Boso                                                        Graf in Italien
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um 820/25- nach 874
 

Sohn des Grafen Boso von Arles; Bruder der Königin Teutberga
 

Tellenbach Gerd: Seite 63
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„Der großfränkische Adel und die Regierung Italiens in der Blütezeit des Karolingerreiches“

Den Namen Boso hatte Boso von Vienne von seinem mütterlichen Großvater erhalten, jenem Grafen Boso, der 826 Güter bei Biella in der Grafschaft Vercelli für 8 Hufen mit der Kapelle in der villa Beek bei Nimwegen vom Kaiser eintauschte. Der gleichnamige Sohn des alten Boso ist ein in seiner Lebenszeit in Italien mächtiger Graf, der am berühmtesten dadurch wurde, dass er sich vergeblich abmühte, seine ehebrecherische Gemahlin Engeltrud, die Tochter Matfrieds I. von Orleans, zurückzuerlangen. Diese Dame hatte Italien verlassen und auf fränkischen Gütern gelebt. Ihren Töchtern konnte sie Besitz in der Erzdiözese Mainz hinterlassen. Noch berüchtigter fast als Engeltrud war der zweite Bruder der Mutter Bosos, der Laienabt Hukbert von St. Maurice. Dass von den beiden Söhnen des älteren Boso der eine Graf in Italien, der andere der Herr des nördlichen Zugangs zum großen St. Bernhard war, spricht dafür, dass schon der Vater, der niederländische Allodien besaß, eine wichtige Stellung in der großfränkischen Italienpolitik eingenommen haben muß. Aber schon früh mag sein Haus in einer gewissen Konkurrenz mit den WELFEN gestanden haben. Denn ein Hymnus Walahfried Strabos läßt deutlich Beziehungen von Kaiserin Judiths älteren Bruder Konrad zu St. Maurice erkennen. So hätte dann sein Sohn ältere welfische Ansprüche wieder aufgenommen, als er 864 bei Orbe Hukbert Leben und Herrschaft nahm. Die Konkurrenz zwischen beiden Häusern setzte sich aber noch fort, indem KARL DER KAHLE Hukberts Neffen Boso die Abtei verlieh, der sich freilich in ihren Besitz setzen konnte. Dass St. Maurice nicht bloß für die Italienpolitik eine hohe strategische Bedeutung hatte, sondern auch in Italien selbst wahrscheinlich längst interessiert war, erkennt man daran, dass der WELFE Rudolf, der erste hochburgundische König, der Kaiserin Angilberga ein Gut seines Klosters in Toskana zur Nutznießung übertragen konnte.

Hofmeister, Adolf: Seite 22,23
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"Deutschland und Burgund im frühen Mitelalter"

866
Er erklärte auch allen, daß Engildruda, einst die Gattin des Grafen Boso [Boso war wahrscheinlich ein Bruder Hucberts und Thietbirgas], gleichfalls vom apostolischen Stuhle exkommuniziert worden sei, weil sie ihren eigenen Mann verlassen hatte und dem Wanger, ihrem Lehsnmann, nach Gallien gefolgt war; diese Exkommunikation erneuerte er mit allen den Bischöfen, die zugegen waren.
Hiernach stellte sich Engildrudis dem besagten Arsenius in der Stadt Wormatia [Worms], an welchem Orte der genannte Bischof mit dem König Ludowich zusammengetroffen war. Sie schwor also in Gegenwart desselben Gesandten einen Eid, der folgende Fassung hatte: "Ich, Engeldrudis, Tochter des weiland Grafen Matfrid, die ich die Gattin des Grafen Boso gewesen bin, schwöre euch Herrn Arsenius, Bischof, Botschafter und Kanzler des höchsten heiligen katolischen und apostolischen Stuhles, und durch euch meinem Herrn Nicolaus, dem höchsten Priester und allgemeinen Papste, bei dem Vater, dem Sohne und dem heiligen Geiste und bei diesen vier Evangelien des Christes Gottes, welche  ich mit dem Munde küsse und mit eigenen Händen berühre, daß ich hinfort mit Aufgebung jener Boshaftigkeit, die ich an meinem vorgedachten Manne Boso ausgeübt, wie ein Schaf, das verloren war, zu der heiligen katholischen und apostolischen Kirche unter der Verpflichtung, zu welcher Herr Nicolaus der höchste Priester und allgemeine Papst mich verband, zurückkehren und nach dem italienischen Reiche, wie ihr es mir vorschreibt, entweder mit euch oder vor euch reisen und was der Herr Papst mir anbefehlen oder bestimmen sollte, erfüllen und zu vollziehen mich nicht weigern werde"
Aber diesen so furchtbaren Eid erfüllte sie dennoch nicht. Sie reiste nämlich bis zum Donaustrom mit dem Arsenius, dort verabredete sie, daß sie einen ihrer Verwandten aufsuchen wolle, um von ihm Pferde zu bekommen, und versprach, daß sie nach der Stadt Augsburg zu selbigen Botschafter zurückkehren werde. Unter solchem Vorwand ihre Schritte rückwärts lenkend, kehrte sie von Alamannien nach Francien zurück.

