oberitalien kommend, in Burgund ein. Von den
großen Schwieirigkeiten des Zuges über die unwegsamen Alpen
berichtet der Regensburger Fortsetzung der Fuldaer Annalen: "Als das Heer
wegen des weiten Weges müde wurde, zog der König, bereits bis
Piacenza gekommen, zu Ostern in die Nähe der Burg Ivrea. Ansger,
ein Graf WIDOS, verteidigte diese Burg
und die stark befestigten Klausen, die durch einen darüber gesetzte
Steinburg gesperrt waren, zusammen mit Anhängern König
Rudolfs von Burgund. Sie
waren zu ihm gesandt worden, um den König die Rückkehr zu versperren.
Als der König erkannte, daß eine Eroberung auf dem besetzten
Weg ohne Gefahr für seine Leute nicht möglich war, stieg er mit
großer Mühe des Heeres die Alpen hinauf. Wegen der Größe
des Heers kam er in steilen Felsen vom Weg ab. Unter großer Gefahr
für die Seinen und auf wundersame Weise - die Pferde sprangen an der
mauerartigen Felswand von oben über die klippen herunter, wo sich
ihnen Stufen als Rastort boten - kamen sie schließlich am dritten
Tag ins Tal von Aosta. Der König schickte das Heer voraus und schlug
Rudolf
in die Flucht. Er selbst begab sich durch Hoch-Burgund nach Alemannien
zum Hof Kirchen, wo ihm die Königin entegegenkam."
Regino von Prüm meldet neben Rudolfs
Flucht in unwegsames Alpengelände einen Aufenthalt ARNULFS
in St-Maurice und schwere Verwüstungen des ostfränkischen Heeres
im Land zwischen Jura und Großem St. Bernhard. Noch im Juni 894 versuchte
ARNULF
die politischen Geschicke des Mittelreichs auf einem Wormser Hoftag neu
zu ordnen. Sein illegitimer Sohn
Zwentibold
rückte an der Spitze eines alemannischen Heeresaufgebots erneut gegen
Rudolf
I. vor und eroberte das Land um Besancon, während der niederburgundisch-provencalische
König
LUDWIG III. Teile des hochburgundsichen Reiches erhielt. 895
konnte ARNULF endlich die Zustimmung
seiner Großen zur Königserhebung Zwentibolds
"in Burgund und im ganzen Reich Lothars"
erlangen.
Doch inden militärischen Unternehmungen von 894/95
gegen Rudolf I. wurden nur Teilerfolge
erzielt. Mit dem Doubs-Gebiet kam dem WELFEN der
Vorsteher seiner Kanzlei abbhanden, da sich Erzbischof Theoderich von Besancon
auf ARNULF und Zwentibold
ausrichten mußte. Als Erzkanzler in der burgundischen Kanzlei folgte
ihm Bischof Walter von Sitten. Doch im Kern seines Reichs, im Land um den
Großen St. Bernhard und den Genfer See, war Rudolf
I. nicht entscheidend zu treffen. Als ARNULF
und Zwentibold 899 und 900 starben,
brachte Rudolf I. das verlorene Gebiet
um Besancon und Escuens wieder unter seine Herrschaft. Auch der kurzzeitige
Einfluß LUDWIGS III. von Nieder-Burgund
in Baume-les-Messieurs fand sein Ende. Ob schließlich ein
Ausgriff Rudolfs I. auf Basel - die
Schwäche des letzten ostfränkischen KAROLINGERS
Ludwig IV. ("des Kindes") oder gar den Herrschaftsübergang
auf KONRAD I. 911 nutzend - von durschschlagendem
Erfolg gekrönt war, wissen wir nicht.
Rudolf I. starb vermutlich
am 25. Oktober 912. Die neuere Personenforschung hat ihm eine ansehnliche
Familie zugewiesen. Unklar sind Name und Herkunft seiner Gattin, angeblich
eine Dame namens
Willa, vielleicht
eine Tochter König Bosos von der Provence?
Mehr wissen wir über zwei Söhne (Rudolf,
Ludwig)
und zwei Töchter,
Judith und Waldrada.
Da der erste
welfische König neben
seinem Nachfolger
Rudolf II. offensichtlich
noch einen weiteren Sohn Ludwig hinterließ,
ist für den Wandel der königlichen Thronfolge im 10. Jahrhundert
von besonderer Bedeutung. Erstmals in der Geschichte des frühen Mittelalters
wurden das Königamt entgegen bewährtem fränkischen Brauch
- nicht unter den beiden regierungsfähigen Söhnen geteilt. 912
etablierte sich in Burgund das Nachfolgerecht des Erstgeborenen und die
Einheit des jungen Königreichs.
Daß Rudolf II. 912 seinem gleichnamigen
Vater - nach unserem Kenntnisstand unangefochten - im Königtum folgte,
gehört gewiß zu den größten Leistungen des ersten
welfischen
Königs.
