Tochter des Kaisers
KARL DER GROSSE aus seiner 2. Ehe mit der Hildegard,
Tochter von Graf Gerold
Lexikon des Mittelalters: Band I Spalte 2923
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Bertha
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* 779/780, + nach 829
Tochter KARLS DES GROSSEN
Bertha entstammte der Ehe König KARLS mit der alemannischen Adligen Hildegard und hieß nach der Mutter ihres Vaters. Im Rahmen der fränkisch-englischen Beziehungen war Bertha zeitweise (789?) als Braut Ecgfriths, Sohn König Offas von Mercia, im Gespräch. Doch kam die Heirat nicht zustande. Bertha blieb am karolingischen Hofe und scheint dort eine wichtige Rolle gespielt zu haben. Sie wird im "Paderborner Epos" und in den Gedichten Theodulfs von Orleans und vor allem Angilberts besungen; mit diesem war sie in Friedelehe verbunden. Als LUDWIG DER FROMME nach dem Tod KARLS DES GROSSEN 814 der Aachener Pfalz eine strengere Ordnung gab, mußten auch seine Schwestern Bertha und Gisela den Hof verlassen und sich auf die ihnen zugewiesenen klösterlichen Besitzungen zurückziehen. Bertha begegnet in der Folgezeit noch einige Male in Urkunden, zuletzt 829.
Literatur:
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JDG K.d.Gr., II - JDG L.d.Fr. I - J. Fleckenstein, Karl
d. Gr. und sein Hof (Braunfels, KdG I, 1965),24-50 - K. F. Werner, Die
Nachkommen Karls d. Gr. bis um das Jahr 1000 (ebd. IV, 1967),403-484
II. Generation
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Brandenburg zitiert zu Bertha
nur Einhard c. 18 und bemerkt: "Das Geburtsjahr ist nicht überliefert."
Er entscheidet sich für "wohl 779/80), ein Datum, das auch Löwe
(in: Wattenbach-Levison) 239, Anm. 253 zugrunde legte ("um 780"), unter
Berufung auf Leibnitz, Ann. Imp. 1, 107. Die Brandenburg entgangene Begründung
für den richtigen Zeitansaztz liegt darin, daß wir die Geburtsdaten
der beiden folgenden Kinder der Hildegard
kennen, Frühjahr 781 und Sommer/Herbst 782, Daten, die Brandenburg
nicht gegenwärtig waren, da er im Falle von Gisla
(unten 9) das überlieferte Taufdatum
übersah, im Falle von Hildegard
(unten 10) die KARLS-Tochter
sogar ganz wegließ.
Zum Datum der Verbindung
Berthas mit Angilbert vgl. Löwe,
a.a.O. 238-240: Im Jahre 800 leben, wie ein Gedicht Angilberts bezeugt,
schon seine Kinder, die Knaben Nithard und Hartnid. Zu Angilbert sagt
Brandenburg: "G Graf Angilbert, + 814". Nun war Angilbert weder
der Gemahl Berthas
noch Graf; vielmehr war er Kleriker und Jahre, bevor er sich mit Bertha
verband, Abt von S.-Riquier (Löwe 237 und 239, dort auch über
die Versuche des 12. Jahrhunderts, das Verhältnis zu "legitimieren").
In den 80-er Jahren war Angilbert sogar Leiter der Hofgeistlichkeit
(capella) König Pippins von
Italien gewesen (primicerius palatii),
vgl. J. Fleckenstein, Die Hofkapelle der deutschen Könige, Bd. 1,
Stuttgart 1959, 67 und 113. Vgl. zu ihm, dessen genaues Todesdatum 814
II 18 bekannt ist, noch J. Bühler, NDB 1, 294.
Die Vorgänge von 814, die
"Säuberung" des Aachener Hofes durch Kaiser
LUDWIG, interessieren uns wegen der Geschicke
der Bertha,
der ältesten überlebenden Tochter KARLS,
und ihrer jüngeren Schwestern. Berthas
Sohn Nithard spricht 1.I, c.2 von der Auszahlung des Gelderbteils durch
LUDWIG
nur an die noch lebenden, legitimen Töchter KARLS,
worauf sie a palatio ad sua monasteria geschickt wurden. Die Vita
Hlud. des Anonymus c. 23 spricht gar nicht von Klöstern, sondern nur
von den Besitzungen, die sie vom Vater empfingen und die ihnen jetzt zum
Aufenthalt zugewiesen wurden. Diejenigen Schwestern LUDWIGS,
die solche noch nicht empfangen hatten, erhielten sie jetzt zur Ausstattung
von LUDWIG.
