Begraben: St-Denis
Einziger Sohn des Königs
Ludwig VII. der Junge von Frankreich aus seiner 3. Ehe mit der
Adele
von der Champagne, Tochter von Graf Theobald IV.
Lexikon des Mittelalters: Band VI Spalte 2058
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Philipp II. Augustus, König von Frankreich 1180-1223
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* 21. August 1165, + 14. Juli 1223
Mantes
Begraben: St-Denis
Sohn König Ludwigs VII. und Adelas von Champagne
1179 präsentierte Ludwig
VII. seinen Sohn einer Adelsversammlung als Mitkönig,
der der königlichen Entscheidung nur noch durch Akklamtation beitrat.
Am 1. November 1179 in Reims gekrönt, übte Philipp
II. Augustus schon vor dem Tod des Vaters (18. September 1180)
faktische Herrschaft aus. Seine Anfänge waren von der Auseinandersetzung
mit drei Kräftefeldern geprägt, dem anglonormannischen Königtum,
dem Grafen von Flandern und dem Haus BLOIS-CHAMPAGNE, das durch
Philipps
Mutter
und deren Brüder (Erzbischof Wilhelm ["aux blanches mains"] von Reims
und die Grafen Heinrich von Champagne, Teobald V. von Blois-Chartres, Stephan
von Sancerre) auf den Hof einwirkte. Mit diesem Verwandtenkreis brach Philipp
II. rasch und suchte den Bund mit Graf Philipp von Flandern;
am 28. April 1180 heiratete er dessen Nichte Elisabeth
von Hennegau und erlangte damit den südlichen Teil Flanderns.
Die Annäherung an den anglonormannischen König
Heinrich II. und ein am 28. Juni 1180 in Gisors geschlossenes
Bündnis führten die Häuser BLOIS-CHAMPAGNE und FLANDERN
zusammen und sorgten für eine gefährliche Einkreisung der Krondomäne.
Sein Überleben sicherte Philipp II. Augustus
durch eine geschickte Politik zwischen den drei Blöcken und trug im
Juli 1185 den endgültigen Sieg über Flandern davon; im Frieden
von Boves erhielt er Amiens, Teile des Vermandois und die
Anwartschaft
auf das Artois. Mit einem dauerhaften Bündnis mit dem
staufischen Kaisertum eröffnete
Philipp
II. die grundlegende Auseinandersetzung mit dem Haus
PLANTAGENET, das mit seinem riesigen Festlandsbesitz die kapetingische
Monarchie
latent bedrohte. Wiederholt vermochte Philipp
II. Augustus Rivalitäten in der anglonormannischen Königsfamilie,
zunächst zwischen Heinrich II.
und seinen Söhnen Heinrich,
Richard,
Gottfried
und Johann um die Nachfolge schließlich
unter den Brüdern, für sich zu nutzen. So kam es nach ersten
Kämpfen 1187/88 zu einem Treffen im November 1188 in Bonmoulins, wo
Richard
Löwenherz in Gegenwart seines überraschten Vaters
dem KAPETINGER für Normandie,
Poitou, Anjou, Maine, Berry und Toulousain huldigte. Diese lehnsrechtliche
Suzeränität Philipps II.
über den Festlandsbesitz sowie Gebietsverluste mußte auch Heinrich
II. zwei Tage vor seinem Tod im Vertrag von Azay-le-Rideau (4.
Juli 1189) akzeptieren.
Das dort abgegebene Kreuzzugsversprechen der Könige
führte zu langwierigen Vorbereitungen, zunächst zu Vereinbarungen
zwischen Philipp II. Augustus und dem
inzwischen als Herzog und König anerkannten Richard, dann zur Regelung
der Regentschaft in Frankreich während Philipps
II. Abwesenheit und zur Ordnung von Finanzenwesen und Verwaltung.
Am 4. Juli 1190 zogen die bedien Könige von Vezelay los und erreichten
auf dem Seeweg Akkon, das am 12. Juli 1190 fiel. Sofort trat Philipp
II. Augustus die Rückreise an, befand sich bereits im Dezember
1191 wieder in Paris und besaß damit trotz aller Richard
gegebenen Versprechen entscheidende Vorteile im Kampf um den anglonormannischen
Festlandsbesitz, zumal Richard auf
seiner Heimreise in die Gefangenschaft Leopolds von Österreich, schließlich
Kaiser
HEINRICHS VI. geriet und erst 1194 die Freiheit wiedererlangte.
In der Zwischenzeit vermochte Philipp II. Rivalitäten
im Haus PLANTAGENET
zu nutzen, baute
im Vermandois und im Vlaois eine Verwaltungsstruktur auf, sandte Truppen
in die Normandie und eröffnete Geheimverhandlungen mit Richards
Bruder Johann Ohneland. Die langwieirgen
militärischen Auseinandersetzungen, zunehmend mit Söldnertruppen
geführt und damit für die Umprägung adliger Vasallenverbände
sorgend, kamen nach Richards
Tod 1199
und Nachfolgestreitigkeiten zwischen Johann
und
Arthur
I. von Bretagne, im Frieden von Le Goulet am 22. Mai 1200 zu
einem ersten Abschluß.
Für den entscheidenden Schlag gegen Johann mußte
Philipp
II. Augustus, der Arthur
an
seinen Hof gezogen und von ihm einen Lehnseid erhalten hatte, zunächst
ein tiefes Zerwürfnis mit der Kurie infolge einer Eheaffäre beilegen:
Im August 1193 hatte der König Ingeborg von
Dänemark geheiratet und sofort verstoßen, um sich
im Juni 1196 mit Agnes von Meran zu
verbinden. Von Papst Innozenz III. dafür gebannt, nahm Philipp
II. Ingeborg erst nach Agnes'
Tod 1201 wieder auf und löste sich aus dem Interdikt. Damit war der
Weg für einen politischen Prozeß gegen König
Johann Ohneland geebnet, der die rechtliche Grundlage zu einer
weitgehenden Umgestaltung der westeuropäischen Kräfteverhältnisse
abgab. Als Oberlehsnherr zog Philipp II. Augustus
einen Prozeß der Familie LUSIGNAN
gegen Johann ans Pariser Hofgericht
mit mehreren "Pairs", das nach wiederholter Ladungsverweigerung Johanns
1202
ein Versäumnisurteil fällte und Johann
seiner französischen Lehen enthob. Im Bund mit Arthur
von Bretagne, der 1202 in Johanns
Gefangenschaft geriet und dort umkam, setzte Philipp
II. das Urteil militärisch durch und wies zusamemn mit
dem französischen Adel auf dem Hoftag in Mantes am 22. August 1203
einen kurialen Vermittlungsversuch mit dem selbstbewußten Hinweis
zurück, dem Papst stünde in Lehnsangelegenheiten kein Interventionsrecht
zu. 1203 wurden Anjou und Touraine erobert, und dem Fall der Grenzfeste
Chateau-Gaillard folgte im Somer 1204 die Besetzung der Normandie und
des Poitou. Im Waffenstillstand von Thouars mußte Johann
im
Oktober 1206 auf seinen gesamten Besitz nördlich der Loire verzichten,
eine gewaltige Stärkung der nun um die straff organisierte Normandie
erweiterte kapetingischen Krondomäne.
Im Wandel europäischer Machtverschiebungen schien dieser Erfolg noch
einmal bedroht. Nach der Ermordung des STAUFERS
PHILIPP VON SCHWABEN 1208 und der Durchsetzung des WELFEN
OTTO IV. mit englischer Unerstützung wurde das traditionelle
kapetingisch-staufische
Bündnis erst 1212 wieder mühsam mit FRIEDRICH
II.
errichtet. Philipp II. Augustus
hatte
OTTOS
Kaiserkrönung
1209 nicht verhindern können, und er mußte nach energischer
Intervention Innozenz' III. 1213 auch auf einen militärischen Angriff
auf England verzichten, nachdem sich Johann
der Kurie unterworfen hatte. So kam es im Sommer 1214 zu einem bedrohlichen
Zangenangriff OTTOS IV. und
Johanns auf die kapetingische
Domäne,
den Philipp II. im Bund mit seinem
Sohn Ludwig zurückweisen konnte.
