Begraben: nach seinem Wunsch in dem von ihm begründeten Kloster St. Pantaleon in Köln
Jüngster Sohn des Königs
HEINRICH I. aus seiner 2. Ehe mit der Mathilde
von Ringelheim, Tochter von Graf Dietrich
Lexikon des Mittelalters: Band II Spalte 753
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Brun I. (Bruno), Erzbischof von Köln seit 953
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* im Mai 925, + 11. Oktober 965
Reims
Begraben: nach seinem Wunsch in dem von ihm begründeten Kloster St. Pantaleon in Köln
Jüngster Sohn König HEINRICHS I. und der Königin Mathilde
Für Bruns Lebensweg und Wirksamkeit war und blieb entscheidend, dass er der Bruder OTTOS DES GROSSEN war: er hat Zeit seines Lebens als dessen geistlicher Helfer fungiert und wie kein anderer Geistlicher seiner Zeit die Verbindung von Königtum und Kirche verkörpert. Bereits als Knabe zum Geistlichen bestimmt, wurde er als 4-jähriger dem Bischof Balderich von Utrecht zur Erziehung übergeben, in dessen Domschule er sich mit Eifer dem liberalibus leitterarum studiis widmete (Ruotgeri vita Brunonis cap. 4); sie hat seine tiefe Liebe zur Welt der Bücher geweckt. Noch nicht 15-jährig, wurde er 939 auf ausdrücklichen Wunsch seines Bruders, König OTTOS, an den Hof berufen, um hier unter der Leitung des schottischen Bischofs Israel und später auch des von seinem Bischofssitz vertriebenen Rather von Verona seine Bildung zu komplettieren. Bald nahm er selbst an den Disputationen der gelehrten Griechen und Lateiner, die sich am Hof um den König versammelten, teil (vita Brunonis cap. 7); gleichzeitig wurde er zunehmend mit den Geschäften des Reiches vertraut gemacht. 940 (25. September) fungiert er bereits als Kanzler seines königlichen Bruders, um dieses wichtige Hofamt bis 953 (25. September) auszuüben (DDO I 35-164). Dabei zeichnet sich an der wachsenden Zahl seiner Interventionen sein zunehmender politischer Einfluß ab. Er hat sich als Kanzler nicht nur um die allgemeine Verwaltung, sondern auch um eine Verbesserung der Ausbildung der Hofgeistlichen bemüht (vita Brunonis cap. 8) und, wie er persönlich selbst von tiefer Frömmigkeit erfüllt war, auch stets den religiös-geistlichen Bedürfnissen Geltung verschafft. So hat er sich insbesondere für die Ausbreitung der Gorzeschen Reform eingesetzt - dies vor allem in den Klöstern, die OTTO ihm früh unterstellte, so nachweislich in der großen Abtei Lorsch. Die überragende Stellung, die er als Kanzler erlangt hatte, wird darin deutlich, dass er 951 - noch vor seiner Erhebung zum Bischof, was außergewöhnlich war - von OTTO zum Erzkapellan, das heißt zum Haupt der königlichen Kapelle, erhoben wurde (DO I 139, dazu Vita Mathildis reg. cap. 9). Die Übertragung des höchsten geistlichen Hofamtes, das Brun bis zu seinem Tode innehatte, läßt erkennen, dass er jedenfalls für eines der großen Erzbistümer vorgesehen war. Dementsprechend wurde er zwei Jahre später (953) im Beisein von Bischof Gotfrieds von Speyer als königlicher Gesandten zum Erzbischof von Köln gewählt und wenig später, im August 953, inthronisiert (Reg. der Ebf.e v. Köln Nr. 383ff.). Bereits Anfang September 953 übertrug OTTO ihm dazu die Verwaltung des Herzogtums Lothringen, weshalb Ruotger (cap. 20) ihn treffend als "archidux" bezeichnet. Er umschreibt damit die Doppelstellung, in der Brun sich in den folgenden Jahren als Erzbischof wie als Reichsfürst mit allen Kräften für die Sache seines königlichen Bruders eingesetzt hat, stets bestrebt, Reich und Kirche dabei in gleicher Weise zu dienen. So hat er als dux die Beruhigung und Sicherung Lothringens durchgesetzt, während er das Erzbistum, weit über seinen Sprengel hinauswirkend, den deutschen Episkopat eng an das Königtum heranzog und damit praktisch eine Neuorganisation der Reichskirche in die Wege leitete (ottonisch-salisches Reichskirchensystem). Wesentlich dafür war, dass er in Köln die Leitung des Domschule selbst in die Hand nahm, hier aus dem ganzen Reichsgebiet begabte Schüler um sich scharte und mit ihnen die wichtigsten Bischofsstühle besetzte, damit sie nach dem Zeugnis seines Biographen (cap. 37) in seinem Sinne "rem punlicam suo quisque loco fide et viribus tuerentur". Es bezeichnet den Höhepunkt seiner Wirksamkeit, dass Brun am 26. Mai 961 seinen Neffen OTTO II. in Aachen zum König salbte und anschließend während der Abwesenheit OTTOS DES GROSSEN in Italien (bis Februar 965) zusammen mit Erzbischof Wilhelm von Mainz die Sorge für den jungen König und das Reich (custodiam regni Cisalpini) wahrnahm. Über der Sorge für das Reich hat er seine Kölner Kirche nicht vergessen: er hat sie um mehrere Neugründungen bereichert, so um das Kloster St. Pantaleon und die Stifter Groß St. Martin und St. Andreas in Köln. Zahlreiche andere Klöster und Stifter hat er mit reichen Reliquienschenkungen und Wohltaten bedacht, darunter vor allem auch seinen eigenen Dom, den er von Grund auf erneuert hat. Unter der Fülle seiner Aufgaben hat der rastlos Tätige früh seine Kräfte aufgezehrt. Erst 40-jährig ist er auf der Heimreise von einer diplomatischen Mission in Frankreich am 11. Oktober 965 in Reims gestorben, bis zuletzt dem Gebet und seinen Büchern hingegeben. Bald erzählte man von einer Vision des Klerikers Poppo, wonach Brun wegen seiner "übertriebenen" weltlichen Studien (ob inanem philosophiae executionem) vom höchsten Richter angeklagt, aber vom heiligen Paulus verteidigt und gerechtfertigt worden sei (Thietmar Chronicon II. cap. 16). In der Tat gehört die Sorge für die Pflege der weltlichen wie der geistlichen Studien wesentlich zu seinem Lebenswerk: Es ist die Verbindung seines Dienstes für Kirche, reich und Bildung, durch die er und als Prototyp des ottonischen Reichsbischofs erscheint.
