Lexikon des Mittelalters: Band VI Spalte 834
********************
Morea
--------
Mittelaterlicher Name des Peloponnes (= P.), S-Griechenland
Anläßlich der Eroberung Konstantinopels durch
die Lateiner (1204) wurde die Morea zunächst den Venezianern zugesprochen,
dann aber 1204/05 von Bonifaz I. von Montferrat,
Gottfried von Villehardouin und Wilhelm von Champlitte weitgehend
erobert, wobei letzterer 1205 durch Innozenz III. als erster princeps
totius Achaie provinciae installiert wurde. Das in zwölf Baronien
gegliederte 'Fürstentum Achaia' wurde - bis 1278 unmittebar
von den VILLEHARDOUIN, dann von den ANJOU
durch Stellvertreter, die bis 1318 noch aus der Familie der VILLEHARDOUIN
hervorgingen - nach westlichen feudalem Vorbild regiert (Assisen der
Romania), wobei es zu bemerkenswerten Formen von Symbiose zwischen Griechen
und ‚Franken’ kam. Auf dem Höhepunkt seiner Expansion (1248 Eroberung
von Monemvasia; Bau der Festung Maina, verbunden mit der Unterwerfung der
slavischen Melingoi) umfasste die fränkische Morea die gesamte Peloponnes
(ausgenommen die venezianischen Besitzungen Modon und Coron), wobei die
Eroberer sich vorwiegend in Burgen festsetzten, die entweder in alten Siedlungszentren
(Akrokorinth, Argos, Patras, Kalamata und andere) oder als Neugründungen
(Mistra, Geraki, Karytaina, Glarentsa, Chlemutsi/Castel Tornese und andere)
errichtet wurden. Die Wende kam mit der Schlacht bei Pelagonia (1259):
Der vom byzantinischen Kaiser Michael VIII.
gefangengesetzte Wilhelm II. Villehardouin kaufte sich durch die
Übergabe der Festungen Mistra, Maina, Monemvasia und Geraki und deren
Umland los, ein geschlossenes Gebiet der südlichen und südöstlichen
Peloponnes, das den territorialen Kern einer langwierigen byzantinischen
Reconquista bildete. Versuche der Franken, das verlorene Terrain wiederzugewinnen
(zum Beispiel 1325/26), blieben erfolglos und führten zu starker Verschuldung
bei der Bankiersfamilie ACCIAIUOLI, die auf diesem Wege in der Elis,
dem Kernland von ‚Achaia’, und in anderen Teilen der Peloponnes (Messenien,
1358 Korinth) Land und Burgen erwarb und ihr Herrschaftsgebiet schließlich
auf das Herzogtum Athen zu erweitern vermochte. Der evidenten Schwäche
des fränkischen Achaia – bewirkt 1318/19 durch Plünderungen seitens
der Katalanen Athens und ab 1332 mehrfach seitens des Umur Pasa von Aydin,
schließlich durch die kontinuierliche Expansionspolitik der byzantinischen
Morea, welche 1321 zu einem Unterstellungsangebot an Venedig und 1341 an
den byzantinischen Kaiser Johannes VI.
führten; 1376-1381 Herrscher der Johanniter, anschließend der
Navarresischen Kompanie und der Familie ZACCARIA – steht die stetige
Expansion der byzantinischen Morea gegenüber (insbesondere 1318-1320
Eroberung von Karytaina, Akova und anderen Festungen), die anfangs des
15. Jah. Mit dem Erwerb von Glarentsa und Arkadia ihren Abschluß
fand, so dass 1423 die gesamte Peloponnes dem byzantinischen Despoten von
Morea unterstand. Ausgenommen waren die Besitzungen Venedigs (Modon und
Coron, 1388 Erwerb von Nauplion, 1394 von Argos, 1422/23 von Grizzi und
Navarino; 1408-1419 Schutzherrschaft über Patras).
Die byzantinische Morea wurde zunächst von Monemvasia,
dann von Mistra aus verwaltet, bis 1308 durch jährlich wechselnde,
dann durch mehrjährig amtierende Gouverneure und ab 1348/49
durch Despoten, welche Angehörige der kaiserlichen Familie waren (Manuel
Kantakuzenos bis 1380, dassen Bruder
Matthaios 1301383, dann die PALAIOLOGEN
Theodoros I. 1387-1407 und Theodoros
II. 1407-1428, Konstantinos
und Thomas 1443-1449,
Thomas und Demetrios 1449-1460).
Ihnen standen der stetig expandierende Großgrundbesitz (Familien
Mamonas, Melissenos, Philanthropos, Sophianos und andere) sowie das Autonimiestreben
der slavischen Melingoi und Ezeriten und späterhin der albanischen
Ansiedler als den byzantinischen Staat schwächende Elemente gegenüber,
bewirkten aber zusammen mit den verstärkt nach Morea strömenden
Flüchtlingen aus anderen eilen des Byzantinischen Reiches eine wirtschaftliche
Blüte (Mistra). Die türkische Expansion kündigte sich in
Morea 1387 und 1397 mit Kriegszügen an, in deren Folge das eben erst
erworbene Korinth und später (1400) das gesamte Despotat den Johannitern
überantwortet wurde, was allerdings nach der Entspannung durch die
Schlacht von Ankara (1402) 1404 rückgängig gemacht wurde. Der
erneuten türkischen Bedrohung suchten die byzantinischen Despoten
1415 (und erneut 1444) durch die Befestigung des Isthmos von Korinth durch
eine Sperrmauer (Hexamilion) zu begegnen, die jedes Mal wieder von den
Türken zerstört wurde, deren Kriegszüge (1423,1428,1431,1446)
1446 die Anerkennung der türkischen Oberhoheit und Tributpflicht erzwangen.
Innerbyzantinische Rivalitäten in Morea führten ab 1452 zu Heerzügen
der Generäle Mehmeds II. und 1458
(Eroberung von Korinth) und 1460 zu Feldzügen des Sultans selbst durch
welche die gesamte byzantinische Peloponnes dem osmanischen Reich einverleibt
wurde.