Bei Bouvines (nahe Lille) errang der König am 27. Juli 1214 einen
glänzenden Sieg über das kaiserliche Heer und entschied damit
den staufisch-welfischen Thronstreit
im deutschen Reich zugunsten FRIEDRICHS II. Erneut
verzichtete Johann am 18. September
1214 im Vertrag von Chinon auf den Landbesitz nördlich der Loire.
Nun konnte eine hofnahe Geschichtsschreibung, die Philipp
II. Augustus in die strahlende Reihe der fränkisch-französischen
Könige einordnete und das Lob der Francia besang, den KAPETINGER
als Mehrer des Reiches ('augustus') und als 'rex fortunatissimus'
preisen,
der das Imperium besiegt und die anglonormannische Macht in NW-Frankreich
zerbrochen hatte.
Getragen wurde dieser Erfolg durch die konsequente Nutzung
des Lehnsrechts, das in der Betonung der 'us et coutumes de France'
regionale Lehnsbande zersetzte und in der Forderung ligischer Treue dem
Monarchen zu einer Ausnahmestellung verhalf. Hinzu trat eine effektive
Verwaltung, mehr und mehr in Paris fixiert, die auch ohne die konkret anwesende
Person des Königs funktionierte (geordnetes Finanzwesen auf Grund
intensivierter Abgabenerhebung, Hofgericht, Reichsarchiv, Registerwesen,
vermehrte Schriftlichkeit, unter anderem durch gesteigerte Urkundenexpedition).
Seinen Einfluß im Reich brachte das Königtum durch eine Schar
verläßlicher Amtsträger zur Geltung, die als Vertrter des
Königs lokale Instanzen kontrollierten (baillis im Norden, senechaux
im Süden).
Damit war der Boden für die Durchsetzung der Monarchie
im ganzen 'regnum Francorum' bereitet. Die Möglichkeiten zum Ausgriff
in den Süden im Gefolge der Albigenserkriege zeichneten sich trotz
Philipps
II. anfänglicher Zurückhaltung in den letzten Regierungsjahren
ab und wurden dann von Ludwig VIII.
und Ludwig IX. genutzt.
XIV. 104. PHILIPP AUGUSTUS,
König von Frankreich 1180
-------------------------------------------
* 1165 21. VIII., + 1223 14. VII.
Gemahlinnen:
-----------------
a) 1180 28. IV. Isabella, Tochter Balduins VIII. Graf
von Flandern (siehe XIV 512)
+ 1190 15. III.
b) 1193 15. VII. Ingeborg, Tochter Waldemars I. König
von Dänemark, verstoßen 1193 5. XI.,
+ 1236 29. VII.
wieder aufgenommen 1200
c) 1196 VI. Agnes, Tochter Bertholds III. Herzog von
Meranien (siehe XIV 816)
+ 1201 20. VII.
Pernoud Regine: Seite 11-29
**************
"Die Kapetinger" in: Die großen Dynastien
Philipp wurde am 1.
November 1179 zum Mitkönig eingesetzt. Besagter Philipp,
den sein Vater als "von Gott geschenkt" bezeichnet hatte, zählte erst
14 Jahre, doch war es in der Feudalzeit üblich, dass Knaben in diesem
Alter die Volljährigkeit erreichten. Philipp
II. August (1180-1223) war groß und stark, mit wirrem
roten Schopf (die Menschen seiner Umgebung nannten ihn den Ungekämmten)
und zeigte sich von frühester Kindheit an höchst unternehmungslustig.
Einmal, als er noch klein war, zeigte man ihm von ferne die schon von jeher
zwischen Frankreich und der Normandie umstrittene Festung Girors
in der ganzen Pracht ihrer neuen Mauern. "Wie schön wäre es",
rief er aus, "wenn diese Mauern aus Gold, Silber oder Edelsteinen wären!"
Und als man sich darüber wunderte, erklärte er: "Die Festung
wäre dann um so wertvoller, wenn ich sie erobere!"
Diese Worte weisen auf das Hauptanliegen seiner Regierung
hin: er wollte die Normandie erobern und notfalls versuchen, ähnlich
wie Wilhelm der Eroberer 100 Jahre
zuvor, in England zu landen; dies war die Quintessenz seiner Pläne.
Er verstand es, sich alle Umstände, die zu ihrer Realisierung beitragen
konnten, zunutze zu machen, denn mehr als seine Vorgänger verfügte
er auch über politischen Instinkt. Wo die anderen sich damit begnügt
hatten, zu verwalten, Ländereien zu vergrößern, Gebiete
zusammenzufügen oder vorteilhafte Verbindungen anzuknüpfen, hatte
er den Ehrgeiz, zu erobern, zu beherrschen.
Während der ersten Jahre seiner Regierung traf er
auf Partner, die seiner würdig waren. Heinrich
Plantagenet und später dessen Sohn Richard
Löwenherz waren als Freunde wie als Feinde gleichermaßen
gefährlich für ihn. Es fehlte nicht an Gelegenheiten, ihm dies
klar zu machen, und nachdem er sich mit dem einen wie dem anderen gemessen
hatte, zog er sich zurück. Gleichzeitig mit Richard
Löwenherz unternahm er einen Kreuzzug ins Heilige Land,
der ihm persönlich nicht mehr einbrachte als ein bösartiges Fieber.
Nach seiner Rückkehr glaubte er die Abwesenheit seines Gegners dazu
nutzen zu können, die Burgen der Normandie in seine Gewalt zu bringen.
Dies erwies sich als ein folgenschwerer Irrtum. Er hoffte, leicht ans Ziel
zu gelangen, wenn er sich mit Johann,
dem berühmten Johann ohne Land,
auf Kosten seines älteren Bruders ins Einvernehmen setzte, doch da
stellte sich ihm unversehens ein neuer Gegner in den Weg: die
Königin Eleonore. Ihr und nicht Johann
ohne Land hatte Richard
sein Königreich anvertraut. Zwar gelang es Philipp,
durch Bestechung ihres Kaplans Gilbert Vascoeuil die begehrte Festung
Gisors in seinen Besitz zu bringen. Er scheiterte jedoch vor Rouen,
wo die Königin eilends einen ihrem Sohn ergebenen Seneschall eingesetzt
hatte. Daraufhin mußte er um jeden Fußbreit Bodens kämpfen,
um nur einige wenige Güter im normannischen Vexin halten zu können.
Richard
Löwenherz nahm unmittelbar nach seiner Rückkehr den
Kampf auf und fügte dem französischen König bei Freteval
eine Niederlage zu, die weitreichende Folgen haben sollte, denn Philipp
mußte
seinen Staatsschatz, sein Archiv und selbst sein persönliches Siegel
auf dem Schlachtfeld zurücklassen (1194). Von nun an schien es Philipp
nicht mehr ratsam, sich auf gewagte Manöver einzulassen. Das Haus
PLANTAGENET blieb auf der ganzen Linie überlegen. Richard
brachte seinen jüngeren Bruder zur Vernunft; ein Enkel
Eleonores, OTTO VON BRAUNSCHWEIG,
stand vor der Wahl zum deutschen Kaiser, und zudem hatte die Königin
einen Jugendtraum verwirklicht, indem sie ihre Tochter Johanna,
Witwe des Königs von Sizilien, mit dem Grafen von Toulouse, Raimund
VII., verheiratete. So hatte sie auf Umwegen jene Grafschaft zurückerlangt,
auf die sie von jeher Anspruch zu haben glaubte.
Da trat durch ein unvorhergesehenes Ereignis eine Wende
ein. Am 6. April 1199 starb Richard Löwenherz
an einer Pfeilverletzung, die er sich in einer ganz nebensächlichen
militärischen Operation gegen den Herrn von Chalons zugezogen hatte.
Klarer als mancher andere wußte Philipp
sogleich die Möglichkeit abzuschätzen, die ihm dieser plötzliche
Tod eröffnete. Es gab aber jemanden, der ebenso wie er politschen
Instinkt besaß und diese Möglichkeit in ihrer ganzen Tragweite
erfaßte, und dies war einmal mehr Königin
Eleonore. Sie erkannte, dass mit ihrem Sohn Johann
das
Reich PLANTAGENET dem Untergang geweiht
war und beschloß, zu retten, was zu retten war. Noch im Alter von
80 Jahren vollbrachte sie Außergewöhnliches. Sie unternahm eine
Reise durch ihre persönlichen Domänen und verteilte allenthalben
Freibriefe, um dafür von ihren Bürgern Waffenhilfe zu erhalten.
