Sohn des Herrn
Siegfried von Canossa
Adalbert Atto II.gewann die berühmte Burg Canossa, war Vasall der Könige von Italien und Gefolgsmann ("milites") des Bischofs von Reggio. 950/51 schützte er Königin Adelheid, Witwe König Lothars von Italien, vor Berengar II., der ihn belagerte. Von Markgraf Arduin II. von Turin und OTTO DEM GROSSEN, der Adelheid heiratete, entsetzt, wurde er von OTTO sehr gefördert. Er erschien 961/62 als Graf von Mantua, Modena und Reggio und führte zuletzt sogar schon den Markgrafentitel. Er gründete das Chorherrenstift zu Canossa und blieb eine OTTONEN-Stütze.
Trillmich Werner: Seite 348
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"Kaiser Konrad II. und seine Zeit"
Adalbert (+ 988) wurde Vasall des Bischofs von Reggio, der ihm die Burg Canossa am N-Hange des Apennin zu Lehen gab. Dort suchte 951 die Königin-Witwe Adelheid Schutz vor Berengar von Ivrea. Adalberts schneller Anschluß an OTTO DEN GROSSEN brachte ihm reichen Gewinn. Er erwarb die Grafschaften Modena, Reggio, Mantua und Brescia. Nur in den Städten selbst - Mantua ausgenommen - blieben den Bischöfen weltliche Rechte erhalten. Umfangreiche Kirchenlehen erweiterten Adalberts Herrschaftsgebiet nochmals. Da er und seine Nachkommen der Geistlichkeit mit großer Rücksichtslosigkeit entgegentraten, gelang es der Familie allmählich, einen großen Teil ihrer Ländereien zu allodialisieren. Bevorzugte Residenz wurde Mantua, das die Straße von Deutschland über Verona nach Ravenna beherrscht. Die bedeutendsten Erbgüter lagen freilich in der Emilia östlich von Cremona und Piacenza.
Golinelli Paolo: Seite 28-36
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"Mathilde und der Gang nach Canossa"
Adalbert Atto II.,
der Herr von Canossa, war ein Vasall Bischof Adelhards von Reggio.
Zu ihm sandte nun der Kirchenfürst die flüchtende Königin
Adelheid. Er war dem verstorbenen König
Lothar, der die Kirche von Reggio gefördert hatte, zu sehr
ergeben, um zuzulassen, dass die Königin in die Hände ihres Feindes
fiel. Adalbert Atto mußte bereits
Macht besessen haben, vor allem in militärischer Hinsicht. Seine Familie
hatte wohl durch die Hugo von der Provence
gewährte Unterstützung an Einfluß gewonnen, als
dieser nach Italien gekommen war, um sich 926 zum König krönen
zu lassen.
Adalbert hatte das künftige
Geschick
Königin Adelheids in
seiner Hand und konnte damit bestimmen, wem das Regnum Italiae und womöglich
sogar die Kaiserkrone zufallen sollte. Offenbar im Einvernehmen mit Papst
Agapetus II. entschloß sich Adalbert Atto
von Canossa nämlich, den deutschen König
OTTO I. die Eheschließung mit Adelheid
vorzuschlagen.
Der König hielt sich damals in Verona, der südlichsten Stadt
des Reichs, auf. Adalbert
sandte Boten
zu ihm, und OTTO zog daraufhin nach
Canossa, gegen das inzwischen auch Berengar II.
