Lexikon des Mittelalters: Band VI Spalte 25
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Lüttich (frz. Liege, ndl. Luik)
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Stadt an der Maas im heutigen Belgien, Bistum und ehemaliges geistliches Fürstentum (Fürstbistum)
I. DAS BISTUM IM FRÜHEN MITTELALTER
Das Bistum Tongern-Maastricht-Lüttich ist Nachfolger der römischen civitas Tungrorum; ursprünglich Vorort und Bischofssitz war Tongern. Der erste sicher bezeugte Bischof von Tongern ist der heilige Servatius (ca. 342-359). Im 6.-8. Jh. war Maastricht als wohlhabendste Stadt der Diözese bevorzugte Bischofsresidenz, schließlich aber wurde Lüttich zum Bischofssitz. Möglicherweise ist der nördliche Teil der Diözese ('Toxandria' oder 'Campina') dem Bistum erst zu einem späteren Zeitpunkt (9. Jh.) angegliedert worden. Während des gesamten Mittelalters, bis zur Neuordnung von 1559, erstreckte sich die Diözese von Lüttich von der Niedermaas bis zur Semois und von Aachen bis Nivelles und Löwen. Es ist wahrscheinlich, dass der Bischof von Lüttich zu Beginn des 9. Jh., im Zuge der karolingischen Neuorganisation der Metropolen, zum Suffragan des Erzbischofs von Köln wurde. Politisch gesehen war die Diözese Lüttich ein Teil von Lotharingien, als der sie 925 dem ostfränkischen Reich einverleibt wurde. 1081 erließ der Bischof von Lüttich, Heinrich von Verdun, erstmals im Imperium einen Gottesfrieden, der, auf den gesamten Diözesanbereich bezogen ("Lütticher Friedenstribunal"), das Ansehen und die politische Autorität der Bischöfe in hohem Maße gesteigert hat.
III. DAS FÜRSTBISTUM
Das geistliche Fürstentum, dessen Hauptstadt Lüttich
war,
ist eine der bemerkenwertesten Schöpfungen des sogenannten
ottonisch-salischen
Reichskirchensystems in Lothringen. Um die Mitte des 10. Jh. besaßen
die Bischöfe Güter und Rechte in den wichtigsten Städten
des Maaslandes (Lüttich, Tonggern, Maastricht, Huy, Namur, Dinant),
ländliche Grundherrschaften sowie Eigenklöster (St-Hubert, Lobbes).
980 erwirkte Bischof Notker von OTTO II.
ein umfassendes Immunitätsprivileg, das alle Besitzungen der Lütticher
Kirche von der Jurisdiktionsgewalt der Grafen ausnahm. Noch folgenreicher
war das Diplom OTTOS III. von 985,
das Bischof Notker die Grafschaft Huy verlieh; damit war
der Bischof von Lüttich zu einem wirklichen
Fürsten des Reiches geworden. 987 übertrug
OTTO
III. dem Bischof eine weitere große Abtei, Gembloux,
und eine zweite Grafschaft, den zwischen Jette und Dijle gelegene 'Brunnengeruut'.
Hinzu trat eine 3. Grafschaft, der zwischen Maas und Geer situierte 'Haspinga'
(Hasbengau). Seit 1071/76 war die Grafschaft Hennegau ein Lütticher
Kirchenlehen; 1096 erwarb Bischof Otbert Burg und
Herrschaft Bouillon. Dies sind die wichtigsten Etappen der Territorialbildung
des Fürstentums, die sich auf Kosten der Grafschaft Namur und in Konkurrenz
mit dem Hause BRABANT-LÖWEN vollzog. Für das 13. und 14.
Jh. sind als größere Territorialherrschaften nur noch die Stadt
St Truiden/St-Trond (1227) und die Grafschaft Looz/Loon (1366) zu
erwähnen. Danach blieben die Grenzen des Fürstbistums bis zu
seiner Auflösung (1793/95) unverändert.