Quellen:
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Ruotgeri vita Brunonis archiep. Colon., ed. I OTT (MGH
SRG NS 10, 1951) [Hauptquelle] - für alle weiteren Quellen s. F.W.
Oediger, Die Reg. d. Ebf.e v. Köln I, 1954-1961
Literatur:
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Hauck III, 1952, 41ff. - H. Sproemberg, Die lothring.
Politik Ottos d. Gr., RhVjbll 11, 1941, 53ff. - J. Fleckenstein, Die Hofkapelle
der dt. Kg.e 2 (MGH Schr. 16,2, 1966) - H. Schrörs, Ruotgers Lebensgesch.
des Ebf.s B. v. Köln, ebd. 88, 1910 - Ders., Ebf.e B. v. Köln,
AHVN 100, 1917 - J. Fleckenstein, B.s Dedikationsgedicht als Zeugnis der
karol. Renovatio unter Otto d. Gr., DA 11, 1954/55 - Ders., Königshof
und Bischofsschule unter Otto d. Gr., AK 38, 1956 - H.M. Klinkenberg, Noch
einmal zu Brunos Dedikatioinsgedicht, DA 12, 1956 - F. Lotter, Die Vita
Brunonis des Ruotger (BHF 9, 1958) - Ders., Das Bildnis Brunos I. von Köln
in der Vita des Ruotger, JbKGV 40, 1966 - H. Stehkämper, Ebf. B. I.
und das Mönchtum, ebd. - Die Reichsabtei Lorsch. Fschr. zum Gedenken
an ihre Stiftung 764, hg. F. Knöpp, I, 1973 [dort die Beitr. von J.
Semmler und H. Stehkämper].
Glocker Winfrid: Seite 275
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"Die Verwandten der Ottonen und ihre Bedeutung in der
Politik"
IV, 7. BRUN
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* 925 V (1. Hälfte), + 965 X 10
940 Kanzler, 948-950 Abt des Klosters Lorsch, 953 VIII 9/20 Erzbischof von Köln, 953 "archidux" in Lothringen
Als dritter Sohn König HEINRICHS
I. und der Königin Mathilde
ist Brunbei Widukind I c. 31, S. 43,
und in der Antapodosis Liutprands IV c. 15, S. 113, bezeugt. In D O I.
48 nennt OTTO I.Brunoseinen Bruder.
Weitere Belegstellen sind Köpke-Dümmler S. 14f, und MGH DD O
I, S. 60 (Registerposition "Brun...diac., fr. Ottonis I. imp."), zu entgehen.
Die Geburtszeit Brunos
ergibt sich aus der Angabe Ruotgers c. 42, S. 44, der Kölner Erzbischof
sei zu Pfingsten
965 gerade 40 Jahre alt gewesen.
Der Todestag Brunosist
genannt bei Ruotger c. 45, S. 49, und im Merseburger Nekrolog; vgl. Althoff,
Adelsfamilien Kommentar B 142. Das Memorienbuch von St. Panthaleon zu Köln
hat auffälligerweise den X 11 als Gedächtnistag (Beerdigungstag?)
gefeiert.
Zum Todestag Brunos
vgl. Köpke-Dümmler S. 396 mit Anmerkung 2.
Brun ist erstmals
in D O I. 35 von 940 IX 25 als Kanzler in der Rekognitionszeile genannt.
Zu seinem Abbiat in dem Reichskloster Lorsch vgl. Stehkämpfer,
Brun
S. 308 ff.
Die Quellen seiner Erhebung als Kölner Erzbischof
sind bei BO. 232a und von Oediger, Regesten Erzbischöfe von Köln
Bd. 1, Nr. 383, zusammengestellt.
Zur Stellung Bruns
als "archidux" in Lothringen vgl. im 1. Teil S. 125 f.
Allgemein orientiert zu Brunder
Artikel von Josef Fleckenstein im Lexikon des Mittelalters Band 2, Spalte
753 ff. s. v. Nr.3.
B 142
Lü: 10.10. Brun
aps + 965 Köln
Me: 11.10. Agrippine
ciuitatis archiepiscopus Brun
Als Sohn der Königin Mathilde
war
Brun
mit den BILLUNGERN verwandt; vgl. dazu Kommentar G 39. Widukind III, 59
berichtet, dass Egbert der Einäugige auf FürspracheBrunsdie
Verzeihung
OTTOS DES GROSSEN während
des Liudolf-Aufstandes erlangte; zu
den Beteiligten an diesem Aufstand siehe ausführlich oben Seite 79
ff.
Im Merseburger Necrolog gehört der Eintrag Brunsnicht
zur Ergänzungsschicht, sondern wurde von einer Hand geschrieben, die
sonst nicht im Necrolog nachzuweisen ist.
Allg. zur Tätigkeit Bruns
als
Abt von Lorsch, Erzbischof von Köln und
Herzog von
Lothringen vgl. Fleckenstein, Hofkapelle 2, 30f, u. ö.; Lorter,
Die Vita Brunonis des Ruotger, passim; Oediger, Geschichte der Erzbischöfe
von Köln, S. 100ff.; Ders., Regesten der Erzbischöfe von Köln
1, Nr. 347 - 483; NDB 2, S. 670; Biogr. Wörterbuch 1, Spalte 368f;
FW B 66 und Lexikon des Mittelalters 2, Sp. 753ff mit weiteren Hinweisen.
