Ewig Eugen:
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"Die Merowinger"

Der 16-jährige Chlodwig folgte 482 seinem Vater in der Herrschaft in der Belgica secunda. Er mußte aber wohl auch seine Autorität im Macht- und Einflußbereich seines Vaters erst einmal festigen - nicht alle salfränkischen Civitas-Könige sind ihm schließlich in den Kampf gegen Syagrius gefolgt. Wenn die "Konkubine", mit der sich der jugendliche König wohl in einer Friedelehe verband, aus rheinfränkischem Königsgeschlecht stammte, wie man unlängst nicht ohne Grund vermutet hat, dann hat Chlodwig Rückendeckung bei den rheinischen Franken gesucht. Nach dem Tod des Westgoten-Königs Eurich(466-484) ging Chlodwig, gefolgt von Ragnachar von Cambrai, zum Angriff über. Syagrius wurde 486 (oder 487) geschlagen und floh zu Alarich II., der seinem Vater Eurich als Goten-König in Toulouse gefolgt war. Der Franken-König verlegte seine Residenz von Tournai nach Soissons und nahm die geschlagenen Truppen des Gegners in seinen Dienst. Der Sieg brachte ihm unmittelbar die Herrschaft über die Lande bis zur Seine ein. Die Gallorömer der Aremorica zwischen Seine und Loire, die wie die Franken in einem Föderatenverhältnis zu den nordgallischen Heermeistern gestanden hatten, wurden erst in den folgenden Jahren unterworfen. Ob die salischen Civitas-Könige nördlich der Somme noch eine analoge Autonomie bewahrten oder damals vom Sieger über Syagrius beseitigt wurden, ist umstritten. Chlodwig festigte jedenfalls seine Herrschaft zwischen Somme und Kohlenwald durch die Annektion des thüringischen Kleinreichs in der Belgica (um 491). Er trat nach dem Abschluß dieser Auseinandersetzungen in den Kreis der germanischen Groß-Könige des Westens ein.
Der kometenhafte Aufstieg Chlodwigs ist nicht denkbar ohne die schon von seinem Vater Childerichvorbereitete Übernahme des Erbes der nordgallischen Heermeister. Die Auseinandersetzung zwischen den MEROWINGERN von Tournai und Syagrius erscheint in gewisser Hinsicht als ein Kampf spätrömischer Generäle um die Macht in Nord-Gallien. Aber man erfaßt damit nur einen Aspekt der 486/87 gefallenen Entscheidung, die über einen bloßen Herrschaftswechsel hinausging. Childerich und Chlodwig waren zugleich Franken-Könige. Der Sieg über Syagrius war auch der Sieg des rex Francorum über einen rex Romanorum, und insofern der Franken über die Gallorömer. Er sicherte zugleich die Vormacht, wenn nicht gar die Herrschaft Chlodwigs im gesamten salfränkischen Bereich. Aus dem nordgallischen Militärsprengel wurde die Francia zwischen Kohlenwald und Loire.
Es kam zu einer Annäherung zwischen Franken und Burgundern und Chlodwig erhielt vom Burgunder-König Gundobaddie Hand seiner Nichte Chrodechilde, die sich zum katholischen Glauben bekannte. Den im Zuge einer Entspannungspolitik von Alarich II. ausgelieferten Syagrius ließ er heimlich töten.
Chlodwig wurde bald darauf - 496 und 497 - in einem Krieg mit den Alamannen verwickelt. Den Anlaß boten wohl alamannische Einfälle in die rheinische Francia über die Römerstraßen, die von Worms und Straßburg nach Metz führten. Ob alle Alamannen an diesem Unternehmen beteiligt waren, ist ungewiß. In jedem Fall aber handelt es sich um starke Verbände, denen die rheinischen Franken nicht gewachsen waren. Sie schwenkten vermutlich an der Mosel auf die von Toul über Metz und Trier nach Köln führende Straße ein. Gregor von Tours berichtet, dass der König Sigibert von Köln in einer Schlacht gegen die Alamannen bei Zülpich verwundet wurde. Es ist wahrscheinlich, wenn auch nicht unbestritten, dass Chlodwig von Reims aus den rheinischen Franken zu Hilfe zog und die entscheidende Schlacht bei Zülpich stattfand. Nach lange unentschiedenem Ringen wurden die Alamannen geschlagen. Die Besiegten mußten die Oberhoheit Chlodwigs anerkennen. Ob sie damals schon die Gebiete nördlich des Elsasses und der Ooslinie, aus denen die Angriffe vermutlich vorgetragen wurden, den Franken zedieren mußten, ist zweifelhaft. Sicher wurde durch den Alamannensieg die Autorität Chlodwigs auch bei den rheinischen Franken gefestigt.
