Lexikon des Mittelalters: Band IX Spalte 740
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Zypern
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B. Das Königreich der Lusignan
I. DER BEGINN DER LUSIGNAN-HERRSCHAFT
Zypern wurde im Mai 1191 von König Richard Löwenherz, der sich mit seiner Flotte auf dem Weg zum 3. Kreuzzug befand, erobert; der Sieg über den byzantinischen Machthaber Isaak Komnenos wurde begünstigt durch den raschen Übertritt der zypriotischen Notabeln auf die Seite des Königs von England, der ihnen die Hälfte ihrer Besitzungen beließ und die von Isaak Komnenos eingeführten drückenden Abgaben abschaffte. Doch brach nach dem Abzug Richards ein Aufstand aus, infolge der Absicht des Königs, die Insel den Templern abzutreten, deren hohe Steuerforderungen in Zypern auf Ablehnung stießen. Richard übertrug daraufhin die Insel an Guido von Lusignan, den entthronten König von Jerusalem, der Richard die Ablösesumme, die der Templerorden diesem zugesagt hatte, entrichtete. Guido konfiszierte die Güter der früheren Besitzer und verteilte sie an einen neuen Feudaladel und ein aus Franken und Syrern bestehdendes neues Bürgertum (1192). Richard übertrug die ihm verbliebenen oberherrlichen Rechte auf Kaiser HEINRICH VI., dem der Bruder und Nachfolger Guidos, Aimerich (Aimery), das Homagium leistete, wofür er die Erhebung Zyperns zum Königreich erhielt (1197). Die Heirat Aimerichs mit Isabella von Jerusalem (1198) führte zur temporären Vereinigung der Kronen von Zypern und Jerusalem; die Vermählung des Sohnes, Hugos I., mit Alix von Champagne verschaffte der Familie IBELIN einen bevorzugten Platz in der zypriotischen Feudalaristokratie: Philipp von Ibelin und sein Bruder Johann, Herr von Beirut, fungierten als Regenten für Heinrich I. und verdrängten die Erben der 'fideles' der ersten LUSIGNAN-Könige, insbesondere den einflußreichen Baron Aimerich Barlais, der aber 1228 Kaiser FRIEDRICH II. für eine militärische Intervention zu seinen Gunsten gewinnen konnte. Der aus der Regentschaft vertriebene Johann von Ibelin gewann durch einen Bürgerkrieg 1233 seine Machtstellung zurück; 1247 wurde die kaiserliche Suzeränität aufgehoben.
II. IM SPÄTEN 13. UND 14. JAHRHUNDERT
Nach dem Tode Hugos II.
fiel der Thron an einen jüngeren Zweig des Fürstenhauses von
Antiochia, der den Namen der LUSIGNAN
führte. Hugo III. (1267-1284)
vereinigte 1268 die Kronen von Jerusalem und Zypern; sein Recht auf das
Königreich Jerusalem wurde von Karl von Anjou
angefochten,
doch konnte Hugos III.
Sohn, Heinrich
II. (1285-1324), beide Kronen definitiv in seiner Hand vereinigen.
Nach dem Fall von Akkon und Tyrus (1291) hielt der König von Zypern
die Königswürde von Jerusalem weiterhin als Titular-König;
er machte Famagusta zum nominellen Sitz des Königreiches Jerusalem,
ließ sich in der Kathedrale von Famagusta zum König von Jerusalem
krönen und ernannte hohe Würdenträger für das Königreich
Jerusalem. Die Wiederaufnahme des Titels eines Königs von Armenien,
dessen letzter
König Leo von Lusignan
(1375) gewesen war, hatte nur vorübergehnde rechtliche Folgen, wenn
auch die armenische Stadt Korykos sich 1360 dem König von Zypern unterwarf
(sie ging 1448 an die Türken verloren).
Das Königreich Zypern fungierte als Sprungbrett
für künftige Kreuzzüge und beteiligte sich bis 1326 aktiv
am Embargo, das die Päpste über den Handel mit den vom Sultan
von Ägypten kontrollierten Ländern verhängt hatten. Später
beteiligte sich Zypern am Kampf gegen die von Kleinasien ausgehende türkische
Freibeuterei und stellte hierfür kleine Flotten auf. Peter
I. (1358-1369) eroberte die türkische Hafenstadt Antalya
(1361) und führte Razzien zur See gegen Alexandria (Plünderung
1365) und die syrische Küste durch. Doch geriet er durch harte Fiskalpolitik
und Machtmißbrauch in Gegensatz zum Adel und fiel in seinem Palast
einem Assasinat zum Opfer.