vorgerückt
war. Die Burg Canossa mußte die erste Belagerung in ihrer
Geschichte bestehen. Die Belagerung zog sich kaum länger als eine
Woche hin; sie wurde wahrscheinlich durch den Verrat eines der Belagerer,
des Grafen Arduin Glabrio von Turin, beendet, als OTTO
I. eintraf.
Nach diesen Ereignissen wuchs die Macht der CANOSSA
rasch:
Adalbert
Atto wird in Urkunden aus den Jahren 958 und 961 als Graf bezeichnet,
ohne dass jedoch darin vermerkt ist, um welche Grafschaft es sich dabei
handelt: In einem Diplom OTTOS I. zugunsten
der Kirche von Reggio Emilia wird er erstmals ausdrücklich "comes
Regiensis sive Mutinensis...fidelis noster" genannt, das heißt
Vasall (fidelis) des Kaisers, der ihm die Jurisdiktion über die Grafschaft
Reggio und Modena übertragen hatte. In einer Urkunde des Jahres 977
wird er auch als Graf von Mantua bezeichnet; gleichzeitig dehnte er seinen
Einfluß auf Brescia aus. Manche Quellen nennen ihn Markgraf, nicht
weil er die Jurisdiktion über eine Mark innehatte (das heißt
ein sehr ausgedehntes Territorium an den Reichsgrenzen oder in anderen
strategisch wichtigen Landesteilen), sondern um auf den gewaltigen Umfang
seines Herrschaftsgebiets hinzuweisen, der durch den Grafentitel allein
nicht hinreichend definiert gewesen wäre. Diese Machtfülle war
jedoch nicht nur die Folge eines einzigen, wenn auch wichtigen und günstigen
Ereignisses, sondern sie war auch durch eine Vielzahl von Situationen,
Unternehmungen und Bündnissen gefestigt und vergrößert
worden, die der Historiker nur zum Teil zu rekonstruieren vermag. Adalbert
war
der erste seines Geschlechts, das mit Klugheit und Geschicklichkeit an
seinem Aufstieg arbeitete und Gunstbeweise, Freundschaften, Verwandtschaftsbeziehungen,
Würden, Jurisdiktionen und eigenen Grundbesitz Früchte tragen
ließ.
Adalbert Atto hatte
- man weiß nicht, wann - Hildegard
geheiratet, die einem früher sehr mächtigen Geschlecht, den SUPPONIDEN,
angehörte, das jedoch zu dieser Zeit bereits im Niedergang begriffen
war. Vielleicht hatte er seine um 960 stattfindende Ernennung zum Grafen
von
Modena, wo ein SUPPONIDE bis 942 das Grafenamt innegehabt hatte,
dieser Eheschließung zu verdanken.
Eine Tochter Adalbert Attos,
Prangarda,
war mit dem Sohn des Graf Arduin Glabrios von Turin vermählt worden.
Dadurch war der Grundstein für ein dauerhaftes Bündnis mit einem
mächtigen oberitalienischen Geschlecht gelegt.
Von seinen drei Söhnen starb Rudolf noch in jungen
Jahren vor seinem Vater; Gottfried
wurde Bischof von Brescia und später - anscheinend - von Luni; Tedald
trat
Adalberts
Nachfolge
im Grafenamt an, als dieser am 13. Februar 988
starb.
Durch seine Tochter gliedert sich Adalbert
Atto von Canossa stärker in den hohen Lehnsadel N-Italiens
ein; durch seinen Sohn Gottfried
knüpfte er engere Beziehungen zur Römischen Kirche, die mit ihren
Institutionen, Riten und Kulten seiner Herrschaft weitere Entfaltungsmöglichkeiten
bot.
Hlawitschka, Eduard: Seite 107-109
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"Franken, Alemannen, Bayern und Burgunder in Oberitalien
(774-962)"
VII. ADELBERT-ATTO,
der Ahnherr des Geschlechtes des Markgrafen von
Canossa, ein Langobarde, hat seine Laufbahn als Vasall des Bischofs Adalhard
von Reggio begonnen. Als solcher trat er 951 das erste Mal in der Geschichte
hervor; er nahm die aus der Burg Garda den Wachen Berengars
II. entflohene Königin Adelheid,
Witwe des 950 verstorbenen Königs Lothar,
in seiner Burg Canossa auf und gewährte ihr dort eine sichere
Heimstatt, bis sie OTTO DER GROSSE
952 nach Pavia kommen ließ und heiratete. Wenn auch nicht mehr klar
erkennbar ist, ob er dabei nur als Organ des Bischofs Adalhard oder aus
eigenem Entschluß handelte, so scheint aber doch festzustehen, daß
Berengar
II. ihn später dafür zu strafen gedachte und in seiner
Burg belagerte [Die Belagerung Canossas durch Berengar
II. ergibt sich aus Chron. Novalic. lib. V, cap. 11 und Donizo
von 227 ff. - Zu diesen Geschehnissen, die zum Teil auch noch aus späteren
Quellen rekonstruiert werden müssen, vgl. E. Dümmler, Otto der
Große Seite 196,209, 337 und H. Breßlau, Jb. Konrads II., Band
1, Seite 431ff.].
