Lexikon des Mittelalters: Band IV Spalte 903
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Freising
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I. BISTUM
1. Früh- und Hochmittelalter
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Freising (lat. Frigisinga,
Frisinga 'Siedlung eines Frigis'); seit ca. 700 agilolfingische
Herzogspfalz, in der unter dem Teilherzog Grimoald
(715-725/28) und kurz unter Herzog
Hukbert (ca. 725-ca. 736) der heilige Korbian Missionstätigkeit
ausübte.
Das Bistum Freising wurde
wie die anderen bayerischen Bistümer 739 von Bonifatius und Herzog
Odilo gegründet. Bischofssitz wurde die bisherige Herzogspfalz
auf dem Domberg. Über die ersten Bischöfe wissen wir nur wenig.
Aber seit dem tatkräftigen und gelehrten Bischof Arbeo (764/65-783)
tritt dann die Bischofsreihe in Erscheinung, die das Bild Freisings
außerordentlich prägte. Ein einziger Adelsklan, die
HUOSI, hat fast ein Jahrhundert lang durch Besetzung des Bischofsstuhls
aus den eigenen Reihen das Bistum beherrscht und damit auch die Politik
des Raumes bestimmt, mit teilweise recht positiven Akzenten. Der Wirkungsbereich
des Bistums Freising war sowohl im Rahmen
des agilolfingischen Herzogtums als
auch im Rahmen des ostfränkischen Reichsteils stark binnenorientiert.
Es greift in seiner Kernsubstanz nicht bis an die Reichsgrenzen aus. Das
zeitgenössische Freisinger Quellenmaterial zeigt eine auffallend dichte
Konzentration des Freisinger Besitzes zwischen
Inn im Osten und Lechrain im Westen, als entfernten Besitz vor 788 lediglich
noch das Eigenkloster Innichen im Südtiroler Pustertal. Mit Anno
(854-875), dem Nachfolger des HUOSIER-Bischofs Erchanbert (835/36-854),
und seinem Neffen Arnold (875-883) scheint eine neue Adelsfamilie
auf dem Freisinger Bischofssitz zum Zuge gekommen
zu sein. Erstmals im ausgehenden 9. Jh., anlässlich der Bischofserhebung
des ehemaligen Notars und Kanzler König KARLS
III. Waldo (883-906), lässt sich die Beteiligung
des Königs bei der Besetzung des Freisinger
Stuhls nachweisen. Bezeichnenderweise
ist Waldo
der erste Bischof der Diözese, der nicht den großen
Adelssippen des bayerischen Raumes angehörte. Waldos Bruder
Salomo war Bischof von Konstanz. Der gleichzeitige Bischof Waldo von Chur
war Neffe des Freisinger Bischofs.
Trotz der Binnenstruktur des Bistums war Bischof Anno
in den Konflikt der bayerischen Bischöfe mit dem Slavenapostel Method
verstrickt; in einem Papstbrief wird der Bischof als Hauptdrahtzieher der
Kampagne gegen Method bezeichnet. Besonders König
ARNULF stärkte Freising im
karantanischen Raum nach dem Methodius-Prozess. Ein halbes Jahrhundert
später setzte dann Bischof Abraham (957-993) der
Freisinger Vorstoß in den slavischen Raum um Bischofslack
in Krain ein, wiederum mit Hilfe des Königtums. Ein Jahrhundert später
wird Bischof Ellenhard von Kaiser HEINRICH
IV. mit weiteren Besitzungen im Krainer Raum und in Istrien
belohnt. Diese Freisinger Ausbreitung in den
SO-Alpenbereich führte zu kirchen- und territorialpolitischen Spannungen
mit Salzburg und Aquileia.
Unter Bischof Abraham erwarb Freising auch die
Grafschaft Cadore südöstlich von Innichen, offensichtlich in
jenem Augenblick, als Kaiser OTTO II.
dringend Hilfe gegen den eigenwilligen Bayernherzog Heinrich den Zänker
brauchte. Möglicherweise stand die Übertragung dieser Grafschaft
an Freising auch im Zeichen der Byzanzpolitik OTTOS
II., denn der Cadore-Weg führte in die byzantinsiche Einflußzone
des Veneto.
Auch im Donauraum erhielt Freising seit der Mitte des
9. Jh. eine Reihe wichtiger Besitzungen. Im 11. Jh. zeigt sich erneut enger
Kontakt zwischen Freising und dem König: Egilbert (1005-1039),
der 17. Bischof von Freising, war Mitglied des Hofklerus und Kanzler HEINRICHS
II. für Deutschland und Italien.
Seine Ernennung mußte gegen den Widerstand des Freisinger
Domklerus durchgesetzt werden. Egilberts zweiter Nachfolger,
Ellenhard (1052/53-1078), soll wiederum als familiaris des Königs
ex aula imperatoris auf die Empfehlung HEINRICHS
III. 1053 zum Bischof gewählt worden sein. Im Investiturstreit
war er denn auch treuer Parteigänger des Königs. Im 11. Jh. war
also Freising fest in der Hand des Königs.