Die Könige von Zypern standen oft im Konflikt mit
den selbstbewußten 'Kommunen' der italienischen Kaufleute, besonders
mit den Handelsherren aus Genua. Diese bemächtigten sich nach der
Krönung Peters II. in Famagusta
im Handstreich der Person des Monarchen sowie seines Gefolges und besetzten
Famagusta sowie einen Teil der Insel (1373); zur Aufbringung der von den
Genuesen geforderten Entschädigungssumme mußte der König
außerordentliche Steuern und vor allem einen Königszehnten (1388)
ausschreiben, außerdem Famagusta, über das die Genuesen ein
Handelsmonopol (mit der Gründung einer Ma[h]ona) zu errichten suchten,
abtreten. Einige der vornehmsten Adligen wurden als Geiseln nach Genua
verbracht, unter ihnen König Jakob II. (1382-1398),
der dort bis 1384 in Gewahrsam lebte. Die Genuesen konnten Famagusta bis
1464 behaupten, wohingegen die anderen Bestimmungen der Verträge von
1374 und 1384 nicht verwirklicht wurden.
Das Königreich hatte auch nach dem Bürgerkrieg
von 1231-1233 mehrfach innere Krisen durchlebt: Hugo
III. lag mit den Templern in Streit;
Heinrich II., der Epileptiker war, wurde 1306 von seinem Bruder
Amaury
(Amalrich) entthront und gewann den Thron erst durch Ermordung
seines von den kilikischen Armeniern unterstützten Bruders zurück
(1310); anschließend verhängte er Repressalien gegen dessen
Parteigänger. Nach dem Tode Peters I.
(1369) proklamierten die Ritter, die ihn beseitigt hatten, das große
Rechtsbuch Johanns von Ibelin ("Livre de Jean d'Ibelin") zum Gesetzbuch
des Königreiches, um so die kraftvollen feudalen Institutionen des
13. Jh. wiederzubeleben, doch wurde die Macht der Adelsgeschlechter durch
die Ereignisse von 1373 geschwächt, die Autorität des Königs
gefestigt.
III. IM 15. JAHRHUNDERT. ÜBERGANG AN VENEDIG
König Janus (1398-1432)
förderte, wohl auch zur Behebung seiner Finanznot, die
Freibeuterei (besonders katalanische Korsaren) gegen Ägypten. Dies
rief den Sultan der Mamluken, Barsbai,
auf den Plan, der ein Heer gegen Zypern entsandte: Nach der zypriotischen
Niederlage bei Khirokitia (1426) und der Gefangennahme des Königs
wurde Nikosia von den Ägyptern besetzt; ein Bauernaufstand brach aus.
Die Freilassung des Königs mußte mit drückender Verschuldung
gegenüber Venedig, das große Teile des Lösegeldes vorstreckte,
und mit tribütärer Abhängigkeit vom Sultan erkauft werden.
Indem der Sultan die Anerkennung des Königtums von Charlotte
von Lusignan, Gemahlin Ludwigs von Savoyen, verweigerte,
trug er maßgeblich ein zum Erfolg des illegitimen Bruders von
Janus, Jakob II. (1462-1473),
der mit einer Schar von Abenteurern, zum Schaden des alten Adels, das Inselreich
usurpierte und die venezianische Adlige Caterina
Cornaro (1454-1510), die von der Republik Venedig als 'Tochter'
adoptiert wurde, heiratete. Nach Jakobs II.
Tod durchkreuzte Venedig ein Komplott, das die Königin-Witwe
Caterina zur Wiederverheiratung mit einem Prinzen von Aragon
(Neapel) veranlassen sollte, und exilierte mehrere Parteigänger Jakobs
II. Nach dem Tode ihres minderjährigen Sohnes Jakob
III. dankte Caterina ab
und übertrug das Königreich Zypern an Venedig (Februar 1489).
Guido | 1192-1194 |
Amalrich I. | 1194-1205 |
Hugo I. | 1205-1218 |
Heinrich I. | 1218-1253 |
Hugo II. | 1253-1267 |
Hugo III. | 1267-1284 |
Bohemund | 1284 |
Johann I. | 1284-1285 |
Heinrich II. | 1285-1324 |
Hugo IV. | 1324-1359 |
Peter I. | 1359-1369 |
Peter II. der Dicke | 1369-1382 |
Jakob I. | 1382-1398 |
Janus | 1398-1432 |
Johann II. | 1432-1458 |
Charlotte | 1458-1460 |
Jakob II. | 1460-1473 |
Jakob III. | 1473-1474 |
Katharina Cornaro | 1474-1489 |