Im Juli reiste sie zu König Philipp
persönlich, und brachte ihm ihre Huldigung dar, wie sie es ihm als
Vasallin schuldig war. Ein außerordentlich geschicktes Vorgehen,
denn mit dieser Geste nahm sie den König von vornherein jeden Vorwand,
sich aquitanischen Gebietes zu bemächtigen. Und mehr noch: Seit über
10 Jahren waren zwischen Frankreich und England Verhandlungen im Gange,
um durch eine Heirat den Frieden zwischen den beiden Königreichen
zu sichern. Eleonore nahm nun diese
Verhandlungen wieder auf, überquerte sogar persönlich die Pyrenäen
und führte dem französischen König die Gattin seiner Wahl
zu. Die Auserwählte war ihre Enkelin Blanka,
Tochter Eleonores von Kastilien, die
dritte Tochter, für die sie an Urracas
Stelle den Gatten wählte, und die zweite, deren Persönlichkeit
sie ohne Zweifel richtig einzuschätzen verstand. Am 23. Mai des Jahres
1200 wurde Blanka mit Ludwig
getraut. So hatte Eleonore, wenn schon
nicht einen ihrer Söhne, so doch einer Enkeltochter ihres Blutes die
französische Krone gesichert.
Letzten Endes war es weniger Richards
Tod als vielmehr der Eleonores, der
Philipp freie Hand gab. Die Pforten der Normandie öffneten
sich ihm dank der Lethargie des neuen englischen
Königs Johann ohne Land, der seine Macht immer zur Unzeit
demonstrierte, so als seine Barone sich gegen ihn erhoben oder als er mit
eigener Hand seinen Neffen Arthur von Bretagne
tötete.
Die Eroberung der Normandie indessen war für
Philipp
nur ein erster Schritt. Er gedachte sich ganz Englands zu bemächtigen
und hätte in seinem Ungestüm fast seinen Sieg aufs Spiel gesetzt,
denn er sah sich nun mit einer schon früher gegen ihn geschlossenen
Koalition konfrontiert, mit der er nicht nur Johann
ohne Land zum Gegner hatte, sondern auch Kaiser
OTTO VON BRAUNSCHWEIG und den Grafen von Flandern. So wurde
die Krondomäne von allen Seiten angegriffen (denn Guyenne war dem
Haus
PLANTAGENET verblieben). Nach der Niederlage Johanns
ohne Land bei La Roche-aux-Moines durch Prinz
Ludwig (2. Juli), bedurfte es schon des Sieges bei Bouvines
(27. Juli 1214), um den Würgegriff zu lösen und die Invasion
aufzuhalten. Zwei Jahre später wurde die erträumte Landung in
England Wirklichkeit, und
Ludwig, der
Thronerbe Frankreichs, ließ sich unter Berufung auf die Rechte seiner
Gattin Blanka in London nieder, wo
die Bevölkerung ihm einen triumphalen Empfang bereitete.
Da trat eine überraschende Wendung ein, als Johann
ohne Land, nachdem er sich im ganzen Königreich unbeliebt
gemacht hatte, am 19. Oktober 1216 starb. Man hätte davon ausgehen
können, dass die englische Krone dem Erben Frankreichs sicher sei,
doch das hieße nach unseren Maßstäben urteilen. Die englischen
Barone hatten Johann gehaßt und
Ludwig
deshalb freundlich aufgenommen. Nun aber, da Johann
ohne Land gestorben war, erinnerten sie sich der legitimen Ansprüche
seines Sohnes, des 9-jährigen
Heinrich III.,
gegen den sie keinerlei Beschwerde vorbringen konnten. Die öffentliche
Meinung ergriff für ihn Partei und als Ludwig
bei
der Belagerung der Burg Lincoln (14. Mai 1217) geschlagen wurde,
begriff er, dass ihm nichts übrig blieb als sich wenige Monate später
zurückzukehren. König Philipp
starb im Jahre 1223, ohne seine ehrgeizigen Pläne in vollem
Umfang verwirklicht zu haben. Dennoch hinterließ er seinem Erben
ein erheblich erweitertes Kronland, das nun nicht nur die Normandie umfaßte,
sondern auch einen Großteil der Gebiete im Westen, den Maine, Anjou,
die Tourraine und Poitou.
Einige Zeit nach Isabellas Tod
heiratete Philipp die dänische
Prinzessin Ingeborg, gegen die er vom ersten Augenblick an einen
gewissen physischen Widerwillen empfand, was um so unerklärlicher
erscheint, als sie im Urteil ihrer Zeitgenossen als schön und anmutig
galt. Die Verbindung mit ihr stürzte Philipp
in mancherlei Schwierigkeit, denn er wurde, als er sie verstieß,
exkommuniziert; dies besonders auch deshalb, weil er unmittelbar danach
Agnes
von Meran heiratete. Er hatte von ihr eine Tochter und einen
Sohn, der wie er Philipp hieß
und ihm auch äußerlich glich.
Ehlers Joachim: Seite 141
*************
"Die Kapetinger"
Am 27. Dezember 1191 zog Philipp
II. wieder in Paris ein. Seit Akkon war der jetzt Sechsundzwanzigjährige
physisch geschwächt und sollte bis an sein Lebensende an einer chronischen
Krankheit leiden, die von englischen Historiographen arnoldia genannt
wurde und sich durch regelmäßige Fieberanfälle mit Schüttelfrost
bemerkbar machte, durch Hautabschilferung, Verlust von Nägeln und
Haar, nervösen Störungen.
Verwandtschaft mit Agnes von Meran
Engelbert I. von Spanheim
-----------------------------------------------------------------
Engelbert II. Markgraf von Istrien
Richardis von Spanheim
-13.4.1141
- 1112
2. oo Poppo II. Markgraf von Istrien
1065- 1098/1103
---
---
Mathilde von Istrien
Sophie von Istrien
-13.12.1160/61
1088-6.9.1132
oo Theobald
IV. von Blois-Champagne
oo Berthold IV. Graf von Andechs
-8./10.1.1152
-27.6.1151
----
----
Adele
von Blois-Champagne
Berthold V. Graf von Andechs
um 1145-4.6.1206
1110/15-14.12.1188
oo 3. Ludwig VII.
König von Frankreich
1120-19.9.1180
---
---
Philipp
II. Augustus
Berthold VI. Graf von Andechs
21.8.1165-14.7.1223
1138-12.8.1204
---
3. oo --------------------------------------------------- Agnes
von Meran
um 1175-20.7.1201
Erbin von Artois und Vermandois
15.8.1193
2. oo Ingeborg von Dänemark, Tochter des
Königs Waldemar I.
x 1176-29.7.1236
7.5.1196
3. oo Agnes von Meran, Tochter des Herzogs Berthold
VI.
- 1200 um 1175-20.7.1201
Kinder:
1. Ehe
Ludwig VIII. König von Frankreich
3.9.1187-8.11.1226
Zwillinge
14.3.1190-18.3.1190
3. Ehe
Philipp Hurepel Graf von Boulogne
1200-18./19.7.1234
Maria
1198-15.8.1223
1210
1. oo Philipp I.Graf von Namur
3.1174-8.10.1212
22.8.1213
2. oo Heinrich I. Herzog von Brabant
1165-5.9.1235
Illegitim
Philipp-Charlot Bischof von Nyon (1241-1249)
-
1249
vor Damiette
Literatur:
-----------
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909-910,916-917,951-952, 954 - Schneidmüller Bernd: Die Welfen.