Im 14. und 15. Jh. war Lüttich
- wie andere Gebiete - Schauplatz von Auseinandersetzungen zwischen dem
bischöflichen Landesherrn und seinen Untertanen. 1316 wurde Bischof
Adolf von der Mark genötigt, in den Bestimmungen der 'Pai de Fexhe'
einzuwilligen; dieser Vertrag unterwarf den Bischof den Rechten und Gewohnheiten
des Landes, die nur mit Zustimmung des 'Sens de Pays'. das heißt
der drei Landstände (Domkapitel, Ritterschaft, Städte) und des
Bischofs geändert werden durften. Diese Vereinbarung wurde 1373 vervollständigt
durch die Schaffung eines 'Tribunal des vingt-deux', das über Verfehlungen
der bischöflichen Beamten zu richten hatte. Mit der Herrschaft des
Elekten
Johann von Bayern (1389-1418), der den Herzog von Burgund zu
Hilfe rief, nahm der Konflikt zwischen Fürst und Untertanen eine dramatische
Wendung. Burgund, das in den weltlichen Territorien der Niederlande in
voller Expansion war und nach einer Besetzung der geistlichen Fürstentümer
mit seinen Parteigängern strebte, griff sogleich ein: Herzog
Johann (Jean
'sanspeur') schlug 1408 die Lütticher
Aufständischen bei Othee (südlich von Tongern). 50 Jahre später
setzte Herzog Karl der Kühne zugunsten
des Bischofs Ludwig von Bourbon (1456-1482)
seine Militärmacht ein, zerstörte 1466 Dinant, 1468 Lüttich
und gliederte das Fürstentum faktisch dem burgundischen Staat ein.
Doch sogleich nach dem Tode des Herzogs bei Nancy (1477) erhoben sich die
Lütticher und stellten ihre Selbständigkeit und die alten Rechte
und Gewohnheiten wieder her.
Lüttichs Sprengel umfasste
das Maasland von den Ardennen bis nach Toxandrien, von Stablo und Aachen
bis zum östlichen Hennegau und Brabant. In diesem geistig besonders
regsamen germanisch-romanischen Mischgebiete gelang es tüchtigen Bischöfen,
die Tradition der karolingischen Wissenschaft
trotz der Verheerungen durch Normannen aufrechtzuerhalten. Um sich der
REGINARE und anderer begehrlicher Geschlechter erwehren zu können,
waren sie auf enge Anlehnung an das Reich angewiesen. Das Bistum verfügte
über Streugüter, Forst- und Wildbannrechte im Lüttichgau,
Wavrewald und Toxandrien, Markt, Münze, Zoll in Lüttich und Maastricht,
bedeutende Klöster wie Lobbes an der Sambre und Gembloux, Grafenrechte
in und um Huy. Auch besaß es eine beachtliche Anzahl Burgen und Lehnsmannen.
