Begraben: Regiuskirche zu Reims
2. Sohn des Franken-Königs
Pippin III. der Kleine und der Bertrada
der Jüngeren von Laon, Tochter von Graf Heribert
Lexikon des Mittelalters: Band V Spalte 996
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Karlmann, fränkischer König 754 bzw. 768-771
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* 751, + 4. Dezember 771
Begraben: Reims, St. Remi
Sohn König Pippins III. des Jüngeren und der Bertrda, Bruder KARLS DES GROSSEN
oo Gerberga
Söhne:
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Pippin
N.N.
Karlmann wurde am 28. Juli 754 zusammen mit Vater, Mutter und Bruder von Papst Stephan II. zum König gesalbt. Nach dem Tod Pippins im September 768 wurde das Frankenreich unter den Brüdern geteilt, wobei Karlmann die südlichen, von Aquitanien bis Alemannien reichenden Regionen erhielt. Seine wechselhaften Beziehungen zu KARL DEM GROSSEN waren meist von starken Spannungen gekennzeichnet, die sich vor allem in der antagonistischen Aquitanien- und Italienpolitik der beiden Könige dokumentierten. Gegen Karlmann richtete sich auch ein 770 durch Bertrada vermitteltes Bündnis KARLS mit dem Langobarden-König Desiderius, in das auch Papst Stephan III. und der bayerische Herzog Tassilo einbezogen waren. Der frühe Tod Karlmanns veränderte die Verhältnisse vollständig: KARL nahm das Teilreich seines Bruders in Besitz und brach mit den Langobarden; Karlmanns Witwe floh mit ihren Söhnen zu Desiderius, der 772 vergeblich versuchte, Papst Hadrian I. zu veranlassen, diese zu Franken-Königen zu salben. Danach verschwand Karlmanns Familie aus der Geschichte.
Literatur:
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57 König Karlmann - Gerberga
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BM² 115b-130a. Daß Karlmann
ein jüngerer Bruder KARLS DES GROSSEN
war, bezeugt Contin. Fredegarii c. 53, MG SS. rer. merov. 2, Seite 192.
- Zu seiner Gattin und seinem 770 geborenen Sohn Pippin
vgl. BM² 142a.
Schieffer Rudolf:
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"Die Karolinger"
Das Nebeneinander der beiden seit 754 gesalbten Königssöhne
KARL
und
Karlmann, die sich das Frankenreich
gemäß überkommenem Erbrecht und väterlichem Vermächtnis
je zur Hälfte teilten und die in betonter Parallelität am Dionysiustag
(9.10.)768 in Noyon beziehungsweise in Soissons mit einem Huldigungsakt
der jeweiligen Großen die Herrschaft antraten, war von vornherein
spannungsvoll, zumal die Brüder im Unterschied zu den Sukzessionskrisen
früherer Generationen offenbar nicht mehr unter dem Zwang zu gemeinsamer
Abwehr gegnerischer Machtansprüche innerhalb und oder außerhalb
des Hauses standen. Die Rivalität beruhte denn auch nicht auf klar
unterschiedenen politischen Konzepten, sondern war persönlicher Natur
und betraf den Vorrang in der Familie. Deutlich wird das etwa daran, dass
beide sich beeilten, in früher Ehe ihren jeweils ersten Sohn nach
dem Vater Pippin zu benennen, um gewissermaßen die dynastische Zukunft
auf ihre Seite zu ziehen: KARL in einer
(später als Friedelehe gelösten) Verbindung mit Himiltrud,
die ihm 769/70 ein mißgestaltetes Kind gebar, das gleichwohl den
Königsnamen empfing und in den Quellen als Pippin
der Bucklige erscheint, und ebenso der vier Jahre jüngere
Karlmann
nach
seiner Heirat mit Gerberga, die 770
auch mit einem Sohn niederkam, den man Pippin
nannte. Solange Ungewißheit über das weitere Schicksal der beiden
sich abzeichnenden karolingischen Linien
bestand, waren Einbußen an Autorität gegenüber den Großen
des Reiches wie auch dem agilolfingischen
Bayern, den Langobarden und dem Papsttum unvermeidlich; es entstand ein
lähmendes Klima des Mißtrauens, in dem die Schachzüge der
Akteure nicht bloß der kargen Quellenlage wegen schwer zu durchschauen
sind. Gesichert ist, dass KARL sogleich
im Frühjahr 769 daran ging, noch einmal in dem vom Vater unterworfenen