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Glocker Winfrid: Seite 119-135
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Brun von Köln
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(1. Hälfte) 925-10.10.965
Brun, der jüngste Sohn König HEINRICHS I. und der Königin Mathilde, wurde schon mit vier Jahren für den geistlichen Stand bestimmt. Nach Beendigung seiner Studien übernahm er wichtige politische Aufgaben als Leiter der Königskanzlei und als Erzbischof von Köln. In seiner Person ist die Union von geistlicher Würde und weltlichem Amt als Idealtyp eines Klerikers im ottonisch-salischen Reichskirchensystem ausgebildet; dies allerdings - was man sich immer vor Augen halten muß - unter der besonderen Bedingung der Zugehörigkeit zur königlichen Familie.
1. Brun als Kanzler
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Brun wurde als dritter
Sohn König HEINRICHS I. aus dessen
2. Ehe mit der Königin Mathilde
im Mai 925 geboren und bereits im Alter von vier Jahren für den geistlichen
Stand bestimmt. Es sei hier an die bekannte Tatsache erinnert, daß
die deutsche Reichskirche eine Adelskirche gewesen ist, und daß alle
Adelsfamilien einige ihrer Nachkommen dem geistlichen Stand überantworteten.
Auch König HEINRICH fügte
sich dieser Konvention, die ihre Erklärung nicht zuletzt in der Sorge
um das Seelenheil findet, das durch das Verrichten guter Taten durch Stellvertreter
gesichert werden sollte.
Brun erhielt seine
Erziehung durch Bischof Balderich von Utrecht, der der REGINAR-Familie
zuzuordnen ist - einer Familie, zu der die LIUDOLFINGER
wenige Jahre zuvor mit der Heirat der Königs-Tochter
Gerberga und des Herzogs Giselbert von Lothringen in verwandtschaftliche
Beziehungen getreten waren. Die umfassende Ausbildung schloß auch
den Unterricht in der lateinischen Grammatik (die neben der eigentlichen
Sprachlehre auch Literatur, Logik und Philosophie umfaßte), in Rhetorik,
Geschichte und Sprachen (darunter Griechisch, in der damaligen Zeit ein
Seltenheit) ein. Im Alter von 14 Jahren mußteBrun
seine Studien abbrechen, da ihn OTTO
I. im Jahre 939 an den königlichen Hof berief, wo er, Bruno,
nunmehr Tätigkeiten in der königlichen Kanzlei übernehmen
sollte.
Über das anfängliche Wirken Brunos
in der Kanzlei sind wir durch keinerlei Quellen unterrichtet, und so können
wir nur vermuten, dass Brun seinen
Bruder, den König, auf dessen Feldzügen gegen Heinrich,
Eberhard und Giselbert begleitete: die Königskanzlei reiste üblicherweise
mit dem Hof mit. Auffällig ist die politische Großwetterlage,
während der Brun in die Kanzlei
berufen wurde. In einer Zeit, in der König
OTTO I. seine Herrschaft zu stabilisieren suchte, wählte
er Brun, wohl in der Hoffnung, dieser
könne ihm in Zukunft als zuverlässiger Berater zur Seite stehen.
Ob Brun allerdings
in den ersten Jahren am Hof einen maßgeblichen Einfluß auf
die königliche Regierung ausübte, wie dies die jüngste Darstellung
des späteren Kölner Erzbischofs annimmt, scheint doch sehr fraglich,
wenn man das jugendliche und damit unerfahrene Alter Brunos
bedenkt: er war damals 14-15 Jahre alt. Eher wäre an einen Wechsel
auf die Zukunft zu denken.
Im September 940 erscheint Brun
erstmals in der Rekognitionszeile einer Königsurkunde als Kanzler.
Hiermit war die Stellung Brunsam königlichen
Hof sozusagen institutionalisiert; OTTO
setzte nun für die kommenden Jahre auf seinen Bruder, der auch jetzt
noch jede freie Minute für seine Studien nutzte. Wenn man die Königsurkunden
der nächsten Jahre untersucht, kann man eine spürbare Unsicherheit
in der Beurkundungstätigkeit feststellen, die erst allmählich,
mit zunehmender Erfahrung und Reife Bruns,
einer besseren Ordnung Platz macht. Parallel zu dieser Einarbeitung in
die Aufgaben des Kanzlers wird
Brun
auch entsprechend mehr und mehr Einfluß auf die Regierungstätigkeit
ausgeübt haben. Der Kanzler war privater Sekretär und engster
Berater des Königs. In seinen Händen lag die Überwachung
der täglichen Geschäfte der Reichskanzlei, und durch seine Hand
gingen alle Dokumente. Diese waren zumeist in lateinischer Sprache verfaßt,
deren König OTTO nicht mächtig
war, und so war es BrunsAufgabe, diese
Texte für seinen Bruder, den König, zu übersetzen. Durch
diese Tätigkeit hatte er selbstverständlich einen hohen Einfluß
auf die politischen Entscheidungen.
Brun war in der königlichen
Kanzlei aber nicht nur einfach verwaltend tätig, sondern nahm auch
bald Veränderungen und Verbesserungen vor. Die Urkundentexte wurden
neu formuliert und in Mustern festgeschrieben, um künftig Zweideutigkeiten
noch mehr zu vermeiden. In ihrer Bedeutung höher einzuschätzen
als die Verbesserung am Urkundenformular ist jedoch die Gründung einer
Klosterschule, die junge Kleriker im Rahmen der Kanzlei zu Notaren ausbildete,
die später auch Aufgaben in der Kirche übernehmen konnten.
Neben dem Amt des Kanzlers in der Reichskanzlei hatte
Brun
bis zu seiner Ernennung zum Erzbischof die Stellung eines Diakons inne
und danach auch die des Abtes in mehreren Klöstern, darunter in der
Reichsabtei Lorsch und vermutlich auch in der Abtei Corvey an der Weser.
Durch diese Tätigkeit Bruns
wurden diese Klöster zu führenden Zentren der Reformbewegung.
Bruns
Förderung innerkirchlicher Reformen war aber durch ein politisches
Motiv zumindest mitbedingt: eine bessere Verwaltung durch gut ausgebildte
und fromme Mönche ermöglichte es den Klöstern, sich aus
der Abhängigkeit vom ortsansässigen Adel zu befreien; ein neuer
Rückhalt für die Herrschaft des Königs wurde hier aufgebaut,
aber auch eine Pflanzstätte für königstreues Personal.