| Betulf | 614- 623 |
| Johann I. | 627?- 647? |
| Amandus | 647?- 650? |
| Remaclus | 652?- 662? |
| Theodoard | 662?- 669? |
| Lambert | 669?- 708 |
| Hubert | 708- 727 |
| Florebert I. | 727- 746 |
| Fulcherus | 747?- 765 |
| Agilfried | 765- 784? |
| Gerobald | 784?-18.10.809 |
| Walkald | 810-06.04.836 |
| Pirard | 836-08.07.840 |
| Hirchar | 841-29.09.855 |
| Franco | 856-13.01.903 |
| Stephan | 903-16.06.920 |
| Richar | 920-23.07.945 |
| Hugo I. | 945-23.01.947 |
| Florebert II. | 947-28.10.953 |
| Ratherius | 954- 956 |
| Balderich I. | 956-29.07.959 |
| Ebrachar | 959-27.10.971 |
| Notker | 972-10.04.1008 |
| Balderich II. von Looz | 1008-30.07.1018 |
| Walbod | 1018-30.04.1021 |
| Durand | 1021-23.01.1025 |
| Reginard | 1025-05.12.1038 |
| Rithard | 1039-16.08.1042 |
| Azzo | 1042-08.07.1048 |
| Dietrich | 1048-24.05.1075 |
| Heinrich von Tull | 1075-31.05.1091 |
| Otbert | 1092-31.01.1119? |
| Friedrich von Namur | 1119-27.05.1121 |
| Albero I. von Löwen | 1121-01.01.1128 |
| Alexander I. von Jülich | 1128-08.07.1135 |
| Albero II. von Namur | 1135-27.03.1145 |
| Heinrich II. von der Leyen | 1145-06.10.1164 |
| Alexander II. von Orle | 1164-09.08.1167 |
| Rudolf von Zähringen | 1167-05.08.1191 |
| Adalbero von Brabant | 1191-24.11.1192 |
| Lothar von Hochstaden + 1194 | 1192-1193 |
| Simon von Limburg | 1193-1195 |
| Otto von Heinsberg | 1195 |
| Albrecht II. von Cuyk | 1195-01.02.1200 |
| Hugo II. Pierrepont | 1200-12.04.1229 |
| Johann II. von Rumigny | 1229-01.05.1238 |
| Wilhelm I. von Savoyen | 1238-01.11.1239 |
| Robert I. Thorote | 1240-26.10.1246 |
| Heinrich III. von Geldern | 1247-03.07.1274 |
| Johann III. von Enghien | 1274-24.08.1281 |
| Wilhelm II. von Auvergne | 1282 |
| Johann IV. von Flandern | 1282-14.10.1292 |
| Guido von Hennegau Verweser | 1282-1296 |
| Hugo III. von Chalons | 1296-1301 |
| Adolf I. von Waldeck | 1301-13.12.1302 |
| Theobald von Bar | 1302-13.05.1312 |
| Adolf II. von der Mark | 1313-03.11.1344 |
| Engelbert von der Mark | 1345-23.02.1364 |
| Johann IV. von Arkel | 1364-01.07.1378 |
| Arnold von Horn + 1425 | 1378-08.03.1389 |
| Johann VI. von Bayern-Hennegau | 1389-28.05.1418 |
| Johann VII. von Wallenrodt | 1418-28.05.1419 |
| Johann VIII. von Heinsberg | 1419-22.11.1455 |
| Ludwig von Bourbon | 1456-30.08.1482 |
| Johann IX. von Horn | 1482-19.12.1506 |
| Eberhard von der Mark-Sedans | 1506-18.03.1538 |
| Cornelius von Berghes + 1565 | 1538-16.08.1544 |
| Georg d'Austria | 1544-05.05.1557 |
| Robert II. von Berghes + 1565 | 1557-22.07.1563 |
| Gerhard von Groesbeck | 1563-28.12.1580 |
| Ernst von Bayern | 1581-17.02.1612 |
| Ferdinand von Bayern | 1612-13.09.1650 |
| Maximilian Heinrich von Bayern | 1650-03.06.1688 |
| Johann Ludwig von Elderen | 1688-01.02.1694 |
| Joseph Clemens von Bayern | 1694-12.11.1723 |
| Georg Ludwig von Berghes | 1724-04.12.1743 |
| Johann Theodor von Bayern | 1744-27.01.1763 |
| Karl von Outremont | 1763-22.10.1771 |
| Franz Karl von Welbrück | 1772-30.04.1784 |
| Cäsar Constantin Franz von Hoensbroeck | 1784-1792 |
| Franz Anton von Mecheln + 1795 | 1792-08.05.1793 |
| Sedisvakanz | 1793-1829 |
| Richard Anton von Bommel | 1829-1852 |
| Theodor Joseph Montpellier | 1852-1879 |
| Victor Joseph Douterloux | 1879- |