Tochter des N.N.
Hlawitschka Eduard: Seite 78
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"Die Vorfahren Karls des Großen"
32 Chrodtrud - (Ruodhaid)
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Chrodtrud wird in
keiner erzählenden Quelle und in keiner Urkunde ausdrücklich
als Gemahlin Karl Martells
erwähnt. Da jedoch in der Gruppe der älteren
karolingischen
Annalen (Ann. Moselani, Ann. Laureshamenses, Ann. Petaviani, Ann. Nazariani),
die dem KAROLINGER-Hause bekanntlich
sehr nahe stehen, zu 725 Chrothrud
mortua bzw. Hrottrudis
mortua
bzw.
Chrotrudis
mortitur überliefert wird (MG. SS. 16, Seite 494, MG. SS. 1, Seite
24, 9, 25) und andererseits Karl
Martell gerade im nämlichen Jahr 725 von einem Feldzug nach
Bayern
Swanahild mitbringt,
die er dann zur Gemahlin nimmt, hat man seit A. Valesius (1638) und J.
Mabillon (1703) geschlossen, daß diese Chrodtrud
Karl
Martells erste Gemahlin gewesen sein müsse; vgl. H. Hahn,
Jahrbücher des Fränkischen Reiches 741-752, Berlin 1863, Seite
1f., und Th. Breysig, Jahrbücher (wie in Nr. 18), Seite 9. Hahn hat
außerdem zur Stützung dieser These auf die Wiederholung des
Namens Chrodtrud bei einer Tochter
KARLS
DES GROSSEN hingewiesen.
Alle Zweifel werden meines Erachtens durch einen Eintrag
ins Reichenauer Verbrüderungsbuch beseitigt. Dort findet man an der
Spitze der Nomina defunctorum, qui presens coenobium sua largitate fundaverunt,
die folgenden Namen: Karolus maior domus - Pippin rex
- Karlomannus maior domus -
Karolus imperator - Karlomannus
- Karolus rex - Pippinus rex - Bernardus rex - Ruadtraud
- Ruadheid - Suanahil regina - Berhta regina - Hiltikart
regina - Fastrat regina - Liutkart regina - Ruadheid
(danach
Rasur) - Hirminkar regina; MG.
Libri confrat., Seite 292, Spalte 460. Hier handelt es ganz augenscheinlich
um Karl Martell, König
Pippin, dann dessen älteren Bruder Karlmann,
schließlich um KARL DEN GROSSEN
und seinen Bruder Karlmann,
um KARLS DES GROSSEN Söhne Karl
und Pippin sowie
KARLS
Enkel
Bernhard von Italien. Die Frauenreihe
ist nach Suanahil regina (!),
der zweiten Gemahlin Karl Martells,
auch übersichtlich. Es handelt sich um Gemahlinnen einiger der oben
angeführten Männer, und zwar um Swanahild
(die freilich niemals echte regina war) als zweiter Gemahlin Karl
Martells, Berta
als Gemahlin König Pippins, Hildegard,
Fastrada
und Liutgart als Gemahlinnen KARLS
DES GROSSEN, Irmingard,
die 818 verstorbene Gemahlin des zur Anfertigung des Eintrages noch lebenden
LUDWIGS
DES FROMMEN, und bei Ruadheid,
nach deren Namen man das gleichfalls eingetragene
regina wieder
tilgte, wohl um die gleichnamige Schwester oder Tochter
KARLS
DES GROSSEN (nach L. Levllain, La charte de Clotilde [Bibliotheque
de l'Ecole des Chartes 105, 1944], Seite 48-63, um die Gemahlin Pippins
von Italien; mit der Annahme, daß diese Zusammenstellung
von Abt Adalhard von Corbie
(Nr. 51) verfertigt sei, geht er jedoch bei seinem Deutungsversuch jedoch
von falschen Voraussetzungen aus, wodurch gerade jene Zuweisung hinfällig
wird). Da somit in der Liste auch eine generationsmäßige Abfolge
eingehalten zu sein scheint, kann die an der Spitze der Frauen stehende
Ruadtrud
nur mit dem an der Spitze der Männer stehenden Karl
Martell in Verbindung gebracht und als Karl
Martells erste Gemahlin betrachtet werden. Zumal nun außerdem
feststeht, daß Karl Martells
Söhne Bernhard,
Hieronymus
und
Remedius/Remigius
weder Vollgeschwister Karlmanns und
König Pippins (Nr. 45 und 48)
noch Vollgeschwister Grifos (Nr 41)
waren, Karl Martell also neben der
hiermit gesicherten Chrodtrud und neben
Swanahild noch eine Nebenfrau gehabt
haben muß, wird man nicht fehlgehen, wenn man jene in der an zweiter
Stelle unter den Frauen der Reichenauer Liste stehenden
Ruadheid
zu erkennen meint. Dabei darf man darauf verweisen, daß dann der
Name
Ruadheid auch bei einer Schwester
KARLS
DES GROSSEN (Nr. 60) sowie bei einer Tochter KARLS
DES GROSSEN (Einhard, Vita Karoli c.18) wieder auftaucht. -
Auf
Chrodtruds
Abstammung könnte
etwas Licht fallen, wenn man jenen propinquus Karl
Martells namens Wido, der Laienabt von St. Wandrille war und
739 wegen Hochverratsabsichten hingerichtet wurde (Gesta abb. Fontanell.
c. 11, MG. SS. 2, Seite 284f.), als einen nahen Verwandten Chrodtruds
oder mit A. Halbedel, Fränkische Studien (wie in Nr. 4), Seite 29
Anmerkung, gar als Schwager Karl Martells
ansehen und H. Schreibmüller, 'Die Ahnen Kaiser Konrads II.
