Begraben: Alte Kirche des Benediktinerklosters Santissima
Trinita in Venosa
Sohn des Tankred von Hauteville aus seiner 2. Ehe
mit der Fredesende von Normandie, illegitime Tochter von Herzog
Richard I.
Lexikon des Mittelalters: Band VII Seite 889
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Robert Guiscard, Herzog von Apulien und Kalabrien
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+ 17. Juli 1085
Sohn des Tankred von Hauteville und seiner 2. Gemahlin Fredesende
Robert Guiscard folgte
zwischen 1046 und 1047 seinen Brüdern nach S-Italien. Es gelang ihm
in Kürze, Kalabrien zu unterwerfen (Beiname "der Verschlagene").
Im Jahre 1053 gehörte er zu den Anführern des normannischen Heeres,
das sich in Civitate Papst Leo IX. entgegenstellte.1059 erbte Robert
Guiscard die apulischen Herrschaften
seines Bruders Humfred
und gewann die Vorrangstellung über
alle Normannen in Apulien. Nach der endgültigen Eroberung Kalabriens
(1059) wurde er in Reggio vom Heer mit dem Ehrentitel eines Herzogs von
Apulien ausgezeichnet. Am 24. Juni des gleichen Jahres investierte ihn
in Melfi Papst Nikolaus II. formell als Herzog von Apulien und
Kalabrien und zukünftiger Herzog von Sizilien. Die Investitur
von Melfi legitimierte Robert Guiscards
Vormachtstellung
über alle normannische Herrschaften in Apulien und Kalabrien und berechtigte
ihn, von ihren Trägern den Lehnseid zu verlangen. In nur 15 Jahren
verwirklichte Robert
Guiscard eine Reihe von großen Plänen: die endgültige
Vertreibung der Byzantiner aus Apulien (1071); die Eroberung des letzten
langobardischen Staatsgebildes in S-Italien, des Fürstentums Salerno
(1077); die fast vollständige Eroberung Siziliens zusammen mit seinem
Bruder Roger I.; Schutz des Papsttums
(1084 siegreiche militärische Unterstützung Gregors VII. in Rom
gegen Kaiser HEINRICH IV.). Bei der
Verwirlichung seines letzten Zieles, eines Feldzugs gegen Byzanz, fand
er den Tod. RobertGuiscard hatte es
vermocht, alle normannischen Kräfte S-Italiens zusammenzufassen und
für gemeinsame Ziele zu vereinen, sowohl die Lehensträger des
Herzogtums Apulien als auch die Normannen außerhalb seines Herrschaftsgebietes.
Nach dem Wegfall dieser einigenden Kraft durch Robert
Guiscards Tod entstand eine politische Situation, in der innerhalb
und außerhalb des Herzogtums Apulien eine Reihe von politisch gleichstarken
Organismen miteinander in bestämndigem Kampf lagen und über die
die Herzöge von Apulien, Robert Guiscards
Nachfolger, keine Kontrolle hatten.
ROBERT "GUISCARD" (= der Schlaukopf)
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* um 1020, + 1085
Robert Guiscardkam mit anderen Brüdern erst um 1046 nach Italien und wurde von Drogo zurückgesetzt. Er betrieb daher jahrelang regelrecht Wegelagerei, um sich über Wasser zu halten, machte am 18.6.1053 die Schlacht bei Civita mit und folgte 1057 als Herzog von Apulien-Kalabrien. Letzteres hatte schon Drogo zu erobern begonnen und Robert vollendete diese Eroberung. Er wurde formal päpstlicher Vasall und Stütze gegen die deutschen Könige. Er unterwarf sich die letzten byzantinischen Stützpunkte in S-Italien, wie Bari, Tarent, Brindisi, beherrschte damit ganz Apulien, beendete die byzanzinische Herrschaft in Italien, wurde auch Fürst von Salerno und Capua und griff nach Albanien über und eroberte Durazzo. Er geriet so gegen Byzanz und Venedig und legte für Jahrhunderte die wesentlichen politischen Stoßrichtungen der Normannenherrschaft und ihrer Erben fest. Er griff auch nach N-Afrika-Tunis aus und stand 1085 während der byzantinischen Thronwirren vor Thessaloniki. Er half seinem Bruder Roger bei der Eroberung von Sizilien und war der bedeutendste Vertreter des Hauses seiner Generation. Er befestigte die Normannen-Herrschaft über S-Italien und verdrängte dort die Araber und Byzantiner. 1084 verjagte er Kaiser HEINRICH IV. aus Rom, das er schwer plünderte und rettete damit Papst Gregor VII., der in Salerno starb. Er expandierte zusammen mit Fürst Richard von Aversa zeitweise auch auf Kosten der Päpste. Bei seinem Tode hinterließ er seinem Sohn aus 1. Ehe, Bohemund, Tarent, während sein Sohn aus 2. Ehe, Roger, den Vater beerbte.