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des Mittelalters in Lebensbildern. Verlag Styria Graz Wien Köln 1997
Seite 223,227-234,240,257 - Schnith Karl Rudolf: Mittelalterliche
Herrscher in Lebensbildern. Von den Karolingern zu den Staufern. Verlag
Styria Graz Wien Köln 1990 Seite 293,303,305,315,317,331 - Stürner,
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277,278,280,284,287,289,290,291, 295,296, 298,302,338,359,360,380, 381,424,428,478,479,500
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bis Marie Antoinette (8.-18. Jahrhundert) Verlag Friedrich Pustet Regensburg
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Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1993 Seite 104 - Vones-Liebenstein
Ursula: Eleonore von Aquitanien Herrscherin zwischen zwei Reichen. Muster-Schmidt
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Ernst W.: Friedrich II. von Hohenstaufen. Messias oder Antichrist, Bechtle
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1. Buch Verlag von Duncker & Humblot Leipzig 1873, Seite 2,48,49,51,77,81,
154-161,163,212,214,217,260,276-281,335,346,404-406, 438-442,525,529-533
- Winkelmann, Eduard: Jahrbücher der Deutschen Geschichte,
Philipp von Schwaben und Otto IV. von Braunschweig 2. Buch Verlag von Duncker
& Humblot Leipzig 1873,Seite 29,59,117-119,144,153-155,157,194,207,
208,249,251-255,257,269,270,276,278,295,320,331,332,336,350,378,381,424,454-456,471,472,490,
495,500,507-509 - Winkelmann Eduard: Kaiser Friedrich II. 1. Band,
Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1963, Seite 135,216,217,245,314,395,402,407,418,447,500
-
Joachim Ehlers
PHILIPP II., König von Frankreich 1180-1223
----------------
* 21.8.1165, + 14.7.1223
Mantes
Begraben: Kloster St-Denis bei Paris
Vater:
--------
Ludwig VII., König von Frankreich
Mutter:
---------
Adele von Champagne (+ 4.6.1206)
Schwestern:
---------------
Marie (+ 1198), verheiratet mit Heinrich I., Graf von
Blois-Champagne
Alix (+ nach 1195), verheiratet mit Tedbald V., Graf
von Blois-Chartres
Agnes (+ 1240), verheiratet mit (1) Alexios Komnenos,
Kaiser von Byzanz, (2) Andronikos I. Komnenos, Kaiser von Byzanz
1185 Vertrag von Boves mit Flandern und Champagne
1187 Treffen Philipps II. mit Kaiser FRIEDRICH I. in
Ivois
1188 Richard Löwenherz huldigt Philipp II. für
den angevinischen Festlandsbesitz
1187/89-1192 Dritter Kreuzzug
1191 Landung Philipps II. und Richards I. vor Akkon [Persönlicher
Einwurf: Akkon fiel schon am 12. Juli 1190]
1194-1199 Krieg gegen Richard I. Löwenherz von England
1200 Päpstliches Interdikt über Frankreich
1202 Prozeß gegen Johann Ohneland
1204 Eroberung der Normandie und des Poitou
1208 Aufruf zum Kreuzzug gegen die "Albigenser"
13.9.1213 Schlacht bei Muret
27.7.1314 Schlacht bei Bouvines, Vertrag von Chinon mit
Johann Ohneland
1218 Simon von Montfort vor Toulouse gefallen
1. oo 28.4.1180
ELISABETH VON HENNEGAU
* 4.1170, + 15.3.1190
Tochter des Grafen Balduin V. von Hennegau
2. oo 15.8.1193
INGEBORG VON DÄNEMARK
* 1176-29.7.1236
Tochter König Waldemars I. von Dänemark
3. oo 7.5.1196
AGNES VON MERAN
* um 1175-20.7.1201
Tochter Herzog Bertholds von Andechs-Meran
Kinder:
---------
1. Ehe
Ludwig VIII., König von Frankreich (* 3.9.1187, + 8.11.1226)
3. Ehe
Philipp Hurepel, Graf von Clermont und von Boulogne (*
1200, + 18./19.7.1234)
Marie (* 1198, + 15.8.1223), verheiratet mit Heinrich
I., Herzog von Brabant
Der Thronfolger war dem Vater spät geboren worden.
Nach 28 Ehejahren Ludwigs VII. hatte
seine 3. Gemahlin, Adela von Champagne,
am 21. August 1165 den heißersehnten Sohn zur Welt gebracht, den
man infolgedessen Dieudonne rief, die Gottesgabe. Seinen
Namen Philipp erhielt er zur Erinnerung
an den Urgroßvater. Endlich schien die Fortsetzung der Dynastie sicher.
Gegen Ende seines Lebens stand der durch Krankheit nahezu
regierungsunfähig gewordene Ludwigs VII.
weitgehend
unter dem Einfluß der Königin und ihrer Brüder, des Erzbischofs
Wilhelm von Reims und der Grafen Heinrich von Champagne, Tedbald von Blois-Chartres
und Stephan von Sancerre. Mit ihnen gemeinsam dachte Adela
eine
faktische Regentschaft des Königreichs Frankreich durch das Haus
CHAMPAGNE auch für ihren Sohn zu führen, und aus Furcht vor
den Rivalitäten in der eigenen Familie zögerte
Ludwig
lange,
Philipp
nach
alter Gewohnheit zum Mit-König zu erheben. Erst 1179 rief er
einen Hoftag nach Paris und ließ seiner Erklärung akklamieren,
dass er mit Zustimmung der Versammlung den Sohn krönen lassen wolle.
Von einer Königswahl konnte nicht mehr gesprochen werden, und am Allerheiligentag
des gleichen Jahres weihte Erzbischof Wilhelm seinen Neffen in der Kathedrale
Notre-Dame in Reims zum König von Frankreich.
Sogleich bewies der 14-jährige ein erhebliches Maß
an innerer Freiheit. Er löste sich vom Einfluß seiner Mutter
und des Hauses CHAMPAGNE, inden er sich dem Grafen Philipp von Flandern
zuwandte, einem alten Verbündeten Ludwigs
VII. mit großem Einfluß auf die Hofparteien. Der
kinderlose Graf bekräftigte die Verbindung, indem er Philipp
II. seine Nichte Elisabeth von Hennegau
zur Frau gab und sie mit einer Mitgift im Raum Arras/St-Omer/Aire/Hasdin
versah.
Dieser Affront veranlaßte Adela von Champagne
zur Flucht in die Normandie, wo sie die Unterstützung
König
Heinrichs II. von England suchte, der aber im Interesse Heinrichs
des Löwen, seines als Herzog von Sachsen und Bayern gestürzten
Schwiegersohns, ein umfassendes Bündnis gegen Kaiser
FRIEDRICH I. betrieb. Deshalb verschob er die Auseinandersetzung
mit dem kapetingischen
Königtum
und schloß am 28. Juni 1180 in Gisors mit
Philipp
II. einen Friedens- und Beistandsvertrag.
Wenige Monate später, am 19. September 1180, starb
Ludwig
VII. und hinterließ seinem Sohn eine kleine, im Westen
und Süden vom Festlandsbesitz der PLANTAGENET,
im Norden von den Fürstentümern Champagne und Flandern bedrängte,
aber administrativ gut erfaßte Krondomäne. Die Häuser FLANDERN
und CHAMPAGNE waren durch den Vertrag von Gisors zu der Einsicht
gekommen, dass der König fortan selbständig zu regieren gedachte
und verbündeten sich gegen ihn, aber nach einer Phase wenig koordinierter
Kampfhandlungen ließ Heinrich II.
erkennen, dass er Philipp gegen ernsthafte
Gefährdung durch die Koalition in Schutz nehmen würde. Dennoch
dauerte es lange, bis das feindliche Bündnis zerbrach: Zuerst schieden
Tedbald von Blois und der Erzbischof von Reims aus, aber es bedurfte noch
jahrelanger, intensiver Mühen besonders der Königin
Elisabeth, ehe im Juli 1185 der Friede auch mit Flandern erreicht
war: Das Abkommen von Boves bei Amiens bestätigte nicht nur Philipps
Anwartschaft auf das Artois, sondern sprach ihm auch die Stadt Amiens nebst
65 Burgen im Vermandois zu, so dass er gestärkt aus der ersten, kritischen
Phase seiner Regierung hervorging.