(Herbipolis jubilans, Würzburg 1952), Seite 201, jenen wiederum in
das bekannte Geschlecht der WIDONEN
einordnen dürfte. Sichere Anhaltspunkte hierfür liegen jedoch
keineswegs vor.
Seine Gattin Chrodtrud
aus nicht näher bekanntem Adel tritt in keiner seiner Urkunden und
in keiner erzählenden Quelle als mithandelnd in Erscheinung und wird
überhaupt nur anläßlich ihres Todes (725) in verschiedenen
Annalen vermerkt; sie hat an Karls
Seite gewiß keine mit Plektrud
vergleichbare Rolle gespielt. Von ihren Söhnen Karlmann
und Pippin (dem Jüngeren), die
sie neben einer Tochter Hiltrud
gebar, findet sich lediglich der ältere 723 einmal mit seinem Handzeichen
in einer Urkunde des Vaters (und ist damit wohl damals als erwachsen bezeugt),
doch blieb er ebenso wie Pippin vor
dem Tode Karls ohne jede offizielle
Funktion. Während unter den Abkömmlingen der Stiefmutter Plektrud
einzig der erwähnte Hugo (+ 730)
als Inhaber bedeutender neustrischer Bistümer und Abteien zu einer
führenden Stellung kam, war Karls
illegitimer Halbbruder Childebrand,
der über Besitz in der Gegend von Melun verfügte, bloß
mit einem regionalen Kommando in Burgund und dem Grafentitel ausgestattet.
Er hat sich eher einen Namen dadurch gemacht, dass er später eine
Fortschreibung des sogenannten Fredegar zu "einer Familienchronik des
karolingischen Hauses" (W. Levison) für die Jahre 736 bis
751 veranlaßt und darin mit seinem Sohne Nibelung
auch noch einen Nachfolger für die Zeit bis 768 fand. Erst recht im
Hintergrund standen drei weitere Söhne Karls
namens Bernhard,
Hieronymus
und
Remedius (Remigius), die er von
einer Nebenfrau mit dem vermutlichen Namen Ruodhaid
hatte. Alle Fäden liefen, so scheint es, mehr als 20 Jahre lang bei
dem Hausmeier zusammen, der allerdings insofern der politischen Tradition
seines Hauses treu blieb, als er die bloße Institution des Königtums
auch weiterhin nicht antastete.
Ein folgenschwerer Unterschied zu Pippin
lag ferner darin, dass sich Karl Martell
keineswegs mit dem Gewinn der Vorherrschaft in der Francia begnügte,
sondern sogleich daran ging, seine Macht nach allen Richtungen hin zu erweitern,
bis an die äußeren Grenzen des MEROWINGER-Reiches
und womöglich noch darüber hinaus. Diese Expansionspolitik ergab
sich mit einer gewissen Zwangsläufigkeit aus den Erfahrungen der Sukzessionskrise
nach 714, in die von der Peripherie her Friesen, Sachsen und Aquitanier
gegen Karl und seine Austrier eingegriffen
hatten. Offenkundig war zudem geworden, dass die auf Distanz zu den Hausmeiern
bedachten rechtsrheinischen Herzöge leicht versucht waren, sich mit
innerfränkischen Rivalen der KAROLINGER
zu verbünden oder ihnen zumindest Rückhalt und Zuflucht zu gewähren.
oo 1. Karl Martell
um 688-15. oder 22.10.741
Kinder:
Pippin III. der Kleine
714-24.9.768
Karlmann
um 707-17.8.754
Chiltrudis
um 715- 754
oo Odilo Herzog von Bayern
um 715-
748
Literatur:
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Dahn Felix: Die Franken. Emil Vollmer Verlag 1899
- Illig Heribert: Das erfundene Mittelalter. Die größte
Zeitfälschung der Geschichte. ECON Verlag GmbH, Düsseldorf und
München 1996, Seite 360 - Konecny Silvia: Die Frauen des karolingischen
Königshauses. Die politische Bedeutung der Ehe und die Stellung der
Frau in der fränkischen Herrscherfamilie vom 7. bis zum 10. Jahrhundert.
Dissertation der Universität Wien 1976, Seite 53 - Riche
Pierre: Die Karolinger. Eine Familie formt Europa. Deutscher Taschenbuch
Verlag GmbH & Co. KG, München 1991, Seite 55,62 - Schieffer
Rudolf: Die Karolinger. W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Berlin Köln 1992,
Seite 40, 42,49,81 - Schnith Karl Rudolf: Mittelalterliche Herrscher
in Lebensbildern. Von den Karolingern zu den Staufern. Verlag Styria Graz
Wien Köln 1990, Seite 97 - Werner Matthias: Adelsfamilien im
Umkreis der frühen Karolinger. Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1982,
Seite 271,311 -