1) oo Alverada N.
2) oo Sikelgaita von Salerno, Tochter und Erbin
des Fürsten Waimar IV.
+ 1090
Auf der Synode von Melfi (1059) belehnte Papst Nikolaus
II. den Grafen von Aversa, Richard I. Quarrel (1050-1078), mit dem lehnsrechtlich
dem Kaiser unterstehenden Fürstentum Capua, das der Normanne 1058
erobert hatte. Gleichzeitig erteilte er Robert
Guiscard, der die Nachfolge seines Halbbruders Humfried (+
1057) als Graf von Apulien angetreten hatte, die Investitur
in das Herzogtum "von Apulien, Kalabrien und künftig, mit Hilfe
Gottes und des heiligen Petrus, von Sizilien". Woher er das Recht dazu
nahnm, erklärte der Papst nicht. Die päpstlich-normannische Allianz
war indes nicht nur eine Folge der Schlacht von Civitate, sondern auch
eine indirekte Konsequenz der wenige Monate vorher abgehaltenen Lateransynode.
Es war vorherzusehen, dass die Beschlüsse über die Papstwahl
und die Laieninvestitur eine negative Reaktion des römischen Adels
und des Kaisers hervorrufen würden. Für die Normannen war die
Belehnung durch das Papsttum ein großer Erfolg; ihr Ansehen stieg,
und ihre Eroberungen erhielten eine neue Legitimierung.
Als Roger I. um 1055
in den Süden kam, half er Robert Guiscard
bei der Niederschlagung eines Aufstandes. Bald entstanden jedoch Konflikte
zwischen den beiden Brüdern. Roger
wollte sich in Kalabrien einen eigenen Herrschaftsbereich aufbauen, womit
sein Bruder nicht einverstanden war. Ebenso wie Apulien hatte Kalabrien
bisher zum byzantinischen Reich gehört. Die einheimische Bevölkerung
versuchte aus der Uneinigkeit der Normanne Nutzen zu ziehen und sie zu
vertreiben. Robert Guiscard war also
gezwungen, sich mit seinem Bruder zu verständigen und trat ihm die
Hälfte Kalabriens ab. Gemeinsam gelang es den Brüdern, ihre Herrschaft
zu festigen.
Nach der Einnahme Palermos einigten sich die Brüder
über die Aufteilung Siziliens, das allerdings erst zur Hälfte
erobert war.
Robert Guiscard hatte
aufgrund seiner Stellung als Herzog von Apulien, Kalabrien und
Sizilien formal die Herrschaft über die ganze Insel, wo aber in
Wirklichkeit Roger I. recht frei schalten
und walten konnte. Ähnlich wie in Kalabrien behielt der Herzog die
Hälfte der wichtigsten bisher gemachten Eroberungen (Palermo, Messina
und Val Demone) in seinem Besitz. Ende 1072 verließ er die Insel,
die er nicht mehr wiedersehen sollte. In Apulien waren Aufstände normannischer
Adeliger niederzuschlagen. In den folgenden Jahren wurdeRobert
Guiscard von anderen Projekten in Anspruch genommen. HEINRICH
IV. bot ihm 1076 die Herzogsinvestitur aus eigener Hand an,
was der Normanne aber ablehnte. Als Vasall des Papstes hatte er größere
Handlungsfreiheit, denn Gregor VII. war auf seine Waffenhilfe angewiesen.