Als Graf ist Adelbert-Atto
zuerst in einer Urkunde vom November 958 bezeichnet. Laut dieser verkauft
ein Atto, Sohn Attos aus der Grafschaft Parma, seinem consobrinus Adalbertus
qui et Atto, filius quondam Sigefredi
de comitatu Lucensi, der im zweiten Teil der Urkunde auch comes
genannt wird, sechs Massaricier-Liegenschaften im Gebiet von Parma. Da
aber diese Urkunde nicht im Original erhalten ist, sondern nur von Muratori
der Historia Ecclesiastica Regiensi Fulvii Azarii entnommen wird, bei deren
Abfassung auch nur eine von Notaren Guelfonis ducis angefertigte
Copie vorlag, kann es höchst fraglich erscheinen - zumal der Comestitel
im ersten Teil der Urkunde für Adelbert-Atto
nicht
vorkommt -, ob der Titel aus späterer Sicht bei den Abschriften lediglich
interpoliert worden ist. Fehlt doch auch in der Urkunde über den Gütertausch
vom 25. August 961, den Albertus
qui et Atto, filius bone memorie Sigifredi de comitatu Lucensi, qui profitebatur
lege vivere langobardum, mit dem Archipresbyter Martinus von der S.
Michaelskirche in Reggio vornahm, für Adelbert-Atto
der Comestitel. So scheint es, daß Adelbert-Atto,
der nach Angaben Donizos aus seiner belagerten Burg noch eine Bitte um
Hilfe an OTTO richtete, erst nach OTTOS
zweitem Erscheinen und seinem endgültigen Machtantritt in Italien
(961/62) für die ehedem seiner Gemahlin Adelheid
gewährten Hilfe belohnt und mit den Grafschaften Modena und Reggio
später auch mit der Grafschaft Mantua ausgestattet wurde. Sagt doch
auch Donizo, daß erst OTTO muneribus
magnis Attonem ditat et altis, cui nonnullos comitatus contulit ultro.
Und deshalb ist er von diesem Zeitpunkt an immer wieder
als Adelbertus qui et Atto comes,
filius bone memorie Sigifredi ..., nachzuweisen; das erste Mal am 20.
Januar 962 in Reggio, dann am 20. April 962 als Intervenient bei OTTO
in Pavia, wo er auch als comes Regensis sive Motinensis ausgewiesen
wird, usw. Das letzte Mal wird er im Januar 982 (oder im März 984?)
genannt [Auf folgende Belege ist zu verweisen:
C d L Seite 1122, nr. 652 (Reggio 962/Januar 20)
M G D D Otto I. Seite 343, nr. 242 (Pavia, 962/April/20)
C d L Seite 1136, nr. 658 (Reggio 962/Juli/5)
C d L Seite 1144, nr. 662 (Castrum S. Stephani. 962/Oktober/10)
C d L Seite 1146, nr. 663 (Vico Longuo. 962/Oktober/12)
C d L Seite 1156, nr. 668 (Villa Ariole. 963/Februar/8)
C d L Seite 1163, nr. 672 (Reggio. 963/Juli/20)
M G D D Otto I. Seite 381, nr. 268 (Lucca. 964/August/8)
M G D D Otto I. Seite 383, nr. 269 (Lucca. 964/August/9)
C d L Seite 1194, nr. 687 (Pavia. 964/Dezember/6)
C d L Seite 1214, nr. 698 (Gonzaga.966/November/14)
M G D D Otto I. Seite 464, nr. 340 (Ravenna. 967/April/17)
C d L Seite 1218, nr. 700 (S. Severo. 967/April/22)
Piattoli, Le carte di Firenze Seite 47, nr. 16 (Florenz.
967/Juni/25)
C d L Seite 1295, nr. 744 (Vico Arbunco. 973/Februar/14)
Torelli, Le carte Reggiani Seite 170, nr. 65 (Mandria.
976/März/22)
Torelli, Regesto Mantovano Seite 26, nr. 36 (976/Juli/21),
dort auch die meisten anderen hier zitierten Urkunden in Regestenform.
C d L Seite 1359, nr. 774 (Venzago. 976/Juli/23)
Falce, Documenti inediti Seite 74, nr. 4 (976/Dezember/11).
Falces Datierung auf 961/Dezember ist abzulehnen. Die bruchstückhaft
erhaltene Datierung ist nicht mit Falce als Octo gracia Dei imperator
augustus, anno imperii eius (in Italia) XI, die mensis de(cember),
indictione
quarta anzunehmen, sondern wohl auf ... anno imperii eius (nono),
XI die mensis de(cembris), indictione quarta abzuändern; daß
die Ergänzung "in Italia" unzeitgemäß ist, dazu vgl. die
Urkundendatierungen dieser Zeitspanne im C d L.
