Rolf Große
PHILIPP I., König von Frankreich
1060-1108
---------------
* 1052,
† 29./30.7.1108
Melun
Begraben: S-Benoit-sur-Loire
Vater:
--------
Heinrich I., König von Frankreich
Mutter:
---------
Anna von Kiev, Tochter des Grßfürsten
Jaroslaw
I.
Brüder:
----------
Hugo, Graf von Vermandois (*1057, † 18.10.1101)
Robert (* vor Juni 1054, † um 1065)
23.5.1059 Königswahl in Reims und
Weihe durch Erzbischof
Gervasius von Reims
4.8.1060 Tod Heinrichs I., Philipp wird alleiniger
König
Graf Balduin V. von Flandern übernimmt die
Regentschaft
25.12.1066 Krönung Wilhelms des Eroberes zum
englischen
König
1067 Übernhame der selbständigen
Regierung
10.-17.9.1077 Verkündung eiens
Investiturverbots
durch den päpstlichen Legaten Hugo von Die auf der Synode von Autun
15.-16.1.1078 Verschärfung des
Investiturverbots
und Suspendierung zahlreicher Bischöfe wegen unkanonischer
Erhebung
durch Hugo von Die auf der Synode von Poitiers
9.9.1087 Tod Wilhelms des Eroberers, das
anglonormannische
Reich wird geteilt
1092 Verstoßung Berthas und
Eheschließung
mit Bertrada von Montfort
16.10.1094 Exkommunikation Philipps auf der Synode
vo
Autun wegen Ehebruchs durch den Erzbischof Hugo von Lyon
18.-27.11.1095 Kreuzzugsaufruf Papst Urbans II.
auf dem
konzil von Clermont
Erneuerung der Investiturdekrete, Untersagung des
Lehnseids
der Geistlichen udn Bestätigung der Exkommunikation des Königs
1100 erstmalige Bezeichnung Ludwigs VI. als "rex
designatus"
1104 Überwindung des Investiturproblems in
Frankreich
mit der Neubesetzung der Bistümer Beauvais und Paris
2.12.1104 Zustimmung Philipps und Bertradas zu
ihrer
Trennung, Absolution auf dem Konzil von Paris
1./2.5.1107 Bund Philipps und seines Sohnes Ludwig
mit
Papst Paschalis II. in St-Denis
1. oo 1072
BERTHA VON HOLLAND
* um 1055, †
1093
Stieftochter Graf Roberts I. des Friesen
von Flandern
2. oo 15.5.1092
BERTRADA VON MONTFORT
* , †
nach 1115
Tochter des Grafen Simon I. von Montfort
Kinder:
---------
1. Ehe
Ludwig VI., König von Frankreich (*
1081, †
1.8.1137)
Konstanze (* um 1078, † um 1125)
Heinrich
2.Ehe
Philipp, Graf von Mantes Seigneur von
Mehun-sur-Yerre
(* um 1093, †
nach 1123)
Florus, Seigneur von Nangis ( † 1119)
Caecilia (*um 1097, † nach 1145)
"Viel Zeit ist verflossen, seitdem die Königsherrschaft in Frankreich, einst berühmt und außerordentlich mächtig, sich zu neigen und der meisten Zeichen der Tugend entblößt zu werden begann, während üble Gewohnheiten heranwuchsen... All dieser Dinge Haupt und Ursache ist auf Einflüsterung des Teufels hin Euer König, der nicht als König, sondern als Tyrann zu bezeichnen ist. Sein ganzes Zeitalter beschmutzt er mit Schand- und Übeltaten, und das Ruder der Herrschaft, das er aufgenommen hat, führt der Elende und Unglückselige ohne Nutzen" (Schmale, Quellen, 97 Nr. 29). Mit diesen scharfen Worten tadelt der Papst Gregor VII. in einem Brief an die französischen Bischöfe den König Philipp I., der kurz zuvor wie ein Straßenräuber italienische Kaufleute, die durch sein Reich zogen, überfallen hat. Man schreibt das Jahr 1074. Philipp ist seit 14 Jahren an der Herrschaft und hat in dieser Zeit, die erst ein knappes Drittel seiner gesamten Regierung ausmacht, schon herbe Niederlagen einstecken müssen: Sein Versuch, die Streitigkeiten um die Nachfolge in der flandrischen Grafenwürde zu regeln, ist im ersten Anlauf gescheitert. Die Eroberung Englands durch den Normannen-Herzog Wilhelm, seinen eigenen Lehnsmann, hat er nicht verhindern können; statt dessen muß er nun mitansehen, wie ihm im anglonormannischen Reich ein gefährlicher Rivale erwächst. Und nun auch noch der Konflikt mit dem Papst, der droht, ihm die Bischöfe und damit eine der wichtigsten Stützen seiner ohnehin schon angeschlagenen Macht abspenstig zu machen. Im deutschen Reich wird diese Auseinandersetzung zwischen regnum und sacerdotium, die man auch als "Investiturstreit" bezeichnet und die in Kaiser HEINRICH IV. und Papst Gregor VII. ihre bekanntesten Protagonisten findet, das Imperium in eine schwere Krise stürzen. Ganz anders hingegen die Entwicklung in Frankreich. Als Philipp 1108 stirbt, ist das Papsttum zum engen Verbündeten der französischen Krone geworden, und die monarchische Gewalt, die im Laufe eines Jahrhunderts an Ansehen und Macht ständig einbüßen mußte, hat die Wende vollzogen zu einem Aufstieg, der den König von Frankreich zum wichtigsten Herrscher Europas machen wird. Grund genug also, sich für Person und Regierung dieses Herrschers zu interessieren.
I
Auffällig ist bereits der Name: Philipp,
so hatte vor ihm noch niemand in der Königsfamilie geheißen.