1077 gelang Robertdie Unterwerfung
Salernos, des letzten langobardischen Fürstentums in S-Italien. Sein
Hauptinteresse war aber auf Byzanz gerichtet, von dessen Eroberung er träumte.
Auf einem Feldzug gegen das oströmische Kaiserreich fand er dann 1085
den Tod.
Norwich John Julius: Band II 385,448
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"Byzanz"
Alexios Komnenos hatte,
gleich nachdem man ihm GuiscardsLandung
auf byzantinischem Territorium gemeldet hatte, ein dringendes Hilfegesuch
an den Dogen Domenico Selvo gerichtet. Dessen hätte es indes vermutlich
gar nicht bedurft, ging doch für Venedig durch die normannische Beherrschung
der Straße von Otranto keine geringere Gefahr aus als für Byzanz.
Selvo hatte jedenfalls nicht gezögert. Unter seinem persönlichen
Kommando stach der Flottenverband sogleich in See, und bei Einbruch der
Dunkelheit fiel er über die normannischen Schiffe her. Deren Besatzung
leistete hartnäckig Widerstand, war aber einfach zu unerfahren im
Seekrieg. Die venezianische Flotte griff auf die alte byzantinische List
zurück, die Belisar schon mehr als 500 Jahre zuvor angewendet hatte,
nämlich bemannte Beiboote auf die Rahnocken zu hieven und von dort
auf die feindlichen Kräfte darunter herabzuschießen. Außerdem
scheinen sie das Geheimnis des Griechischen Feuers gekannt zu haben, denn
der normannische Chronist Gottfried Malaterra berichtet, sie hätten
durch Rohre unter der Wasseroberfläche das sogenannte Griechische
Feuer geblasen, welches im Wasser nicht erlösche, und auf diese Weise
hinterlistig eines der normannischen Schiffe unter Wasser angezündet,
so dass es ausbrannte. Solchen Taktiken und Waffen hatten die Normannen
nichts entgegenzusetzen. Ihre Formation löste sich auf, die venezianischen
Schiffe dagegen konnten sich den Weg in den sicheren Hafen Durazzo freikämpfen.
Doch dadurch ließ sich Herzog Robert Guiscard
noch lange nicht entmutigen. Das Landheer (klugerweise vor der Schlacht
an Land gesetzt) war noch völlig intakt und richtete sich nun auf
die Belagerung der Stadt ein. Alexios
hatte seinen Verbündeten Georgios Palaiologos mit dem Auftrag in die
Garnison von Durazzo entsandt, dem Feind unter allen Umständen so
lange standzuhalten, bis er genügend Truppen gegen die Eindringlinge
zusammengezogen habe. Da die Garnisonssoldaten wußten, dass bald
Hilfe eintreffen würde, schlugen sie sich tapfer. Die Belagerung zog
sich den ganzen Sommer über hin. Immer wieder gab es Ausfälle.
Dabei kämpfte Palaiologos einmal einen ganzen Tag lang in der Bruthitze
mit einer normannischen Pfeilspitze im Schädel. Am 15. Oktober traf
Kaiser
Alexios' Heer mit ihm an der Spitze ein. Drei Tage später
erfolgte der Angriff. Die Normannen hatten bis dahin etwas nördlich
von Durazzo Stellung bezogen und das Heer zur Schlacht formiert. Robertbefehligte
das Zentrum, sein Sohn Bohemundden
linken Flügel landeinwärts und die lombardische Prinzessin
Sichelgaita von Salerno, seine Frau, den rechten Flügel.
Wie immer wenn der Kaiser persönlich in den Kampf
eingriff, scharte sich seine warägische Garde vollzählig um ihn.