Muratori, Antiqu. Ital. V Seite 207 (976/Dezember/29)
C d L Seite 1366, nr. 777 (Sirmione. 977/Juni/10)
Torelli, Le carte Reggiani Seite 176, nr. 68 (Sirmione.
980/Mai/23 oder 980/Juni/22)
C d L Seite 1409, nr. 805 (Gonzaga. 981/November/6)
Torelli, Le carte Reggiani Seite 187, nr. 72 (Reggio.
982/Januar/19)
Tiraboschi, Nonantola II Seite 124, nr. 92 (Pavia. 984/März/8).
Doch könnte hier auch der ALEDRAMIDE Otto gemeint
sein; vgl. Moriondi, Mon. Aquensia I Seite 9, nr. 7. In den Urkunden seiner
Nachfolger wird Adelbert-Atto
noch
häufig erwähnt, und zwar als marchio. Marchio wird er auch in
einem Lektionar der Kirche von Brescia (971-1025), in einer Marginalnotiz
des Missale von Modena und in einem Schreiben Papst Pasachals II. genannt;
vgl. F. Fabbi, La famiglia degli Attoni di Canossa Seite 42f.].
Er verstarb wahrscheinlich am 13. Februar 988,
seine Frau Ildegarda
wohl schon sechs Jahre vor ihm [Eine Marginalnotiz im Missale der Kathedralkirche
von Modena (sec. IX) lautet: Id. Febr. obiit Ato marchio qui et Adelbertus
de hoc seculo ad uitam per indic. I (Bortolotti, Vita di S. Geminiano
Seite 119). Die Indiction I deutet auf das Jahr 988. Aus Donizos
Angabe (Vita Mathildis v. 588, Seite 363f.) ist das Todesjahr nicht ersichtlich:
Mors
Ildegardam
rapit Idus tertio Sabat. Idus Attonis animam Feabruari tulit olim.
Zur Bestimmung des Todesdatums
Ildegardas
vgl. Bortolotti, a.a.O. Seite 35.
Daß Ildegarda
der Familie der (fränkischen) SUPPONIDEN entstammte, wird seit
Th. Wüstenfeld immer wieder angenommen; vgl. A. Overmann, Gräfin
Mathilde Seite 19. Möglicherweise hat diese Verbindung Adelbert-Attos
Aufstieg begünstigt; vgl. oben Seite 95f.].
Seine Anhänglichkeit an OTTO
DEN GROSSEN, der Ausbau Canossas und der Aufstieg seiner
Familie sind hier nicht mehr zu behandeln.
Adalbert-Atto, der
Sohn des Siegfried aus der Grafschaft
Lucca, stieg unter den OTTONEN vom
Vasall des Bischofs von Reggio zum Grafen von Reggio, Modena und Mantua
auf. In Reggio verdrängte er wohl Giselbert, den Sohn des Grafen Raimund
von Reggio, der im Mai 980 ohne Angabe eines Titels urkundete. Es steht
nicht fest, ob Adalbert für einen
amtierenden Grafen eingesetzt wurde, oder ob er sein Amt nach dem Tode
des Grafen Ragimund erhalten hat, bevor noch dessen Sohn nachfolgen konnte.
Allerdings ist Ragimund schon am 5. August 931 als Graf belegt und könnte
bei OTTOS I. zweitem Italienzug schon
lange verstorben gewesen sein, was für eine Absetzung seines Sohnes
sprechen würde; letzmals ist Ragimund im Mai 944 als Leiter eines
placitum erwähnt. Gleich welche der angebotenen Möglichkeiten
tatsächlich eingetreten ist, hat Adalbert
sein Amt zumindest gegen die Erbfolge erhalten, wurde von OTTO
DEM GROSSENzugunsten Adalberts ein Eingriff in das Verwaltungsgefüge
Oberitaliens nachweislich vorgenommen. Der Grund für die Bevorzugung
des CANOSSANERS dürfte darin zu
suchen sein, daß dieser Adelheid
in seiner Burg Canossa vor dem Zugriff Berengars
II. bewahrt hatte.
In Modena löste Adalbert
möglicherweise das Geschlecht der SUPPONIDEN ab, doch
weiß man aufgrund der schlechten Quellenbasis nicht, unter welchen
Umständen dieser Wechsel vollzogen wurde; vielleicht blieb die Grafschaft
nach Suppos IV. Tod vakant und wurde, ohne die Erbfolge zu unterbrechen,
Adalbert übertragen.
