Sohn des Grafen Erchanger und der Rotdrud
Von Graf Erchanger ist nur der Name seiner Mutter, Rotdrud, bekannt sowie seine Brüder Worad, Bernald und Bernard.
Büttner Heinrich:
**************
"Geschichte des Elsaß"
Graf Erchanger war
ein Angehöriger des vornehmen fränkischen Adels am Oberrhein.
Bereits in jungen Jahren hatte er das Amt des Breisgaugrafen verwaltet
(817-828); seit den Jahren 823 und 828 treffen wir ihn als Vertreter der
karolingischen Staatsgewalt im Elsaß. Im Juni 823 bestätigte
LUDWIG
DER FROMME einen Tausch zwischen dem Bistum Straßburg
und Graf Erchanger; im Jahre 828 genehmigten
LUDWIG
DER FROMME und
LOTHAR I. einen
Besitztausch zwischen
Graf Erchanger
und dem Kloster Schwarzach. Graf Erchanger
erhielt dabei 17 Hufen in der Mark von Ernoldsheim, das nördlich
der Zaberner Steige gelegen war; gemeint waren dabei offensichtlich Rodungshufen
in dem nahe gelegenen Steinburg. Wie die großen Familien des Elsaß
wohl insgesamt, so gehörte auch Graf
Erchanger
zu den Anhängern
LOTHARS
I.; wohl als Belohnung für geleistete Dienste ist es anzusprechen,
wenn ihm
LOTHAR I. im Jahre 843 das
noch vorhandene Reichsgut zu Kinzheim (bei Schlettstadt) übertrug.
Ein großer Teil davon, insbesondere auch das Waldgebiet, war allerdings
schon lange zur Ausstattung des Fulradklosters Leberau verwendet worden.
Erchanger freilich faßte die ihm gewordene Schenkung offenbar in
dem Sinne auf, dass auch alles ehemalige Reichsgut zu Kinzheim ihm zustehen
solle.
Auch die Gebiete, die im 9. Jahrhundert noch von dem
alten, bereits in merowingischer Zeit
bezeugten Königshof Marlenheim, der vor dem Ausgang des Breuschtales
in der Straßburger Bucht gelegen war, übrig geblieben waren,
kamen wohl an Graf Erchanger.
Am 17. Februar 843 schenkte Kaiser
LOTHAR I. dem Grafen Erchanger
im Elsaß, dem Vater der späteren Kaiserin Richgard, die villa
Kinzheim mit 40 Hufen. Graf Erchanger
darf man als Anhänger LOTHARS I. betrachten,
nachdem LUDWIG DER FROMME gestorben
war. Zu diesem hatte Erchanger
in guten Beziehungen gestanden; die Schenkung von Kinzheim sollte
ihn bei LOTHARS Partei halten. Im August
862 vermählte Ludwig der Deutsche
seinen Sohn KARL mit Richgard,
der Tochter des elsässischen Grafen Erchanger.
So hoffte er, den Einfluß im Elsaß durch die verwandtschaftlichen
Beziehungen zu stärken. Es ist kein Zufall, wenn Ludwig
der Deutsche am 1. August 862 seinem Sohn als Morgengabe für
dessen Gemahlin 76 Hufen in Bergen, Endingen und Bahlingen am Kaiserstuhl
und in Sexau im Breisgau schenkte. Ob Richgard mit Walderada,
der Gattin Lothars II. verwandt war,
läßt sich nicht klären.
Der von KARL DEM GROSSEN
774 an Leberau geschenkte Waldbezirk aus dem fiscus Kinzheim wurde von
Graf
Erchanger für sich beansprucht,
offenbar nachdem ihm LOTHAR I. im Jahre
843 das Reichsgut in Kinzheim geschenkt hatte, um sich der Treue Erchangers
zu versichern.
