Begraben: St. Emmeram, Regensburg
Einziger Sohn des Kaisers ARNULF
von Kärnten und der KONRADINERIN
Oda
Lexikon des Mittelalters: Band V Spalte 2172
********************
Ludwig IV. das Kind, ostfränkischer König
---------------------------
* wohl Sept./Okt. 893, + 20. oder 24. September 911
Alt-Ötting
Frankfurt
Begraben: Regensburg, St. Emmeram
Der einzige Sohn Kaiser ARNULFS von Kärnten aus gültiger Ehe wurde am 4. Februar 900 zu Forchheim zum König erhoben. Seine Krönung ist die erste gesicherte Königskrönung der ostfränkisch-deutschen Geschichte. Im März 900 nahm er die Huldigung der lothringischen Großen entgegen. Trotz seines kindlichen Alters blieb Ludwig das Kind der Mittelpunkt des staatlichen Lebens. In seinem Namen wurden die Reichsversammlungen von 901 (Regensburg), 903 (Forchheim) und 906 (Tribur) durchgeführt. Der Schwerpunkt seiner Herrschaft lag eindeutig in den südlichen Stammesherzogtümern, zunächst in Bayern, später in Franken. Eine eigenständige Regierung vermochte das stets kränkelnde Kind aber nicht zu verwirklichen. Die Herrschaft ging auf Adel und Episkopat über. Entscheidende Berater waren Erzbischof Hatto von Mainz und Bischof Salomo von Konstanz. Die Schwäche der Zentralgewalt begünstigte das Wiedererstarken der früheren Mittelgewalten der Herzogtümer, die sich als "jüngere" Stammesherzogtümer erneut als Kräfte des Verfassungslebens verfestigten. Dazu trug auch die äußere Bedrohung durch die Ungarn bei, zu deren Abwehr das Königtum außer der Niederlage auf dem Lechfeld 910 keinen nennenswerten Beitrag leistete. Mit dem glücklosen Ludwig IV. dem Kind erlosch die ostfränkische Linie der KAROLINGER.
Literatur:
------------
ADB XIX, 451-455 - NDB XV, 329-331 - G. Tadde, Lex der
dt. Gesch., 1977, 744 - Dümmler² III - P. Kehr, Die Kanzlei L.s
d. K.es, 1940 - H.-W. Goetz, Dux und ducatus, 1977 - H. Beumann, Die Einheit
des ostfrk. Reichs und der Ks.gedanke bei der Kg.serhebung L.s d. K.es
(Adipl 23, 1977) 142-163 [Lit.] -
------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Bosl’s Bayerische Biographie: Seite 494
*************************
Ludwig IV., das Kind, ostfränkischer König
---------------------------
* Herbst 893 + 24.9.911
Oettingen Regensburg
Begraben: St. Emmeram, Regensburg
900 in der Pfalz Forchheim zum König im O-Frankenreich
gewählt, kurz darauf zum König von Lothringen.
Die Regierung führten für ihn Hatto I., Erzbischof
von Mainz und andere Bischöfe.
In dieser Zeit konnte sich das jüngere Stammesherzogtum
durchsetzen.
Lothringen sagte sich nun vom Reich los und schloß
sich 911 dem W-Frankenreich an.
Hielt sich oft in Regensburg auf, wo er 12 von 72 Urkunden
ausstellte.
Literatur:
------------
ADB 19; BWB 2; S. Rösch, Caroli Magni Progenies,
1977; W. Giesebrecht, Gesch. d. dt. Kaiserzeit 1, 1888.
------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Werner Karl Ferdinand: Seite 460
********************
"Die Nachkommen Karls des Großen bis um das Jahr
1000 (1.-8. Generation)"
VI. Generation
25
----
Zu Ludwig
IV. jetzt grundlegend Schieffer (wie oben
Anm. VI, 22) 75ff. Ludwigs
Regierungsantritt in O-Franken läßt sich danach genau auf 900
II 4, der in Lothringen (wie Schieffer eindrucksvoll zeigt, ist er staatsrechtlich
vom ersteren klar zu trennen) auf den März des Jahre 900.