Als langfristig vorteilhaft für den französischen
König erwies sich die offene Rivalität in der Familie Heinrichs
II. von England, dessen Söhne als Feinde des Vaters und
auch gegeneinander auszuspielem waren. 1187 eröffnete
Philipp II. dem englischen Thronfolger
Richard Löwenherz seine Absprache mit Heinrich
II., wonach
Philipps Halb-Schwester
Alix
Richards Bruder Johann heiraten
und dem Paar der gesamte angevinische
Festlandsbesitz außer der Normandie als Mitgift übergeben werden
sollte. Damit hätte
Richard einen
erheblichen Teil seines kontinentalen Erbes verloren. Da Alix
aus der Ehe Ludwigs VII. mit
Eleonore von Aquitanien stammte, der späteren Gemahlin
Heinrichs
II. und Mutter beider englischer Königssöhne, vermutete
Richard
ein weitgreifendes Komplott und verbündete sich mit
Philipp II. Gleichzeitig gab es diplomatische Kontakte des französischen
Königs zum Kaiser, um die seit 1180 wieder offene Feindschaft zwischen
dem staufischen Haus und den WELFEN
samt
ihrem englischen Verbündeten zu nutzen. Anläßlich eines
Treffens mit FRIEDRICH I. bei Ivois
und Mouzon an der Maas erreichte Philipp
ein Bündnis, das für Jahrzehnte eine Konstante der europäischen
Politik bleiben sollte.
Dass es dennoch nicht zu einer für
Philipp unvorteilhaft klaren Lage der Allianzen - hier STAUFER
und KAPETINGER, dort WELFEN
und PLANTAGENET - kam, war vornehmlich
seiner Annäherung an Richard Löwenherz
zu danken. Damit gelang es, die Uneinigkeit desangevinischen
Königshauses zu erhalten und gelegentlich auf so spektakuläre
Höhe zu treiben wie im November 1188 beim Treffen von Bonmoulins.
Dort huldigte Richard in Gegenwart
seines überraschten Vaters Philipp II.
für die Normandie, das Poitou, Anjou, Maine, Berry und Toulousain,
erkannte ihn damit als seinen persönlichen Oberherrn an und führte,
zumindest lehnrechtlich, eine Teilung des angevinischen
Reiches zwischen England und dem Kontinent herbei. Als
Philipp die Gelegenheit nutzte und Teile der Tourraine eroberte,
konnte er den schon schwerkranken Heinrich II.
am 4. Juli 1189 zum Vertrag von Azay-le-Rideau zwingen, in dem auch der
regierende englische König die traditionelle Lehnsoberhoheit des Königs
von Frankreich über den Festlandsbesitz anerkannte. Zwei Tage später
starb Heinrich II. und wurde im Kloster
Fontevraud beigesetzt, das die ANJOU-PLANTAGENET
seit seiner Gründung durch Robert von Arbrissel zu Anfang des Jahrhunderts
stets gefördert hatten.
Die Konferenz von Azay-le-Rideau gehört schon in
die Vorbereitungsphase des Kreuzzuges, den beide Könige dort gelobt
hatten. Papst und westliche Christenheit waren tief beunruhigt, seit ein
vom König von Jerusalem, Guido von Lusignan,
geführtes Heer am 4. Juli 1187 bei Hattin in Galiläa durch
Saladin eine vernichtende Niederlage erlitten hatte, die den
Verlust Jerusalems und das Ende der ersten Kreuzfahrerherrschaft im Heiligen
Land eingeleitet hatte. Die Verpflichtung der Könige war angesichts
der Popularität des geplanten Unternehmens offensichtlich, andererseits
galt es, die notwendigen politischen Voraussetzungen dafür zu schaffen.
Nach dem Tod Heinrichs II. mußte
Philipp Vereibarungen mit Richard Löwenherz
treffen,
den er als König von England, Herzog der Normandie und Aquitaniens
anerkannte; außerdem aber war die Regentschaft in Frankreich zu regeln
nebst einer Verwaltungsordnung für die Zeit der Abwesennheit. Im übrigen
durften die beiden Könige nur gemeinsam gehen, damit dem Zurückbleibenden
keine Vorteile entstanden. Unter solchen Voraussetzungen kann es nicht
überraschen, dass erst der 4. Juli 1190 den Aufbruch
Phiipps II. aus Vezelay in Burgund sah, begleitet von Richard
Löwenherz, der am 3. September 1189 in London zum König
von England gekrönt worden war und seitdem gleichberechtigt auftreten
konnte. Philipp II. und Richard
I. durften den Kreuzzug als ihre Sache ansehen, weil Kaiser
FRIEDRICH I. am 10. Juni 1190 als Führer des römisch-deutschen
Heeres in Kleinasien tödlich verunglückt war.
Für die Regentschaft hatte
Philipp umsichtige Verfügungen getroffen. Seine Mutter
Adela
und ihr Bruder, Erzbischof Wilhelm von Reims, saßen einem Rat vor,
der aus Großen der königlichen Kurie bestand, aber nicht unmittelbar
über den Kronschatz verfügen durfte. Dieser war vielmehr den
Templern zur Verwaltung anvertraut, und dreimal jährlich sollten Boten
den König über den Stand des Reiches und seiner Finanzen unterrichten.
Wie sehr Philipp daran gelegen war,
die Zügel wieder selbst zu führen, zeigte er im Juli 1191 nach
dem Fall Akkons, indem er den Kreuzzug nun für erfolgreich erklärte
und gegen alle kritischen Einwände sofort abreiste. Im Dezember schon
war er wieder in Paris. Er wäre allein damit Richard
Löwenherz zuvorgekommen, aber der Vorteil vergrößerte
sich noch. Der englische König war bis in den Oktober 1192 im Heiligen
Land geblieben und anschließend durch Schiffbruch gezwungen worden,
einen Teil des Rückweges über Land durch römisch-deutsches
Reichsgebiet zu nehmen. Das war nicht ungefährlich, weil Richard
den BABENBERGER Herzog von Österreich vor Akkon schwer beleidigt hatte
und nun mit Recht Vergeltung fürchtete. Er reiste deshalb inkognito,
wurde aber von Ministerialen des Herzogs erkannt. Dieser hielt ihn fest
und lieferte ihn schließlich an Kaiser HEINRICH
VI. aus. Als wertvolles politisches Faustpfand blieb der englische
König bis 1194 in Gefangenschaft, denn auf seinem Weg nach Frankreich
hatte Philipp II. den Kaiser in Mailand
getroffen und das staufisch-kapetingische
Bündnis erneuert.
Während dieser Zeit führte der französische
König intensive Verhandlungen mit Richards
Bruder. Johann war bald bereit, Philipp
II. zu huldigen und das normannische Gebiet rechts der Seine
als Bestandteil der königlichen Domäne anzuerkennen, also faktisch
abzutreten, aber seine Mutter Eleonore
kämpfte gemeinsam mit den Erzbischöfen von Canterbury und Rouen
für die ungeschmälerten Rechte Richards
und
der englischen Krone. So führten Philipps
Initiativen kaum zu positiven Resultaten und belasteten außerdem
seine Beziehungen zu HEINRICH VI.,
weil ein
kapetingisch-angevinischer Ausgleich
die staufische Allianz mit dem französischen König entwerten
mußte. Wenn der Kaiser Richard im Februar 1194 freiließ, war
das eine erste Reaktion auf die angebahnte neue Konstellation.
Als im Mai der erwartete Krieg zwischen Philipp und Richard
Löwenherz ausbrach, hatte das Ereignis kaum Folgen für die Haltung
HEINRICHS
VI. In militärgeschichtlicher Hinsicht aber ist bemerkenswert,
dass nun auf beiden Seiten erstmals und in der Folge regelmäßig
in nennenswertem Umfang Soldtruppen eingesetzt wurden, eine höchst
wirksame, aber exzeptionelle teuere Formation, die ihre jeweiligen Herren
dem Zwang aussetzte, laufend die nötigen Mittel bereitzustellen, um
die anspruchsvolle Truppe regelmäßig zu befriedigen. Wenn die
Grandes Chroniques de France melden, dass Philipp
der Kriegskasse höchste Priorität zubilligte, so zeigt das einerseits
den Wandel der Wehrverfassung, der seine Auswirkungen auf die staatliche
Verwaltungsstruktur hatte, zum anderen weist es auf die mittlerweile erreichte
Bedeutung der Geldwirtschaft hin, die solche Veränderungen erst erlaubte.