Was mag die Eltern, Heinrich I. und
seine 3. Gemahlin Anna
von Kiew,
dazu
bewogen haben, den 1052
geborenen Thronfolger so zu nennen?
Während
die jüngeren Brüder Hugo,
der spätere Graf von Vermandois,
und Robert,
der noch im Kindesalter starb, Namen erhielten, die in der KAPETINGER-Dynastie
auf eine lange Tradition zurückblicken konnten, benannte man den
Erstgeborenen
nach dem vor allem in Byzanz verehrten Apostel Philipp. Dies
läßt
sich aus der familiären Herkunft von Heinrichs
Gemahlin Anna erklären:
Sie
war
die Tochter des Kiewer
Großfürsten
Jaroslaw des Weisen und über ihre gleichnamige
Großmutter
mit dem byzantinischen Herrscherhaus verwandt, das zudem in König
Philipp von Makedonien, dem Vater Alexanders
des Großen, seinen Stammvater sah. So wurde mit Philipp
I. ein byzantinischer Name im französischen
Königsgeschlecht
eingeführt, den noch der letzte
gekrönte Nachfahre der KAPETINGER,
Louis-Philippe
(1830-1848), tragen sollte.
Die Anfänge des jungen Prinzen liegen
völlig
im dunkeln, und seine Person wird in den Quellen erst wieder greifbar,
als er im Alter von sieben Jahren zum König geweiht wird. Heinrich
I. war damals bereits von Alter und Krankheit gezeichnet,
und
man rechnete allgemein mit seinem baldigen Tod. So entschloß sich
der König, dem Beispiel seiner Vorgänger Hugo
Capet und Robert des Frommen
zu folgen und seinen ältesten
Sohn zum Mit-König
erheben
zu lassen. Offenbar hatten dazu auch die Großen des Reiches
geraten.
Angesichts der Schwäche des französischen Königtums mag
die hier zutage tretende Stärke des Erbgedankens erstaunen.
Die Königserhebung fand am Pfingstfest des
Jahres
1059 in der Kathedrale von Reims statt. Erzbischof Gervasius von Reims
legte den versammelten geistlichen und weltlichen Großen dar,
dass
ihm als Nachfolger des heiligen
Remigius, der einst Chlodwig
getauft und geweiht habe, vor allen anderen das Recht zustehe, den
König
zu wählen und zu weihen. Beim Wahlakt übte er dann auch das
Erststimmrecht
aus; ihm folgten die anwesenden Geistlichen, unter ihnen zwei
päpstliche
Legaten, mehr als 20 Erzbischöfe und Bischöfe, und
schließlich
die weltlichen Magnaten, an ihrer Spitze
Herzog Wilhelm VIII. von
Aquitanien.
Mit der Akklamation durch Adel und Volk endete die Kur, der sich die
Weihe
eines neuen Königs, die ebenfalls von Gervasius vorgenommen wurde,
anschloß.
Als Heinrich I.
ein
Jahr später, am 4. August 1060, starb, war die Nachfolge nicht
mehr
offen. Philipp war nun alleiniger
König
- der jüngste übrigens im französischen Mittelalter -,
aber
wenn auch in seinem Namen Urkunden ausgestellt wurden, so war er doch
zur
selbständigen Herrschaft nicht fähig. Es stellte sich also
die
Frage der Regentschaft für den minderjährigen König, und
auch sie scheint Heinrich noch
selbst
geregelt zu haben, indem er seinen
Schwager, den Grafen Balduin
V. von
Flandern, damit betraute. Balduin
gehörte zu jenen Großen,
die
den französischen König zwar als ihren Lehnsherrn anerkannte,
im übrigen aber selbständig regierten und auf
Unabhängigkeit
bedacht waren. Denn man darf nicht voraussetzen, dass die
königliche
Herrschaft das gesamte Reich erfaßte. Philipp
nannte
sich Dei gratia Francorum rex,
"von Gottes Gnaden König der
Franken",
und zeitgenössiche Geschichtsschreiber sprachen vom regnum
Francorum,
dem "Königreich der Franken". Den anderen Fürsten
gegenüber
war er durch die Salbung, die ihm der Erzbischof von Reims gespendet
hatte,
ausgezeichnet, und Philipp hat
dies
auch durch mehrere Festkrönungen (1071,1098,1100 und 1104)
unterstrichen.
In seiner tatsächlichen Macht aber sah sich der König auf die
sogenannte Krondomäne beschränkt; unter ihr versteht man alle
Rechte, Besitzungen und Einkünfte des Königs, deren
Kernbereich
alle Rechte, Besitzungen und Einkünfte des Königs sich beim
Tode
Heinrichs
I. ungefähr von Orleans über Paris bis ins Tal
der
Oise erstreckte. Diese Landschaften waren zentral gelegen und ragten
durch
ihre Wirtschaftskraft hervor. Zudem verfügte der König
über
die Kronbistümer, die etwa ein Drittel aller französischen
Diözesen
ausmachten; sie lagen vor allem in den Kirchenprovinzen Reims und Sens
und umschlossen wie ein Ring die weltliche Krondomäne. Der weitaus
größte Teil Frankreichs aber befand sich in der Hand
mächtiger
Fürsten, der Grafen von Flandern, der Herzöge der Normandie,
der Herzöge der Bretagne, der Grafen von Anjou, der Herzöge
von
Aquitanien, der Grafen von Toulouse, der Grafen von Barcelona, der
Herzöge
von Burgund, der Grafen von Blois und der Champagne. Von ihnen war nur
Herzog Wilhelm VIII. von Aquitanien
persönlich zu Philipps
Krönung
in Reims erschienen; Burgund, Flandern und Anjou waren durch Gesandte
vertreten,
während die übrigen Fürsten, allen voran der Herzog der
Normandie, durch Abwesenheit glänzten. Es sollte eine der
wichtigsten
Aufgaben des neuen Königs sein sich gegen die mächtigen
Vasallen
zu behaupten und die Krondomäne auszubauen.