-------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Rappmann Roland/Zettler Alfons: Seite 433
****************************
"Die Reichenauer Mönchsgemeinschaft und ihr Totengedenken
im frühen Mittelalter"
LUDWIG DAS KIND
---------------------------
+ 24.9.(?)911
Necr. B 24.9. "Ludouuicus rex", König des Ostfränkischen Reiches 900-911
Literatur:
-----------
ADB 19 Seite 451ff.; BM² 1983d-2070b; Dümmler,
Geschichte des Ostfränkischen Reiches 3 Seite 495ff.; Werner, Nachkommen
Seite 460 Nr. 25 und Tafel VI/25; Die Klostergemeinschaft von Fulda 2,1
Seite 324 K 18; Biographisches Wörterbuch 2 Spalte 1715. Zum Todestag:
Dümmler, ebd. 3; Seite 559 Anmerkung 3; BM² 2070b.
Das Verhältnis Ludwigs,
Sohn
Kaiser ARNULFS von Kärnten,
zum Kloster Reichenau, ist entscheidens durch den Reichenauer Abt und Mainzer
Erzbischofs Hatto bestimmt worden. Hatto, der bereits unter
ARNULF großen Einfluß auf dessen Regierungsangelegenheiten
hatte und sogar Taufpate Ludwigs des Kindes
war, übernahm nach dem Regierungsantritt des jungen Königs im
Jahr 900 faktisch die Regierungsgeschäfte. Aus der kurzen Regierungszeit
Ludwigs sind uns zwei Urkunden des Königs für das
Inselkloster erhalten, in denen er unter anderem Immunität und freie
Abtswahl bestätigte; vgl. D LdK 69; BM² 2059; Brandi, Urkundenfälschungen
Seite 6 bzw. Seite 118 Nr. 48; vgl. auch ebd. Seite 6 bzw. Seite 117 Nr.
47 und Beyerle, Von der Gründung Seite 112/6. Über den Todestag
Ludwigs
gibt es verschiedene Angaben in den Necrologien, die teilweise aber auf
Verwechslungen mit König Ludwig dem Jüngeren
beruhen. Die in BM² 2070b versuchte paläographische Handklassifizierung
des Reichenauer Necrologs hat sich als unzutreffend herausgestellt.
-------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Ludwig IV. war erst
6 Jahre alt, als er die Nachfolge seines Vaters antrat. Der ostfränkische
Episkopat und weltliche Große erhoben ihn am 4.2.900 in Forchheim
zum König. Die Regentschaft übernahm Erzbischof Hatto von Mainz
und Bischof Salomo III. von Konstanz. Unter seiner Herrschaft erstarkten
die im Abwehrkampf gegen die Ungarn mächtig gewordenen Stammesherzogtümer
weiter.
Mit Ludwig IV. starb die ostfränkische Linie der KAROLINGER aus.
Jaeckel, Gerhard: Seite 40
**************
"Die deutschen Kaiser. Die Lebensgeschichten sämtlicher
Monarchen von Karl dem Großen bis Wilhelm II."
LUDWIG IV. DAS KIND 899-911
-------------------------------------------
Vor seinem Tode hatte Kaiser
ARNULF die geistlichen und weltlichen Großen auf seinen
893 in Altötting geborenen einzigen ehelichen Sohn von der
Kaiserin Ota vereidigt. Zur Regentschaft bestimmte er Erzbischof
Hatto von Mainz und Bischof Salomo von Konstanz, zum Erzieher den Bischof
Albero von Würzburg. Weltlicher Vormund wurde Konrad von Hessen und
Niederlahnstein, ein Verwandter
Otas und wiederum mit deren Tochter
Glismut, also einer Schwester des jungen
Ludwig
verheiratet. Am 4. Februar 900 wurde Ludwig das
Kind in Forchheim feierlich gekrönt, gesalbt und mit einem
Königsmantel bekleidet.
Neben diesen mächtigen und ehrgeizigen Regenten
spielte Ludwig nur als Symbol für
die Einheit des O-Fränkischen Reiches eine Rolle. Und um diese Einheit
war es schlecht bestellt. Schon seit den Bruderkämpfen der Söhne
LUDWIGS
DES FROMMEN war das karolingische
Herrschaftsprinzip, nach dem Königslehen mit dem Erlöschen des
damit verbundenen Amtes oder dem Tod des Lehensträgers an den König
und das Reich zurückfielen, immer mehr aufgeweicht worden. Lehen wurden
erblich und gingen in das Eigentum der Grafen über, aus Lehnsgrafen
wurden feudale, dem Monarchen nur noch durch Treueid verpflichtete Grundherren.