Auch auf englischer Seite wurden erhebliche Ressourcen
eingesetzt. So baute Richard oberhalb
des Seinebogens bei Les Andelys das Chateau Gaillard, eine der modernsten
europäischen Wehranlagen des Jahrhunderts, errichtet mit großem
materiellen Aufwand als Teil eines umfangreichen Befestigungssystems zum
Schutz der Normandie. Es ergab sich eine erbitterte Auseinandersetzung,
bei der beiden Seiten die Bedeutung von Sieg oder Niederlage immer klarer
geworden sein dürfte. In schwieriger Lage mußte
Philipp II. im Januar 1199 Friedensverhandlungen beginnen und
am Ende schwere Verluste hinnehmen: Nicht nur waren alle seine mittlerweile
besetzten Positionen in der Normandie und im Vexin wieder zu räumen,
es wurden auch langfristige Zugeständniss erwartet, indem der französische
Thronfolger Ludwig die Tochter König
Alfons' VIII. von Kastilien heiraten sollte, des Schwagers und
damals engen Verbündeten des englischen Königs. Das war als Friedens-
und Bündnissicherung im Sinne der PLANTAGENET
nicht abwegig gedacht, denn niemand konnte voraussehen, dass
"Blanche de Castille" als früh verwitwete Königin
von Frankreich gegen eine starke Opposition französischer Großer
energisch, klug und erfolgreich zugunsten der Rechte ihres Sohnes, des
späteren Königs Ludwig IX.,
einzutreten und den Erwerb des Languedoc für die Krone einleiten würde.
Auch ein weiteres damals vereinbartes Ansinnen betraf
Grundlagen der bisherigen kapetingischen
Außenpolitk: Philipp sollte die
angestrebte Kaiserkrönung des WELFEN OTTO
IV. unterstützen und damit gegen die verbündeten Staufer
in den seit der Doppelwahl von 1198 tobenden deutschen Thronstreit eingreifen.
Nur ein Zufall enthob den französischen König seiner Last: der
überraschende Tod Richards Löwenherz,
der im März 1199 vor der Burg Chalus, die er gegen den Vizegrafen
von Limoges belagerte, verwundet wurde und an den Folgen starb. Da Richard
keine Nachkommen hatte, lag der nächste Anspruch auf die Krone bei
seinem Bruder Johann, aber auch
Arthur von Bretagne bewarb sich, indem er Rechte als Sohn Gottfrieds
geltend
machte, des 1186 verstorbenen nächstjüngeren Bruders
Richards. Das alte Leitmotiv des Hauses
PLANTAGENET erklang aufs neue.
Sogleich bemühte sich Philipp
um
das Vertrauen Arthurs, holte ihn an
seinen Hof und erreichte sogar eine förmliche Huldigung, die freilich
erst dann voll wirksam geworden wäre, wenn Arthurs
Ansprüche über die Bretagne hinaus weithin, vor allem in England,
anerkannt worden wären. Dieser Erfolg aber blieb aus, denn England
und die Normandie wandten sich Johann zu, der am 27. Mai in London gekrönt
wurde. Dennoch ließ Philipp seinen
Verbündeten nicht fallen und suchte durch Angriffe in der Normandie
und in der Grafschaft Maine die nicht unumstrittene Herrschaft König
Johanns zu belasten, als eine päpstliche Intervention ihn
zwang, am 22. Mai einen Waffenstillstand zu vereinbaren.
Ansatzpunkt für Innocenz III. waren die Eheverhältnisse
des Königs von Frankreich, dessen Handlungsweise dem Kirchenrecht
hohnsprach und seit Jahren Aufsehen erregt hatte. 1193 war es
Philipp gelungen, König Knut VI.
von Dänemark für ein Bündnis gegen das
angevinische Reich zu gewinnen; Kräfte, die von der dänischen
Seemacht in der Auseinandersetzung mit der insularen Basis des Gegners
zu entfalten waren, mußten für den französischen König
Grund genug sein, sich ihrer mit allen Mitteln zu versichern. Deshalb sollte
Knuts
Schwester
Ingeborg
zur Befestigung des Bundes
Philipps
Gemahlin werden, und am 15. August 1193 fand in der Kathedrale von Amiens
die Trauung statt. Von Anfang an aber war diese Ehe durch eine unverhohlen
zur Schau gestellte Abneigung des Königs gegen seine Frau belastet,
die ihrerseits jeden Gedanken an Scheidung von sich wies und auf den Rechten
einer Königin von Frankreich bestand. Als Philipp
sie dennoch vom Hof entfernen ließ, appellierte
Ingeborg
an den den Papst. Der König hingegen heiratete
trotz erdrückender Rechtsbedenken Coelstins III. und der Öffentlichkeit
wegen seiner nach wie vor bestehenden Ehe im Juni 1196 Agnes
von Meran.
Nach dem Tode des Papstes aber handelte sein Nachfolger
Innozenz III. sofort. Anders als sein Vorgänger setzte er schon im
Januar 1198, nur wenige Tage nach seiner Wahl, das schärfste kirchliche
Rechtsmittel gegen Philipp II. ein
und verkündete das Interdikt über die gesamte französische
Monarchie, verbot also die Spendung der Sakramente, alle gottesdienstlichen
Handlungen und das krichliche Begräbnis so lange, wie der König
sich unkanonisch verhalten würde. Gestützt auf Teile seines Episkopats
widersetzte sich Philipp zunächst,
mußte im September 1198 aber einlenken und versprach, seinen Fall
einem Konzil vorzulegen, dessen Entscheidung er in jedem Falle anerkennen
würde. Als die Versammlung endlich, im Mai 1201, in Soissons zusammentrat,
stellte sich bald heraus, dass es kaum positive Stimmen für
Philipp geben würde; der König holte deshalb, um einer
förmlichen Verurteilung zuvorzukommen, Ingeborgan
den Hof zurück, und als Agnes von Meran
wenige Wochen später starb, waren die Rechtsgründe für eine
künftige päpstliche Pression entfallen.
Der mit Johann bereits
am 22. Mai 1200 in Le Goulet nahe Evreux geschlossene Friede hatte Philipp
II. wichtige Zugeständnisse gebracht, darunter die förmliche
Huldigung des englischen Königs für den Festlandsbesitz des Hauses
PLANTAGENET. Philipp trat
damit in die ihm von Rechts wegen zustehende Rolle des Oberlehnsherrn ein
und er nutzte sie auf völlig neue Weise, sobald die Lösung seiner
Ehefrage im Umfeld des Konzils von Tours ihm dazu freie Hand gab.
Im Sommer 1200 hatte Johann
Isabella von Angouleme geheiratet und damit einen heftigen Streit
ausgelöst, denn die Erbin der Grafschaft war Hugo von Lusignan versprochen,
Repräsentant der vornehmsten Familie des Poitou und Vasall Johanns.
Die LUSIGNAN klagten wegen Entführung der Braut und schöpften
den Rechtsgang aus, indem sie sich an den von Johann
soeben anerkannten Oberlehnsherrn wandten. Philipp
II. wurde Herr des Verfahrens und zog den Prozeß an sein
Hofgericht, das alsbald ein Versäumnisurteil erließ, weil der
englische König selbstverständlich alle Ladungen nach Paris ignoriert
hatte. Das Urteil erkannte Johann seine
französischen Lehen insgesamt ab und war als juristischer Endpunkt
eines politischen Prozesses dem Verfahren ähnlich, das Kaiser
FRIEDRICH I. gegen Heinrich den Löwen geführt und
1179/80 mit dessen Sturz als Herzog von Sachsen und Bayern beendet hatte.
Sofort nach dem Urteilsspruch huldigte Arthur
Philipp für die Bretagne, Anjou, Maine und trat die Normandie
faktisch ab, indem er sie als Bestandteil der französischen Krondomäne
anerkannte.