Graf Balduin V.
von Flandern, der die
Regentschaft
für
den minderjährigen Philipp
ausübte,
beherrschte eines der wichtigsten Fürstentümer. Es ging zum
größten
Teil vom französischen König zu Lehen, für einige
Gebiete
aber war der Graf Vasall des Kaisers, und deshalb unterscheidet man
zwischen
"Kronflandern" und "Reichsflandern".
Seine Stellung wußte Balduin
durch eine geschickte Heiratspolitik abzusichern:
Er war der
Schwiegersohn
König
Roberts II. von Frankreich, und seine Tochter
Mathilde hatte den Herzog
der Normandie, Wilhelm
den Eroberer, geheiratet. Bei Übernahme der
Regentschaft
nach dem Tode Heinrichs I.
ließ
der Graf sich von den Großen Frankreichs einen Treueid leisten
und
begab sich mit dem jungen König sofort in die wichtigsten Orte der
Krondomäne, nach Dreux, Paris, Senlis, Etampes und Orleans.
Offensichtlich
war es beim Thronwechsel hier und da zu kleineren Revolten des lokalen
Adels gekommen, die Balduin
jedoch im Keim zu ersticken vermochte.
Neben Balduin nahm
mit der Königin-Witwe
Anna noch eine zweite Person maßgeblichen
Einfluß
auf die Regierungsgeschäfte. Philipp
selbst brachte dies zum Ausdruck, als er in einer Urkunde für die
Pariser Abtei St-German-des-Pres sagte: "Als König
Heinrich starb, habe ich, sein noch unmündiger Sohn Philipp,
zusammen mit meiner Mutter die Königsherrschaft übernommen"
(Pou,
Recueil, 40 Nr. 13). Tatsächlich war Anna
zunächst ständig am Hofe nachweisbar, bis ein unerhörter
Skandal die Welt des jungen Königs erschüttern sollte. Denn
bereits
kurz nach dem Tode ihres Mannes hatte sie sich dem Grafen Rudolf von
Valois
zugewandt und ihn schließlich, wohl im Laufe des Jahres 1061,
geheiratet.
Diese neue Ehe war für Philipp
und den Grafen Balduin nicht
ungefährlich, denn Rudolfs
Herrschaftsbereich
bedrängte die Krondomäne im Westen wie im Norden und drohte
zudem,
sie von Flandern abzuschneiden. Um die Verbindung mit Anna
eingehen
zu können, hatte Rudolf seine
damalige Frau kurzerhand
verstoßen.
Die Angelegenheit wurde dem Papst vorgetragen und Rudolf
exkommuniziert.
Von nun an spielte Anna in der
Regentschaft
keine Rolle mehr.
II
1067 wurde Philipp
15 Jahre alt und volljährig. Der Sohn des Grafen Balduin
umgürtete
ihn mit dem Schwert, und auf einem in Paris abgehaltenen Hoftag
übernahm
er die selbständige Regierung. Ein Jahr zuvor hatte sich die
politische
Situation sehr zu seinen Ungunsten gewandelt, als Wilhelm,
der Herzog der Normandie,
England eroberte und das anglonormannische
Reich
begründete. Balduin V.,
der zu jener Zeit noch die Regentschaft
ausübte,
hatte dies nicht verhindert; er war Wilhelms
Schwiegervater und ließ
als Graf von Flandern zu, dass viele
seiner
Untertanen sich dem normannischen Heereszug anschlossen. Hatten die
englisch-französischen
Beziehungen bislang nur eine untergeordnete Rolle gespielt, so
mußte
Philipp,
der in seiner faktischen Herrschaft ohnehin auf die Krondomäne
beschränkt
war, nun mitansehen, wie ihm im Westen ein übermächtiger
Rivale
erwuchs, der während des gesamten Mittelalters eine Bedrohung
für
die KAPETINGER darstellen sollte. Philipps
Beziehungen zum deutschen Reich waren mehr oder weniger spannungsfrei;
die Auseinandersetzung mit Wilhelm und
seinen Erben hingegen wurde ein
zentrales Thema seiner Regierung.
An eine direkte Auseinandersetzung mit dem
Normannen-Herzog
war zu diesem Zeitpunkt natürlich nicht zu denken. Für Philipp
galt vielmehr, zunächst die eigene Machtbasis zu erweitern. Eine
erste
Möglichkeit bot sich dem jungen Herrscher bereits 1068, als er von
Streitigkeiten um die Erbfolge im Anjou profitieren konnte, die nach
dem
Tode des Grafen Gottfried II. Martell
unter dessen beiden Neffen
ausgebrochen
waren. Philipp unterstützte
Fulko
den Griesgram gegen dessen Kontrahenten Gottfried den Bärtigen und
ließ sich seine Hilfe mit der Übertragung des Gatinais
bezahlen. So vermochte er die Krondomäne im Gebiet zwischen Paris,
Orleans und Sens auszubauen.
Wechselnder Erfolg sollte hingegen seinem
Eingreifen
in Flandern beschieden sein. Dort war im Jahre 1070 Graf Balduin VI.,
der
gleichnamige Sohn und Nachfolger von Philipps
Vormund, verstorben. Die Herrschaft ging nun auf seinen Sohn Arnulf
über,
doch suchte Balduins Bruder, Robert der Friese, sie ihm streitig
zu
machen.