Die mächtigsten und vornehmsten Grafen schwangen sich zu Herzögen
auf und die alten, von KARL DEM GROSSEN
abgeschafften Stammesherzogtümer erstanden wieder, zuerst Sachsen
und Thüringen. Gegen diese Entwicklung stemmtem sich dei Bischöfe,
die für den Besitz der Kirchen und Klöster fürchteten. Ein
geistlicher Chronist spricht von "Ludwig,
unter dem alle Güter friedlos wurden". Ihrerseits benutzten die geistlichen
Regenten Hatto von Mainz und Salomo von Konstanz ihre Stellung, um ihrer
Verwandtschaft große erbliche Besitztümer auf Kosten des Reichsgutes
zu verschaffen.
Während an der SO-Grenze des Reichs die Ungarn
zu einer gefährlichen Bedrohung wurden, führten Ludwigs
Verwandte, die KONRADINER, vier Jahre
lang eine blutige Privatfehde mit den am oberen Main begüterten POPPONEN,
deren Stammburg auf dem Babemberg lag, dem späteren Domberg in Bamberg.
Die "Babenberger Fehde" wurde erst 906 durch königliches Heeresaufgebot
zugunsten der KONRADINER entschieden,
der POPPONE Graf Adalbert hingerichtet.
Im gleichen Jahr streiften die Ungarn bis nach Sachsen,
ein Jahr darauf fiel Markgraf Luitpold von Kärnten im Kampf gegen
die Eindringlinge, 909 drangen sie bis nach Schwaben vor. Die Abwehr blieb
den betroffenen Stämmen überlassen, deren Große dadurch
noch mächtiger und selbstbewußter wurden. Erst 910 kam endlich
ein Reichsaufgebot zustande, das mit dem 17-jährigen König
Ludwig IV. an der Spitze den Ungarn entgegentrat. Auf dem Lechfeld
bei Augsburg wurde er vernichtend geschlagen.
Nach dieser Schlacht gibt es nur noch wenige Nachrichten
über den König. Im Oktober 910 erscheint sein Name auf einer
Forchheimer Urkunde, im Juli 911 zum letztenmal auf einem Frankfurter Dokument.
Er starb im Alter von nur 18 Jahren am 20. August 911 "siechen Körpers
und einer frühzeitigen Auflösung erliegend" an unbekanntem Ort.
In St. Emmeram bei Regensburg soll er angeblich neben seinem Vater
Kaiser ARNULF beigesetzt worden sein. Er war als ostfränkischer
König nach Ludwig III. dem Jüngeren,
dem zweiten Sohn Ludwigs des Deutschen,
der vierte dieses Namens, wurde jedoch nicht zum Kaiser gekrönt, so
daß später Kaiser LUDWIG DER BAYER
ebenfalls als LUDWIG IV. bezeichnet
wurde
[Richtig ist, daß LUDWIG
DER BAYER als vierter seines Namens Römischer Kaiser wurde
nach LUDWIG I. DEM FROMMEN, LUDWIG
II. (+ 875) und LUDWIG III. DEM BLINDEN
von Burgund.].
-------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Hartmann Wilfried: Seite 90-94
****************
„König Ludwig IV. das Kind“
in Mittelalterliche Herrscher in Lebensbildern, Hg. Karl
Rudolf Schnith
Die erstaunliche Tatsache, dass der erst gut 6-jährige
Sohn ARNULFS knapp zwei Monate nach
dem Tode seines Vaters einmütig zum König der O-Franken erhoben
wurde, zeigt, dass die Regionen dieses Reiches in den Jahrzehnten seit
843 ein hohes Maß an Zusammengehörigkeitsgefühle entwickelt
hatten. Die Schwäche des minderjährigen Königs sollte behoben
werden durch seine Krönung, die wahrscheinlich Erzbischof Hatto von
Mainz durchführte. Es war dies die erste Krönung eines ostfränkischen
Königs; während Krönungen im W-Frankenreich und auch in
Lotharingien bereits früher vorgenommen worden waren, um schwache
Herrscher zu stützen.