Zu dieser Zeit bestand sie zum großen Teil aus Angelsachsen, die
nach der Schlacht bei Hastings England voller Abscheu den Rücken gekehrt
hatten und in byzantinische Dienste getreten waren. Da viele von ihnen
seit 15 Jahren darauf warteten, an den verhaßten Normannen Rache
zu neh men, stürzten sie sich wutentbrannt in die Schlacht. Mit beiden
Händen schwangen sie ihre riesigen Streitäxte über dem Kopf,
ließen sie auf Pferd und Reiter gleichermaßen niedersausen
und verbreiteten großen Schrecken unter den apulischen Rittern, von
denen nur wenige jemals einer Front von Fußsoldaten begegnet waren,
die nicht sofort beim Anstürmen der Kavallerie auseinandergebrochen
wäre. Auch die Pferde gerieten in Panik. Schon nach kurzer Zeit herrschte
auf dem ganzen rechten normannischen Flügel ein solches Durcheinander,
dass viele ins offene Meer galoppierten, um der sicheren Abschlachtung
zu entgehen. Da schlug gemäß zeitgenössischen Berichten
Sichelgaitas
größte
Stunde. Anna Komnena schildert das
Ereignis besonders anschaulich:
Als RobertsFrau
Sichelgaita
(die an seiner Seite ritt, eine zweite Pallas, wenn nicht gar Athene) die
Soldaten weglaufen sah, blickte sie ihnen wild nach und rief mit dröhnender
Stimme in ihrer Landessprache, was bei Homer etwa so lauten würde:
"Wie weit wollt ihr noch fliehen? Haltet ein und erweist euch als Männer."
Und als sie sah, dass sie weiter flohen, ergriff sie einen langen Speer
und jagte den Flüchtlingen in gestrecktem Galopp nach. Bei ihrem Anblick
rafften sie sich wieder auf und kehrten in die Schlacht zurück. Mittlerweile
war auch Bohemunds linker Flügel
zur Rettung eingeschwenkt, und zwar mit einer Abteilung Bogenschützen,
gegen welche die Waräger machtlos waren, denn sie konnten mit ihren
Äxten gar nicht an sie herangelangen. Und da sie der Hauptmasse des
griechischen Heeres zu weit vorausgeeilt waren, fanden sie den Rückzug
versperrt. So blieb ihnen keine andere Wahl mehr, als dort zu kämpfen,
wo sie sich gerade befanden. Schließlich wichen die wenigen noch
Lebenden und suchten Zuflucht in der nahe gelegenen Kapelle des Erzengels
Michael. Diese setzten die Normannen sogleich in Brand - nun weit entfernt
vom Monte Gargano -, und die Warägergarde kam fast vollzählig
in den Flammen um.
Im Zentrum kämpfte Kaiser
Alexios immer noch tapfer. Aber der beste Teil des byzantinischen
Heeres war bei Mantzikert vernichtet worden, und der bunt zusammengewürfelte
Haufen fremder Söldner, auf den er sich nun verlassen mußte,
besaß weder die Disziplin noch die Ergebenheit, um gegen die normannischen
Truppen aus Apulien die Oberhand zu gewinnen. Ein Entlastungsausfall von
Durazzo aus, unter der Leitung von Georgios Palaiologos, hatte die Situation
nicht entschärft. Als Alexios
schließlich merkte, dass ihn sein Vasall, König
Konstantin Bodin von Zeta, und auch ein ganzes Regiment von
7.000 Türken, das der seldschukische Sultan
Suleiman entsandt und auf welches er große Hoffnung gesetzt
hatte, im Stich ließen, schwand seine letzte Hoffnung auf den Sieg.
Von seinen Leuten abgeschnitten, betrübt über die in der Schlacht
gefallenen Nikephoros Palaiologos (Georgios' Vater) und Konstantios (Bruder
Michaels
VII.), geschwächt von Erschöpfung und Blutverlust
und geplagt von starken Schmerzen, die von einer Stirnwunde herrührten,
ritt er langsam ohne Begleitung über das Gebirge nach Ochrid zurück,
um dort neue Kräfte zu sammeln und die Überreste seiner versprengten
Streitmacht zu reorganisieren.