Borgolte Michael: Seite 105-109
***************
"Die Grafen Alemanniens"
ERCHANGAR (I)
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belegt als Lebender 811 [?],
belegt als Graf im Alp- und Breisgau 816 V - ?821 III
10 bzw. 817 VI 4 - 827/8 IV 28)
Belege mit comes-Titel:
-----------------------------
W I Nm. 221, 226 (= BM Nr. 648), 241,257, 268, Schöpflin,
Alsatia diplomatica I Nr. 87 (= Regesta Alsatiae I Nr. 456; BM Nr. 773),
Das Verbrüderungsbuch der Abtei Reichenau 99A1, W I Nr. 313,
? Einbardi Vita Karoli Magni 41, ? Epistolae Variorum 339 Nr. 25
Beleg ohne comes-Titel:
-----------------------------
W II Anh. Nr. 17
Literatur:
-----------
Schöpflin, Alsatia Illustrata I 788 - Ruppert, Geschichte
der Mortenau I 179 - Dümmler, Ostfrk. Reich I 143, II 36 mit A. 4,
III 62, 578 A. 3 - Tumbült, Albgau 155 f. - Schultze, Gaugrafschaften
45f.,121 - Baumann, Erchanger und Berchtold 273 - Knapp, Buchhorner Urkunde
211 - Büttner, Geschichte des Elsass 142,148f.,151 - Tellenbach, Königtum
und Stämme 53 Nr. 34 - Büttner, Breisgau und Elsaß 72f.
- Ders., Richgard und Andlau 85-87,90 - Tellenbach, Der großfränkische
Adel 64f. - Schmid, Struktur des Adels 18 - Hlawitschka, Franken in Oberitalien
223 A. 18,283 A. 4 zu Nr. CLXVI - Mitterauer, Markgrafen 239f. mit A. 106
- Maurer, Land zwischen Schwarzwald und Randen 42 f. - Schwarzmaier, Die
Klöster der Ortenau 19,25f.,28 - Schulze, Grafschaftsverfassung 105,121,141
- Zotz, Breisgau 16 - Hlawitschka, Beitrag zur Geschichte Burgunds 41 A.
59 - Borgolte, Karl III. und Neudingen 36-39,52,55 - Brunner, Oppositionelle
Gruppen 82 - Borgolte, Die Geschichte der Grafengewalt im Elsaß 25-35
- Ders., Geschichte der Grafschaften Alemanniens, Kap. IV.2
Zuerst in einem Diplom LUDWIGS
DES FROMMEN vom Juni 817 (W I Nr. 226) und dann in 3 "Privaturkunden"
aus dem folgenden Jahrzehnt (Nrn. 241,257,313) wird Erchangar
als Graf über Güterorte im Breisgau genannt (Schulze 105
mit der falschen Jahreszahl 816 in A. 178, Schulze 45f.). Seine Rechte
erstreckten sich - erstmals wieder seit Chancor - mindestens von 820/21
(Nr. 257) an auch auf den südlichen Teil der Landschaft, also die
Gegend am Rheinknie. Der im benachbarten Schwarzwälder Alpgau zweimal
belegte gleichnamige Graf (W I Nrn. 221, 268) ist sicher mit Erchangar
identisch
gewesen; Udalrich (I bzw. II) und Albrich, Vorgänger und Nachfolger
Erchangars,
haben ebenfalls in beiden Gebieten amtiert. Der erste Beleg im Alpgau,
der ins Jahr 816 datiert werden muß, liegt noch etwas vor dem ersten
Nachweis am Oberrhein (zu Achdorf in Nr. 221 s. Borgolte, Geschichte der
Grafschaften Alemanniens 122f. mit A. 64). Seit Schoepflin (Alsatia lllustrata
I 788) wird Erchangar
häufig
auch als Graf in der Ortenau angesehen (Ruppert; Schultze 46, 121; Tumbült
155; Maurer 43); dieses Urteil stützte sich auf eine gefälschte
Königsurkunde (s. bereits Sickel, Acta Karolinorum II 436; BM Nr.