Der junge König konnte die Regierungsgeschäfte
anfangs natürlich nicht selbständig führen, auch wenn diese
Fiktion aufrechterhalten wurde; so hat Ludwig
eigenhändig mit seiner Kinderhand den Vollzugsstrich in das Königsmonogramm
der in seinem Namen ausgestellten Urkunden eingetragen. Die wirkliche Regierung
lag in den Händen eines Regentschaftsrats; für eine vormundschaftliche
Regierung besaß das Frühmittelalter keine anerkannten Rechtsregeln.
Wenn keine ostfränkische Adelsgruppe daran dachte, einen auswärtigen
KAROLINGER
(etwa den W-Franken Karl den Einfältigen
oder den Burgunder LUDWIG) einzuladen,
die Herrschaft im O-Reich anzunehmen, so ist auch das ein Ausdruck des
inzwischen gewachsenen Eigenbewußtseins dieses Reiches. Das Zusammengehörigkeitsgefühl
der ostfränkischen Stämme manifestiert sich auch darin, dass
sich eine ganze Reihe von wichtigen Repräsentanten der Regionen am
Hof Ludwigs einfand, um als Intervenienten
seiner Urkunden und als Ratgeber an der Regierung des Landes mitzuwirken.
In erster Linie sind hier neben Hatto von Mainz die Brüder Salomo
III. von Konstanz und Waldo von Freising zu nennen; aber auch weltliche
Große aus Franken, Bayern und Sachsen waren am Hof anzutreffen, so
dass man sagen konnte, "sogar der unmündige und ohnmächtige König"
habe sich "noch als Klammer der Großen in Nord und Süd" erwiesen
(J. Fleckenstein).
Der Hof scheint sich bis 907 bevorzugt in Bayern, besonders
in Regensburg, der wichtigen Residenz Ludwigs
des Deutschen und ARNULFS,
aufgehalten zu haben. Dann - sporadisch bereits seit 905, dauernd seit
907 - tritt das Rhein-Main-Gebiet in den Vordergrund, wo Frankfurt, Tribur
und Ingelheim als Aufenthaltsorte bezeugt sind. Einige Male ist der König
auch in der Pfalz Bodman in Alemannien nachweisbar; hier war er in der
Nähe von Bischof Salomo III. von Konstanz (890-919), der seit 909
die Kanzlei leitete.
Das Maingebiet war in den Jahren bis 906 der Schauplatz
heftiger Kämpfe, die von den mächtigen ostfränkischen Adelsfamilien
der BABENBERGER und der KONRADINER
vielleicht geführt wurden, um sich einen möglichst günstigen
Ausgangspunkt für die Zeit nach Ludwig
zu schaffen. Die BABENBERGER hatten unter Ludwig
dem Jüngeren und KARL III.
ihren wichtigsten Repräsentanten in Graf Heinrich, dessen kriegerische
Tüchtigkeit sich in mehreren Schlachten gegen die Normannen bewährt
hatte. Nachdem er im Sommer 886 vor Paris gefallen war, versuchten seine
Söhne Adalbert, Adalhard und Heinrich II. die Position der Familie
auszubauen. Ihre Hauptgegner waren die KONRADINER,
die unter ARNULF zahlreiche Vorteile
erreichen konnten, weil ARNULFS Frau
Oda aus dieser Familie kam. Nach ARNULFS
Tod kam es zu Kämpfen, in deren Verlauf Heinrich II. fiel und Adalhard
gefangengenommen wurde. Nachdem der KONRADINER
Eberhard an seinen Wunden verstorben war, ließen die KONRADINER
den gefangenen Adalhard enthaupten (902/03). Ein Urteil von Großen
aus Franken, Schwaben, Bayern, Thüringen und Sachsen übertrug
den Besitz der toten babenbergischen Brüder an den König, der
ihn an den konradinischen Bischof Rudolf
von Würzburg weitergab.