Auch wenn darin kein eigentlicher Widerspruch liegt (denn zur Ausstattung
karolingischer
Damen gehörten monasteria, ganz gleich, ob sie in ihnen abbatissae
waren oder nicht, ob sie dort residierten oder nicht), so wird doch so
viel deutlich, daß nicht eine "Einweisung ins Kloster" stattgefunden
hat, so daß wir von 814 an alle KARLS-Töchter
als Nonnen zu betrachten hätten, sondern nur eine Verbannung vom Hof.
Darf man der im übrigen, in den Einzelheiten der
Vorgänge von 814, sehr genauen Schilderung des anonymen Biographen
LUDWIGS
(V. Hlud. c. 21) Glauben schenken, dann war die Zahl der Liebhaber von
LUDWIGS
Schwestern am Aachener Hofe beim Machtwechsel 814 nicht gering: Einer,
Hodoin, wurde getötet, als er sich der Festnahme widersetzte, ein
anderer, Tullius, wurde geblendet, andere wurden begnadigt. Diese fränkischen
Großen kommen neben Rorico, Angilbert und dem unten (zu III,19)
erschlossenen Richwin als Vater von KARLS-Enkeln
in Betracht, sowohl uns überlieferter Namen, als solcher, die wir
nicht kennen.
Über Berthas
weitere Geschicke (Zum Todesdatum "+ nach 829 (?)" gibt Brandenburg
keinen Beleg) läßt sich ausmachen, daß sie, die schon
seit 802 von Angilbert dauernd getrennt war, weil dieser von da
an in seinem Kloster S.-Riquier blieb (Löwe a.a.O. 238), nach 814
im Westen gelebt haben dürfte. 823 I 14 hat Bertha
zu Compiegne als ... Berta, magni
et invictissimi
imperatoris CAROLI
filia (Mabillon, De re diplomatica, 1683, 514, nr. 67, zitiert schon
von Bettinger 48) für die alte merowingisch-karolingische
Königsabtei S.-Medard in Soissons geurkundet. In dieser Kirche scheint
das Andenken an sie besonders lebendig gewesen zu sein, denn außer
einem Seelgerät für die in S.-Denis, 862, hat KARL
DER KAHLE ein anderes in S.-Medard 866/70 einrichten lassen
(Tressier nr. 247 und 338), und noch Ludwig der
Stammler ließ 878 II 8 wiederum in S.-Medard-de-Soissons
ein Anniversar einrichten für seinen Bruder Karlmann,
der dort Abt gewesen war, und für das Gedenken der Berthae
amititae nostra (siehe IV,23). Es ist hier nicht an eine Vaterschwester,
also an eine uns sonst nicht bezeugte Tochter LUDWIGS
DES FROMMEN namens Bertha
zu denken, sondern mit amita ist die Großtante väterlicherseuts,
die KARLS-Tochter
Bertha
gemeint.
Er heiratete dann Hildegard, die fränkisch-alemannischer Abstammung war, ihm drei Söhne - Karl, Pippin und LUDWIG - schenkte und ebensoviele Töchter - Hrodtrud, Bertha und Gisela.