Nach Gregor von Tours hat Chlodwig auf dem Höhepunkt der Schlacht Christus, den Gott der Königin Chrodechild, angerufen und gelobt, sich taufen zu lassen, wenn er den Sieg erringe. Gregors Darstellung ist oft, aber zu Unrecht angezweifelt worden. Sie beruht anscheinend auf Berichten der Königin, die nach dem Tod Chlodwigs in Tours lebte und dort 548 verstarb, und ist auch vereinbar mit anderen Zeugnissen über die Bekehrung Chlodwigs, einem Glückwunschschreiben des Metropoliten Avitus von Vienne zur Taufe des Königs Nicetius von Trier an Chlodwigs EnkelinChlodoswinth.
Der katholische Einfluß am fränkischen Hof wuchs durch die Heirat Chlodwigs mit Chrodechild, die beim König die Taufe ihrer ersten Söhne Ingomer und Chlodomer durchsetzte. Gleichzeitig machte sich nun aber auch über Theoderich arianischer Einfluß bemerkbar: Lantechild, eine Schwester Chlodwigs, nahm die "Religion der Goten" an. Die Wahl zwischen Katholizismus und Arianismus war von großer politischer Tragweite. Die Entscheidung für den Katholizismus war dem häuslichen Frieden ebenso dienlich wie der Festigung des Reiches; sie lag auf der Linie der bisherigen Politik und eröffnete bei einer etwaigen Expansion in Gallien ein weites Feld der Propaganda.
Wie und wann es zum ersten Krieg gegen die Westgoten kam, in dessen Verlauf die Franken 498 bis Bordeaux vorstießen, ist unbekannt. Vielleicht handelt es sich um einen Konflikt um Tours, wo man Sympathien für die Franken empfand. Die Kämpfe sind schließlich versandet, da Chlodwig sich auf einem anderen Feld engagierte und im Jahre 500 ein Bündnis mit dem burgundischen Unter-König Godegisel von Genf gegen dessen Bruder, den regierenden König Gundobad, schloß. Die Verbündeten siegten an der Ouche bei Dijon. Godegisel zog in Vienne ein, Gundobad verschanzte sich in Avignon. Aber 501 wandte sich das Blatt. Die Franken konnten nicht verhindern, dass Gundobad mit westgotischer Hilfe das Reich zurückgewann. Godegisel wurde getötet, an seiner Stelle in Genf trat Gundobads Sohn Sigismund. In dem von Theoderich den Großen vermittelten Frieden wurde der Status quo zwischen den Franken einerseits, den Westgoten und Burgundern andererseits bekräftigt.
Die fränkische Expansion war an beiden Fronten gescheitert, aber Chlodwig gab das Spiel nicht verloren Im Blick auf eine entscheidende Auseinandersetzung mit den Westgoten näherte sich den Burgundern, die die westgotische Hilfe mit der Zession von Avignon bezahlt, aber den Verlust nicht verschmerzt hatten. Die Annäherung wurde wohl erleichtert durch die Konversion Sigismunds von Genf zum Katholizismus (um 505). Die Verbündeten nahmen Beziehungen auf mit dem Kaiser Anastasius, der 504 wegen des Grenzverlaufs im Abschnitt von Sirmium in Konflikt mit den Ostgoten geraten war.
506 trat indes ein unvorhergesehenes Ereignis ein. Die Alamannen erhoben sich gegen die fränkische Oberherrschaft unter der Führung eines Heerkönigs, der anscheinend den größten Teil des Volkes mobilisierte. Chlodwig brachte ihnen eine vernichtende Niederlage (bei Straßburg?) bei, die der politischen Autonomie der Alamannen, deren König in der Schlacht fiel, ein Ende setzte und zu erheblichen Umwälzungen im Lande führte. Spätestens damals sind die Territorien Worms und Speyer und die Lande nördlich der Oos der Francia zugeschlagen worden. Die Franken verfolgten die Besiegten, die in Scharen nach Raetien in ostgotisches Hoheits- und Einflußgebiet flüchteten. Der Regent Italiens bot den fränkischen Verfolgern offenbar Einhalt an Hochrhein und Iller. Theoderich gratulierte Chlodwig zu seinem Sieg, mahnte ihn aber zugleich, die ostgotische Hoheits- und Interessenssphäre zu respektieren.