Nachdem 906 Graf Konrad der Ältere in einer Schlacht
gegen Adalbert gefallen war, konnte Adalbert auf einem neuen Kriegszug
durch eine List gefangengenommen werden. Ein Adelsgericht verurteilte ihn
zum Tode; das Urteil wurde auch auf Betreiben Konrads
des Jüngeren, des späteren Königs
KONRAD I., vollstreckt. Dieser hatte sich mit seinem Vorgehen
den Weg zum Königtum erkämpft; die BABENBERGER waren jetzt trotz
ihrer Verwandtschaft mit den KAROLINGERN
und den sächsischen
LIUDOLFINGERN
ausgeschaltet.
Die zentrifugalen Tendenzen, die sich immer stärker
bemerkbar machten, wurden durch die äußere Bedrohung verstärkt,
die ein rasches Handeln der Machthaber an den Grenzen des Reiches erforderte.
Die größte Bedrohung ging von den Ungarn aus, die seit dem Jahr
900 immer wieder den deutschen SO verwüsteten. Nachdem sie 905/06
den alten Gegner des O-Fränkischen Reiches, das Großmährische
Reich, zerschlagen hatten, drangen sie 906 bis nach Sachsen vor. Markgraf
Liutpold von Bayern versuchte im kommenden Jahr, durch einen Präventivschlag
die Ungarn zu treffen, nachdem die Bayern schon 903 ein gemeinsames Gastmahl
mit den Ungarn zu einem Massaker an diesen ausgenützt hatten. Der
Feldzug, den Liutpold nach O führte, endete bei Preßburg mit
einer verheerenden Niederlage; nicht nur der Markgraf selbst, sondern auch
eine ganze Reihe von geistlichen und weltlichen Großen Bayerns, darunter
Erzbischof Theotmar von Salzburg, fielen im Kampf. Merkwürdigerweise
bedeutete aber diese Niederlage nicht das Ende der Machtstellung der LIUTPOLDINGER
in Bayern; vielmehr scheint Liutpolds Sohn Arnulf von Anfang an eine vom
Königtum unabhängigere Stellung angestrebt und erreicht zu haben.
Vielleicht gab es kurz nach 907 bereits Abmachungen der Bayern mit den
Ungarn, die in den folgenden Jahren 909 und 910 vor allem Schwaben heimsuchten.
Im Sommer 910 versuchte der junge König selbst, sich den Ungarn auf
dem Lechfeld entgegenzustellen; er erlitt eine schwere Niederlage, die
sein Königtum aufs äußerste gefährdete.
Ein Jahr später ist der kränkelnde junge Mann
gestorben. Die Tatsache, dass keine zeitgenössische Quelle den Sterbeort
und die Grabstätte Ludwigs des Kindes
verzeichnet, muß als Hinweis darauf gelten, dass er sich nicht in
das Bewußtsein seiner Nachwelt eingeprägt hat.
In St. Emmeram in Regensburg, wo er nach einer zuerst
im 12. Jahrhundert greifbaren Tradition beigesetzt sein soll, ist sein
Todestag völlig falsch überliefert (nämlich der 21.1., der
Tag, an dem Ludwig der Jüngere
starb). Dies ist ein ziemlich starkes Argument dagegen, dass
Ludwig das Kind in St. Emmeram begraben ist, denn das Mittelalter
pflegte sich den Tag des Todes genau zu merken, da dieses Datum als Geburtstag
zum ewigen Leben als das wichtigste Datum im Leben eines Menschen angesehen
wurde.