Herm, Gerhard: Seite 286
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"Karl der Große"
Eines Nachts, KARL konnte wieder einmal nicht schlafen, blickte er in den schneebedeckten Hof der Aachener Pfalz hinab und sah dort ein merkwürdiges Zweigespann. Berta, Hildegards zweite Tochter, trug auf ihren Schultern einen Mann durch die Dämmerung. Möglicherweise konnte sich KARL nicht gleich einen Reim auf das machen, was die beiden trieben, aber allzulange blieb es ihm auch nicht verborgen. Berta und Angilbert, der Abt vo St. Riquier, hatten Verhältnis miteinander. Angilbert war am Abend in die Kammer seiner Geliebten gestiegen, aber als er sie wieder verlassen wollte, mußte er feststellen, daß es während ihres Beisammenseins geschneit hatte. Wäre er auf eigenen Füßen in sein Quartier zurückgekehrt, hätte er Spuren im Schnee hinterlassen und Berta bloßgestellt. Was konnten die beiden tun? Das Mädchen nahm den Liebhaber kurzerhand huckepack und trug ihn in sein Kammer zurück, damit nur die Abdrücke ihrer zierlichen Füße in der weißen Decke zurückblieben
Riche Pierre: Seite 170
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"Die Karolinger"
KARL liebte das Familienleben und kümmerte sich selbst um die Erziehung seiner Söhne und Töchter. Wie Einhard schreibt, "speiste er zu Hause niemals ohne sie und machte ohne sie niemals eine Reise". Der Biograph fährt dann fort; "Da seiner Töchter sehr schön waren und vom Vater zärtlich geliebt wurden, ist es seltsam, daß er keine von ihnen einem seiner Gefolgsleute oder einem Fremden zur Frau geben wollte. Er sagte, er könne ohne ihre Gesellschaft nicht leben, und behielt alle bis zu seinem Tod bei sich im Hause. Dabei mußte er aber, sonst vom Glück begünstigt, die Tücke des Schicksals erfahren." So verband sich seine Tochter Rotrud heimlich mit Graf Rorico von Maine, und Bertha, de ihrem Vater sehr ähnlich war, wurde die Geliebte des Hofdichters Angilbert und bekam von ihm mehrere Kinder, unter denen der spätere Historiograph Nithard war.
Wies Ernst W.: Seite 254,260
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"Karl der Große. Kaiser und Heiliger."
Berta (779/80-823)
lebte mit Angilbert, dem Dichter und Diplomaten KARLS,
in einer freien Verbindung, der zwei Söhne, Hartnid und der Geschichtsschreiber
Nirhard, entstammmten.
KARLS Selbstverständnis
und sein Verhältnis zu möglichen Schwiegerkindern wird an einem
anderen Beispiel deutlich. Um das Jahr 789 warb er für seinen Sohn,
den Prinzen Karl, um die Hand einer
Tochter des Königs Offa von Mercia (757-796).Zwischen
dem englischen Teilkönigreich Mercia und dem fränkischen Hof
bestanden gute Beziehungen, wozu der Angelsachse Alkuin seinen Beitrag
geleistet hatte. KARL hatte sogar aus
der Beute des Awarenschatzes Geschenke an Offa
gesandt. König Offa willigte gerne
in KARLS Ehewunsch ein, forderte aber
im Gegenzug für seinen Sohn Ecgfrith
die KARLS-Tochter
Berta
zum Eheweib. KARL war tief verletzt
und erblickte darin eine Anmaßung des englischen Königs.
795
oo Angilbert Abt von St.-Riquier
-18.2.814
Kinder:
Nithard
vor 800-15.4.845
Harduin (Hartnid)
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Literatur:
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Ennen, Edith: Frauen im Mittelalter. Verlag C.H.
Beck München 1994, Seite 57 - Epperlein Siegfried: Karl der
Große. VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften Berlin 1974, Seite
138 - Herm, Gerhard: Karl der Große. ECON Verlag GmbH, Düsseldorf,
Wien, New York 1987, Seite 286 - Kalckhoff Andreas: Karl der Große.
Profile eines Herrschers. R. Piper GmbH & Co. KG, München 1987,
Seite 82-83 - Konecny Silvia: Die Frauen des karolingischen Königshauses.
Die politische Bedeutung der Ehe und die Stellung der Frau in der fränkischen
Herrscherfamilie vom 7. bis zum 10. Jahrhundert. Dissertation der Universität
Wien 1976, Seite 76 - Riche Pierre: Die Karolinger. Eine
Familie formt Europa. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München
1991, Seite 170 - Schieffer Rudolf: Die Karolinger. W. Kohlhammer
GmbH Stuttgart Berlin Köln 1992, Seite 83,90 - Schnith Karl
Rudolf: Mittelalterliche Herrscher in Lebensbildern. Von den Karolingern
zu den Staufern. Verlag Styria Graz Wien Köln 1990, Seite 33,42 -
Werner
Karl Ferdinand: Die Ursprünge Frankreichs bis zum Jahr 1000. Deutscher
Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München 1995, Seite 418,455
- Wies Ernst W.: Karl der Große. Kaiser und Heiliger. Bechtle
Verlag Esslingen 1986, Seite 7,254,260 -