Während der Jahre seiner Kanzlerschaft hielt sich
Brun
praktisch ständig am Hofe seines Bruders, des Königs, auf. Er
begleitete
OTTO I. auch auf dessen
erstem Italienzug, auf dem er, Bruno,
in seinem Rang in der königlichen Kanzlei noch erhöht wurde:
Bruno
wurde Erzkanzler des Reiches. Mit diesem hohen Amt erkannte der
König die Verdienste seines Bruders an und zeichnete ihn für
seine Leistungen aus - freilich war das Amt des Erzkanzlers zu einem bloßen
Ehrenamt herabgesunken. Zugleich könnte König
OTTO I. mit der Auszeichnung Brunsbeabsichtigt
haben, dem bisherigen Erzkanzler, Erzbischof Friedrich von Mainz, einen
kleinen Dämpfer zu versetzen, da sich Friedrich schon einmal der Herrschaft
König
OTTOS gegenüber reserviert gezeigt hatte und nun den Erzkanzlerrang
mit einem Mann teilen mußte, der nicht einmal die Würde eines
Bischofs, geschweige die des Erzbischofs, aufweisen konnte. Brun
hat freilich mit der Übernahme des Erzkanzleramtes die Leitung der
Kanzleigeschäfte nicht aus der Hand gegeben.
In den Konflikt des Königs-Sohnes
Liudolf mit König OTTO I.,
ein Konflikt zwischen Neffe und Bruder, dürfte Brun
vermittelnd eingegriffen haben. Routger berichtet, Brunhabe
Liudolf,
als dieser bei der Belagerung von Mainz zu Unterhandlungen in das Lager
des Königs gekommen war, zur Seite genommen und unter vier Augen ein
eindringliches Gespräch mit ihm geführt. Die Rede
Brunos,
die Routger sicher im Hinblick auf den dramatischen Effekt hin verfaßt
hat, hat zwar sicher keinen authentischen Charakter; dennoch können
wir zwei wichtige Informationen entnehmen. Zum einen zeigt die Tatsache,
daß Routger mit einer solchen fingierten Rede auf Glaubwürdigkeit
bei den Zeitgenossen rechnen konnte, wie wichtig die Vermittlertätigkeit
Brunos
für die Politik dieser Jahre gewesen sein muß, und wie zentral
seine Position in der königlichen Familie war. Zum anderen können
wir aber auch erkennen, welche Schlüsselrolle im politischen Denken
der OTTONEN-Zeit die Familie an sich
und im besonderen die königliche Familie gespielt hat. "Wir hören
eine Menge über Liudolfs
Sohnespflichten
und wenig über das Reich". Liudolf
wird ermahnt, Rücksicht auf das ehrwürdige Alter seines Vaters,
auf die väterliche Liebe, die er von Kindesbeinen an empfangen habe,
zu nehmen; er verachte Gott, wenn er seinen Vater verachte, und er möge
bedenken, wer es war, der alle Fürsten des Reiches ihm durch
den Treueid verpflichtet habe. Der Konflikt des Königs mit Liudolf
wird somit auf einen Konflikt in der Familie der LIUDOLFINGER
reduziert, der schließlich durch die Vermittlertätigkeit Bruns
ausgeglichen werden kann.
Nachdem sich Liudolf
seinem Vater in Saufeld unterworfen hatte, läßt Routger seinen
Protagonisten, den Erzbischof Brun,
eingreifen, um den Königssohn, der auch weiterhin eine latente Gefahr
für die Herrschaft des Königs darstellte, zu beruhigen und ihn
wieder mit einer Aufgabe auszustatten, die seiner Stellung entsprach. Nachdem
OTTO
DER GROSSE in der Lechfeldschlacht gesiegt hatte, riet - so
Routger - Brun seinem Neffen, die Gunst
der Stunde zu nutzen und den Vater um Verzeihung zu bitten. Routger schreibt
es also dem Einfluß Bruns auf
den König zu, für Liudolf
die Verzeihung und die neue Aufgabe, Italien zu sichern, durch seine Fürsprache
bewirkt zu haben. Brun hätte somit
einen gewichtigen Beitrag zur weiteren Absicherung der Herrschaft OTTOS
DES GROSSEN geleistet, da mit der Entfernung Liudolfs
nach Italien der noch schwelende Konfliktherd bis auf weiteres gelöscht
war, der durch die Amtsenthebung des Schwaben-Herzogs entstanden war. Zugleich
könnte man auch auf Brunos Konto
gutschreiben, daß Liudolf durch
die Zuteilung Italiens von seinen Anhängern räumlich weit genug
getrennt war, um damit Sachsen für den König zu sichern: war
doch die Kernlandschaft der ottonischen
Herrschaft immer das oder zumindest ein Zentrum einer neu entstehenden
Rebellion gewesen. Und mit dem Weggang Liudolfs
in das langobardische Königreich stand in Sachsen auch kein potentieller
Anführer für einen eventuellen Aufstand mehr zur Verfügung.
Seit Brun zum Erzbischof
von Köln und zum Herzog von Lothringen erhoben worden war, konnte
er sich nicht mehr wie zu Zeiten seiner Kanzleitätigkeit ständig
in der Umgebung seines Bruders, des Königs, aufhalten, da ihn die
neuen Amtspflichten zeitlich stark in Anspruch nahmen. Dennoch sahen sich
Brun
und König OTTO regelmäßig,
fast jedes Jahr. Während des 2. Italienzuges OTTOS
DES GROSSEN wurde
Erzbischof Bruno
mit der Stellvertretung in der Reichsregierung beauftragt, und zwar
in Gemeinschaft mit seinem Neffen, Erzbischof
Wilhelm von Mainz, dem unehelichen Sohn OTTOS
DES GROSSEN. Während dieser Zeit der Regentschaft der beiden
Kirchenfürsten berichten die Quellen nichts über Aufstände
oder Verschwörungen. Anscheinend wurde die Regentschaft Brunos
und Wilhelms von den Großen des
Reiches anerkannt, wenn wir auch kaum näheres darüber wissen.