--------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Schieffer Rudolf:
**************
"Die Karolinger"
In O-Franken war 899/900 nach dem Tode Kaiser
ARNULFS eine Situation eingetreten, die man seit den späten
MEROWINGERN
nicht mehr gekannt hatte. Der junge König
Ludwig war ein anfangs 6-jähriges Kind, offenbar von Natur
kränklich und zu eigenständigem Handeln nicht imstande, auch
wenn das hergebrachte Zeremoniell der Reichsversammlungen und Urkundenausstellung
dies überspielte. Macht und Verantwortung mußten auf Jahre an
die geistlichen und weltlichen Großen übergehen, die durchweg
im Königtum weiterhin ihren legitimierenden Rückhalt sahen, aber
von dort nicht länger in ihren Positionskämpfen gehemmt wurden,
sondern eher versucht waren, die Königsautorität als Waffe gegeneinander
zu machen. Sie fühlten sich im übrigen zur Bündelung und
Anspannung aller verfügbaren Kräfte unter ihrer Führung
vielfach auch dadurch herausgefordert, dass kurz nach dem Verschwinden
der Normannengefahr die neue, unberechenbare Bedrohung durch die Ungarn
über O-Franken hereinbrach, die fraglos einen tatkräftigeren
König überfordert hätte. Auf den Spuren der Hunnen und der
Awaren, mit denen sie in den lateinischen Quellen gern identifiziert werden,
waren diese berittenen Nomaden aus dem Wolgaraum in die Donau/Theiß-Ebene
des alten Pannonien vorgestoßen und machten sich von dort aus bald
durch rasche, nach W gerichtete Beutezüge über weite Entfernungen
bemerkbar. 899/900 fielen sie in großer Zahl plündernd in Oberitalien
ein, nachdem König BERENGARS Abwehr
in Friaul gescheitert war. Aber auch Bayern mit Karantanien und der Ostmark
wurden seitdem von ihnen heimgesucht, das innerlich geschwächte Mährerreich
wurde 906 zerschlagen. Hatte noch ARNULF
892 eine ungarische Reiterschar gegen Swatopluk
zu Hilfe genommen, so standen 902 Bayern und Mährer in gemeinsamen
Kampf gegen die Heiden.
Bestimmend an Ludwigs
Königshof blieben jene Kreise, die bereits in ARNULFS
Gunst gestanden hatten. Unter den Vertretern des Episkopats tritt weniger
der wieder amtierende Erzkapellan Theotmar von Salzburg als der von ARNULF
eingesetzte Mainzer Erzbischof Hatto hervor, der in einem Schreiben
nach Rom über den Thronwechsel von 900 berichtete, offenbar noch in
der trügerischen Hoffnunng, einen "ostfränkischen Anspruch auf
die Kaiserwürde" (H. Beumann) retten zu können. Zur informellen
Regentschaft ist gewiß auch Bischof Adalbero von Augsburg zu zählen,
der als "Erzieher" des Königs genannt wird, sowie Bischof Salomon
III. von Konstanz, seit 909 mit dem zuvor vakant gebliebenen Titel des
Kanzlers. Im Kreise der großen Familien gaben nun erst recht die
unter ARNULF aufgestiegenen KONRADINER
den Ton an, die sich in Hessen, aber nicht in Thüringen gegen die
sächsischen
LIUDOLFINGER behaupteten
und in Mainfranken seit 902 im Namen des Königs eine blutige Fehde
mit den BABENBERGERN ausfochten; dass Graf Konrad der Ältere dabei
906 den Tod fand, zog alsbald die Gefangennahme und Hinrichtung des letzten
BABENBERGERS Adalbert nach sich, womit der Weg frei war für den jüngeren
KONRAD, den nachmaligen König, der fortan als dux in Rhein-
und Mainfranken waltete. Einen weiteren Zugewinn hatte sein Haus schon
etwa 902 zu verzeichnen gehabt, als Konrad des Älteren Bruder Gebhard
zum Statthalter in Lotharingien mit der urkundlichen Bezeichnung als dux
regni quod a multis Hlotharii dicitur eingesetzt worden war, neben dem
freilich auch der einheimische Graf Reginar seine Position wahrte. Als
"königsnaher" Magnat hat ferner Liutpold in Bayern zu gelten, der
angesichts der bedrohten Grenzen zu vermehrten Machtmitteln und erhöhten
Befugnissen gelangte und 903 als dux Boemanorum von der Königskanzlei
tituliert wurde. Immerhin mehrfach am Hof bezeugt, freilich ohne Kennzeichnung
als dux, ist der LIUDOLFINGER Otto
der Erlauchte, der im angestammten Sachsen 906 einen ersten Einfall der
Ungarn hinnehmen mußte, und schließlich fehlen in Ludwigs
Umgebung auch nicht der thüringische Markgraf Burchard (908 mit dux-Titel)
sowie ein weiterer Burchard, der als Markgraf in Rätien den ersten
Rang bei den Alemannen beanspruchte, aber 911 der Wut seiner Gegner zum
Opfer fiel. Die historische Forschung erkennt in diesen Männern die
Repräsentanten der heraufziehenden nach-karolingischen
Mittelgewalten, die in allmählicher Annäherung an ältere
Stammes- und Rechtsgebiete als Herzogtümer zum tragenden Grund des
OTTONEN-Reiches
wurden. Eben in der Zeit des ostfränkischen Kinderkönigtums nehmen
sie einen entscheidenden Entwicklungsfortschritt.