In dieser Situation bot Arnulfs
Mutter Richilde ihre Hand Wilhelm
FitzOsbern,
dem Truchseß Wilhelms des Eroberers,
an und machte ihn zum Vormund ihres Sohnes. Zugleich wandte sie sich an
den französischen König, dem sie in Erwartung seiner Hilfe
die
in der Picardie gelegene Abtei Corbie übertrug. Philipp
eilte mit einem Truppenkontingent herbei, doch endete die
militärische
Auseinandersetzung bei Cassel (südlich von Dünkirchen) mit
einem
Sieg Roberts; Arnulf und Wilhelm FitzOsborn fielen im Kampfe,
Richilde
geriet in Gefangenschaft, und Philipp
ergriff die Flucht. Es blieb ihm nun nichts anderes mehr übrig,
als
Robert anzuerkennen: 1071
schloß man einen Frieden, der Robert
die
Grafenwürde sicherte und Philipp
in Besitz des reichen Klosters Corbie beließ. So war es
dem
französischen König gelungen, trotz seiner Niederlage die
Krondomäne
im Norden zu erweitern. Besonders im Hinblick auf die wachsende
Bedrohung,
die von
Wilhelm dem Eroberer ausging,
war es wichtig, die traditionell guten Beziehungen zu Flandern
wiederhergestellt
zu haben. Zudem war Roberts
Politik, bedingt durch die Verbindung
Richildes
mit Wilhelm FitzOsbern, gegen
die Anglonormannen ausgerichtet. Der Graf
von Flandern und der französische König waren sich
bewußt,
aufeinanderangewiesen zu sein, und um zu zeigen, dass der soeben
geschlossene
Friede zugleich ein langfristiges Bündnis bedeuten sollte,
heiratete
Philipp
die Stieftochter Roberts, Bertha von Holland.
Ein wichtiger Schritt, die Grenze zur Normandie zu
sichern,
war der Erwerb des westlich von Paris gelegenen sogenannten "Vexin
francais"
(im Unterschied zum "Vexin normand") mit den Orten Mantes, Pontoise und
Chaumont-en-Vexin. Rudolf von Valois,
der bereits erwähnte zweite
Ehemann Annas von Kiew, hatte es
bis
zu seinem Tod im Jahre 1074 beherrscht. Das von ihm aufgebaute
Fürstentum
zerfiel jedoch, als sein Sohn und
Erbe Simon ins Kloster eintrat.
Philipp wußte diese Situation zu nutzen und sicherte
sich
das Vexin bis zur Epte. Der neue Besitz war strategisch wichtig
und sollte im 12. Jahrhundert eine noch weiterreichende Bedeutung
erlangen,
als Abt Suger von St-Denis eine Lehnsabhängigkeit des Vexin von
seinem
Kloster reklamierte. Als Graf des Vexin war der
französische
König somit Lehnsmann des heiligen Dionysius.
Im Jahre 1076, kurz vor dem Erwerb des Vexin, war Philipp
ein Schlag gegen Wilhelm den Eroberer
gelungen, als er die von den Anglo-Normannen belagerte bretonische
Festung
Dol entsetzen konnte. Wilhelm
mußte
sich zurückziehen, und eine mögliche Ausdehnung seines
Machtbereichs
um die Bretagne war somit vorerst gescheitert. Es blieb weiterhin das
Ziel
Philipps,
die 1066 geschaffene Verbindung der Normandie mit England wieder
rückgängig
zu machen. Militärisch gab sich Wilhelm
nur selten eine Blöße, aber seine Schwachstelle, so wurde
immer
deutlicher, waren die Auseinandersetzungen innerhalb der eigenen
Familie.
Diese suchte Philipp mit
diplomatischem
Geschick auszunutzen, indem er Wilhelms
ältesten
Sohn Robert, der wegen seiner
geringen
Körpergröße den Beinamen "Kurzhose"
erhielt,
unterstützte.
Robert
war
als Erbe der Normandie vorgesehen, doch forderte er deren
Übertragung
bereits zu Lebzeiten des Vaters. Als er damit auf Ablehnung
stieß,
kam es zur offenen Empörung. Unterstützung fand er beim
französischen
König, der ihm die Burg Gerberoy (bei Beauvais)
überließ.
Hier verschanzte sich Robert mit
seinen
Anhängern und trotzte der Belagerung durch den Vater. Bei einem
Ausfall
zu Beginn des Jahres 1079 gelang es ihm sogar, die Normannen in die
Flucht
zu schlagen, und in diesem Ereignis sahen Zeitgenossen die tiefste
Demütigung,
die Wilhelm dem Eroberer jemals
zugefügt
worden ist.
Erst 1087 sollte der Normanne den
französischen
König wieder ernsthaft bedrohen können, als er in das Vexin
einfiel,
es verwüstete und Mantes in Schutt und Asche legen ließ. Er
mußte das Unternehmen jedoch abbrechen, da er schwer erkrankte
und
kurz darauf starb. Auf dem Totenbett hatte er die Teilung seines Erbes
verfügt: Robert Kurzhose
erhielt
die Normandie, sein zweiter Sohn
Wilhelm der
Rote
England,
und der jüngste, Heinrich,
wurde
mit Geld abgefunden. Die Einheit des anglonormannischen Reiches schien
der Vergangenheit anzugehören, doch sollte der Erfolg der
kapetingischen Politik nicht von Dauer sein. Philipps
Position erlitt zunächst 1092 eine entscheidende Schwächung,
als er seine Gattin Bertha
verstieß
und somit das Bündnis mit Flandern aufs Spiel setzte. Wilhelm
der Rote nutzte diese neue Konstellation, indem er
freundschaftliche
Beziehungen zu Graf Robert dem Friesen
und dessen Nachfolger Robert II.
knüpfte. Noch bedrohlicher wurde es für den
französischen
König, als Robert Kurzhose
1096
dem Kreuzzugsaufruf Papst Urbans II.
folgte. Um seine Heerfahrt zu
finanzieren,
nahm er einen Kredit bei seinem Bruder
Wilhelm
auf
und übertrug ihm als Pfand die Normandie. Wilhelm
starb
1100, und es folgte ihm Heinrich,
der
jüngste der drei Brüder; ihm gelang es
1106, den inzwischen
aus
dem Heiligen Land zurückgekehrten Robert
in
der Schlacht bei Tinchebray (bei Domfront) zu besiegen. Das
anglonormannische
Reich war somit wiederhergestellt, ohne dass
Philipp
eingegriffen hätte.