Nicht vergessen dürfen wir allerdings, daß zu dieser Zeit kein
Angehöriger der OTTONEN-Familie
mehr zur Verfügung stand, der in einem neuerlichen Aufstand die Führung
hätte übernehmen können: OTTO DER
GROSSE hatte alle seine tatsächlichen und potentiellen
Gegner überlebt.
Als OTTO DER GROSSE,
nunmehr Kaiser, in das Reich zurückgekehrt war, eilte ihm sein Bruder,
der Erzbischof von Köln, nach Worms entgegen und feierte dort mit
dem Kaiser das Fest Maria Lichtmeß. Zum letzten Mal sahen sich die
beiden Brüder bei dem großem Treffen aller Angehörigen
der ottonischen Familie, bei dem sich
der Kaiser in seiner neu gewonnenen Würde den Angehörigen präsentierte.
Über solche Treffen hinaus wurde der Kontakt zwischen König
OTTO I. und
Brun auch in
der Zwischenzeit aufrechterhalten. Zu alledem wirkte der Einfluß
Brunos
am königlichen Hof auch nach seinem Ausscheiden aus der Kanzlei weiter,
weil es seine Schüler waren, die nun die Kanzlei betreuten.
Brunwar somit bis
zu seinem Tod intensiv an der königlichen Herrschaft beteiligt. Besonders
eindrucksvoll verdeutlichen ließe sich die Stellung Brunos
an einer Urkunde des Erzbischofs Everacrus von Lüttich, die den Erzbischof
von Köln an erster Stelle unter den Fürsten nach den drei Monarchen
OTTO
DER GROSSE, OTTO II. und
König
Lothar von Frankreich nennt: diese Urkunde ist allerdings eine
Fälschung. Bevor wir dieses Zeugnis für unseren Zweck, die Stellung
Brunseinschätzen
zu können, verwerten dürften, müßten wir das Dokument
einer eingehenden Urkundenkritik unterwerfen, die hier jedoch nicht geleistet
werden kann.
2. Erzbischof von Köln und "archidux" in Lothringen
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Seit dem Jahr 953 war Brun
Herzog von Lothringen und etwa seit der gleichen Zeit Erzbischof in
Köln.
Brun wurde die Aufgabe übertragen,
das Herzogtum zwischen Rhein und Maas für das Reich zu sichern.Brun
löste diese Aufgabe nicht nur mit Bravour, sondern konnte Lothringen
sogar enger an das Reich binden. Wie war es dazu gekommen ?
Spätestens mit dem Anfang des Jahres 953 hatten
sich die beiden Herzöge Konrad von Lothringen und Liudolf
von Schwaben gegen Herzog Heinrich
von Bayern verbündet. Hiermit hatte der Liudolf-Aufstand
begonnen. Da sich König OTTO vor
seinen Bruder Heinrich stellte, war
er nicht nur von dem Aufstand mit betroffen, sondern rückte unter
den Gegnern der Aufständischen in die zentrale Position vor. Und die
Lage König OTTOS gestaltete sich
noch bedrohlicher: nicht nur die beiden Herzogtümer Liudolfs
und Konrads, Schwaben und Lothringen, schlossen sich dem Aufstand an, sondern
auch die fränkischen Gegenden um Mainz und Worms. Hier hatte die Familie
Konrads des Roten ihr traditionelles Machtzentrum, dort residierte Erzbischof
Friedrich von Mainz, der sich den Empörern anschloß. Franken
hatte bisher neben Sachsen zu den Säulen der königlichen Macht
gehört.
Am 9. Juli 953 starb nun Erzbischof Wigfrid von Köln,
der dem König treu ergeben gewesen war - gehörte doch auch er
der Familie der LIUDOLFINGER an - und
schon längere Zeit gekränkelt hatte. Auf den vakanten Sitz mußte
ein Mann, auf den sich König OTTO unbedingt
verlassen konnte, zumal Köln ja mitten im unsicheren Herzogtum Lothringen
lag. Und wer hatte sich bisher für die Krone zuverlässiger gezeigt
als Brun,
der Bruder des Königs? Die Wahl des neuen Erzbischofs wurde zwar in
regulärer kanonischer Weise vorgenommen, aber sogar Routger deutet
die Einflußnahme des Königs in vorsichtigen Worten an. Der Aufstand
Liudolfs zog immer weitere Kreise, deretwegen sich König
OTTO I. zu einem neuen, bisher noch nie gewagten Schritt entschloß.
OTTO
DER GROSSE übertrug seinem Bruder, Erzbischof
Bruno von Köln, die herzogliche Gewalt in Lothringen: "fratrem
suum Brunonem occidenti et provisorem, et, ut ita dicam, archiducem, in
tam periculoso tempore misit." Routger versucht, wie Helmut Neumann bei
der Interpretation der zitierten Stelle aufgezeigt hat, mit "tutor" und
"provisor" als gemeinverständlichen Synonyma das neugeschaffene Amt
zu definieren; anschließend ordnet der Biograph
Brunos diese Amt in Analogie zur kirchlichen Hierarchie ein:
archidux : dux
= archiepiscopus : episcopus
Die Amtsgewalt Brunos
im Herzogtum Lothringen scheint nur eine Art "Oberstellung" beinhaltet
zu haben: Konrad der Rote gilt auch weiterhin als Herzog, bis ihm auf dem
Reichstag zu Arnstadt das Herzogsamt aberkannt wurde; doch durfte Konrad
seinen Herzogstitel als Zeichen der Zugehörigkeit zum Reichsfürstenstand
weiterhin behalten.
OTTO DER GROSSE hatte
mit der Ernennung seines Bruders Brun,
des Erzbischofs von Köln, völliges Neuland beschritten: noch
nie hatte ein Kleriker die Herrschaft über ein ganzes Herzogtum übertragen
bekommen. Auch die Zeitgenossen dürften die Ungewöhnlichkeit
der nunmehrigen Stellung Bruns empfunden
haben. Nur so ist es zu verstehen, daß sich Routger die ganze "Vita
Brunonis" hindurch bemüßigt fühlt, den weltlichen Rang
des Klerikers Brun zu verteidigen.
Brun
hat diese Stellung freilich nicht erhalten, weil er Kleriker, sondern weil
er der zuverlässige Bruder
OTTOS I.
war.