Zum äußeren Wendepunkt der Regierungszeit
Ludwigs
des Kindes wurde der Sommer 907, als der Versuch offensiver
Ungarnabwehr an der Donau scheiterte und ein stattliches bayerisches Aufgebot
am 4.7. vor Preßburg eine verheerende Niederlage erlitt; Liutpold
als Anführer kam ebenso ums Leben wie der Erzkapellan Theotmar von
Salzburg und zwei weitere Bischöfe neben vielen anderen Großen.
Das bayerische Ostland, einst von KARL DEM GROSSEN
den Awaren abgerungen, war nach diesen Einbußen nicht mehr zu halten,
und Bayern selbst geriet in eine exponierte Position, deren Stabilisierung
nach dem Willen der Überlebenden Liutpolds Sohn Arnulf zufiel. Während
er sich bald schon als dux Baioariorum et etiam adiacentium regionum nannte,
ist Ludwigs Königshof seither
nicht mehr im väterlichen Kernland Bayern nachzuweisen, sondern hielt
sich im konradinischen Franken sowie
in Schwaben auf. Ein ähnlich vernichtender Schlag durch die Ungarn
traf übers Jahr Thüringen, wo der Markgraf Burchard wie auch
Bischof Rudolf von Würzburg, der KONRADINER,
bei der Abwehr fielen und fortan die sächsischen LIUDOLFINGER
ihre Macht ausweiten konnten. 909 und abermals 910 suchten die Ungarn,
Bayern durchquerend, mit Raub und Brand Alemannien heim, und dort am Lech
geschah es zum einzigen Mal, dass ihnen König
Ludwig selbst an der Spitze eines Heeres aus Schwaben, Franken
und Bayern entgegentrat. Er wurde genauso geschlagen wie andere vor ihm
und verlor auf dem Schlachtfeld wiederum einen wichtigen Helfer: den KONRADINER
Gebhard,
dux in Lotharingien. Da die erneute Besetzung seines Amtes von auswärts
nicht zustande kam, rückte Reginar, der Enkel
LOTHARS
I. und Graf im Maasgau, bis Mitte 911 (wieder) in die Rolle
des anerkannt führenden Magnaten im alten Lothar-Reich
ein. Man sieht, wie mit dem Schwinden der Kraft von König und Hof
zur Verteidigung nach außen ein Verfall ihrer personellen und integrierenden
Wirksamkeit nach innen einherging.
Literatur:
-----------
Althoff Gerd: Die Ottonen. Königsherrschaft
ohne Staat. W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Berlin Köln 2000, Seite 15,22-25,29,46
- Althoff Gerd: Otto III. Primus Verlag Darmstadt 1997, Seite 133
- Barth Rüdiger E.: Der Herzog in Lotharingien im 10. Jahrhundert.
Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1990, Seite 15,18,19,26,28,33-37,39,60,78
Anm.190 - Bauer Dieter R./Histand Rudolf/Kasten Brigitte/Lorenz
Sönke: Mönchtum - Kirche - Herrschaft 750-1000 Jan Thorbecke
Verlag Sigmaringen 1998, Seite 54,75,132 - Beumann, Helmut: Die
Ottonen. Verlag W. Kohlhammer Stuttgart Berlin Köln, Seite11,19-21,27,
44,89,127 - Borgolte Michael: Die Grafen Alemanniens in merowingischer
und karolingischer Zeit. Eine Prosopographie. Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen
1986, Seite 29-31,34, 57,147,171,204,268 - Borgolte Michael: Geschichte
der Grafschaften Alemanniens in fränkischer Zeit. Vorträge und
Forschungen Sonderband 31 Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1984, Seite
77,133,181,203,206,211 - Deutsche Geschichte Band 1 Von den Anfängen
bis zur Ausbildung des Feudalismus Mitte des 11. Jahrhunderts. VEB Deutscher
Verlag der Wissenschaften Berlin 1982, Seite 262-364,372,374-376 - Dümmler
Ernst: Geschichte des Ostfränkischen Reiches. Verlag von Duncker und
Humblot Berlin 1865 Band II Seite 362, 400,456,493-558,681 - Dümmler
Ernst: Die Chronik des Abtes Regino von Prüm. Verlag der Dykschen
Buchhandlung Leipzig Seite 113,119,120 - Ehlers Joachim: Die Kapetinger.