War die kapetingische
Politik in diesem entscheidenden Punkt fürs erste gescheitert, so
sollte es Philipp dennoch
gelingen,
in seinen letzten Lebensjahren die Krondomäne weiter auszubauen.
Wir
schilderten bereits den Erwerb des Gatinais, der Abtei
Corbie
und des Vexin. Erwähnt zu werden verdient nun noch das
Berry,
dessen Zentrum der Vizegraf von
Bourges, Odo Harpin,
beherrschte. Als
er
zum Kreuzzug aufbrach, verpfändete er das Berry an Philipp,
der es ab 1100 der Krondomäne einverleibte. Zwar kehrte Odo wenige
Jahre später aus dem Heiligen Land zurück, doch verzichtet er
auf seine früheren Rechte und trat ins Kloster ein. Das Berry
war nunmehr zu seinem größten Teil endgültig in den
Besitz
der Krone übergegangen und sollte als Basis für ein
späteres
Ausgreifen der KAPETINGER in die
Regionen
südlich der Loire dienen.
Mit der Erweiterung der Krondomäne hatte es Philipp
erreicht, die unmittelbare Machtstellung der KAPETINGER
zu
stärken. Zugleich zeigt sich, dass unter seiner Regierung der seit
Generationen spürbare Verfall der Königsmacht aufgehalten und
die Grundlage für einen Wiederaufstieg geschaffen werden konnte.
Zeugnis
dafür legen die Königsurkunden ab, in deren Zeugnislisten
seit
der Regierung Roberts
des Frommen im zunehmenden Maße der lokale
Adel auftaucht, während die Unterschriften der bedeutendsten
Fürsten
immer seltener werden. Dies erklärt sich aus dem enger werdenden
Wirkungsbereich
des Königs, belegt aber gleichzeitig, dass auch in der
Krondomäne
seine Autorität bestritten wurde; denn wenn selbst ein kleiner
Adliger
ein Herrscherdiplom als Zeuge unterschreibt, dann heißt dies,
dass
das Ansehen des Herrschers allein nicht mehr ausreicht, um die
Durchsetzung
seiner in der Urkunde formulierten Verfügung zu garantieren. Die
monarchische
Gewalt sinkt, sie nähert sich dem Adel, und dementsprechend nimmt
das Königsdiplom immer mehr die Form einer Privaturkunde an. In
diese
Entwicklung fügt es sich, dass Philipp während
der ersten Jahre seiner Regierung die programmatischen Hinweise auf die
königliche Gewalt, mit denen die
karolingischen
Herrscherdiplome zumeist eingeleitet wurden, fallenläßt.
Erst
seit Mitte der 70-er Jahre greift er wieder auf diesen "klassischen"
Typ
zurück, und bald gewinnt auch die Zeugenreihe eine neue Form: In
verstärktem
Maße unterschreiben nun die Inhaber der vier Hofämter, die
grands
officiers du roi,
Seneschall, Mundschenk, Connetable und Kämmerer.
In einer Urkunde des Jahres 1085 sind sie die einzigen Zeugen, ebenso
1091,
1104 und 1107, und in der Folgezeit wird die ausschließliche
Unterschrift
der vier grands officiers zum Merkmal des kapetingischen
Diploms:
Das Königtum hatte die Gefahr, in den Adel abzusinken, gebannt.
III
Philipps
Herrschaft
fällt in eine Epoche, die in ganz Europa von der
Auseinandersetzung
zwischen regnum und sacerdotium, zwischen weltlicher und geistlicher
Gewalt,
gekennzeichnet ist. Seine Regierungszeit deckt sich fast völlig
mit
der Kaiser
HEINRICHS IV. (1056-1105),
und dessen Namen verbinden wir noch heute mit dem sogenannten
"Investiturstreit".
Indes berührt dieser Begriff nur einen Aspekt und greift zu kurz.
Man spricht besser vom Zeitalter der Kirchenreform, die nicht nur die
Investitur,
also die Einführung in ein Kirchenamt, regelte, sondern - um die
wichtigsten
Punkte zu nennen - auch den römischen Primat durchsetzte und sich
gegen die Käuflichkeit von Kirchenämtern und Sakramenten, die
Simonie, sowie die Priesterehe wandte. Die Auseinandersetzung zwischen
Kaiser und Papst stürzte das deutsche Reich in eine tiefe Krise,
in
Frankreich hingegen führte sie zu einem engen Bündnis
des
Königs mit dem Papst. Wie ist diese gegensätzliche
Entwicklung
zu erklären?
Zunächst müssen wir
berücksichtigen, dass
die königliche Kirchenherrschaft in Deutschland von anderen
Voraussetzungen
ausging als in Frankreich. HEINRICH IV.
verfügte über sämtliche Bistümer und die
bedeutendsten
Stifte und Klöster seines Reiches. Er bestimmte maßgeblich
die
Berufung eines Bischofs oder Abtes und führte ihn durch die
Überreichung
von Ring und Stab in sein neues Amt ein; anschließend versprach
ihm
der Geistliche in Form eines Eides Treue und Gefolgschaft. Dies
Kontrolle
der Reichskirche war um so wichtiger, als die Prälaten zu den
wesentlichen
Stützen der Königsmacht gehörten. Mit dem von Gregor
VII.
ausgesprochenen Verbot der Bischofsinvestitur durch Laien
mußte
die
Reichsverfassung also in ihren Grundfesten erschüttert werden.