Gänzlich unklar sind die Umstände, die zu Adalberts
Übernahme der Grafschaft Mantua führten, da wir keine Nachrichten
über einen eventuellen Vorgänger haben. Da
Adalbert aber erstmals am 23. Mai oder 22. Juni 980 Graf
von Mantua genannt wurde, könnte er das Amt nach dem Aussterben des
ortsansässigen Grafengeschlechtes erhalten haben. Die Grafschaften
Reggio und Modena wurden im Gegensatz zu Mantua schon zwischen dem 25.
August 961 und dem 20. Januar 962 - dem Tag der ersten Nennung als comes
Regensis sive Motinensis - übertragen. Die Erweiterung seines
Einfluß- und Verwaltungsbereiches hatte er wohl einerseits der Kaiserin
Adelheid zu verdanken, die ja noch unter OTTO
II. größten Einfluß auf die Italienpolitik
hatte, andererseits aber auch seiner beständigen Treue gegenüber
den deutschen Herrschern.
Bischof Wilielmus von Mantua ist uns nur durch einen
Gütertausch bekannt, den er am 10. Oktober 962 mit Adalbert-Atto,
dem Grafen von Modena, Reggio und Mantua vornahm. Diese Urkunde wurde am
12. Oktober 962 in einem placitum in Vicolongo, im Gebiet von Reggio, und
einem zweiten placitum vom 6. Dezember 964 in Pavia bestätigt.
Bresslau Harry: Band I Seite 431-436
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"Jahrbücher des Deutschen Reiches unter Konrad II."
Vierter Abschnitt
Das Haus der Markgrafen von Canossa
Als der erste deutlich erkennbare hervortretende Ahnherr
des Geschlechtes, das man am besten nach seiner Hauptburg das Haus der
Markgrafen von Canossa nennt, erscheint Adalbert-Atto.
Sein Vater war Siegfried, ein angesehener
Mann aus der Grafschaft Lucca, also tuscischer Abkunft, der etwa zu Anfang
des 10. Jahrhunderts von dort in die Lombardei auswanderte.
Das berichtet nicht nur Donizo, Vita Mathildis v. 97
ff.
Atto fuit
primus princeps, astatus ut hydra,
Nobiliter vero fuit ortus de Sigefredo,
Principe preclaro Lucensi de comitatu ...
Amplificare volens proprium Sigefredus
honorem
Longobardiam cum natis venit in istam,
sondern auch in zahlreichen Urkunden wird sein Sohn als
filius beatae memoriae (oder quondam) Sigefredi
de comitatu Lucensi bezeichnet. Nur darf man die Verse Donizos
oder die Worte der Urkunden nicht dahin verstehen, daß Siegfried
Graf von Lucca gewesen sei; derselbe wird, so oft er auch in Urkunden seines
Sohnes erwähnt wird, nie als Graf bezeichnet, und die in italienischen
Urkunden außerordentlich oft begegnenden Worte de comitatu N. bei
einem Namen deuten, wenn der Titel comes nicht hinzugefügt wird, nur
auf die Herkunft, nicht auf Grafenrechte hin. So erscheinen, um aus der
großen Zahl nur einige Beispiele anzuführen, Hist. Patr. Mon.
XIII, 1146 ein Odgerius de comitatu Astensi, bei della Rena a.a.O. Seite
135 im Placitum zu Reggio Dodo de comitatu Aucensis, Teuzo et Elinandus
de comitatu Parmensi, Richelmus de comitatu Brisiense, Willinus de comitatu
Bergomense, sämtlich ohne den Titel comes, während gleichzeitig
andere Männer als Grafen für alle diese Comitate nachweisbar
sind. Diese Bezeichnung nach dem Wohnort ist in Italien bereits im 10.
Jahrhundert sehr geläufig; es ist nichts dem Wesen nach verschiedenes,
wenn in der zuletzt erwähnten Urkunde neben den Genannten ein Sigefredus
de Leviciano, Ugo de Modolona, Adalbertus de Gurgo erwähnt werden.