Hlawitschka, Eduard: Seite 158-162
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"Franken, Alemannen, Bayern und Burgunder in Oberitalien (774-962)"

XLVIII.       BOSO (I.)

Ein Boso comes begleitete im Jahre 844 mit vielen anderen Grafen und Bischöfen LUDWIG II. auf seinem Romzug, bei dem LUDWIG zum König für das Reich Italien gekrönt und den Römern noch einmal die künftige Beachtung der bei der Erhebung Papst Sergius II. unbeachtet gebliebene kaiserliche Rechte eingeschärft wurde.
Daß man in diesem Manne jenen unglücklichen oberitalienischen Grafen Boso vor sich hat, dem seine Gemahlin Engeltrudca. 856/57 [Das Datum ergibt sich daraus, daß Engeltrudim Herbst 860 in aliis regnis circiter per triennium verweilte (MG Epist. VIII, 1 Seite 83, nr. 135 - Gutachten Hinkmars) und 863 Bosone proprio viro relicto ecce iam per septem circiter annos hac atque illac vagabundunda discurrit (MG Epist. VI Seite 286, br. 18 c 4 - Mitteilung von Nikolaus I. = Ann. Fuldens. ad 863, Seite 59 und Ann. Bertin. ad 863, Seite 65)] die eheliche Treue brach und mit einem ihrer Vasallen, Wangar [Der Name wird allein von Regino, Chron. ad 866, Seite 84 überliefert.], aus Italien zuerst nach W-Franken, dann nach O-Franken entfloh, um schließlich im Reiche Lothars II. im Sprengel des Kölner Erzbischofs Zuflucht zu finden, ist bereits in einer gründlichen Studie von R. Poupardin festgestellt worden. Bosos Versuche, seine Gemahlin zur Rückkher zu bewegen, blieben trotz der Zusicherung voller Vergebung für den Fall der Rückkehr umsonst, ebenso auch die Vermittlungsversuche des Papstes Bendeikt III., an den sich Boso gewendet hatte [Die Einschaltung des Papstes Benedikt ergibt sich aus: Jaffe nr. 2673. - Vgl. MG Epist. VI Seite 295, nr. 29 und Seite 341, nr. 53. Bosos Zusicherung der Vergebung ist ersichtlich aus dem Gutachten Hinkmars voN Reims für die Synode von Thousey - MG Epist. VIII, 1 Seite 83, nr. 135 und aus Hincmar, De divortio Lotharii, Migne PL 125, Seite 743 f.]. Unbeachtet von Engeltrud blieb aber auch eine Vorladung vor eine vom Erzbischof Tado in Mailand abgehaltene Synode. Als Abwesende wurde sie deshalb mit dem Kirchenbann belegt. Boso suchte darauf sein Glück in Gallien. Er erschien persönlich, nachdem diese Angelegenheit 859 zu Savonnieres und im Frebruar 860 in Aachen schon verhandelt worden war, im Sommer 860 auf einer Synode in Koblenz und trug hier seine Beschwerde vor. Doch Lothar II., der damals seine rechtmäßige Gattin Thietberga verstoßen und die Konkubine Waldrada zur Gemahlin erheben wollte, nahm sich Engeltruds an - vielleicht um in dieser Angelegenheit durch Erwirkung einer Ehescheidung einen Präzedenzfall für seinen Ehestreit schaffen zu können - und lehnte die Auslieferung ab. Es gezieme sich für ihn nicht, eine fränkische Frau und dazu noch eine Verwandte, welche sich ihm anvertraut, preiszugeben, zumal Engeltrud für den Fall der Gewaltanwendung mit ihrer Flucht zu den Normannen gedroht habe. Hinkmar von Reims und Papst Nikoluas I. setzten sich dagegen besonders für Boso ein. 860 wandte sich Nikolaus I. an Hinkmar, damit dieser bei allen Erzbischöfen und Bischöfen im Reich KARLS DES KAHLEN auf die Rückführung Engeltrudshinwirke, und hat auch KARL DEN KAHLEN