Die Ernennung des Kölner Erzbischofs zum Herzog
war auch für die Zukunft der Königsherrschaft richtungsweisend:
hier entstand zum ersten Mal die Gemeinschaft von geistlicher und weltlicher
Sphäre, die Einheit von Kirche und Staat. Das Zusammenwirken dieser
beiden Bereiche sollte - dies wurde in den folgenden Jahren ganz deutlich
- dem Schutz des Reiches, dem Frieden und der Ordnung dienen, und die Kirche
sollte durch die weltliche Ordnung ergänzt werden. Es entstand daraus
das, was die Forschung gemeinhin als das ottonisch-salische
Reichskirchensystem bezeichnet. Brun
selbst gilt in der Literatur als der "Prototyp" des ottonisch-salischen
Reichsbischofs, wenngleich die "archidux"-Stellung nur ihm persönlich
galt und nicht beim Kölner Erzbistum verblieb. Als politische Persönlichkeit
bleibt Brun einzigartig, da sich kein
anderer in dem gleichen Maße wie er in den Dienst des Staates einbrachte.
Bei dieser Gelegenheit sei darauf hingewiesen, daß unser Bild Brunos
immer stark durch die Zeichnung des Routger in der "Vita Brunonis" geprägt
sein wird: Routger hat aus dem Zusammenfließen von kirchlichen und
weltlichen Amtsaufgaben in einer Person, die Mitglied der Herrscherfamilie
und Bruder des Königs war, eine familiäre Struktur der Königsherrschaft
abstrahiert.
Bruno von Köln,
dem neuernannten "Erzherzog", konnte von seinem Bruder OTTO
I.
die Aufgabe, Lothringen zu sichern, allein überlasse
werden, als sich der König nach Bayern begab, um dort gegen Liudolf
vorzugehen. In Aachen fand unter der Leitung Bruns eine Versammlung der
Fürsten Lothringens statt. Die Wahl dieses Versammlungsortes zeigteBrunsLegitimitätsdenken:
Aachen war der Ort der Krönung
OTTOS I. gewesen,
stand aber auch in der KARLS-Tradition,
die zugleich den Anspruch auf Lothringen implizierte. Doch auch die Schwierigkeiten,
die
Brun bei
der Anerkennung seiner Stellung in Zukunft noch haben sollte, wurden schon
bei dieser Versammlung deutlich: wie auch vier Tage später bei der
feierlichen Thronbesetzung
Brunos in
Köln, erschienen nur Bischöfe aus Lothringen: andere Herzogtümer
waren nicht vertreten.
Es gelang Brun,
mit einer Politik des "divide et impera" die lothringischen Adligen auf
seine Seite zu ziehen; sie wurden in den Kreis der Berater des Erzbischofs
und "Erzherzogs" aufgenommen. Geschickt nutzte der Königsbruder die
Feindschaft der Großen Lothringens gegen Herzog Konrad. Bereits kurz
nach seiner Weihe zum Erzbischof trat Bruno
Konrad dem Roten bei Rimlingen gegenüber, eine Begegnung die ohne
Kampf verlief, da der Kölner Erzbischof Konrad davon überzeugen
konnte, ein Kampf ginge "contra regem", worauf dieser auf die militärische
Auseinandersetzung verzichtete. Es stellt sich hier die Frage, ob nicht
auch Brun vor der kriegerischen Auseinandersetzung
zurückgeschreckt ist. Wie konnte er überhaupt einen Waffenkampf
mit seiner Stellung als Kleriker und als Erzbischof vereinbaren? Wir wissen,
dass Brun
selbst Heere anführte und vermutlich auch selbst Waffen trug. Dennoch
scheint er ein diplomatisches Vorgehen, wenn möglich, vorgezogen zu
haben, wie uns das der Continuator Reginonisim Falle des Rimlinger Treffens
überliefert hat, und wie wir es auch aus dem weiteren Handeln Brunos
in Lothringen entnehmen können.
Seit Anfang 954 war Konrad der Rote durch Brunoffenbar
isoliert worden: wir hören zumindest nichts mehr von Kämpfen
zwischen Herzog Konrad und Erzherzog Bruno.
Alleiniger Herzog in Lothringen war Brun
allerdings erst seit dem Reichstag von Arnstadt, auf dem Konrad seinen
Verzicht auf das Herzogtum leistete.
Doch auch jetzt konnte die Lage in Lothringen noch nicht
als beruhigt angesehen werden. Es gab weitere potentielle Gegner, die sich
bald zu Wort meldeten. Am mächtigsten war nach dem Herzog die
Familie der REGINARE, deren Haupt zu den Zeiten BrunosGraf
Reginar III. vom Hennegau war. Dieser nahm im Jahr 955 Lüttich ein
und setzte dort Bischof Rather, einst Lehrer Brunosund
somit Günstling des "Erzherzogs", ab: er war - aus seinem Veroneser
Bischofssitz vertrieben - von Brun
noch an seinem Kölner Weihetag zum Bischof von Lüttich umordiniert
worden; Rather hatte aber als Landfremder in lothringischen Lüttich
seine Stellung nie festigen können. Als Nachfolger bestieg der Neffe
Reginars, Balderich, den Lütticher Bischofsstuhl. Bruno konnte zunächst
nichts gegen die gefährliche "familiäre Identität von regionaler
Adels- und Bischofsherrschaft" unternehmen, da die REGINAR-Familie ihre
Loyalität gegenüber Kirche und Reich versicherte. Doch bald bot
sich eine Gelegenheit, gegen Reginar und seine Familie vorzugehen.
Um seine Machtstellung abzusichern, hatte Reginar das
Witwengut der
Gerberga, der Schwester
OTTOS
DES GROSSEN und nunmehrigen Witwe
König
Ludwigs IV. Transmarinus, okkupiert. Dieses Witwengut war Gerberga
von ihrem 1. Gemahl, Herzog Giselbert übertragen worden, der seinerseits
der REGINAR-Familie angehörte. Eine gewisse Berechtigung wird man
daher dem Vorgehen Reginars III. nicht absprechen können, da die fraglichen
Güter dem Besitz der Familie entstammten.