Damit wurde der folgende Angriff Philipps
II. zur Exekution eines ordentlichen Gerichtsurteils gegen einen
rechtskräftig verurteilten Vasallen und formal vom Odium des Eroberungskrieges
befreit. Auf dem Hoftag von Mantes wies der König am 22. August 1203
einen päpstlichen Vermittlungsversuch mit dem bisher unerhörten
Argument zurück, dass der Papst in Lehnssachen keinerlei Kompetenz
und Zuständigkeit habe. Der im Juni 1202 eröffnete Krieg ging
weiter, obwohl Arthur im Poitou gefangengenommen
und in Rouen eingekerkert wurde. Philipp eroberte
das Anjou und die Touraine, bevor er sich gegen die Normandie wandte; im
April 1203 fiel Chateau Gaillard nach achtmonatiger Belagerung und
mit ihm die Normandie. Rouen kapitulierte am 24. Juni; bereits im April
war Arthur dort gestorben, wahrscheinlich
als Opfer eines von Johann befohlenen
Mordes. Das nach Süden gewandte Heer des Königs nahm am 10. August
Poitiers. Am 13. Oktober 1206 verzichtete Johann
im
Waffenstillstand von Thouars auf allen Besitz nördlich der Loire.
Der politische und militärische Erfolg Philipps
war
beachtlich, aber schon mittelfristig ungesichert. Das zeigte sich, als
König
PHILIPP VON SCHWABEN am 21. Juni 1208 in Bamberg ermordet und
das staufisch-kapetingische Bündnis
damit gegenstandslos wurde. Als neues Gewicht gegen die Verbindung
Johanns mit OTTO IV. hätte
Philipp
gern Herzog Heinrich von Brabant als Nachfolger des STAUFERS
gesehen, aber nicht nur dessen Anhang erkannte OTTO
IV. an, sondern auch Papst Innozenz III. auf der Suche nach
Kompensation der
staufischen Macht
in Sizilien. Erst 1212 bot der Aufstieg FRIEDRICHS
II. dem französischen König neue Möglichkeiten,
die seine Gegner aber militärisch zerschlagen wollten.
OTTO IV., Sohn Heinrichs
des Löwen und seit 1209 Kaiser des Römischen Reiches, war als
7-jähriges Kind 1182 mit dem Vater ins englische Exil gegangen, hatte
sich eng an Richard Löwenherz
angeschlossen und war von ihm zum Grafen von Poitou gemacht worden. Als
er gegen die Erwartungen des Papstes auf die Linie der staufischen
Italienpolitik einschwenkte, begann Innozenz III. FRIEDRICH
zu
fördern, so dass sich die alte europäische Bündniskonstellation
wieder anbahnte. Sie wurde schließlich Realität, als der französische
Thronfolger Ludwig sich am 19. November 1211 mit dem
STAUFER traf. Fortan waren die Anhänger OTTOS
IV. Verbündete Johanns,
während Philipp II. auf die staufische
Partei rechnen konnte. Eine Entscheidung des welfisch-staufischen
Thronstreits
war damit fest an die Entscheidung zwischen Johann
und
Philipp,
England und Frankreich, gebunden.
Schon im April 1213 bereitete
Philipp eine Invasion Englands vor, scheiterte mit seinen Plänen
freilich am Widerspruch des Papstes. Ein gutes Jahr später sammelte
sich die Allianz der Gegner zu einem großangelegten Angriff, dessen
Ziele der bretonische Kapellan Philipps,
Wilhelm, überliefert hat. Demnach ging es um nichts Geringeres als
um die Vernichtung des kapetingischen
Königtums und seines Reiches; Philipp
sollte beseitigt und die Krondomäne zwischen den Alliierten aufgeteilt
werden. Um das zu erreichen, führte der Bruder Johanns,
Wilhelm
von Salisbury, ein starkes Heer ins Feld, während OTTO
IV. nur wenige westfälische und niederrheinische Kontingente
beibrachte und auf die bewährten Aufgebote der geistlichen Herren
ganz verzichten mußte, weil Innozenz III. dem Klerus zur Loyalität
gegenüber
FRIEDRICH II. verpflichtet
hatte. Am 27. Juli 1214 trafen die Armeen bei Bouvines in der Nähe
von Lille aufeinander, und in einer der denkwürdigsten Schlachten
des Mittelalters befreite sich Philipp
durch einen glanzenden Sieg nicht nur von der angevinischen Last,
sondern entschied auch den deutschen Thronstreit. Der König von Frankreich
sandte den erbeuteten Reichsadler an seinen Bundesgenosen
FRIEDRICH II., nachdem er dem Wappentier die Schwingen hatte
brechen lassen. Im Vertrag von Chinon verzichtete Johann
nochmals ausdrücklich auf allen Besitz nördlich der Loire. Das
angevinische Reich existierte nicht mehr.
Der Erfolg war dauerhaft und er konnte es vor allem deshalb
sein, weil militärische Überlegenheit auf zähe Konsolidierungsarbeit
mehrerer Herrschergenerationen bauen konnte. Eine in personalen Beziehungen
und unmittelbarer persönlicher Erfahrung lebende Gesellschaft hatte
ein ihr angemessenes Rechtsbewußtsein entwickelt, dem täglich
praktizierte Gewohnheit die Norm verbindlicher vorgab als ein Gesetz. Wer
die Norm ändern wollte, mußte bei der Gewohnheit beginnen.
Philipp II. ließ
die auf Lehnsrecht basierenden Urteile seines Hofgerichts aufzeichnen und
als us et coutume de France definieren; mit dem königlichen Sanktionsbereich
dehnte sich auch diese coutume aus, zersetzte durch tägliche Praxis
regionale Eigentümlichkeiten und minderte die Stellung des Adels,
dessen autogene Rechte anhaltend bestritten wurden, damit "Adel" nur noch
im Bezug auf den König sinnvoll blieb. Längst war das Lehnsrecht
dadurch instrumentalisiert, dass dem Vasallen zwar das Abschließen
mehrerer Lehnsverträge möglich blieb, einer der Herren aber das
homagium ligium beanspruchen durfte, den alleinigen Anspruch auf Heeresfolge.
Dieser eine Herr wurde der König, der zudem die Praxis des Geldlehens
ausbaute, weil er dabei auf die Übertragung eines Dienstgutes verzichten
konnte.
Zentrale Bedeutung für Verwaltung und Mehrung dieser
Rechte hatte das Hofgericht, weil dessen Urteile die Grundlage für
Regierungshandlungen selbst dann bilden konnten, wenn sie so entscheidend
in die große Politik eingriffen wie im Prozeß gegen König
Johann. Im übrigen bemühte sich der König auch
dort präsent zu zeigen, wo er nicht persönlich erscheinen konnte,
indem er Baillis im Norden und Senechaux südlich der Loire einsetzte,
die als seine Vertreter die öffentlichen Rechte in festen Amtsbezirken
so effektiv handhabten, dass er im ganzen Reich ohne Delegation an eingesessene
Adlige auskam: "Sanktionsbereich" der Monarchie und ihr "Legitimationsbereich"
begannen deckungsgleich zu werden; die Domäne dehnte sich auf das
ganze regnum Francorum aus.
Wachsende Schriftlichkeit der königlichen Verwaltung
ist an absoluter Zahl der Urkunden meßbar, die nun die Kanzlei verließen,
deren Leistungskraft es Philipp erlaubte,
keine Empfängerausfertigungen mehr zu akzeptieren. Das nach äußeren
Merkmalen und sprachlicher Form umständlich gestaltete Diplom älteren
Stils wich immer häufiger dem durch kleines Geschäftssiegel beglaubigten
Mandat, das den Willen des Königs knapp und unverblümt zum Ausdruck
brachte. Jede Vereinbarung Philipps wurde
schriftlich festgehalten, und umgekehrt verlangte er von jedem schriftliche
Beweismittel für sein Anliegen; jede ligische Huldigung wurde beurkundet
und das Schriftstück im Archiv abgelegt. Neben der Sammlung von Originalurkunden
führte das Archiv auch Register, sowohl im Sinne der älteren
Kopialbücher als auch (und das war neu) zum Zweck einer jederzeit
nutzbaren Dienstunterlage für Kanzlei und Gericht.
