Jünster Sohn des Herrn Palamede Gattilusio von
Aenos
Lexikon des Mittelalters: Band IV Spalte 1140
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Die Gattilusio von Aenos
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Sein Sohn Dorino II. wurde 1455 im Zuge von Nachfolgestreitigkeiten
beim Sultan denunziert und entfloh nach Genua, so dass Mehmed
II., in stillschweigendem Einvernehmen mit der Bevölkerung,
zunächst Aenos, schließlich auch Imbros und Samothrake besetzen
konnte.
Verbunden mit dem byzantinischen Kaiserhaus, wurden die
GATTILUSIO
von
ihren griechischen Untertanene rasch akzeptiert. Sie förderten die
genuesischen Interessen und waren Protagonisten des antitürkischen
Widerstandes, doch wurde ihre Herrschaft nach der Eroberung von Konstantinopel
rasch von den Osmanen zerschlagen.
Dukas hatte kaum seinem Herzog über den betrüblichen
Ausgang seiner Sendung Bericht erstattet, als sich aufs neue Gewitterwolken
über einem anderen fränkischen Besitztum in der Levante zusammenzogen
und bereits im Januar 1456 mit Heftigkeit entluden. Diesmal richteten sich
Mehmeds Absichten gegen einen anderen
Zweig der GATTILUSI, nämlich die Herren von Aenos, am
Ägäischen Meer östlich der Maritza-Mündung gelegen.
Palamedes Gattilusi war 1455 verschieden und da ihm sein ältester
Sohn Giorgio bereits 1449 im Tod vorangegangen war, so fiel die
Herrschaft an seinen jüngsten Sohn Dorino II. sowie an Giorgios
Witwe und deren Kinder. Zu seinen Lebzeiten durfte Giorgio bereits
über alle Besitzungen seines Vaters mit Ausnahme von Mytilini verfügen,
das Dorino II. zugesprochen wurde. Aber auch nach seinem Ableben
hatten seine Witwe und ihre Kinder gewisse Rechte der Erstgeburt behalten.
Nun war es zu heftigen Erbstreitigkeiten zwischen beiden Parteien gekommen
und vergeblich suchte die Witwe ihren Schwager zu gütlicher Einigung
zu bestimmen, damit sie nicht das Urteil des Oberherrn, des Sultans einholen
müsse. Als alles nichts gefruchtet hatte, sandte sie ihren Oheim zur
Pforte, der dort Dorino II. in den häßlichsten Farben
malte und als Verräter brandmarkte, der mit den Italienern gemeinsame
Sache zu machen versuchte: er sammle Waffen, heure Reisige und verstärkte
die Besatzung von Aenos, um seine völlige Unabhängigkeit von
der osmanischen Oberhoheit zu erzwingen. Der Zwischenträger fand ein
williges Ohr bei Mehmed II., der längst
auf einen Anlaß lauerte, sich der Stadt Aenos zu bemächtigen,
die wegen ihrer vorteilhaften Lage an der damals noch schiffbaren Maritza
mit osmanischem Hinterland zur Eroberung herausforderte. Am 24. Januar
1456 brach Mehmed II. von Stambul zu
Land nach Aenos auf. Dorino II. weilte damals gar nicht in der Stadt,
sondern auf der Insel Samothraki, wo er im Palaste seines Vaters den ungewöhnlich
strengen Winter zu verbringen gedachte. Aenos mit seinen Bewohnern war
dem Schicksal überlassen. Der Sultan empfing eine Abordnung
aus der Stadt gnädig, sagte ihr Erfüllung ihrer Bitte zu beauftragte
den Großwesir mit der Übernahme der kampflos genommene
Stadt. Tags daaruf erschien der Großherr selbst, bemächtigte
sich alles Goldes, Silbers und anderer Kostbarkeiten, die er in Dorinos
Palast vorfand und plünderte dann die Häuser seines gleichfalls
abwesenden Gefolges. Ein gewisser Murad ward zum Stadtvogt bestellt und
Junus-Pascha erhielt die Weisung, Dorinos Besitzungen Imbros und
Samothraki, zwei Aenos gegenüberliegenden Inseln, zu besetzen.
Da der Fürst dem Admiral mißtraute, zog er
vor, sich eigenmächtig zur Pforte zu begeben, nachdem er seine schöne
Tochter mit reichen Geschenken vorausgesandt hatte. Der Großherr
versprach zwar anfangs die Rückerstattung der beiden Inseln, besann
sich aber eines anderen und wies ihn auf Anraten des Admirals eine Besitzung
weitab vom Meere, nämlich zu Zichne in Mazedonien an. Dort
hielt es Dorino nicht lange aus. Er geriet mit seiner türkischen
'Ehrenwache' in Streit, hieb sie zusammen und floh darauf in die Christenheit.
Zuerst setzte er sich auf Mytilini, dann auf Naxos fest, wo er seine Base,
Elisabetta Crispo, Tochter des verstorbenen Herzogs Giacomo II., heiratete
und endgültigen Wohnsitz nahm.
Aenos mit seinen einträglichen Pfännereien,
die unter Palamedes 300.000 Silberstücke im Jahr abgeworfen
hatten, sowie Imbros und Samothraki waren wiederum fast kampflos ins osmanische
Reich einbezogen worden.
oo Elisabetta Crispo von Naxos, Tochter des Herzogs
Giacomo II.
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Literatur:
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Babinger Franz: Mehmed der Eroberer. Weltenstürmer
einer Zeitenwende. R. Piper GmbH&Co. KG, München 1987 Seite 141,142,143
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