Siegfried I. hatte nach
Donizo a.a.O. drei Söhne:
Est primus dictus Sigefredus et Atto
secundus,
Filius et parvus vocitatur quippe Gerardus.
Von Siegfried
II. und Gerard bemerkt er,
daß dieselben sich in Parma niedergelassen hätten und hier die
Ahnherrn zweier progenies grandes et honore micantes geworden seien, die
er als BARATINA und GUIBERTINA bezeichnet. Siegfried
II. selbst kann man wohl als identisch mit dem Sigefredus
de comitatu Lucensi et filius
Sigefredi
betrachten, der 962 in einer Urkunde bei Adalbert-Atto
genannt wird; eine Tochter von ihm Adelchinda,
die mit einem Bugo filius quondam Arioaldi de loco Belusco verheiratet
war, vollzieht 973 mit Zustimmung ihres Oheims Adalbert-Atto
und ihrer Vettern Teudald
und Rodulf ein Rechtsgeschäft. Daß übrigens auch ein Bruder
Siegfrieds
I., den wir als Atto
I. bezeichnen müssen, sich in Parma niedergelassen
hat, wahrscheinlich also mit Siegfried
I. gleichzeitig aus Tuszien ausgewandert ist, erfahren wir
aus einer Urkunde seines gleichnamigen Sohnes Atto
III., welcher in derselben unsern Adalbert-Atto
als seinen consobrinus bezeichnet. Weiter auf diese Parmensischen
Seitenlinien unseres Hauses einzugehen, ist für unseren Zweck nicht
erforderlich; ein Zusammenhang derselben mit den späteren bischöflichen
Grafen von Parma, wie er oft behauptet worden ist, hat viel Wahrscheinlichkeit,
läßt sich aber, soviel ich finde, doch nicht mit voller Sicherheit
beweisen.
Adalbert-Atto II.,
zu dem wir zurückkehren, muß seine Laufbahn als Vasall des Bischofs
Adalhard von Reggio begonnen haben (Donizo v. 197); im Gebiet von Reggio
lag seine uneinnehmbare Burg Canossa, die er nach Donizo v. 120.121
auf kahlem Fels erbaute, während sie nach Chron. Noval. V,11 ursprünglich
dem Bischof gehörte und ihm von Atto
mit Gewalt entrissen wurde. Im Jahre 951 tritt er zuerst deutlicher hervor;
erkennt man auch nicht völlig, welchen Anteil er an der Befreiung
und Beschützung der vor Berengar
und Adalbert geflohenen Königin
Adelheid genommen hat, so wird man doch soviel den übereinstimmenden
Berichten späterer Autoren glauben dürfen, daß er ihr eine
Zufluchtsstätte auf Canossa, wahrscheinlich auf Wunsch und
die Veranlassung Bischof Adalhards gewährt hat, wofür er hernach
eine längere Belagerung seiner Burg durch den rachsüchtigen Berengar
zu bestehen hatte.
Wie Otbert I. von Este, so hat demnach auch der Ahnherr
des
Hauses von CANOSSA im Gegensatz gegen
das nationale und im Anschluß an das deutsche Königtum sein
Heil gesucht; aber während die späteren ESTENSER dieser Politik
untreu geworden sind, verblieben wenigstens die männlichen Nachkommen
des CANOSSANERS konsequent bei ihr,
und ihr verdankt das Haus nicht zum wenigsten sein schnelles Emporkommen.
Schon Atto scheint
durch OTTOS Gunst zunächst die
Grafenwürde erlangt zu haben. Die Erinnerung daran bewahren der Chronist
von Novalese (V, 12) welcher berichtet: denique Atto remuneratur ab OTTONE,
quia fidelis et servitor esset uxoris suae, und Donizo v. 344:
Muneribus magnis Attonem
ditat et altis,
Cui nonnullos comitatus contulit ultro.
Dem entspricht es, daß Atto
bereits in der ersten Urkunde, in welcher er auftritt, dem früher
erwähnten Kaufvertrage vom November 958, mehrfach als comes bezeichnet
wird. Auffällig ist es dann allerdings, daß ihm demnächst
in einem Tauschvertrag mit dem Propst von Reggio über Güter in
comitatu Regense, datiert vom 25. August 961, dieser Titel nicht beigelegt
wird. Schwerlich wird das bloß auf Versehen des Notars beruhen, und
man kann vielleicht vermuten, daß Berengar
eben in dieser Zeit seiner harten Maßregeln gegen alle Gegner seiner
Herrschaft auch den treuen Anhängern Adelheids
und OTTOS seines Amtes beraubt hat.