Im Unterschied zum deutschen König
beherrschte Philipp
I. von insgesamt 77 Diözesen seines Reiches nur rund
25,
also ein knappes Drittel. Zu ihnen zählten im wesentlichen die
Bistümer
der Kirchenprovinzen Reims und Sens sowie einige Bistümer der
Provinzen
Lyon, Bourges und Tours. Die übrigen Diözesen hingegen
befanden
sich seit der ausgehenden KAROLINGER-Zeit
in Händen der Lehnsaristokratie. Existierte in Deutschland eine
Reichskirche,
so spricht man für Frankreich vom Kronepiskopat. Der
Neugewählte
wurde zunächst vom König mit Ring und Stab investiert,
leistete
dem Herrscher sodann einen Treu- oder Lehnseid und empfing
schließlich
auf königliche Anweisung hin die Weihe. Wurde ein Bistum vakant,
so
kam es in manu regis, "in die Hand des Königs", der bis zur
Bestellung
eines Nachfolgers über die Einkünfte verfügen konnte.
Ohnehin
in seinen Machtmitteln beschränkt, war Philipp
auf
die materielle und oft auch militärische Unterstützung durch
den Episkopat angewiesen. Gleichzeitig besaßen aber auch die
Bischöfe
ein Interesse an der königlichen Kirchenhoheit, die sie davor
bewahrte,
in die Abhängigkeit des Adels zu geraten.
War im deutschen Reich Kaiser
HEINRICH III. als entschiedener Freund der Kirchenreform
aufgetreten,
so mußte in Frankreich zunächst das Papsttum selbst
eingreifen.
1049 veranstaltete Leo IX. ein
Konzil zu Reims, und in den kommenden
Jahrzehnten
bemühten sich päpstliche Legaten, auf zahlreichen Synoden den
Vorstellungen der Kurie zur Durchsetzungzu verhelfen. Dabei geriet auch
Philipp
I. ins Kreuzfeuer der Kritik, doch sollte es niemals zu
einer
grundsätzlichen Auseinandersetzung zwischen König und Papst
kommen.
Dieser Umstand unterscheidet die Vorgänge in Frankreich ganz
erheblich
vom Investiturstreit im deutschen Reich. Beharrte HEINRICH
IV. starr auf seinen königlichen Prärogativen, so
zeigte sich Philipp I. pragmatisch
und flexibel in der Bewahrung seiner Rechte. Dabei kam ihm zugute, dass
das Papsttum voll und ganz vom Konflikt mit dem Kaiser in Anspruch
genommen
wurde und deshalb auch seinerseits zu einer vermittelnden Haltung
Frankreich
gegenüber neigte.
Zu einem ersten Konflikt Philipps
I. mit Gregor VII.
kam es 1072/74, als der König sich
weigerte,
dem kanonisch gewählten Bischof
Landerich von Macon die Investitur
zu erteilen. Klerus und Volk von Macon trugen die Angelegenheit dem
Papst
vor, der Philipp mit Bann und
Interdikt
drohte. Da der zuständige Metropolit, Erzbischof Humbert von Lyon,
ohne königliche Genehmigung die Weihe nicht erteilen wollte, nahm
Gregor sie selbst in Rom vor.
Der neue Bischof konnte sein Amt antreten
und soll auch bald ein gutes Verhältnis zum Hof unterhalten haben.
Von einem energischen Widerstand Philipps
ist hingegen nichts zu spüren, und diese nachgebende Haltung ist
charakteristisch
für ihn. Schärfere Töne schlug Gregor jedoch nur kurze
Zeit
später an, als er von dem erwähnten Raubüberfall Philipps
auf
italienische Kaufleute erfuhr. Er warf den französischen
Bischöfen
vor, an den Untaten des Königs mitschuldig zu sein, und forderte
sie
auf, ihn zur Umkehr zu bewegen. Sei er dazu nicht bereit, so sollten
sie
sich von ihm lossagen und das Interdikt über Frankreich
verhängenn;
nütze auch dies nichts, dann werde man ihm die Königsgewalt
entreißen.
Philipp
zeigte sich unbeeindruckt, und Gregor
machte keine Anstalten, seine
Drohungen
zu verwirklichen - auch dies ein Zeichen dafür, dass Rom eine
Konfrontation
vermeiden wollte. Immerhin unternahm Gregor
einen neuen Anlauf, die
Kirchenreform
in Frankreich voranzutreiben und ernannte die beiden Bischöfe Hugo
von Die und Amat von Oloron
zu ständigen Legaten. Sie griffen in
der
Folgezeit wiederholt in Bischofswahlen, auch in der Krondomäne,
ein.
1077 leitete Hugo eine Synode
in Autun, auf der die Laieninvestitur
sehr
wahrscheinlich ausdrücklich untersagt wurde. Es folgte ein Jahr
später
die Synode von Poitiers, die das Investiturverbot noch verschärfte
und zahlreiche Bischöfe wegen unkanonischer Erhebung suspendierte.
Philipp
hatte die Tragweite dieser Beschlüsse erkannt und vorsorglich
seinen
Bischöfen die Teilnahme an der Synode verboten. Trotzdem kam es zu
keinem offenen Bruch zwischen König und Papst.
Hatte schon Gregor
VII. das Verhalten Philipps
gemaßregelt und mit Strafmaßnahmen gedroht, so blieb es
Papst
Urban II. vorbehalten, ihn zu exkommunizieren. Der Grund lag
nicht etwa
in der Frage der Investitur, sondern in der neuen Ehe, die der
König
1092 geschlossen hatte. Wir erinnern uns, dass Philipp
1072 Bertha, die Stieftochter des
Grafen
Robert von Flandern, geheiratet hatte. Aus dieser Verbindung,
die lange
unfruchtbar geblieben war, gingen schließlich der Thronfolger
Ludwig, eine Tochter namens
Konstanze
sowie vielleicht der als Kind
gestorbene Heinrich
hervor. 1092 verstieß Philipp
seine Frau; sie war ihm, wie der zeitgenössische Historiker
Wilhelm
von Malmesbury berichtet, zu dick geworden. Ihre Stelle sollte Bertrada
von Montfort einnehmen, die allerdings noch mit dem Grafen
Fulko
von Anjou verheiratet war und deshalb von Philipp
entführt
werden mußte. Die Tat glückte, und der Bischof von Senlis
erklärte
sich bereit, das Paar zu trauen. Der Ehebruch rief Urban II. auf den
Plan.