1013; Brückner, in: Regesta Alsatiae I 322f. Nr. 510), deren sachlicher
Gehalt neuerdings nach eingehender Untersuchung in toto verworfen wurde
(Zinsmaier, Schwarzacher Urkundenfälschungen 14-19; zustimmend Schwarzmaier,
12, Angenend, Monachi Peregrini 107f.). Ob der schon in der echten Vorlage
des Falsifikats genannte Graf Erchangar (vgl.
Regesta Alsatiae 1 Nr. 470) mit Erchangar
gleichgesetzt
werden darf, ist, wie noch gezeigt werden soll, zweifelhaft. Für die
Ortenau kommt Erchangar
als
Graf aber jedenfalls nicht in Betracht (so auch Krebs, Geschichte der Ortenau
138 mit A. 6).
Erchangar hat wohl
zu den Förderern Kloster Reichenaus gehört. In der Liste der
lebenden Freunde im Verbrüderungsbuch der Abtei erscheint sein Name
im Anlageeintrag (99A1), der ins Jahr 824, vielleicht in die Zeit vor dem
2. Juni, datiert werden kann (Erchanbald). Mit Erchangar darf sicher
auch jener missus potens gleichgesetzt werden, der zusammen mit Liutharius
im thurgauischen Stammheim den Vorsitz bei einem placitum übernommen
hatte (W II Anh. Nr. 17; vgl. Schulze 141). Graf Rihwin, der nach demselben
undatierten Zeugnis bei einer weiteren Gerichtsversammlung in derselben
Sache ad Zurib zugegen war, ist der wohl eigentlich zuständige Amtswalter
im Thurgau gewesen, der dort bis ca. 822 nachgewiesen werden kann.
Andererseits könnte Liuthar mit Erchangars unmittelbarem Nachfolger
im Breisgau identisch gewesen sein (zur Sukzession Liuthars s. weiter unten).
In der Forschung ist bis vor kurzem (aber Borgolte, Karl
III. und Neudingen 37, danach Brunner 82) nicht erwogen worden, ob Erchangar
nicht auch mit jenem Vertrauten KARLS DES
GROSSEN, dem comes Ercangarius,
identifiziert werden kann, der zu den Zeugen der letztwilligen Verfügung
des Kaisers über dessen persönlichen Besitz gehört hat (Einhard
41 cap. 33; vgl. Abel-Simson, Jbb. Karl der Große II 453f.; Fleckenstein,
Karl der Große und sein Hof 40). Das Datum des sogenannten Testaments
von 811 stünde einer Gleichsetzung nicht entgegen, da Erchangars
Vorgänger Udalrich (I bzw. II) im Breisgau um 809, im Alpgau sogar
spätestens im Januar 800, zuletzt belegt ist (s. a. Art. Rihwin).
Wenn Erchangar aus der Umgebung des
Hofes nach Alemannien entsandt worden wäre, könnte er - besonders
im südlichen Breisgau - im Auftrag LUDWIGS
DES FROMMEN an der Erweiterung
der Grafschaftsverfassung mitgewirkt haben; um 817 sind derartige Reformmaßnahmen
allenthalben in Alemannien spürbar (Borgolte, Geschichte der Grafschaften
Alemanniens, bes. Zusammenfassung).