König Lothar,
der Sohn Gerbergas, griff in diese
im Grunde innerlothringische Angelegenheit ein, die allerdings wegen des
zu erwartenden Erbfalles beim Tode seiner Mutter auch seine eigene sein
mußte, und eroberte in einem Handstreich die Festung Reginars am
Chiers, die auf Reichsgebiet lag; dabei gelang es ihm, die Gemahlin und
Kinder Reginars gefangenzunehmen. Auf Bitten seiner Schwester Gerberga
vermittelte Brun zwischen seinem Neffen
Lothar
und Reginar, der das Witwengut der Gerberga
im Tausch gegen seine Angehörigen herausgeben mußte. Brunerscheint
hier auf den ersten Blick als neutraler Schiedsrichter, der zwischen den
Parteien, nur um die Gerechtigkeit besorgt, waltete. Doch wie groß
war seine Beteiligung wirklich? Wir sind bei der Antwort auf Vermutungen
angewiesen, können aber aus der Kenntnis der Gesamtergebnisse mit
gutem Grund folgern, daß Brun von
dem Eingreifen Lothars im voraus informiert
gewesen sein muß. Der französische König mußte keinen
Augenblick lang zögern, einen ottonischen
Vasallen in Lothringen anzugreifen. Dieses Vorgehen Lothars
scheint
ohne ein stillschweigendes Einverständnis des lothringischen "Erzherzogs"
nur schwer vorstellbar. Zudem hatte ja auch Brunvon
Lothars
Aktion profitiert: die Macht Reginars wurde geschmälert, ohne dass
Brungegen
seinen Vasallen auftreten mußte und auf diese Weise etwa andere lothringische
Große verstimmt hätte. Brun
nutzte somit geschickt die Gegnerschaft Lothars
gegen Graf Reginar III. aus, um sein eigenes Ziel, die Festigung der OTTONEN
in Lothringen, weiter zu betreiben.
Als sich Graf Reginar im Jahr 957 zu einem neuen Aufstand
erhob, griff
Brun mit seiner ganzen
militärischen Macht durch. Er sammelte seine eigenen Gefolgsleute
und beorderte auch
König Lothar gegen
Graf Reginar, obwohl der westfränkische König dafür einen
eigenen Feldzug abbrechen mußte. Gegen diese Übermacht rechnete
sich Reginar keine Chance mehr aus und gab auf. Nun statuierteBrun
gegen den aufrührerischen Grafen ein Exempel: Reginar wurde
abgesetzt und in die Verbannung geschickt; seinen konfiszierten Besitz
erhielten treue Adlige, während die Reginar-Söhne von der Nachfolge
ihres Vaters ausgeschlossen wurden. Auch gegen die Stadt Cambrai, die Bischof
Berengar - er war als Verwandter des sächsischen Königshauses
von Brun eingesetzt worden - vertrieben
hatte, ging der Kölner Erzbischof mit geradezu unchristlicher Härte
vor und unterdrückte den Aufstand blutig.
Die letzten Erhebungen in Lothringen gingen von dem Grafen
Immo aus, der in den Jahren 959 und 960 Aufstände anzettelte, aber
für
Brun keine allzu große
Gefahr mehr darstellte. Graf Immo von Chevremont und Graf Robert von Namur
hatten auf Befehl Bruns Teile ihres
Besitzes an andere Adlige übertragen müssen, um so ihre eigene
Macht zu verringern. Zudem mußten sie angeblich Burgen, die ohne
Wissen Brunserrichtet worden waren,
abtragen. Hierzu kamen auch noch militärische und finanzielle Belastungen.
Die genauen Forderungen sind aus den Quellen nicht eruierbar, ja Flodoard
bringt den Hauptpunkt der Forderungen Brunos,
die "schwarz" errichteten Festungen zu schleifen, in die Nähe eines
Gerüchts. Wir können eigentlich den Quellen mit Sicherheit nur
entnehmen, daß sich Immo und andere Adlige gegen den lothringischen
"Erzherzog" wegen bestimmter Forderungen Brunos erhoben. Die Rädelsführer
dürften auch keine große Zahl von Anhängern um sich geschart
haben; für diese Annahme spricht, dass es Brun
rasch gelang, den Aufstand niederzuwerfen. Einen Feldzug Brunos
nach dem Westfrankenreich nützten Immo und Robert zu einem neuen Versuch,
BrunsMacht
zu stürzen. Obwohl
Bruno die Burgen
der Aufständischen nicht erobern konnte, waren diese zur Unterwerfung
gezwungen, da es ihnen an jeglicher Unterstützung mangelte.
Wie Brun in den Jahren
seines Archidukates in Lothringen gezeigt hat, griff er mit harter Gewalt
durch, wenn er es für notwendig erachtete. Man dürfte nicht zu
weit gehen, Brun als konsequenten Machtpolitiker
machiavellischer Prägung zu bezeichnen, der auch nicht davor zurückschreckte,
seine Ziele - wenn er es für notwendig und unumgänglich erachtete
- mit militärischer Gewalt durchzusetzen. Für König
OTTO I. war die Zeit des Erzherzogsamtes seines Bruders Brunowichtig
und von Vorteil, da Lothringen und damit auch die Kernlandschaften der
ottonischen
Herrschaft am Rhein für die königliche Macht gesichert wurden.
Militärischer Druck allein schien Brun
allerdings nicht ausreichend, um Lothringen dauerhaft für das Reich
sichern zu können. Die neue Stütze für die Herrschaft des
ostfränkischen Königs sollte der Episkopat werden. Nur die Bischöfe,
deren Einsetzung einer gewissen Einflußnahme des Königs unterstand,
konnte ein zweiter Tragpfeiler des Staates neben und auch gegen die unsicheren
weltlichen Adligen werden. Brunsetzte
zielstrebig Schüler seiner Bischofsschule in Köln auf die freiwerdenden
Bischofssitze in Lothringen. Auf diese Weise kamen die meisten Bistümer
in die Hände von VertrautenBruns,
die zudem zum Teil noch mit den OTTONEN
verwandt waren. Alle diese Bischöfe waren in der Bischofsschule
Bruns oder in der Hofkapelle zur Loyalität erzogen worden.