Diese Verwaltung trieb nicht nur das Geld ein, mit dem
der König seine Herrschaft stärkte; in erster Linie verursachte
sie selbst hohe Kosten, die durch Strafgelder, Sondersteuern, Wegnahme
jüdischer Vermögen, peage auf Straßen mit königlichem
Geleitrecht und königliche Gewinnbeteiligung an Märkten gedeckt
werden mußten. Eine reine Agrarwirtschaft hätte abschöpfbare
Erträge dieser Art nicht bringen können; Handel, Gewerbe und
Geldumlauf mußten zusammenwirken, damit der König 1202/03 im
Zusammnehang mit der Vorbereitung des Feldzuges persönliche Dienstleistungen
der Städter durch Geldzahlungen ersetzen lassen konnte. Der Kampf
mit dem englischen Königen war über das politisch-militärische
Feld hinaus zur Konkurrenz der Wirtschaftskraft zweier Reiche geworden:
Derjenige König, der die Ressourcen seines Herrschaftsgebietes effektiver
nutzte, mußte die größeren Erfolgschancen haben. Seit
1180 schlugen die Champagnemessen in diesem Sinne zu Buche, denn sie gewannen
fortan auch als Finanzplätze an Bedeutung, als Drehscheibe des stärker
werdenden Austauschs zwischen Nord und Süd, zwischen den großen,
dichtbevölkerten Wirtschaftsräumen Flanderns, N-Frankreich, N-Italiens
und des westlichen Reichsgebiets.
Politische, administrative und wirtschaftliche Veränderungen
wirkten auf die Gesellschaft der Zeit, vor allem auf den Adel, der in den
häufigen Kriegen nicht nur steigende Kosten für die technisch
verbesserte Ausrüstung des Panzerreiters aufbringen mußte, sondern
auch die Gefahren des Einsatzes zu tragen hatte. In dieser Hinsicht waren
Söldner wenig entlastend, weil adliges Selbstverständnis die
Bereitschaft zum Kampf forderte; im übrigen war der hochprofessionalisierte
Soldritter eine ernstzunehmende Konkurrenz auf dem ureigensten Legitimationsfeld
der Aristokratie. Diese wurde damit trotz fortwährend erlittener Unbill
durch des Königs Verwaltung an diesen herangeführt, weil letztlich
nur er den Sonderstatus garantierte. Dabei gab es freilich Unterschiede
zwischen dem Norden und den Gebieten südlich der Loire, denn im Süden
war das Lehnsrecht mit allen seinen gesellschaftlichen Folgen weniger ausgeprägt
und die aus dem römischen Recht überkommene Testierfreiheit des
Erblassers hatte vielfach Realteilung des auf des diese Weise schrumpfenden
Familiengutes zur Folge. Der höhere Adel freilich und erst recht das
Haus der Grafen von Toulouse hatten längst die Primogenitur eingeführt,
aber insgesamt war die Gesellschaft des Südens mehr vom kleinen Allodialbesitz
geprägt; sie kannte das Lehnswesen, aber es bestimmte die Lebensordnung
nicht so stark wie in den Gebieten nördlich der Loire. Man war weniger
feudalisiert, das aber hieß auch: weniger militarisiert als das Land
des Königs. Darüber hinaus unterschied sich der okzitanische
Süden durch sein Verhältnis zu Kirche und Klerus von der französischen
Monarchie.
Seit dem 11. Jahrhundert hatte die Kirchenreform nicht
nur Kathedralkapitel, Stifte und Klöster erfaßt, sondern in
weiten Teilen der westlichen Christenheit auch den niederen Weltklerus
mit ihren Forderungen nach Regeltreue, kanonischem Leben und spiritueller
Erneuerung erreicht. Somit wurde einer scharfen Kritik an Amtsführung
und Lebensweise der Geistlichen zumindest in dieser Hinsicht weniger Angriffsfläche
geboten, und die Erwartungen der Gläubigen standen in einem nicht
so krassen Mißverhältnis zur Wirklichkeit. Das Bild war freilich
von regionalen Unterschieden geprägt, und für das Herrschaftsgebiet
der Grafen von Toulouse galt, dass ein von der Reform weitgehend unberührt
gebliebener Klerus mehr und mehr die Fähigkeit verloren hatte, den
Forderungen nach apostolisch vorbildlicher Lebensführung zu genügen.
Die so entstandene Lücke füllte eine Gemeinschaft
aus, die sich seit Anfang des 12. Jahrhunderts auch in anderen Ländern
der westlichen Christenheit ausbreitete und sich für die wahre Kirche
Christi hielt. Armut, tägliches gemeinsames Brotbrechen statt der
Messe, Handauflegung statt der Taufe, gleichberechtigtes Mitwirken von
Frauen auf allen Stufen der Hierarchie verbanden sich als Lebensform mit
einer radikal dualistischen Lehre, die das Wirken des Bösen in der
Welt nicht mit komplizierter christlicher Argumentation als partielle Abwesenheit
des Guten in einer dem Schöpfer auf menschliche Freiheit angelegten
Welt erklärte, sondern aus dem Kampf zweier gleichberechtigter Prinzipien,
in dem der Gläubige nur durch Lösung seiner Seele aus dem Gefängnis
des Körpers Rettung finden könne. Jede Zeugung bereite einer
reinen Seele neue Gefangenschaft in der vom Bösen erschaffenen Welt.
Seit 1163 ist für diese ihrer Dognatik nach nicht
mehr christliche Glaubensgemeinschaft der Name "Katharer" belegt, möglicherweise
aus dem Griechischen "die reinen, abgeleitet und zur Grundlage der deutschen
Bezeichnung "Ketzer" geworden. Hinsichtlich der Verbreitung dieser Religion
schwanken die Schätzungen für den okzitanischen Süden
mit dem Zentrum Albi (daher "Albigenser") zwischen einem Viertel und einem
Drittel der Bevölkerung; stark war sie jedenfalls in einer Führungsschicht
vertreten, die über ihre Opposition gegen eine zehntfordernde Amtskirche
hinaus nicht abgeneigt war, sich auch politisch anders zu orientieren,
als es die großfränkische Tradition der französischen Monarchie
zuließ. War die Oberherrschaft des Königs von Frankreich in
seiner Eigenschaft als Nachfolger der KAROLINGER
bisher stets im Grundsatz anerkannt worden, so verdichteten sich jetzt
Beziehungen zum Haus BARCELONA-ARAGON
in Richtung auf die Bildung eines pyrenäenübergreifenden Reichsverbandes.
Das konnte Philipp II. nicht
hinnehmen. Er beteiligte sich wegen seiner Kämpfe mit Johann
von England zwar nicht persönlich am Kreuzzug gegen den
Grafen Raimund von Toulouse, welchen Papst Innozenz III. 1208 als Freund
der Katharer angeklagt hatte, aber er erklärte immerhin, dass er die
Güter Raimunds einziehen werde, sobald dieser der Häresie überführt
sei. In den folgendne Jahren eroberten die hauptsächlich aus der Ile-de-France
stammenden Kreuzfahrer unter Führung Simons von Montfort fast die
gesamte Grafschaft Toulouse und konnten am 13. September 1213 die Heere
König Peters II. von Aragon, Graf Raimund VI. von Toulouse
und des Grafen von Comminges bei Muret vernichtend schlagen. Als Simon
von Montfort Anfang 1218 vor Toulouse fiel und sein Sohn Amalrich in der
Folgezeit die politischen und militärischen Qualitäten seines
Vaters entschieden vermissen ließ, kam der Zeitpunkt für den
Zugriff der französischen Krone. 1222 schickte Philipp
ein Heer in den Süden, erkrankte aber schon im September dieses Jahres
und starb am 14. Juli 1223.
Unter den französischen Königen des Mittelalters
gehört
Philipp II., den schon
Zeitgenossen seit der Schlacht bei Bouvines als Mehrer des Reiches würdigten
und deshalb mit dem Beinamen "Augustus" schmückten, neben Philipp
IV. und Ludwig XI. zu den
großen Gestalten einer nationalen Geschichte, die weit über
das Mittelalter hinaus von der Monarchie und den Monarchen bestimmt worden
ist. Politisch, militärisch und diplomatisch gleichermaßen begabt,
hat er Frankreich geformt, indem er es aus der angevinischen
Bedrohung führte, die eroberten Länder mit der unter seiner Leitung
administrativ weitgehend erschlossene Krondomäne integrierend verband
und schließlich den Grund für die Ausdehnung bis zum Mittelmeer
legte.