selbst, von seinem Neffen Lothar II. die Ausweisung als Flüchtigen zu verlangen. Zu seiner Synode in Thousey im Reichsteil KARLS DES KAHLEN im Herbst des gleichen Jahres sandte Nikolaus ein Mahnschreibern, das Boso selbst überbrachte, und schickte Hinkmar ein eherechtliches Gutachten. Im Jahre 862 machte KARL DER KAHLE Lothar nicht allein wegen der Verstoßung Thietbergas heftige Vorwürfe, sondern auch wegen der Aufnahme Engeltruds. Aber 863 befand sich Engeltrud noch immer unter dem Schutze Lothars II. Auf einem Konzil zu Metz, dem die Bischöfe Radoald von Porto und Johann von Cervia beiwohnten (- diese ließen sich bestechen und legten unter anderem die auf Engeltrud bezüglichen Anweisungen gar nicht vor -), kann Lothar II. in seine eigenen Ehescheidungsbestrebungen, die bei all diesen Synoden mit verhandelt wurden, einen Schritt vorwärts. Jedoch kassierte Nikolaus I. sogleich die Akten, erklärte das Konzil für unrechtmäßig und erneuerte den Bann über Engeltrud. 865 stellte sich dann Engeltrud - wohl mehr unter dem Zwang der politischen Situation, denn aus innerer Reue - dem päpstlichen Legaten Arsenius von Orta in Worms, schwor diesem einen Eid, daß sie die an ihrem Manne geübte Boshaftigkeit nunmehr aufgeben werde et in Italico regno aut vobiscum aut ante vos zurückkehren werde. Bei der Überquerung der Donau entfloh sie jedoch dem Gefolge des Arsenius, so daß dieser in einem Schreiben an alle westfränkischen, lothringischen und ostfränkischen Bischöfe die Exkommunikation erneut wiederholen mußte. Nach Italien ist Engeltrud nie mehr zurückgekehrt.
Über Engeltruds Herkunft und Familie werden mehrfach Angaben gemacht. Sie war - wie sie 865 bei ihrem Eid bekannte und wie Papst Nikolaus I. in dem öffentlich bekanntgemachten römischen Synodalbeschluß über die Nichtigkeitserklärung der Metzer Synode von 863 betonte - eine filia quondam Matfridi comitis. In diesem Matfrid wird man, was schon Poupardin als sehr wahrscheinlich angenommen hat, den 834 nach Italien gekommenen und 836 dort verstorbenen ehemaligen Grafen von Orleans (oder dessen gleichnamigen Sohn) erblicken dürfen. Engeltrud soll sogar auch Lothars II. propinqua gewesen sein. Da von einer Verwandtschaft des alten Matfrid mit dem Kaiserhause nichts bekannt ist, wird man andere Wege zur Erklärung dieser propinquitas Engeltruds mit Lothar II. einschlagen müssen. Man muß dabei von der Verwandtschaft und Herkunft Bosos ausgehen.
Boso scheint, obwohl das in keiner Quelle ausdrücklich gesagt wird, der Bruder des Abtes Hukbert von St. Maurice und der unglücklichen Königin und Gemahlin Lothars II., Thietberga, gewesen zu sein. Denn erstens kommt der Name Boso in der Familie Thietbergas und Hukberts häufig vor, auch ihr Vater trug diesen Namen; zweitens spricht Regino von Prüm davon, daß sich die Brüder der Thietberga in Rom bei Papst Nikolaus für sie eingesetzt hätten (agentibus fratribus Thietbergae reginae), was klar bezeugt, daß Hukbert und Thietberga zumindest einen weiteren Bruder hatten, und was sich gut außer auf den zu KARL DEM KAHLEN geflohenen Hukbert auf den sowieso wegen seiner eigenen Angelegenheit mit dem Papst eng zusammenarbeitenden Boso beziehen könnte; und schließlich schreibt Nikolaus im Mai 863 an