Durazzo vermochte sich noch 4 Monate lang zu halten.
Erst im Februar 1082 konnten die Normannen die Stadttore einrennen, und
auch dies nur, weil ein venezianischer Einwohner zum Verräter geworden
war (Malaterra zufolge soll er zur Belohnung die Hand einer Nichte Roberts
gefordert haben). Nach dem Fall Durazzos ging die Eroberung schneller vonstatten.
Die ansässige Bevölkerung leistete lange angesichts der Niederlage
des Kaisers den vorrückenden Eindringlingen keinen Widerstand, und
binnen weniger Wochen befand sich ganz Illyrien in normannischer Hand.
Anschließend marschierte das normannische Heer in östlicher
Richtung weiter nach Kastoria, und diese Garnison kapitulierte gleichfalls
sofort, obwohl sie aus über 300 Mitgliedern der Warägergarde
bestand. Die Entdeckung dieses Umstands beflügelte die Normannen noch
mehr. Wenn nicht einmal die Elitetruppen des Reiches den weiteren Vormarsch
aufhalten konnten, dann war Konstantinopel bereits so gut wie eingenommen.
Doch, ach, zu Roberts
Unglück geschah nichts dergleichen. Im April, noch während er
sich in Kastoria aufhielt, trafen Boten aus Italien mit der Nachricht ein,
Apulien und Kalabrien hätten sich mit Waffengewalt erhoben, und ein
großer Teil Kampaniens ebenfalls. Außerdem hatten sie ein Schreiben
Papst Gregors VII. im Gepäck. Sein Erzfeind HEINRICH
IV., deutscher König, stand vor den Toren Roms und forderte
seine Krönung zum Kaiser des Westens. Die Anwesenheit Guiscards
in der Heimat war also dringend erforderlich. Er übertrug seinem Sohn
Bohemundden
Oberbefehl und gelobte bei der Seele seines Vaters Tankred, sich
den Bart nicht zu scheren, bevor er wieder in Griechenland sei; dann eilte
er zur Küste zurück und setzte über die Adria.
Alexios hatte indes
nicht allein Venedig um Hilfe gegen Robert Guiscard
ersucht. Da ihm schon bei der Thronbesteigung die gegen ihn gerichteten
Kriegsvorbereitungen nicht entgangen waren, hatte er unverzüglich
nach potentiellen Verbündeten Ausschau gehalten. Ein Neffe Robertseignete
sich dazu ganz besonders: Abelard, der Sohn seines ältesten
Bruders
Hunfried, der, von seinem Onkel enterbt, in Konstantinopel
Zuflucht gesucht hatte. Er war leicht dafür zu gewinnen, heimlich
nach Italien zurückzukehren und mit Unterstützung seines Bruders
Hermann
und einem Batzen byzantinischen Goldes einen Aufstand dort anzuzetteln.
In der Zwischenzeit schickte Kaiser Alexios einen
Gesandten zu HEINRICH IV., um diesem
die Gefahren einer ungehinderten Machtausbreitung
Robert
Guiscards vom Herzogtum Apulien aufzuzeigen. Der daraufhin erfolgte
Gedankenaustausch führte zu einer Übereinkunft: Als Gegenleistung
für einen feierlich beschworenen Beistandspakt schickte Alexios
HEINRICH 360.000 Goldstücke, das Gehalt von 20 hohen Höflingen,
ein goldenes und perlenbesetztes Brustkreuz, einen Kristallbecher, einen
Pokal aus Achat und ein Reliquiar mit Einlegearbeiten in Gold, das Reliquien
mehrerer, mit Hilfe von Namensschildchen identifizierbarer Heiliger enthielt.
Der Vertrag kam Alexios zwar sehr teuer
zu stehen, als er aber im Frühjahr 1082 von Roberts
plötzlicher
Abreise erfuhr, dürfte er sich gesagt haben, dass sich seine jüngsten
diplomatischen Schritte nun auszahlten. Er hatte den Winter in Thessalonike
verbracht, um Truppen für den Feldzug im folgenden Sommer auszuheben.