Erchangar gilt als Vater der Kaiserin
Richgard (Dümmler III 62, 578 A. 3; Tellenbach, Königtum
und Stämme 53; Büttner,; vgl. aber das vorsichtige Urteil Tumbülts
156). Über die Vermählung mit dem jüngsten Sohn Ludwigs
des Deutschen, dem späteren Kaiser
KARL III., legen die Quellen nur indirektes Zeugnis ab. Nach
einem Diplom vom 1. August 861 oder 862 hatte
Ludwig an KARL 76 Hufen
in Bergen, Endingen, Bahlingen und Sexau in Alamannia in pago qui vocatur
Brisabgawe übergeben, die dieser als dos für seine Gattin erbeten
hatte (D LdD Nr. 108, dort S. 155 f. zum Datum). Und die Annales Bertiniani
berichten zum Jahr 862 von einem Kriegszug gegen die Wenden, den Ludwig
der Deutsche relicto in patria Karolo filio, quoniam nuper uxorem
Ercangarii
comitis filiam duxerat, durchgeführt hätte (Annales
de Saint-Bertin 93). Dass Richgard
die Tochter Graf Ercangars war, wird
ausdrücklich in den sogenannten Statuten für das Kloster Andlau
festgestellt (Regesta Alsatiae I Nr. 656; vgl. Dümmler II
36 A. 4); allerdings wäre der Wert dieser Quelle noch näher zu
prüfen (Schieffer in D LdK Nr. 68 S. 201 f.). Bei der Identifizierung
Erchangars
mit dem Vater der Richgard ließ
man lange die Altersverhältnisse außer acht (vgl. Borgolte,
Karl III. und Neudingen 38, Brunner 82). Wenn Erchanger
816,
vielleicht schon 811 mit beträchtlichem Ansehen, Graf war, kann er
kaum nach 780/90 geboren worden sein; das gilt zumal dann, falls er - worauf
der Name hindeutet - nicht zu den Verwandten seines Vorgängers im
Amt zählte. Als 70- oder gar 80-jähriger müßte er
also die Tochter dem jugendlichen Prinzen zugeführt haben! Die Möglichkeit,
dass Richgard wesentlich älter
als der 839 geborene KARL
war, wird
man bei der Erklärung dieser Konstellation ausschließen müssen.
Noch 881 hat Notker der Stammler nämlich auf einen Sohn des königlichen
Paares gehofft (Ercanberti Breviarium 330; dazu Löwe, Das Karlsbuch
Notkers 296f. Vgl. auch Reginonis Abbatis Prumiensis Chronicon 127). Kaum
wahrscheinlicher wäre die Vermutung, dass Ercangar
die
Richgard in dem verhältnismäßig
hohen Alter von 50 oder 60 Jahren gezeugt und noch rund 20 Jahre später
die höchst ehrenwerte Gattenwahl ermöglicht hätte. Es führt
demnach meines Erachtens kein Weg an dem Schluß vorbei, dass Erchanger,
der Graf im Breisgau und Alpgau, nicht der Vater der Kaiserin
Richgard gewesen sein kann. Man darf an seiner Stelle einen
gleichnamigen Sohn oder Neffen vermuten (vgl. Borgolte, Karl III. und Neudingen
38 mit A. 88).
In diesem Zusammenhang müssen einige Belege für
einen Grafen Erchangar erwähnt
werden, die überwiegend bei Rechtsgeschäften im Elsaß entstanden
sind (zum folgenden ausführlicher Borgolte, Die Geschichte der Grafengewalt
im Elsaß, Abschnitt IV, 25-35). Im Juni 823 bestätigte Kaiser
LUDWIG DER FROMME
einen zwischen Bischof Bernold von Straßburg
und Graf Erkingarius abgeschlossenen Tauschvertrag über Besitz im
Elsaßgau (Schoepflin, Alsatia diplomatica I Nr. 87). Am 4. März
828 bestätigten die Kaiser LUDWIG DER FROMME
und
LOTHAR I. auf Bitten des Abtes Waldo
von Schwarzach sowie des Grafen Erkingar,
seiner Mutter Rotdrud und seiner Brüder Worad, Bernald und
Bernard einen zwischen Waldo und der Verwandtengemeinschaft abgeschlossenen
Tauschvertrag (Schoepflin, Alsatia diplomatica 1 Nr. 89; Regesta Alsatiae
I Nr. 470; BM NR. 849). Rund 15 Jahre darauf, am 17.2.843, erhält
der Graf Hercangarius
aus Königsgut die villa Kinzheirn zu eigen (D Lo I Nr. 69).