Da seine Aufforderung an den französischen Episkopat, den
König
auf den rechten Weg zurückzuführen, nichts nutzte,
beauftragte
er Hugo, der bereits Gregor VII. als Legat gedient hatte
und inzwischen
Erzbischof von Lyon geworden war, mit der Angelegenheit. Hugo berief
eine
Synode nach Autun ein, die 1094 den König exkommunizierte. Ein
Jahr
später begab sich Urban II.
selbst nach Frankreich und versammelte
ein großes Konzil in Clermont; dort rief er zum Kreuzzug auf,
erneuerte
die Investiturdekrete, untersagte den Lehnseid der Geistlichen und
bestätigte
die Exkommunikation des Königs. Es entsprach der bisherigen
päpstlichen
Politik, dass man die Verurteilung Philipps
mit persönlichen Verfehlungen begründete, nicht etwa mit
mangelndem
Reformeifer. Eine Herrscherabsetzung, wie sie HEINRICH
IV. widerfuhr, drohte Philipp nicht.
Auch Urban hatte in der Frage
der Investitur kein Interesse an einer
grundsätzlichen
Auseinandersetzung mit dem französischen König; dies galt um
so mehr, als er verhindern mußte, dass Frankreich zum
kaiserlichen
Gegen-Papst Wibert-Clemens III. überging.
Mehrmals hat man in den folgenden Jahren versucht,
Philipp
vom Bann zu lösen. Er versprach schon bald nach dem Konzil von
Clermont,
seiner Verbindung mit Bertrada zu
entsagen,
doch stand er allzu sehr im Banne dieser Frau, als dass er dem auch
Taten
hätte folgen lassen können. So blieb er fast 10 Jahre
exkommuniziert
und konnte deshalb auch nicht am ersten Kreuzzug teilnehmen. Erst 1104
sollte es zu einer Verständigung kommen: Auf dem Konzil von Paris
erklärten sich der König und Bertrada
unter Eid zur Trennung bereit und wurden absolviert. Zwar hielten sie
sich
nicht an ihre Zusage, doch drückte Papst Paschalis, der immer
stärker
von der Auseinandersetzung mit HEINRICH V.
in Anspruch genommen wurde, beide Augen zu.
Inzwischen war auch die Frage der Investitur einer
Lösung
nähergerückt. Eine entscheidende Rolle spielte dabei der
Bischof
Ivo von Chartres, einer der bedeutendsten Kirchenrechtler seiner
Zeit.
1090 war er zum Nachfolger des von Urban
II. abgesetzten Bischofs
Gottfried
gewählt und von Philipp
investiert
worden. Da ihm der zuständige Metropolit, Erzbischof Richer von
Sens,
die Weihe verweigerte, reiste er nach Rom und ließ sich von Urban
II. weihen. In der Ehefrage stellte er sich gegen Philipp
und
muße für seine Haltung zeitweise im Kerker büßen.
Trotzdem trat er als Vermittler zwischen königlichen und
päpstlichen
Ansprüchen auf. Deutlich wurde dies in seinem 1097
verfaßten,
berühmt gewordenen Brief an den päpstlichen
Legaten Hugo von
Lyon: Mit der von ihm als concessio, "Übertragung",
bezeichneten
Investitur,
so argumentierte Ivo, verleihe
der König nihil spirituale,
"nichts
Geistliches", sondern lediglich die bona
exteriora, "die weltlichen
Güter"
der Bischofskirche. Die Investitur war somit ein rein weltlicher Akt.
Um
dies besser zu verstehen, müssen wir uns vor Augen halten, dass Philipp
zu jenem Zeitpunkt noch exkommuniziert war die persönliche
Investitur
mit Ring und Stab konnte er wahrscheinlich nicht mehr ausüben, da
jedem Bischof der Umgang mit ihm untersagt war. Statt dessen
dürfte
damals die concessio
aufgekommen sein, die vielleicht durch
königlichen
Erlaß oder durch eine Erklärung gegenüber Abgesandten
des
neugewählten Bischofs vorgenommen wurde. Diese neue
Investiturpraxis
und die Unterscheidung zwischen Spiritualien und Temporalien (die
übrigens
schon auf eine gewisse Tradition vor
Ivo zurückblicken konnte)
sollte
in Frankreich zu einer Lösung führen, die seit der
Neubesetzung
der Bistümer Paris und Beauvais im Jahre 1104 üblich wurde:
Der
König schloß sich dem Ergebnis der kanonischen Wahl an,
verzichtete
auf die symbolische Investitur mit Ring und Stab, nahm aber eine
concessio
der weltlichen Güter vor und ließ sich dafür von dem
neugewählten
Bischof einen Treueid leisten.
So wurde die Frage der Investitur in Frankreich
durch
einen Kompromiß gelöst, der sich an der Wende vom 11. zum
12.
Jahrhundert ergeben hatte. Er wurde wahrscheinlich auf der Synode von
Troyes
im Jahre 1107 gebilligt, während eine förmliche Vereinbarung
mit dem Papsttum, wie sie etwa für das Imperium im Wormser
Konkordat
vorliegt, nicht mehr nötig war. Genaugenommen können wir auch
nicht von einem französischen Investiturstreit sprechen, sondern
nur
von Konflikten bei Bistumsbesetzungen. Dementsprechen ist auch, im
Gegensatz
zu Deutschland und Italien, die Investiturpublizistik in Frankreich nur
vereinzelt anzutreffen. Offenbar waren König und Kronepiskopat
weder
willens noch in der Lage, den Forderungen des Reformpapsttums mit
Streitschriften
zu begegnen.