Bischof Otto I. von Freising (1138-1158), Sohn Markgraf Leopolds
III. von Österreich und einer Tochter Kaiser
HEINRICHS IV., einer der größten Geschichtsschreiber
der Mittelalters, war ein eifriger Reformer der Diözese, gründete
Prämonstratenserstifte und stellte eine Reihe von Klöstern seiner
Diözese wieder her. Unter seinen Nachfolgern Albert I. (1158-1184)
und Otto II. (1185-1220) entstand der - bestehende - spätromanische
Dombau, im Innern im 18. Jh. barockisiert, doch bewahren das Portal und
die bedeutende Krypta (in ihr der Steinsarg des heiligen Korbian) romanischen
Charakter.
Der harte Zugriff der Hochstiftsvögte (seit Mitte
11. Jh. WITTELSBACHER) zwang die Freisinger Bischöfe
zur Stärkung ihrer Positionen.
2. Spätmittelalter
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Die im Bereich der kirchlichen Organisation im 12. Jh.
voll ausgebildete Archidiakonats-Gliederung wurde in der Folgezeit zugunsten
der Dekanate abgebaut (1315 4 statt 5 Archiadiakonate, 18 Dekanate). Die
erste Diözesanbeschreibung von 1315 nennt 223 Pfarreien, 544 Filialkirchen,
7 Kollegiatsstifte und 14 Klöster (ohne Bettelorden). Um 1229 hatte
der Herzog von Bayern eine solche Vormachtstellung gegenüber Bischof
Gerald errungen, dass jener ihm die Bischofsstadt
Freising als Lehen übertragen musste. Erst die Klage der bayerischen
Bischöfe bei Kurie und Kaiser verhinderte dies.
Freising konnte im 13. und frühen
14. Jh. nur ein sehr bescheidenes Hochstifsterritorium aufbauen (Stadt
Freising, Grafschaft Ismaning, Grafschaft Werdenfels, Herrschaften Isen-Burgrain
und Waldeck), eingezwängt von herzoglicher Macht. Dazu kamen große,
aber in der Regel territorial gebundene Grundherrschaften in Österreich,
Tirol Kärnten und Krain (hier die als nicht exterritoriales Landgericht
organisierte Herrschaft Bischofslack/Skofja Loka, mit 1.200 Hufen um 1300).
Da es den wittelsbachischen Herzögen nicht gelang,
Freising in ein Landesbistum umzuwandeln,
versuchten sie zunehmend, eigene Parteigänger auf den Freisinger Bischofsstuhl
zu bringen. 1377 konnte sich Johann, natürlicher Sohn Herzog
Stephans III., nicht gegen den von den HABSBURGERN
geförderten Gegenkandidaten durchsetzen. Der zweite Versuch gelang
nach Anfangsschwierigkeiten. Johann Grünwalder, ein ausgezeichneter
Diplomat, Politiker und Reformer, natürlicher Sohn Herzog
Johanns II., war 1443-1452 Bischof von
Freising.
Seit 1496 waren Pfälzer WITTELSBACHER
Administratoren, dann Bischöfe von Freising. 1492 konnte Herzog
Albrecht IV. von Bayern-München durch päpstliche Unterstützung
das herzogliche Kollegiatstift an der Frauenkirche in München errichten
und diesem zwei reiche Freisinger Stifte übertragen.
Erheblich war seit den 15. Jh. auch der herzogliche Einfluß auf das
Freisinger Niederkirchenwesen.
Literatur:
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A. Ammer, Der weltl. Grundbesitz des Hochstiftes F. (Wiss.
Festg. zum zwölfhundertjährigen Jubiläum des hl. Korbinian,
1924), 299-336 - E. Pitzer, Weltl. Regierung und Landeshoheit im Hochstift
(= 22. Sammelbl. des hist. Ver. F. 1953) - H.-J. Busley, Die Gesch. des
F.er Domkapitels [Diss. masch., München 1956] - P. Blaznik, Das Hochstift
F. und ... Lack, 1968 - K. Hefele, Stud. zum hochma. Stadttypus der Bischofsstadt
in Oberdeutschland (Augsburg, F., Konstanz, Regensburg [Diss. München
1970] - R. Brandl-Ziegert, Die Sozialstruktur der bayer. Bischofs- und
Residenzstädte Passau, F., Landhut und Ingolstaddt (Die ma. Stadt
in Bayern, hg. K. Bosl, ZBLG Beih. 6, 1974), 18-127 - H. Stahleder, Hochstift.
F. (= Hist. Atlas von Bayern, T. Altbayern 33, 1974) - G. Glauche, Bm.
F. (Ma. Bibliothekskat. Dtl. und der Schweiz, hg. B. Bischoff, 4, 1977),
600-868 - J. Mass, Das Bm. F. im MA. 1986.