Weitere Erwerbungen, wohl unrechtmäßiger Art, werden einem Grafen
Erkengarus
in Dorsualnotizen zweier
Leberauer Königsdiplome zugeschrieben (vgl. Wiegand, Leberau 529 A.
4, 533; Büttner, Richgard und Andlau 86). Auf einer Bestätigungsurkunde
LOTHARS I. über Rechte Leberaus
in der Mark des Fiskus Kinzheirn, die vom 4.8.854 datiert, lautet der Vermerk:
Confirmatio Hlotharii imperatoris de
silva pertinente ad Folradivillare, quam abstraxit Erkengarus
comes; de Audoldivillare (D Lo I Nr. 133 S. 296); und die Bestätigungsurkunde
über dieselben Rechtsverhältnisse in der Mark von Kinzheim, die
Lothar II. am 12.6.866 ausgestellt
hat, trägt die inhaltlich entsprechende Notiz: Praeceptum Hlotarii
iunioris de silva et pastura et venatione et pisscatione super confirmatione
Hlotarii imperatoris qui pertinet ad folradi villare, quam abstraxit Erkengarus
comes; Erkengarus comes tenet (D Lo
II Nr. 30 S. 433 mit dem Vermerk, die Lesung des letzten Wortes sei unsicher).
In elsässische Zusammenhänge hat man auch den Brief eines Priesters
Atto an LUDWIG DEN FROMMEN eingeordnet;
Atto, der schon im Dienst KARLS DES GROSSEN
gestanden haben will, beklagt sich darin, er habe von dem Kleriker Frotwinus
seinen vereinbarten Lohn nicht erhalten, obwohl er in dessen Kirche in
comitatu Erkengario seit anderthalb
Jahren Dienst getan bitte (Epistolae Variorurn 339 f.; Regesta Alsatiae
I Nr. 51 1; zur Frage, wo der Comitat gelegen hat, s. aber Borgolte, Die
Geschichte der Grafengewalt im Elsaß 27 A. 166). Schließlich
wird in den Annales Alamannici zum Jahr 864 vermerkt: Ebarbart, Liutolf,
Erchanker, Liutfrid, Ruodolf regni
principes obierunt (Lendi, Untersuchungen I 80; Annales Alamannici ed.
Henking 250; mit Zusätzen ebenso Annales Weingartenses 66 ad a. 864).
Da man den an dritter Stelle eingereihten Erchanker
mit
Erchangar
identifizierte, sah man in der annalistischen Notiz den letzten Beleg für
den Vater Richgards. Was das vermeintliche
Todesjahr betrifft, so haben Waitz für Liudolf (Jbb. Heinrichs I.
10 mit A. 3) und Hlawitschka für Liutfrid (Franken in Oberitalien
223 A. 18; auch Wilsdorf, Les Etichonides 22) die Korrektur in 866 (oder
865) für erforderlich gehalten; dasselbe könnte auch für
Erchanker gelten
(s. Hlawitschka, Beitrag zur Geschichte Burgunds 41 A. 59).
Die angeführten Nachweise reichen zum Teil noch
in die Amtszeit
Erchangars im Breisgau
und im Alpgau zurück; zum größeren Teil sind sie aber über
die folgenden Jahre und Jahrzehnte verstreut und stellen so den Anschluß
an die Zeugnisse über KARLS III.
Schwiegervater her. Wenn dieser aber, wie oben dargelegt worden ist, mit
Erchangar
kaum
identisch gewesen sein kann, fragt es sich, ob es Kriterien für die
Zuordnung der Belege zu der einen oder anderen Person gibt. Ich glaube,
die Quellen geben Anhaltspunkte, um immerhin einen Vorschlag zu wagen.
Die St. Galler Urkunde 313 bietet das letzte Zeugnis
für rechtsrheinische Grafschaftsrechte Erchangars.