Chlodwig hatte indessen kaum die Absicht, seine Herrschaft nach Raetien hinein auszudehnen. Seine Interessen lagen in Gallien, nicht an der Donau. Für die Auseinandersetzung mit den Westgoten hatte er auch die rheinischen Franken gewonnen. 507 eröffnete Chlodwig den Kampf, den er als Religionskrieg gegen die Arianer proklamierte, ohne freilich damit das erwartete Echo bei den Gallorömern im Reich von Toulouse zu finden. Die Franken stießen wie 498 über Tours in Richtung auf Bordeaux vor. Bei Vouille, 17 km nordwestlich von Poitiers, trafen sie auf die Goten und errangen einen vollständigen Sieg. Alarich fiel in der Schlacht, seine Treuen zogen sich auf Toulouse und Narbonne zurück. Chlodwig überwinterte in Bordeaux. Im Frühjahr 508 beauftragte er seinen ältesten SohnTheuderich, über Albi und Rodez in die Auvergne zu marschieren und das Land zu unterwerfen. Der König selbst vereinigte sich mit den Burgundern, die Ende 507 in den Krieg eingetreten waren. Die Verbündeten nahmen die gotische Königsstadt Toulouse, dann  trennten sich ihre Wege wieder. Chlodwig überließ den durch ein fränkisches Hilfskorps verstärkten Burgundern die Eroberung der gotischen Mittelmeerprovinzen (Narbonne, Arles), die wohl König Gundobad zufallen sollten. Die westgotische Königsstadt Toulouse blieb in fränkischer Hand. Chlodwig zog 508 von dort über Angouleme nach Tours, wo er durch reiche Gaben an die Martinsbasilika seinen Dank dem heiligen Martin abstattete, den der Sieghelfer verehrte. In Tours erwartete ihn eine kaiserliche Gesandtschaft, die ihm seine Ernennung zum Ehrenkonsul mit dem Akklamationsrecht und einen königlichen Ornat (Purpurtunica, Chlamys, Diadem) überbrachte. Kaiser Anastasius legalisierte so die Reichsgründung Chlodwigs und erhob den Franken-König in den Rang Theoderichs, dem er 497 entsprechende ornamenta palatii verliehen hatte. Mit der kaiserlichen Sanktion war vielleicht auch eine Adoption verbunden, die ein Vater-Sohn-Verhältnis begründete, ohne die Souveränität des Franken-Königs zu berühren. Nach der Anerkennung durch den Kaiser verlegte Chlodwig seinen Sitz von Soissons nach Paris, das er zur cathedra regni erhob. Als Palast diente ihm ein öffentliches Gebäude der Römerzeit auf der Ile de la Cite, an der Stelle des heutigen Palais de Justice.
Nach dem Sieg über die Westgoten und der Anerkennung durch den Kaiser ordnete Chlodwig nach dem Beispiel Eurichs, Alarichs II. und Gundobads die Aufzeichnung des Frankenrechts an, das für alle "Barbaren" Nord-Galliens Geltung haben sollte. Die Lex salica scripta enthält in der Substanz germanisches Recht, das teils auf Weistümern Rechtskundiger, teils auf königlicher Satzung beruhte.
Ob Chlodwig nach 508 einen förmlichen Frieden mit Theoderich schloß, ist zweifelhaft. Es kam in diesen Jahren aber auch nicht zu größeren Kriegshandlungen zwischen Franken und Goten gekommen sein.
Die kirchliche Ordnung mußte nach den Kriegswirren in Aquitanien neu gefestigt werden. Die Synode, die auf Anordnung Chlodwigs im Juli 511 in Orleans zusammentrat, hatte jedoch überregionales Bedeutung: auf ihr konstituierte sich die merowingische Reichskirche. Der König hatte das Programm dieses ersten fränkischen Reichskonzils ausarbeiten lassen und bestätigte auch seine Dekrete. Das Konzil von Orleans war ein letzter Höhepunkt in der Regierung Chlodwigs. Der König starb vier Monate später, am 27. November 511, im Alter von 45 Jahren. Er wurde beigesetzt in der von ihm errichteten Pariser Apostelbasilika, die später nach der ebenfalls dort bestatteten Pariser Patronin Genofeva benannt wurde. Vor seinem Tod hatte er als Zeichen seiner Verehrung gegenüber dem Apostelfürsten die Übersendung einer Votivkrone an die Kirche von Rom angeordnet, die dort nach dem Friedensschluß zwischen Franken und Ostgoten eintraf und von Papst Hormisdas (514-523) in Empfang genommen wurde.