Trotz äußerer Anfechtungen und gewaltiger Spannungen beim Zerfall
des fränkischen Großreichs war Rudolf
I. damit nicht nur die Gestaltung eines neuen Reichs, sondern
auch die Versteigung monarchischer Herrschaft in seiner Familie geglückt.
oo 1. Willa von Nieder-Burgund, Tochter des Königs
Boso
-
912
2. oo 1. Hugo König von
Italien
880-10.4.948
Kinder:
Judith
-
Rudolf II. König von Hoch-Burgund
-11.7.937
Adelheid
-
18.1.914
oo 2. LUDWIG III. König von Nieder-Burgund
um 880-5.6.928
Willa
-
oo Boso III. von Arles, Markgraf von Tuszien
-
Waldrada
-
oo Bonifaz Markgraf von Spoleto
- 954
Ludwig Graf im Thurgau 922-928
-
Literatur:
------------
Beumann, Helmut: Die Ottonen. Verlag W. Kohlhammer
Stuttgart Berlin Köln, Seite 18-20,42 - Borgolte Michael: Die
Grafen Alemanniens in merowingischer und karolingischer Zeit. Eine Prosopographie.
Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1986 Seite 91,99,178 - Diener,
Ernst: Könige von Burgund aus dem Hause der Welfen. in: Genealogisches
Handbuch zur Schweizer Geschichte I. Band: Hoher Adel Zürich 1900-1908
Seite 73-82 - Die Salier und das Reich, hg. Stefan Weinfurter, Jan
Thorbecke Verlag 1991, Band I, Seite 208 - Dümmler Ernst: Die
Chronik des Abtes Regino von Prüm. Verlag der Dykschen Buchhandlung
Leipzig Seite 88,106 - Dümmler Ernst: Geschichte des Ostfränkischen
Reiches. Verlag von Duncker und Humblot Berlin 1865 Band II Seite 318-320,323,
379,388,407,578 - Ehlers Joachim/Müller Heribert/Schneidmüller
Bernd: Die französischen Könige des Mittelalters. Von Odo bis
Karl VIII. 888-1498. Verlag C. H. Beck München 1996 Seite 13,27 -
Giese,
Wolfgang: Der Stamm der Sachsen und das Reich in ottonischer und salischer
Zeit. Franz Steiner Verlag Wiesbaden 1979, Seite 81 – Hlawitschka,
Eduard: Die Königsherrschaft der burgundischen Rudolfinger. Zum Erscheinen
eines neuen MGH-Diplomata-Bandes. In: Historisches Jahrbuch der Görresgesellschaft
100 1980 Seite 444-456 - Hlawitschka, Eduard: Die verwandtschaftlichen
Verbindungen zwischen dem hochburgundischen und dem niederburgundischen
Königshaus. Zugleich ein Beitrag zur Geschichte Burgunds in der 1.
Hälfte des 10. Jahrhunderts, in: Schlögl, Waldemar und Peter
Herde: Grundwissenschaften und Geschichte, Festschrift für Peter Acht;
Kallmünz 1976 (Münchener historische Studien: Abteilung geschichtliche
Hilfswissenschaften Band 15) Seite 28-57 - Hlawitschka Eduard: Lotharingien
und das Reich an der Schwelle der deutschen Geschichte. Anton Hiersemann
Stuttgart 1968 Seite 65,69-71,79-83,86,89,93-95,98,106,108,114,124-127,129,131,136,147,
155-159,181,211,216,242,246,248 - Holtzmann Robert: Geschichte der
sächsischen Kaiserzeit. Deutscher Taschenbuch Verlag München
1971 Seite 17,43,59 - Rappmann Roland/Zettler Alfons: Die
Reichenauer Mönchsgemeinschaft und ihr Totengedenken im frühen
Mittelalter. Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1998 - Riche Pierre:
Die Karolinger. Eine Familie formt Europa. Deutscher Taschenbuch Verlag
GmbH & Co. KG, München 1991 Seite 265-275,280,293-298, 300,306,310
- Schieffer Rudolf: Die Karolinger. W. Kohlhammer GmbH Stuttgart
Berlin Köln 1992 Seite 181,188,191-193,195 - Schmid Karl: Gebetsgedenken
und adliges Selbstverständnis im Mittelalter. Ausgewählte Beiträge,
Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1983, Seite 425,439 - Schneidmüller
Bernd: Die Welfen. Herrschaft und Erinnerung. W. Kohlhammer GmbH Stuttgart
Berlin Köln 2000 Seite 70,74,76,78-82,104 - Schnith Karl: Frauen
des Mittelalters in Lebensbildern. Verlag Styria Graz Wien Köln 1997
Seite 274,302,371 - Schnith Karl Rudolf: Mittelalterliche Herrscher
in Lebensbildern. Von den Karolingern zu den Staufern. Verlag Styria Graz
Wien Köln 1990 Seite 85 - Schwager, Helmut: Graf Heribert II.
von Soissons. Verlag Michael Lassleben Kallmünz/Opf. 1994 Seite 39
-