Wartmann, der das zweiteilige Datum vom Tod KARLS
DES GROSSEN am 28.1.814 an berechnete und so auf den 28. April
828 reduzierte, ließ außer Acht, dass die Jahre auch von 813
= I gezählt worden sein konnten. Demnach hätte sich 827 ergeben
(s. Borgolte, Chronol. Stud. 176 mit A. 550). Berücksichtigt man diese
Möglichkeit, so erscheint ein Diplom der Kaiser
LUDWIG und LOTHAR vom 12.
Februar 828 in neuem Licht. In der Urkunde berichten die beiden kaiserlichen
Aussteller, sie hätten dem Grafen Liutharius zu untersuchen befohlen,
ob ihr Vorfahr Pippin der König St. Gallen den Zins namentlich genannter
Leute im Breisgau geschenkt hätte (W I Nr. 312 = BM Nr. 845; zur Urkunde
s. Borgolte, Geschichte der Grafschaften Alemanniens 112). Liuthar, der
ausdrücklich als comes bezeichnet wird, könnte zwar im Breisgau
tätig geworden sein, solange Erchangar
noch
amtierte, doch wird man damit nur bei unabweisbaren Quellenzeugnissen rechnen.
Wenn aber der letzte Beleg Erchangars
auf
April 827 datiert werden kann, ist zweifellos die Annahme vorzuziehen,
Liuthar habe seinen kaiserlichen Auftrag als Graf im Breisgau, das heißt
als Nachfolger Erchangars, erhalten
(s. auch Art. Liuthar). Demnach wäre Erchangar
zwischen dem 28. April 827 und dem 12. Februar 828 abgelöst worden,
das heißt möglicherweise durch Tod ausgeschieden. Die Belege
für einen gleichnamigen Grafen, die vom 4.3.828 bis zum Jahr 864 reichen,
könnten dann auf einen jüngeren Erchangar
bezogen werden.
Nimmt man diese Abgrenzung an, so paßt von den
datierten elsässischen Zeugnissen lediglich die Urkunde LUDWIGS
DES FROMMEN von 823 in den Comitat Erchangars
hinein. Ob Erchangar aber auch im Elsaß
ein Grafenamt innegehabt hat, ist ungewiß, da LUDWIG
DER FROMME 823 lediglich ein privates Rechtsgeschäft mit
dem Bischof von Straßburg bestätigt. Ebenso lassen die späteren
elsässischen Zeugnisse keine sicheren Schlüsse auf den Amtsbezirk
des jeweils genannten Grafen zu. Da nach 827/28 aber, zumal seit den 40-er
Jahren, im Breisgau und Alpgau andere Grafennamen belegt sind, dürfte
der von uns erschlossene jüngere Erchangar,
der wohl mit Richgards Vater identisch
war, eher links des Rheins Verwaltungsaufgaben übernommen oder eine
mit dem comes-Titel verbundene adelsherrschaftliche Stellung innegehabt
haben. Büttner hat die Heirat KARLS III.
mit Richgard auf eine politische Absicht
Ludwigs des Deutschen zurückgeführt,
seinen Einfluß im Elsaß zu verstärken (Geschichte des
Elsass 148f.; Breisgau und Elsaß; Richgard und Andlau; danach Zotz).
Dazu könnten auch die Ausstattung der Grafentochter im Breisgau und
die Übernahme des dortigen Comitats durch KARL
gedient haben. Diese Interpretation wird durch die neue Bestimmung der
Identität der Grafen namens Erchangar
nicht entscheidend berührt. Immerhin kann man das Bild Büttners
durch eine Nuance ergänzen. Wenn der Vater Richgards
auf das Elsaß beschränkt war und, wie man vermuten darf, mit
Erchangar
verwandt
gewesen ist, bot ihm die Heirat seiner Tochter, abgesehen von dem Gewinn
der Königsnähe, die Aussicht, rechts des Rheins an die Stellung
Erchangars
anknüpfen zu können.