Hukbert, daß er sich immer seiner und seiner Schwester Sache angenommen habe und fügt hinzu: et quid de fratre tuo egerimus, ipse poterit enarrare. Ein Bruder Hukberts hatte also des Papstes Fürsprache nötig und auch erhalten, - und das dürfte bei der Übereinstimmung des Namens Boso mit der Namengebung in der Familie Hukberts und Thietbergas und bei unserem Wissen darum, für wen sich der Papst damals besonders einsetzte, der "italienische" Graf Boso gewesen sein. - Über diese Beziehungen konnte Engeltrud dann auch als propinqua Lothars II. bezeichnet werden.
Somit ist aber auch schon, was für unseren allgemeinen Überblick über die Grafen wichtig ist, für Boso und seine Gemahlin Engeltrud die fränkische Abkunft gesichert.
Boso war 865 bei der Eidleistung der Engeltrud an den Bischof Arsenius von Orta das letzte Mal genannt worden. Daß er auch 867 seine Frau noch nicht zurückerhalten hatte, beweist ein Brief Papst Nikolaus I. Er wird dann auch noch für duie Zeit von 871/72 erwähnt. Damals waren die Sarazenen in Benevent eingefallen, und Kaiser LUDWIG II. mußte mehrere Grafen zu ihrer Vertreibung einsetzen. Neben Unruoch von Friaul und den Grafen Egifred, Arding und Remedius wird auch Boso genannt. Auch mit dem kaiserlichen missus et comes Boso, der am 28. Dezember 874 in Mailand ein Placitum abhalten ließ, wird man ihn ohne weiteres identifizieren dürfern. Das aber ist die letze Nachricht über ihn. Im August 878 setzt sich Papst Johannes VIII. bereits pro filiabus Bosonis dudum comitis et Ingeltrudis coniugis ein und versucht, diesen Nachkommen, die bei ihrem Vater in Italien erzogen  worden zu sein scheinen, den im Reichsteil Ludwigs III., Sohn Ludwigs des Deutschen, liegenden Erbbesitz der Engeltrud zu sichern. Zumal neben einem proximus, einem cognatischen Verwandten der Engeltrud namens Matfrid, und neben König Ludwig III. auch der Erzbischof von Mainz mit einem Mahnschreiben bedacht wurde, darf angenommen werden, daß dieses alodum der Engeltrud, das nun ein spurius Godefredus aut alii, quibus mechans Ingiltrudis sine viri consensu quoque modo donaverit, innehatten, in der Erzdiözese Mainz lagen.



  oo Engeltrud von Orleans, Tochter des Grafen Matfried I.
       820/25- vor 878
 
 
 
 

Kinder: 2 Töchter
 
 
 
 
 
 

Literatur:
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Hlawitschka, Eduard: Die Anfänge des Hauses Habsburg-Lothringen. Genealogische Studien zur Geschichte Lothringens und des Reiches im 9.,10. und 11. Jahrhundert, Saarbrücken 1969 Seite 171 - Hlawitschka, Eduard: Franken, Alemannen, Bayern und Burgunder in Oberitalien (774-962), in Forschungen zur Oberrheinischen Landesgeschichte Band VIII Eberhard Albert Verlag Freiburg im Breisgau 1960 Seite 58,63,65,124,135,158-162,167,173,212,229,236,276 - Hofmeister, Adolf: Deutschland und Burgund im frühen Mitelalter, Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1970 Seite 22,23 - Tellenbach Gerd: Der großfränkische Adel und die Regierung Italiens in der Blütezeit des Karolingerreichs. in: Studien und Vorarbeiten zur Geschichte des Großfränkischen und frühdeutschen Adels Eberhard Albert Verlag Freiburg im Breisgau 1957, Seite 63 -
 
 
 
 
 
 


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