Aquitanien einzuschreiten - nun gegen einen "Aufrührer" namens Hunoald
II., in dem man einen Verwandten (Sohn?) des im Vorjahr umgekommenen Herzogs
Waifar vermuten darf -, und dass Karlmann,
dem ja nach dem letzten Willen Pippins
eine Hälfte Aqutaniens zugefallen war, dem Bruder bei einer Zusammenkunft
in Montcontour (im Poitou) seine Hilfe verweigerte, angeblich "durch den
schlechten Rat seiner Großen" gehindert. KARL
setzte sich allein durch, indem er von dem Waskonenfürsten Lupus die
Auslieferung des flüchtigen Hunoald erzwang, und legte damit endgültig
seine Hand auf dieses Land, vielleicht bereits unter Einschluß von
Karlmanns
Anteil. Nach diesem energischen Auftakt scheint er jedoch die Initiative
seiner Mutter Bertrada überlassen
zu haben, denn das Jahr 770 sah die Witwe Pippins
in einer für die gesamte karolingische Geschichte
einzigartigen Weise im Vordergrund des Geschehens. Im Namen einer Politik
des Ausgleichs nach allen Seiten vermittelte sie bei Karlmann
in Selz (Elsaß) und begab sich dann zu Herzog Tassilo III., dem Vetter
ihrer Söhne, nach Bayern, ferner zu dessen langobardischem Schwiegervater
Desiderius
nach Pavia und auch zu dem über jede fränkisch-langobardische
Annäherung besorgten Papst Stephan III. (768-772) nach Rom. Das Ergebnis
ihrer Diplomatie kam einer Preisgabe wesentlicher Ziele des verstorbenen
Pippin
nahe, denn es bestand in der Hinnahme der Eigenständigkeit Bayerns
und in der Aussicht auf ein doppeltes Ehebündnis mit dem zuvor zweimal
zum Schutze des Papstes besiegten Langobarden. Diese überraschende
Schwenkung kann nicht gegen den Willen KARLS
erfolgt sein, denn er war es, der die von Bertrada
mitgebrachte
Tochter des Desiderius noch 770 heiratete,
unter Aufgabe der Himiltrud und gegen
den beschwörenden Warnungen aus Rom vor "dem treulosen und stinkenden
Volk der Langobarden". Zwar kam die von Desiderius
auch gewünschte Vermählung seines Sohnes (und Mitkönigs)
Adelchis
mit
der 13-jährigen Gisela,
der Schwester der Frankenkönige, nicht zustande, doch wog die neue
Allianz schwer. Sofern sie nur dazu dienen sollte, dem jüngeren Karlmann,
dessen südliches Teilreich allein an die Alpen grenzte, den Weg zu
einer erfolgreichen Fortsetzung der hegemonialen Italienpolitik Pippins
zu verbauen, war der Preis hoch, denn unter dem wachsenden Druck des Desiderius
kam es bereits im Frühjahr 771 zu einem Umsturz in Rom, durch den
die dortige frankenfreundliche Partei ausgeschaltet und Stephan III. genötigt
wurde, sich den Langobarden zu fügen. Das mag bewirkt haben, dass
KARL
nicht lange bei diesem Kurs blieb, denn nach Einhards Bericht hat er die
"auf Geheiß seiner Mutter" geheiratete langobardische Königstochter
(unbekannten Namens) schon nach einem Jahr wieder verstoßen. Die
Zeitangabe läßt offen, ob dieser Entschluß noch vor dem
Tod Karlmanns gefaßt wurde (und
dessen Witwe dann Veranlassung gab, sich zu Desiderius,
KARLS
brüskiertem Schwiegervater, zu flüchten) oder erst
nach dem Tod des Bruders, als die unverhoffte Aussicht auf die eigene Alleinherrschaft
KARL
die Bindung an den Hof von Pavia als lästige Fessel erscheinen zu
ließ.
Jedenfalls brachte die sichtliche Verschlechtereung der
fränkischen Position in Italien keine Annäherung der karolingischen
Brüder
mit sich. Vielmehr soll ein offener Krieg zwischen beiden unmittelbar bevorgestanden
haben, als der 20-jährige Karlmann
nach kurzer Krankheit am 4.12.771 in der Pfalz Samoussy (bei Laon)
starb; er wurde in der Regiuskirche in Reims bestattet.
Die Quellen verschweigen nicht, dass es damals eine unzufriedene
Minderheit vornehmer Franken vorzog, mit Karlmanns
Witwe Gerberga
und ihren kleinen Kindern ins Exil bei den Langobarden zugehen.
oo Gerberga, Tochter des Langobarden-Königs
Desiderius
um 750- nach 771
Kinder:
Pippin
770-
Literatur:
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