W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Berlin Köln 2000, Seite 21,24 - Glocker
Winfrid: Die Verwandten der Ottonen und ihre Bedeutung in der Politik.
Böhlau Verlag Köln Wien 1989, Seite 29,43,254,257 - Hlawitschka
Eduard: Die Anfänge des Hauses Habsburg-Lothringen. Genealogische
Untersuchungen zur Geschichte Lothringens und des Reiches im 9., 10. und
11. Jahrhundert. Kommissionsverlag: Minerva-Verlag Thinnes Nolte
OHG Saarbrücken 1969, Seite 76,154 - Hlawitschka Eduard: Lotharingien
und das Reich an der Schwelle der deutschen Geschichte. Anton Hiersemann
Stuttgart 1968, Seite 92,103,114,121, 156,170,180-182,185-199,201,210,214,235,239,241
- Hlawitschka, Eduard: Vom Frankenreich zur Formierung der europäischen
Staaten- und Völkergemeinschaft 840-1046, Wissenschaftliche Buchgesellschaft
Darmstadt 1986 - Hlawitschka, Eduard: Vom Frankenreich zur Formierung
der europäischen Staaten- und Völkergemeinschaft 840-1046, Wissenschaftliche
Buchgesellschaft Darmstadt 1986 - Holtzmann Robert: Geschichte der
sächsischen Kaiserzeit. Deutscher Taschenbuch Verlag München
1971, Seite 18, 29,38-43,46-48,51,59,70,280 - Jaeckel, Gerhard:
Die deutschen Kaiser. Die Lebensgeschichten sämtlicher Monarchen von
Karl dem Großen bis Wilhelm II., Weltbild Verlag Augsburg, Seite
40 -
Mitterauer Michael: Karolingische Markgrafen im Südosten.
Archiv für österreichische Geschichte Band 123. Hermann Böhlaus
Nachf./Graz-Wien-Köln 1963, Seite 191,194,206,236,242 - Mühlbacher
Engelbert: Deutsche Geschichte unter den Karolingern. Phaidon Akademische
Verlagsgesellschaft Athenaion - Rappmann Roland/Zettler Alfons:
Die Reichenauer Mönchsgemeinschaft und ihr Totengedenken im frühen
Mittelalter. Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1998, Seite 181,300,390,407,423,433,443
- Riche Pierre: Die Karolinger. Eine Familie formt Europa. Deutscher
Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München 1991, Seite 292 - Schieffer
Rudolf: Die Karolinger. W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Berlin Köln 1992,
Seite 190-192,194-198,200,227 - Schmid Alois: Das Bild des Bayernherzogs
Arnulf (907-937) in der deutschen Geschichtsschreibung von seinen Zeitgenossen
bis zu Wilhelm von Giesebrecht. Verlag Michael Lassleben Kallmünz
1976, Seite 20,26,44,68,84,87,98,102,103, 108,109,161,186,191,194,195,198,207,216,221,231,236
- Schulze, Hans K.: Das Reich und die Deutschen. Hegemoniales Kaisertum.
Ottonen und Salier. Siedler Verlag, Seite 116-119,131,1476,198 - Weinfurter
Stefan: Die Salier und das Reich Band 1-3. Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen
1991, Band I, Seite 222,375; Band II, Seite 49; Band III, Seite 10,486
- Werner Karl Ferdinand: Die Ursprünge Frankreichs bis zum
Jahr 1000. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München
1995, Seite 463,477,479 - Widukind von Corvey: Die Sachsengeschichte.
Philipp Reclam jun. GmbH & Co.,Stuttgart 1981, Seite 19,53,61 - Wies,
Ernst W.: Otto der Große, Bechtle Esslingen 1989, Seite 29,33,41
-