Das Verhältnis des französischen
Herrschers
zum Papst sollte sich sogar vom Gegensatz zum engen Bündnis
wandeln,
als Paschalis II. 1106/07 nach
Frankreich kam. In der alten
Königsabtei
St-Denis traf er mit Philipp und
dem
Thronfolger
Ludwig zusammen;
er erinnerte sie an die Hilfe, die die KAROLINGER,
vor allem KARL DER GROSSE, dem
Nachfolger
Petri geleistet hatten, und bat um Unterstützung gegen
Kaiser HEINRICH V. Philipp
und Ludwig
knieten
vor dem Papst nieder und versprachen auxilium et consilium, "Rat und
Hilfe".
Als sich Paschalis
anschließend nach Chalons-sur-Marne begab, um
dort mit einer Gesandtschaft HEINRICHS V.
über die Investiturfrage zu verhandeln, wurde er von
Philipp
und
Ludwig
begleitet. Die Gespräche scheiterten, und Paschalis kehrte, um mit
den Worten des Abtes Suger von
St-Denis zu sprechen, "erfüllt von
Liebe zu den Franzosen und von Furcht und Haß auf die Deutschen",
nach Rom zurück (Waquet, Suger, 60 Kap. 10). Der 1107 geschlossene
Bund zwischen König und Papst sollte zukunftsweisend sein. Die
französische
Kirche wurde fortan zur entscheidenden Stütze des Papsttums, und
bei
zwiespältigen Wahlen wurde in Frankreich entschieden, welcher
Kandidat
die Oberhand behalten sollte.
IV
"Während der Sohn von Tag zu Tag
Fortschritte machte,
verlor Philipp, sein Vater an
Kräften.
Denn seit er mit der Gräfin von Anjou in ehebrecherischer
Verbindung
zusammenlebte, tat er nichts mehr, was seiner königlichen
Würde
angemessen gewesen wäre. Voller Verlangen nach der Frau, die er
geraubt
hatte, ging es ihm nur noch darum, seine Lust zu befriedigen. Deshalb
kümmerte
er sich nicht mehr um sein Reich und schonte auch nicht die Gesundheit
seines Körpers..." (Waquet, Suger, 80-82 Kap. 13). Das Urteil, das
Abt Suger von St-Denis
über Philipp I.
abgibt, ist vernichtend. Der König lebte ganz im Banne der Bertrada
von Montfort, er litt
unter Fettleibigkeit und
vernachlässigte
seine Regierungspflichten.
Seine zweite Frau
schenkte ihm drei Kinder:
o Philipp
o Florus
o Caecilia
Zuvor hatte er sich entschlossen,
Ludwig, seinen
ältesten Sohn aus der Ehe mit Bertha,
als Erben anzuerkennen, und ihm Mantes, Pontoise und die Grafschaft
Vexin
übertragen. Bertrada setzte
sich
dagegen zur Wehr und soll sogar geplant haben, Ludwig
umzubringen,
um ihren eigenen Sohn Philipp
die Thronfolge
zu sichern. Ihre Intrigen blieben jedoch erfolglos, und seit dem Jahre
1100 wird Ludwig als rex
designatus
bezeichnet; wenngleich er die Königsweihe erst nach dem Tod des
Vaters
empfing, wurde sein Einfluß auf die Regierung von nun an immer
stärker.
Seit 1100 war er der eigentliche Machthaber.
Philipp starb
am
29.
oder 30. Juli 1108 in Melun (südöstlich von Paris). Die
Bischöfe von Paris, Senlis und Orleans sowie der Abt von St-Denis
zelebrierten die Totenmesse, bevor man den Leichnam in das Kloster
St-Benoit-sur-Loire
(östlich von Orleans) überführte und dort beisetzte. Philipp
hatte
zu Lebzeiten den Bau der Klosterkirche gefördert und sich (wohl
aus
Verehrung für den heiligen
Benedikt von Nursia) gewünscht,
dort
und nicht in St-Denis, der traditionellen Grablege der
französischen
Könige, bestattet zu werden. St-Denis wurde während der
französischen
Revolution geplündert, die Gräber wurden geschändet und
die Knochen außerhalb der Kirche verscharrt. St-Benot-sur-Loire
hingegen
blieb von diesem Vandalismus weitgehend verschont und birgt noch heute
die sterblichen Überreste Philipps.
Unterzieht man Philipps
Regierung einer abschließenden Bewertung, so fällt das
Urteil
positiv aus. Sicher, der entscheidende Schlag gegen das
anglonormannische
Reich war ihm nicht geglückt. Aber er hatte es lange
destabilisieren
und seine weitere Expansion auf dem Kontinent verhindern können.
Persönliche
Verfehlungen, seine Eheaffäre und seine Freßsucht mochten
ihn
in den Augen der Zeitgenossen, etwa Sugers
von St-Denis,
lächerlich
und zur Herrschaft unfähig erscheinen lassen. Aber die
französische
Monarchie hatte es ihm zu verdanken, dass ihr jahrzehntelanger
Niedergang
aufgehalten und ein Wiederaufstieg vorbereitet wurde.
Philipp hatte die Krondomäne erweitert und die Basis
für
ein Ausgreifen in die Regionen südlich der Loire geschaffen. In
der
Auseinandersetzung mit dem Papsttum hatte ihn die Exkommunikation
getroffen
und seine Regierung jahrelang gelähmt. Aber sie führte nicht
zum Bruch, sondern zu einem engen Bündnis mit Rom. An
Philipps Erfolg konnten seine Nachfolger anknüpfen:
Unter
ihnen wurde Frankreich zur führenden Macht Europas.