Daß Atto sich, sobald der deutsche
Herrscher Italien wieder betrat, alsbald aufs Neue an ihn angeschlossen
hat, begreift man danach leicht; schon am 20. April 962 wird er in einer
Urkunde OTTOS als Fürbitter erwähnt
(St. 307) und führt hier den Titel inclitus comes Regensis sive Motinensis
fidelis noster. In OTTOS Umgebung finden
wir ihn auch 964 und 967 (St. 342. 420). Im Winter 975 entsandte er seinen
Sohn Thedald
nach Rom, der ihm einen Begünstigungsbrief des Papstes Benedikt VII.
für das von ihm zu Canossa gegründeten Chorherrenstift erwirkte.
Die letzte urkundliche Erwähnung, die ich von ihm kenne, ist vom Jahr
981 datiert; damals hielt Sivret comes et missus domni imperatori zu Gonzaga,
also im Gebiet von Mantua, einen Gerichtstag "in caminata majore sala Adelberti
comiti",
und Adalbert ließ mehrere ältere
Urkunden von ihm bestätigen. Über seinen und seiner Gemahlin
Ildegarda
Tod (von der Herkunft der letzteren
weiß man nichts) schreibt Donizo (v. 989. 990), offenbar auf Grund
eines Totenbuches von Canossa:
Mors Ildegardam rapit idus tercio Sabat
Idus Attonis animam Februi tulit olim.
Darf man die sehr unklaren Worte so verstehen, daß
auch zu dem ersten idus der Monatsname Februar zu ergänzen ist, und
darf man weiter aus der engen Verbindung, in welche beide Daten somit gesetzt
werden, schließen, daß der Tod beider Gatten in ein Jahr fiel
- eine Folgerung, die freilich nichts weniger als sicher ist - so müßte
Ildegarda
am 11. Februar 982, einem Sonnabend, Atto
am
13. Februar desselben Jahres gestorben sein. Ungefähr
um diese Zeit muß aber, auch abgesehen von einer so unsicheren Berechnung
der Tod
Attos fallen.
Donizo (v. 411. 412. 435ff.) erwähnt drei Söhne
Attos,
Gottfried,
Rodulf, Thedald;
die Tochter Prangarda,
die, wie wir oben (Seite 363) sahen, mit Manfred I. von Turin, aber vielleicht
erst nach dem Tode des Vaters vermählt ward, nennt er nicht. Gottfried
ist Bischof von Brescia geworden und begegnet als solcher bis zu Ende des
10. Jahrhunderts; Rodulf, den wir noch 973 bei seinem Vater, starb vor
demselben an einem 21. Juli (Donizo v. 593. 94). Somit blieb der Erbe von
Attos
ganzen Besitzungen (Donizo v. 435 ff.): ille Tedaldus,
Qui post Attonem totum servavit honorem.
Daß bereits Albert-Atto
II. die Grafenrechte in den Comitaten Reggio und Modena erworben
hat, ist oben aus einer Urkunde von 962 dargetan worden. Daß es sich
dabei wirklich um zwei verschiedene Grafschaften und nicht, wie man aus
dem in jener Urkunde und auch sonst gebrauchten Ausdruck comes Regensis
sive Motinensis schließen könnte, nur um eine Grafschaft
Reggio-Modena handelt, zeigen Urkunden früherer Zeit, so zum Beispiel
ein Dokument von 931, in welchem Hugo Graf von Modena und Ragimund Graf
von Reggio neben einander erscheinen. Auch darf man nicht glauben, daß
durch OTTOS I. Diplom vom 20. April
962 für Bischof Ermenald von Reggio die Grafenrechte Adalbert-Attos
beseitigt worden seien. Denn wenn Dümmler als den Inhalt derselben
die Verleihung der Grafschaft an den Bischof bezeichnet, so ist das, wie
schon anderweitig hervorgehoben ist, nicht ganz genau; der Bischof besaß
schon seit 942 die Gerichtsbarkeit in der Stadt und einen Umkreis von drei
Miglien (B. R. K. 1411), und wenn nun OTTO I.
dem
Bischof "omnem terram ipsius comitatus et publicam functionem cum teloneo
et stratatico et muris in circuitu et fossato et alveum aquae, a quatuor
miliariis, intrinsecus et extrinescus, sursum et deorsum" bestätigt,
so ist damit lediglich das Weichbild der Stadt von drei auf vier Meilen
erweitert. Derartige Exemitionen der Bischofsstädte und ihres Gebietes
von der Grafengewalt haben wir schon mehrfach kennen gelernt; sie sind
von den Verleihungen ganzer Grafschaften an die Bischöfe wohl zu unterscheiden.