Nach Eignung und Pflichtbewußtsein wurden sie von Brun
für den Dienst in Kirche und Reich ausgewählt. Dennoch blieben
auch Brun Fehlgriffe und Rückschläge nicht erspart. Sein engster
Vertrauter, Bischof Rather, konnte sich in Lüttich nicht durchsetzen.
Auch die Position Bischof Berengars von Cambrai war trotz des Eingreifens
Bruns
und der fortgesetzten Schreckensherrschaft des Bischofs Berengar nicht
zu halten.
Brun beugte auch
eventuellen Ansprüchen des westfränkischen Reiches auf Lothringen
vor: In einer Situation, in der - Brunseigene
Macht nicht ungefährdet war, ließ sich der "archidux" von König
Lothar den Verzicht auf Lothringen bestätigen.
Möglicherweise - die Frage ist in der Forschung
stark umstritten - versuchte Brun auch
eine Verwaltungsreform, indem er das Herzogtum Lothringen in zwei Unterherzogtümer
aufteilte. Durch ein Quellenzeugnis belegt ist freilich nur die Einsetzung
Friedrichs, des Sohnes des Wigerich und der Kunigunde, der Graf von Bar
und zudem noch mit einer Nichte Brunos,
Beatrix,
der Tochter Hugos des Großen
und der Hadwig, vermählt war.
Dieser Graf Friedrich wurde nach Flodoard zum Stellvertreter eingesetzt
und ist in zwei Urkunden zudem als "dux" bezeichnet. Eine solche Maßnahme
Brunos,
Lothringen in zwei Unterherzogtümer aufzuteilen - sollte dies historisch
sein, was beim momentanen Forschungsstand als noch nicht endgültig
geklärt angesehen werden muß -, könnte zum Ziel gehabt
haben, durch eine Intensivierung der Herrschaft, wie sich dies durch einen
kleineren Amtsbereich für die Unterherzöge erreichen ließ,
die lokalen Adelsgewalten besser in den Griff zu bekommen und sie somit
zur Anerkennung der Herzogsherrschaft zu zwingen.
3. Die Einflußnahme Bruns im Westreich
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In den Jahren seines Archidukates in Lothringen griff
Bruno
immer stärker in die Belange des westfränkischen Reiches ein.
Um das Reich OTTOS DES GROSSEN vor
der Gefahr eines einigen und damit starken Westreiches zu schützen,
nützte Bruno - wie schon zuvor
OTTO
DER GROSSE selbst - die inneren Gegensätze zwischen KAROLINGERN
und ROBERTINERN. Die Verwandtschaft
des "Erzherzogs" mit den beiden Häusern, die sich oft als Gegner gegenüberstanden,
ermöglichte es Brun, als Schwager
und Onkel zum Vermittler und somit zum heimlichen Regenten des westfränkischen
Reiches zu werden. Brun
suchte
den innerfranzösischen Gegensatz zu erhalten, um beide Parteien auf
diese Weise zu zwingen, sich auf sich selbst zu konzentrieren. So war Lothringen,
das Ursprungsland der KAROLINGER, vor
eventuellen Ansprüchen des westfränkischen KAROLINGER-Königs
gesichert. Brun nahm an den westfränkischen
Angelegenheiten einen weit stärkeren Anteil als dies sein Bruder,
König
OTTO I., je getan hatte. Die Regierung des Westreiches lag praktisch
in den Händen eines ottonischen
Familienrates,
in dem Brun dominierte, und OTTO
DER GROSSE die graue Eminenz im Hintergrund war.
4. Zusammenfassende Würdigung Bruns
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Unter den Geschwistern OTTO
DES GROSSEN, war Brun
derjenige, der sich am zielgerichtesten nach den Intentionen
des Vaters und des Bruders entwickelt haben dürfte.
Brun
ließ sich dort einsetzen, wo Gefahr für die königliche
Herrschaft drohte, der König selbst aber nicht eingreifen konnte.
So wies OTTO I. seinem Bruder zwei
verschiedene Ämter zu, die Brun
gut zu kombinieren verstand: das weltliche und das geistliche Fürstentum.
Aus dieser Doppelaufgabe heraus entwickelte sich das Bemühen Bruns,
den Frieden im Reich um jeden Preis zu sichern, notfalls auch mit militärischen
Mitteln. So griff "Erzherzog" Brun in
Lothringen mit harter Gewalt durch, um die Herrschaft seines Bruders, des
Königs, zu festigen. Gegner wurden sowohl durch die erzbischöflichen
wie auch durch herzoglichen Machtmittel zur Raison gebracht.
Neben diesen Fähigkeiten als Politiker und Feldherr
setzte Brun auch seine geistigen Qualitäten
ein, um den Aufbau einer neuen Machtstruktur mit der Ausbildung von Bischöfen
in der Kölner Bischofsschule zu beginnen. Das Verhältnis Bruns
zu seinem Bruder OTTO DEM GROSSEN kann
nicht allein durch die verwandtschaftlichen Beziehungen erklärt werden,
die sich im Rahmen der ottonischen
Familienpolitik so oft als Flop erwiesen hatten. Brun
handelte immer im Sinne seines Bruders, des Königs: er stellte sich
nie gegen dessen Herrschaft und war somit als ein Angehöriger der
LIUDOLFINGER-Familie
eher eine Ausnahmeerscheinung.
Literatur:
-----------
Althoff Gerd: Adels- und Königsfamilien im
Spiegel ihrer Memorialüberlieferung. Studien zum Totengedenken der
Billunger und Ottonen. Wilhelm Fink Verlag München 1984, Seite 79,82,133,140,
158,311,327 B 142 - Beumann, Helmut: Die Ottonen. Verlag W. Kohlhammer
Stuttgart Berlin Köln, Seite 42,73-76,81-85,89,91,98-100,107,116,135
- Eickhoff, Ekkehard, Theophanu und der König, Klett-Cotta
Stuttgart 1996, Seite 162-435 - Thietmar von Merseburg: Chronik.
Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe, Seite 14,50,58,60,130,148 -
Wies, Ernst W.: Otto der Große, Bechtle Esslingen 1989, Seite
19-282 -