Im Westen eingeengt durch das Bistum Augsburg erstreckte
sich die Diözese Freising auf den Siedlungsraum
an der mittleren Isar zwischen dem Alpenrande und Landshut, sowie anschließend
auf das Gebiet bis zum mittleren Inn. Sie umfasste den Besitz zahlreicher
vermögender Adelssippen, die zu Schenkungen imstande waren und der
Kirche des heiligen Korbian ihre Familienstiftungen als Eigenklöster
anvertrauten. Die Bischöfe verfügten über Markt, Zoll und
Münze in Freising. Dazu kamen Salzzölle an der Isarbrücke
bei Oberföhring, Jagd- und Fischereirechte, königliche und herzogliche
Zuwendungen an Grund und Boden in ganz Ober-Bayern und Tirol, unter anderem
Kloster Innichen, außerdem strategisch bedeutsame Ländereien
mit der Verpflichtung zur Teilnahme am Landesausbau im Kärntner Drautale,
in Krain, Saunien, bei Treviso, zwischen Sterzing und Gries, nördlich
Ardagger und im Tale des Ybbs. Bischof Abraham (957-993) förderte
zusammen mit dem Domherrn Gottschalk, seinem Nachfolger (993-1005),
den Ausbau von Schule und Bibliothek. Von umsichtiger Fürsorge für
die Mission in Kärnten zeugt sein altslowenisches Glossar.
Erembert | 739- 748 |
Joseph | 748- 764 |
Arbeo | 764- 783 |
Atto von Kienberg | 783- 811 |
Hitto | 811- 835 |
Erchanbert | 835/36- 854 |
Anno | 854- 875 |
Arnold | 875- 883 |
Waldo | 883- 906 |
Udo | 906- 907 |
Dracholf | 907- 926 |
Wolfram | 926- 937 |
Landbert | 937- 957 |
Abraham | 957- 993 |
Gottschalk | 994-1005 |
Egilbert von Moosburg | 1005-1039 |
Nitker | 1039-1052 |
Ellenhard von Meran | 1052-1078 |
Meginward | 1078-1098 |
Heinrich I. | 1098-1137 |
Otto I. | 1138-1158 |
Albert I. von Harthausen | 1158-1184 |
Otto II. von Berg | 1184-1220 |
Gerold von Waldeck | 1220-1230 |
Konrad I. von Tölz | 1230-1258 |
Konrad II. Wildgraf | 1258-1279 |
Friedrich | 1279-1282 |
Emicho | 1282-1311 |
Gottfried von Hexenagger | 1311-1314 |
Konrad III. der Sendlinger | 1314-1322 |
Johann I. | 1323-1324 |
Konrad IV. von Klingenberg | 1324-1340 |
Johann II. Hake | 1341-1349 |
Albert II. von Hohenberg | 1349-1359 |
Paul von Jägerndorf | 1359-1377 |
Leopold von Sturmberg | 1378-1381 |
Berthold von Wehingen | 1381-1410 |
Konrad V. von Hebenstreit | 1410-1412 |
Hermann von Cilly | 1412-1421 |
Nicomedus della Scala | 1421-1443 |
Heinrich II. von Schlick | 1443-1448 |
Johann III. Grünwalder | 1448-1452 |
Johann IV. Tulbeck | 1453-1473 |
Sixtus von Tannberg | 1473-1495 |
Ruprecht von der Pfalz | 1495-1498 |
Philipp von der Pfalz | 1499-1541 |
Heinrich III. von der Pfalz | 1541-1552 |
Leo Lösch | 1552-1559 |
Moritz von Sandizell | 1559-1566 |
Ernst von Bayern | 1566-1612 |
Stephan von Seyboltsdorf | 1612-1618 |
Veit Adam von Gepeck | 1618-1651 |
Albert Sigismund von Bayern | 1652-1685 |
Joseph Clemens von Bayern | 1685-1694 |
Johann Franz Ecker von Kapfing | 1695-1727 |
Johann Theodor von Bayern | 1727-1763 |
Clemens Wenzeslaus von Sachsen | 1763-1768 |
Ludwig Joseph von Welden | 1769-1788 |
Max Procop von Törring | 1788-1789 |
Joseph Konrad von Schroffenberg | 1790-1803 |
Sedisvakanz | 1803-1821 |
Lothar Anselm von Gebsattel | 1821-1846 |
Karl August von Reisach | 1846-1855 |
Georg Scherr | 1856-1877 |
Antonius Steichele | 1878-1889 |
Antonius Thoma | 1889-1897 |
Franz Joseph Stein | 1897-1909 |
Franz Bettinger | 1909-1917 |
Michael Faulhaber | 1917-1952 |
Joseph Wendel | 1952-1960 |
Julius Döpfner | 1961-1976 |
Joseph Ratzinger | 1977-1982 |
Friedrich Wetter | 1982- |