Ein König im Schatten seiner Mutter
Obwohl Childebert II. (575-596)
im Jahre 585 mündig geworden war und sein Onkel Gunthram
ihn vor schlechten Ratgebern warnte, womit er hauptsächlich die Mutter
Brunichild
meinte, blieb sie weiterhin die wichtigste Ratgeberin des jungen Königs.
Sie löste die vom Hausmeier Wandalenus vermittelte Verlobung
mit Theudelinde,
der Tochter des Baiern-Herzogs Garibald
(vor 555-ca. 591), und vermittelte im Jahr der Mündigkeit
Childeberts
eine
Eheschließung mit Faileuba,
über deren Herkunft die Quellen nichts zu berichten wissenm, außer
dass sie ihrer Schwiegermutter eng verbunden war. Der König erschien
in der Öffentlichkeit immer mit Ehefrau und Mutter zusammen.
Brunichild hielt
wohl aufgrund ihrer eigenen Herkunft trotz der bitteren Erfahrungen ihrer
Tochter Ingunde
(† 585) an einer prowestgotischen Politik fest,
und als der westgotische König
Rekkared
(586-601),
der 584 vergeblich auf seine Braut Rigunth
gewartet hatte, nun eine Buße für die von seinem
Vater verfolgten Ingunde anbot und
um Brunichilds Tochter
Chlodoswinth
(† nach 589) anhielt, erhielt er einen positiven Bescheid.
Aber auch diese Verbindung zwischen einer MEROWINGER-Prinzessin
und einem Westgoten-König stand unter keinem guten Stern: Chlodoswinth,
um die zuvor (585/86) bereits der Langobarden-König Authari
(584-590) geworben hatte, heiratete Rekkared
letztendlich nicht - vielleicht, weil König Gunthram
ein zu starkes Veto einlegte. Was aus der Prinzessin wurde, um die zwei
Könige geworben hatten, wissen wir nicht.
Neben der progotischen Politik missbilligte Gunthram
außerdem die beiden Feldzüge der Austrasier gegen die Langobarden,
die diese auf Drängen des byzantinischen Kaisers 584 und 585 führten,
wenn auch ohne Erfolg, denn die Zeit der Expansion des merowingischen
Franken-Reiches war zu Ende.
Da Brunichilds Einfluss
auf die Regierung auch nach der Mündigkeit Childeberts
sehr groß war, planten einige Adelige, die ihren eigenen Einfluss
schwinden sahen, eine Verschwörung gegen den König und seine
Mutter; nach seiner Ermordung wollten sie seine 585 und 587 geborenen Söhne
Theudebert
und Theuderich
als Nachfolger einsetzen, um so selbst eine Regentschaft führen zu
können; doch Gunthram deckte die
Verschwörung auf und alarmierte seinen Neffen, der die Rebellion im
Keim erstickte.
Dieser vereitelte Mordanschlag brachte die merowingische
Königsfamilie, insbesondere Brunichild
und Gunthram, wieder einander näher,
und bei einem Treffen in Andelot in der Diözese Langres wurde am 28.
November 587 der sogenannte Vertrag von Andelot geschlossen, der einzige
merowingische
Vertrag, der uns dank der Inserierung in die Historien Gregors von Tours
(IX, 20 = Seite 260ff.) in vollem Wortlaut überliefert ist: Neben
der Klärung strittiger Besitzansprüche aus dem Charibert-Erbe
erkannte Gunthram auch Brunhildes
Ansprüche auf das Erbe ihrer ermordeten Schwester Galswinth
an; außerdem setzten sich Onkel und Neffe, also Gunthram
und
Childebert,
gegenseitig als Erben ein unnd verpflichteten sich, im Todesfall die Interessen
der nächsten Verwandten zu wahren; weiterhin gewährten sie eine
Amnestie für die Großen, die während der vergangenen Bürgerkriegeskämpfe
die Seiten gewechselt hatten.
Die Einigung innerhalbb der königlichen Familie
in Andelot setzte Childebert und Brunichild
in die Lage, die innenpolitische Autorität wiederherzustellen, und
solange Gunthram lebte, wurde die nach
wie vor bestehende austrisch-neustrische Feindschaft nicht ausgetragen.
Das letzte politische Ereignis dieser Jahre, das uns
Gregor von Tours in seinen Historien berichtet, ist die Taufe Chlothars
II. im Jahre 591 in Nanterre. Der im Juni 584 kurz vor der
Ermordung seines Vaters geborene Chlothar
sollte zunächst an Weihnachten 584 und dann an Ostern 585 getauft
werden, aber wohl aufgrund der prekären politischen Lage in Neustrien
war dies immer wieder verschoben worden, sodass schließlich erst
der siebenjährige Knabe feierlich von seinem Onkel Gunthram
aus der Taufe gehoben wurde - also zu einem ungewöhnlich späten
Zeitpunkt. Damit endet zwar Gregors Werk noch nicht, denn er geht
noch ausführlich auf die Verdienste der Bischöfe von Tours sowie
Sinn und zweck seines eigenen Werkes ein, aber es ist das letzte politische
Ereignis, das er beschreibt, und offenbar hatte er dabei den Wunsch, seinem
Werk, was das Königshaus anbelangte, einn versöhnliches Ende
zu geben. Dass gerade die nächsten Jahre noch besonders blutige Auseinandersetzungen
innerhalb der merowingischen Dynastie
brinngen sollten, haben wohl weder König Gunthram
noch der Bischof geahnt: Der König starb am 28. März
592 und der Biischof von Tours vermutlich am 17. November 594.
Nach dem Tod seines Onkels war für Childebert
eigentlich die Bahn frei, offensiv gegen seinen Cousin Chlothar
vorzugehen; er war dazu jedoch zunächst nicht in der Lage, da er Aufstände
der Bretonen im Westen und der thüringischen Warnen im Osten niederwerfen
musste. Im März 596 ist Childebert
II. dann unerwartet im Alter von nur 26 Jahren gestorben. Der
karolinger-zeitliche
Geschichtsschreiber Paulus Diaconus (†
um 799) hat in der "Historia Langobardorum", der Geschichte seines Volkes
behauptet, Childebert
sei zusammen
mit seiner Gemahlin Faileuba
vergiftet worden, aber außer dieser sehr späten Quelle
haben wir nach dem Ende der Historien Gregors von Tours keine zeitnähere,
die diese Aussage bestätigen würde.