Bohemundund
sein Heer dehnten ihre Macht stetig über die ganzen westlichen Reichsprovinzen
aus, und Robertwürde über
kurz oder lang zurück sein und dann gegen Konstantinopel marschieren.
Wenn man dem normannischen Heer Widerstand leisten wollte, bedurfte es
daher starker, gut ausgebildeter Verteidigungstreitkräfte. Aber Söldner
kosten Geld - wie schon ihr Name sagt -, die Schatzkammer des Reichs stand
leer, und von der bereits schwer von Steuern gedrückten byzantinischen
Bevölkerung noch mehr zu verlangen, wäre einer Aufforderung zum
Aufstand gleichgekommen. Alexios wandte
sich an seine Mutter Anna Dalassena,
an seinen Bruder und seine Frau, und sie stellten allesamt soviel zur Verfügung,
wie sie konnten, indem sie ihre Ausgaben auf das Notwendigste beschränkten.
Dennoch reichte dies alles für sein Vorhaben bei weitem nicht aus.
Schließlich berief sein Bruder Isaak Sebastokrator in der Hagia Sophia
eine Synode ein und erklärte nach altem kanonischem Recht, nach weichem
Kirchengold und -silber eingeschmolzen und zur Auslösung byzantinischer
Kriegsgefangener verwendet werden durfte, den gesamten Kirchenschatz für
konfisziert. In der ganze byzantinischen Geschichte kennt man nur einen
einzigen vergleichbaren Vorfall: Nach dem Einmarsch des persischen
Königs Chosrau II. im Jahre 618 hatte Patriarch Sergios
aus eigenem Antrieb den Reichtum aller Kirchen und Klöster dem Staat
zur Verfügung gestellt; Kaiser Herakleios
hatte dieses Angebot dankbar angenommen. Nun ging die Initiative von staatlicher
Seite aus, und diesmal ließ die Geistlichkeit den alten Gemeinschaftsgeist
vermissen und verhehlte ihren Mißmut nicht. Es blieb ihr indes nichts
anderes übrig, als sich zu fügen. Auf diese Weise war Alexios
imstande, sein Heer neu aufzubauen. Doch auch dieses Heer vermochte Bohemunds
Vormarsch
im ersten Jahr nicht aufzuhalten. Nach zwei weiteren wichtigen Siegen bei
Janina und Arta drängte er die byzantinischen Truppen nach und nach
zurück, bis ganz Makedonien und der überwiegende Teil Thessaliens
in normannische Gewalt gebracht war. Erst im Frühjahr 1083 vermochten
die kaiserlichen Truppen bei Larissa den Gang der Ereignisse umzukehren.
Der Plan war simpel. Als Alexios sah,
dass es zur Schlacht kommen würde, vertraute er die Hauptmasse des
Heeres mit allen kaiserlichen Standarten seinem Schwager Georgios Melissenos
und einem anderen fähigen Feldherrn, namens Basilios Kurtikios, an.
Sie hatten Befehl, dem Feind zunächst entgegenzumarschieren, und wenn
sich dann die beiden Schlachtreihen gegenüberstanden, plötzlich
wie in wilder Flucht davonzulaufen. In der Zwischenzeit schlichen er und
ein Trupp sorgfältig ausgewählter Elitesoldaten sich im Schutz
der Nacht zu einem Hinterhalt im Rücken des normannischen Lagers.
Als Bohemund bei
Tagesanbruch das Heer mit den Standarten erblickte, blies er sogleich zum
Angriff. Melissenos und Kurtikios führten ihren Befehl getreulich
aus, und schon nach kurzer Zeit stürmte das byzantinische Heer in
die vorgegebene Richtung davon, und die normannischen Verbände folgten
ihm blindlings. Unterdessen überrannten Alexios
und seine Leute das feindliche Lager, metzeltem die dort Zurückgebliebenen
nieder und machten große Beute. Danach waren Bohemund
und seine Leute gezwungen, die Belagerung von Larissa aufzugeben und sich
nach Kastoria zurückzuziehen. Von diesem Augenblick an war er verloren.
