Fredegar:
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"Chronik"
 

Kapitel 77.

 
Der Herzog Radulf, der Sohn Chamars, den Dagobert zum Herzog von Thüringen gemacht hatte, stritt zu wiederholtenmalen gegen die Wenden, besiegte und verjagte sie. Das machte ihn übermüthig: er benahm sich bei verschiedenen Gelegenheiten feindselig gegen den Herzog Adalgisel, und schon damals bereitete er sich zur Empörung gegen König Sigebert vor. Er that nach dem Spruch: "Wer Streit liebt, der sinnt aus Zwietracht."

Kapitel 87.

 
Als Sigebert im 8. Jahre König war, empörte sich der Herzog Radulf von Thüringen mit Macht gegen ihn. Da entbot Sigebert alle seine austrasischen Mannen ins Feld und zog mit ihnen über den Rhein: hier schaarten sich die Völkerschaften aus allen Gauen seines Reichs um ihn. Zuerst stieß nun Sigeberts Heer auf den Fara, Chrodoals Sohn, der mit Radulf im Einverständniß war. Er wurde getödtet; was von seinem Volke dem Schwert entrann, gefangen genommen. Die Großen und alle Leute des Heers gaben sich einander die Hand darauf, daß Keiner dem Radulf das Leben schenken wolle. Jedoch daraus wurde nichts. Wie Sigebert mit seinem Heer in Eile durch Buchonia nach Thüringen zog, verschanzte sich Radulf in einem durch Holz befestigten Lager auf einem Berge über dem Fluß Unstrut in Thüringen, zog von allen Seiten soviel Mannschaft als er konnte hier zusammen und setzte sich mit Weib und Kind in seinem Bollwerk fest zur Vertheidigung bereit. Als Sigebert mit seinem Heere dahin kam, schloß er die Feste von allen Seiten ein. Radulf saß drinnen trefflich zum Kampf gerüstet. Jedoch dieser Kampf ward planlos begonnen. Daran war die Jugend König Sigeberts schuld: denn die einen wollten noch am nämlichen Tag zur Schlacht rücken, die andern erst am nächsten, und so kam es zu keinem gemeinsamen Entschluß. Wie das Grimoald und Adalgisel sahen, wurden sie für Sigebert sehr besorgt und hüteten ihn unaufhörlich. Der Herzog Bobo von Arverna mit einem Theile von Adalgisils Mannschaft und Aenovalaus der Graf des Sogiontinsischen Gaus mit seinen Leuten und ein großer Theil des übrigen Heers rückten sofort an das Thor der Feste gegen Radulf zum Kampfe vor. Dieser aber hatte von einigen Herzogen in Sigeberts Heer die Zusage erhalten, daß sie ihn nicht ernstlich angreifen wollten und brach nun aus seiner Feste hervor, fiel über Sigeberts Heer her und richtete hier eine furchtbare Niederlage an. Die Mainzer hatten sich in diesem Kampf treulos erwiesen. Viele tausend Menschen sollen durchs Schwert gefallen sein. Radulf kehrte siegreich in seine Feste zurück. Sigebert aber mit seinen Getreuen war schwer betrübt, er saß auf seinem Pferd und mit Thränen in den Augen jammerte er über seinen Verlust: denn der Herzog Bobo, der Graf Aenovalaus und sonst noch die tapfersten Reiter seines Adels und ein großer Theil seiner übrigen Mannen waren unter seinen Augen in diesem Treffen niedergemacht worden. Auch Fredulf, der Haushofmeister, der für Radulfs Freund galt, fiel im Streite. Sigebert blieb in der Nacht mit seinem Heer unter den Zelten nicht weit von der Feste. Da man erkannte, daß nichts gegen Radulf auszurichten sei, wurden am andern Morgen Gesandte zu ihm geschickt und ein Abkommen mit ihm getroffen, wonach Sigebert mit seinem Heer unbelästigt an den Rhein und nach Hause  zurückkehren konnte. Radulf aber voll Uebermuth gebärdete sich als König von Thüringen, schloß Freundschaft mit den Wenden, und knüpfte auch mit den übrigen benachbarten Völkern ein friedliches Verhältniß an. Dem Namen nach erkannte er zwar Sigeberts Oberherrlichkeit an, aber in der That widersetzte er sich kräftig seiner Herrschaft.