In welches Geschlecht Erchangar
eingeordnet werden muß, ist bisher nicht bekannt (vgl. Schwarzmaier;
Büttner, Geschichte des Elsass 149). Man nimmt allgemein an, dass
er nicht zu den UDALRICHINGERN gehört hat, die vor ihm die Grafenrechte
im Breis- und Alpgau innegehabt hatten (Udalrich I, II; Schulze 121, Maurer
43, jetzt auch Borgolte, Die Geschichte der Grafengewalt im Elsaß
25 ff.). Worad, den Bruder des Grafen Erkingar
von 828, glaubte Tellenbach (Der großfränkische Adel)
mit dem gleichnamigen Grafen von Verona (827ff.) gleichsetzen zu können
(skeptisch Hlawitschka, Franken in Oberitalien 283 A. 4 zu Nr. CLXVI).
869 wird in einem Diplom Lothars II.
ein Ercengarius puer erwähnt, der ein beneficium in den elsässischen
Orten Ammerschwihr und Schlettstadt innehatte (D Lo II Nr. 34). Mit Recht
vermutet man - auch aufgrund anderer Hinweise der Quelle - hier einen Verwandten
Erchangars
(Dümmler
III 578 A. 3; Hlawitschka, Beitrag zur Geschichte Burgunds), wenn auch
die genealogischen Beziehungen nicht genau rekonstruiert werden können.
Als KARL DER KAHLE im selben Jahr die
Huldigung elsässischer Großer entgegennahm, befand sich Bernard,
der Sohn Bernards, unter ihnen (Annales de Saint-Bertin 168 ad a. 869).
Büttner sah in Berard einen Sohn des anderen Bruders
Erkingars,
des Geschäftsparters Abt Waldos von Schwarzach (Geschichte des Elsass
151).
Endlich hat Baumann vermutet, dass die sogenannten Kammerboten
Erchangar (II) und Erchangar (I) und Bertold (V) mit Erchangar
cognatisch
verwandt gewesen sind (vgl. Zotz 68; Bühler, Richinza von Spitzenberg
319; Maurer, Begründung der Herzogsherrschaft 292).
Wie für andere Grafen halten die Memorialquellen
Alemanniens vielleicht auch für Erchangar
noch nicht verifizierte Belege bereit (vgl. einstweilen die Hinweise
von Mitterauer und die fragwürdige Identifikation von Piper Libri
Confrat. 19 zu col. 26,18*).
Mit einiger Wahrscheinlichkeit läßt sich Graf
Warad-Worad von Verona einordnen, der von 827 bis vor 840 in italienischen
Urkunden vorkommt. In der kaiserlichen Bestätigungsurkunde eines Tausches
mit Abt Waldo von Straßburg von 828 wird ein Worad mit seiner Mutter
Rotdrud
und
seinen Brüdern Graf Erkingar,
Bernald und Bernard genannt. Namensgleichheit und gleiche Lebenszeit gestatten
die Vermutung der Identität mit dem Grafen von Verona. Nimmt man sie
an, so gehörte er einem berühmten elsässischen Geschlecht
an, da Graf Erchanger
im Breisgau und im Elsaß ja der Schwiegervater KARLS
III.
war. Doch können wir weitere Mitglieder dieser Familie
in Italien vorläufig nicht bemerken.
oo N.N.
-
Kinder:
Richgard
-18.9.906/09
862
oo KARL III. DER DICKE
839-13.1.888
Literatur:
-----------
Borgolte Michael: Die Grafen Alemanniens in merowingischer
und karolingischer Zeit. Eine Prosopographie. Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen
1986 Seite 54,80,105-109,112,163,179,206,208,251 - Borgolte
Michael: Geschichte der Grafengewalt im Elsaß von Dagobert I. bis
Otto den Großen. in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins
131. Band Verlag W. Kohlhammer GmbH Stuttgart 1983 - Borgolte Michael:
Geschichte der Grafschaften Alemanniens in fränkischer Zeit. Vorträge
und Forschungen Sonderband 31 Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1984 Seite
93,109,121,122,123,125,234 -