Entmutigt, heimwehkrank und angesichts des längst überfälligen
Solds und der fürstlichen Belohnungen, die Alexios
allen
Deserteuren auszurichten versprach, zusätzlich demoralisiert, bröckelte
das normannische Heer auseinander. Bohemundmußte
nach Italien zurückkehren, um mehr Geldmittel aufzubringen; seine
Heerführer kapitulierten, sobald er ihnen den Rücken gekehrt
hatte. Als nächstes eroberte eine venezianische Flotte Durazzo und
Korfu zurück. Gegen Endes des Jahres 1083 beschränkte sich das
von den Normannen gehaltene Territorium auf dem Balkan wieder auf ein oder
zwei Inseln vor der Küste und einen schmalen Küstenstreifen.
Einige Wochen nach der Eroberung Roms machte Robert
Guiscard sich auf den Weg zurück nach Griechenland. Anna
Komnena hatte Grund für ihre Feststellung, dass er äußerst
hartnäckig war. Trotz seiner 68 Jahre ließ er sich vom Umstand,
dass er seinen Feldzug noch einmal ganz von vorn anfangen mußte,
offenbar nicht im geringsten entmutigen. Schon im Herbst 1084 war er wieder
da, zusammen mit seinen Söhnen Bohemund,
Roger
und
Guy
und
einer neuen Flotte von 150 Schiffen. Bei seinem Aufbruch hätten die
Zeichen kaum ungünstiger stehen können. Stürmisches Wetter
hielt die Schiffe zwei Monate in Butrinto fest. Und als sie schließlich
nach Korfu übersetzen konnten, wurden sie von einer venezianischen
Flotte aufgebracht und auf offener See zweimal innerhalb dreier Tage tüchtig
geschlagen. Die Verluste wogen so schwer, dass die venezianischen Pinassen
mit der Siegesmeldung in die Lagune zurückkehrten. Aber sie hatten
Guiscard
unterschätzt. Zwar befanden sich nur noch ganz wenige normannische
Schiffe in so gutem Zustand, dass eine dritte Schlacht gewagt werden konnte.
Als Robert
die Pinassen aber am Horizont
verschwinden sah und die Gelegenheit witterte, den Feind zu überrumpeln,
sammelte er geschwind alle noch seetauglichen und warf sie in einem letzten
Ansturm nach vorn. Seine Rechnung ging vollkommen auf, denn die Venezianer
waren völlig unvorbereitet. Zudem lagen ihre großen Galeeren,
die ihren Ballast bereits abgeworfen hatten, so hoch im Wasser, dass viele
kenterten, als in der Hitze der Schlacht die gesamte Besatzung an Soldaten
und Matrosen auf eine Seite des Decks eilte. (Zumindest behauptet dies
Anna Komnena, obwohl ihre Geschichte mit dem, was man von dem Können
der venezianischen Seefahrer weiß, fast nicht in Einklang zu bringen
ist.) Nach Annas Bericht kamen 13.000
Venezianer um, und 2.500 gerieten in Gefangenschaft; bei deren anschließender
Verstümmelung durch die Sieger verweilt sie mit jener morbiden Lust,
die zu ihren unsympathischen Charakterzügen gehört. Nach dem
Fall Korfus begab sich ein rundum zufriedenes und hoffnungsvolleres Heer
in seine Winterquartiere auf dem Festland. Doch im Verlauf des Winters
tauchte eine neue Feindmacht auf, und sie wirkte sich auf Guiscards
Leute tödlicher aus als das venezianische und das byzantinische Heer
zusammen. Es brach eine heftige Seuche aus (vermutlich Typhus), die kein
Erbarmen kannte. Bis zum Frühjahr waren 500 normannische Ritter tot
und ein großer Teil des Heeres kampfunfähig. Doch selbst da
blieb Robert
zuversichtlich und guter
Dinge. Von seiner engeren Familie war nur Bohemund
erkrankt und zur Genesung nach Bari geschickt worden. Als Robert
sich
im Frühsommer entschloß, mit seinen Leuten wieder aufzubrechen,
schickte er Roger Borsa zur Eroberung Kephallonias voraus. Ein paar
Wochen später folgte er ihm nach. Doch auf der Fahrt Richtung Süden
spürte er, wie die bedrohliche Krankheit ihre Hand nach ihm ausstreckte.