Die Grafschaft Reggio bleibt den CANOSSANERN,
um nur ein Beispiel anzuführen, so zeigt das die Urkunde über
ein Placitum, das 1001 Teudaldus
marchio et comes istius Regiensis comitatus abhielt.
Eine dritte Grafschaft, die schon Albert-Atto
erwarb, ist die von Mantua. Selbständige Grafen sind hier seit
dem Anfang des 9. Jahrhundert nachweisbar; um die Mitte des 10. nimmt sodann
ein Almerich "gloriosus marchio de civitate Mantuae" eine noch nicht hinlänglich
aufgeklärte Stellung ein. Dann haben wir aus dem Jahre 977 ein Zeugnis
für Attos Waltung; eine zu Sermione
am Südende des Gardasees, den also die Grafschaft hier erreichte,
ausgestellte Urkunde ist vom Notar unterfertigt "pro data licencia Adelperti
qui et Ato comes comit. Mantuanense".
Der Bischof war zwar auch in Mantua im Besitz der Immunität und zahlreicher
fiskalischer Nutzungsrechte (Zoll, Münze, Marktrecht, Hafengeld u.s.w.),
aber zu einer Herrschaft über die Stadt selbst gelangte er nicht;
und wie hart das Joch der Markgrafen auf den Bürgern lastete, trotzdem
diese früher als die meisten anderen Städte Italiens königliche
Freiheitsbriefe für sich zu erwirken verstanden, das erkennt man deutlich
aus ihren Beschwerden an HEINRICH III.
im Jahre 1055, dem sie "suas miserias et diuturnas oppressiones" klagten,
und aus ihren Bitten an Welf und Mathilde
im Jahr 1090 um Abschaffung der "exactiones et violantiae non legales"
und Restitution der "communes res sue civitati a nostris predescessioribus
illis ablatae". Auch daß ein unfreier Eigenmann des Markgrafen
Bonifaz als Vicecomes von Mantua begegnet (vgl. Donizo von
993 ff.) ist für die Art und Weise, wie dieser seine Rechte benutzte,
bezeichnend und mag nicht ohne Einfluß auf die Beschwerde der freien
Bürger dieser Stadt geblieben sein. Der Abt des in der Grafschaft
gelegenen Klosters Polirone muß später für seine Besitzungen
die Grafenrechte erlangt haben, da 1152 ein comes abbatia erwähnt
wird; wahrscheinlich geht das auf eine Urkunde von 1114 zurück, durch
welche die Gräfin
Mathilde "albergariam et quicquid nobis quolibet modo pertinere
videtur in cunctis possessionibus monasterii" dem Kloster schenkt.
oo Ildegarda (Hildegard) SUPPONIDIN
-11.2.982
Kinder:
Prangarde
-
oo Manfred I. Markgraf von Turin
- um 1000
Theodald
-8.5.1015
Gottfried Bischof von Brescia (970-981)
- um
998 Bischof von Luni (981-988)
Rudolf
-21.7.973
Literatur:
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Bresslau Harry: Jahrbücher des Deutschen
Reiches unter Konrad II. Verlag von Duncker&Humblot Leipzig 1879 Band
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Untersuchung zur Geschichte des 11. Jahrhunderts, Jan Thorbecke Verlag
Sigmaringen 1995, Seite 9,34,54,56,78,88,103,114,120,133,135 - Golinello,
Paolo: Mathilde und der Gang nach Canossa, Artemis und Winkler Düsseldorf
1998, Seite 17,20,24,28-36,38,42-46,51-54,75,79,260 - Hlawitschka,
Eduard: Franken, Alemannen, Bayern und Burgunder in Oberitalien (774-962),
in Forschungen zur Oberrheinischen Landesgeschichte Band VIII Eberhard
Albert Verlag Freiburg im Breisgau 1960 Seite 74,91,95,107-109,136 - Pauler
Roland: Das Regnum Italiae in ottonischer Zeit. Max Niemeyer Verlag Tübingen
1982 Seite 58,74,112 -