Als sein Schiff am Kap Ather an der Nordspitze Kephalionias eintraf, war
er sterbenskrank. Man ging bei der ersten Gelegenheit in einer kleinen,
geschützten Bucht vor Anker, die heute noch zum Andenken an ihn Phiscardo
heißt, und dort starb er am 17. Juni 1085 im Beisein seiner
treuen und tüchtigen Gefährtin Sichelgaita.
Bünemann, Richard: Seite 246
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"Robert Guiskard 1015-1085. Ein Normanne erobert Süditalien."
ROBERTUS GUISCARDUS
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* um 1015, + 17. Juli 1085 auf Kephallonia
1057 Graf und Heerführer der apulischen Normannen
1059 Herzog von Apulien, Kalabrien und Sizilien
Zwei Ehen mit:
1) Alberada (Normannin)
2) Sichegaita, Schwester des Fürsten Gisulf von
Salerno
1. oo Alverada
- 1058 - nach 1111
1059
2. oo Sigelgaita von Salerno, Tochter des Fürsten
Waimar IV.
um 1040/45-17.3.1090
Kinder:
1. Ehe
Bohemund I.
um 1051-7.3.1111
Helene
-
oo Konstantin Dukas Kaiser von Byzanz
1074- 1093
Mathilde
-
1078
oo Raimund Berengar II. Graf von Barcelona
- 1082
2. Ehe 7 Töchter
Roger Borsa
um 1061-22.2.1111
Sibylle
-
um 1081
oo Ebles II. de Montdidier, Graf von Roucy
- 1103
Mabilla
-
oo Wilhelm de Grandmesnil
-
Guido Herzog von Amalfi
-
1107
Robert Scalio
- nach
1104
Literatur:
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Boshof, Egon: Die Salier. Verlag W. Kohlhammer
Stuttgart Berlin Köln 1987, Seite 180,247,254 -
Bünemann, Richard: Robert Guiskard 1015-1085.
Ein Normanne erobert Süditalien. Böhlau Verlag GmbH & Cie,
Köln 1997 - Die Staufer im Süden. Sizilien und das Reich,
hg. von Theo Kölzer, Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1996, Seite
51,114,115,188,191 - Goez Elke: Beatrix von Canossa und Tuszien.
Eine Untersuchung zur Geschichte des 11. Jahrhunderts, Jan Thorbecke Verlag
Sigmaringen 1995, Seite 27,161,169,229 - Houben, Hubert: Roger II.
von Sizilien. Herrscher zwischen Orient und Okzident, Primus Verlag Darmstadt
1997, Seite 7,11,12A,13,15-18,21,23,24,34,43,44,45A,46,47,49, 50,54,73,
75,91,96,150,Taf.1 - Norwich John Julius: Byzanz. Der Aufstieg des
oströmischen Reiches. Econ Verlag GmbH, Düsseldorf und München
1993 Band II 385,448 - Runciman, Steven: Geschichte der Kreuzzüge,
Sonderausgabe in 1 Band Verlag H.C. Beck München 1978, Seite 57,67-69,72,74,97,
100,110,180 - Schulze Hans K.: Das Reich und die Deutschen. Hegemoniales
Kaisertum. Ottonen und Salier. Siedler Verlag, Seite 429,441-443,445 -
Thiele,
Andreas: Erzählende genealogische Stammtafeln zur europäischen
Geschichte Band II, Teilband 2 Europäische Kaiser-, Königs- und
Fürstenhäuser II Nord-, Ost- und Südeuropa, R.G. Fischer
Verlag 1994 Tafel 416 - Wies, Ernst W.: Kaiser Heinrich IV. Canossa
und der Kampf um die Weltherrschaft, Bechtle Esslingen 1996, Seite 44,144,
184,189 -