Jüngere Tochter des Grafen
Balduin IX. von Flandern und der Marie
von Blois-Champagne, Tochter von Graf Heinrich I.
Lexikon des Mittelalters: Band VI Seite 239
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Margarete (Margaretha) von Konstantinopel, Gräfin
von Flandern und Hennegau
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* 1202, + 10. Februar 1280
Tochter des Grafen Balduin IX. von Flandern (Balduin VI. von Hennegau, Balduin I., Kaiser von Konstantinopel und der Maria von Champagne
Margaretes erste
Ehe mit dem mächtigen Hennegauer Burchard von Avesnes (1212)
wurde auf Betreiben ihrer älteren Schwester,
Gräfin
Johanna, für ungültig erklärt (1215). 1223 schloss
Margarete
eine zweite Ehe mit
Wilhelm von Dampierre.
Am 5. Dezember 1244 folgte Margarete
ihrer
kinderlos verstorbenen Schwester als Gräfin von Flandern
nach. In den heftigen Auseinandersetzungen um den Besitz der Grafschaften
Flandern und Hennegau erfolgte im Juli 1246 der Schiedsspruch Papst
Innozenz' IV., der die Erbfolge in Flandern dem Hause DAMPIERRE,
in Hennegau dem Hause AVESNES zusprach; diese Entscheidung war beeinflusst
von
König Ludwig IX. von Frankreich,
der darauf bedacht war, den Grafen von Flandern als einen seiner mächtigsten
Vasallen zu schwächen. Durch den Schiedsspruch entflammte die politische
Fehde aufs neue. Bis 1257 wurde
Margarete
durch Johann von Avesnes, der aufgrund seiner Ehe mit Aleidis
von Holland eine gegen Flandern gesicherte Allianz zu knüpfen
verstand, in die Defensive gedrängt. Als nach dem Tode Wilhelms von
Dampierre (1251) Johann von Avesnes gegen den Schiedsspruch von 1246 berufen
wurde, stürzten sich Margareteund
ihr Sohn Gui (III.) von Dampierre in eine Reihe militärischer Abenteuer,
die mit Mißerfolgen endeten (Niederlage bei Walcheren, 4. Juli 1253;
Besetzung des aufständischen Hennegau mit Hilfe Karls
von Anjou, 1253-1254). Der Tod Johanns von Avesnes (24. Dezember
1257) führte jedoch zu einem vorläufigen Ende des Bruderzwists.
Die äußerst kostspielige Politik der Gräfin
trieb Flandern in finanzielle Abhängigkeit von Kreditgebern, vor allem
französischen und italienischen Bankiers sowie den flämischen
Städten, die sich ihre Hilfe mit wirtschaftlichen und politischen
Privilegien bezahlen ließen.
In der Folgezeit konnte Margarete
und
ihr Sohn Gui
einige diplomatische Erfolge verbuchen, vor allem die
Anerkennung ihrer Lehnsrechte in Reichsflandern durch den römisch-deutschen
König,
RICHARD VON CORNWALL (27.
Januar 1260). Sie erweiterten ihr Territorium beachtlich (Herrschaften
Bethune und Dendermonde, 1263; Grafschaft Namur, 1263-1264).
Andererseits löste Margarete in
unbedachter Weise den englisch-flämischen Handelskrieg aus (1270-1275),
der die Verwundbarkeit der Grafschaft offenbar werden ließ, besonders
als England das Handelsembargo auf englische Wolle als politische Waffe
einsetzte. Diese Auseinandersetzung verschärfte den innerflandrischen
Konflikt zwischen Fürstenmacht und Städten, die mit einer wachsenden
sozialökonomischen Krise zu kämpfen hatten und der zentralistischen
Politik Margaretes und ihres Sohnes
entgegensetzten. Am 29. Dezember 1278 dankte Margarete
als Gräfin von Flandern ab, blieb aber bis zu ihrem Tode Gräfin
von Hennegau.
MARGARETE VON FLANDERN
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* 1202, + 1280
Tochter und Nacherbin des Kaisers von Byzanz Graf Balduin IX. von Flandern-Hennegau-Namur
Margarete I. die Schwarze folgte 1244 ihrer Schwester Johanna und ihrem Schwager Thomas von Savoyen als Gräfin von Flandern-Hennegau-Namur und begann einen Erbkrieg gegen die Familie ihres ersten Mannes und musste 1246 dem Erstgeborenen durch Schiedsspruch König Ludwigs IX. von Frankreich Hennegau abtreten. Sie lehnte sich an Kaiser FRIEDRICH II. an und bekam Namur und Reichsflandern von ihm zugesprochen. Sie verlor letzteres durch König WILHELM VON HOLLAND an den Erstgeborenen und suchte daher Hilfe bei Karl I. von Anjou, dem sie den Hennegau zusprach. 1256 allerdings musste sie endgültig die Erbteilung anerkennen und behielt nur Flandern-Namur. Zeitweise gewann sie Seeland für Guido, zu dessen Gunsten sie 1278 völlig verzichtete. Sie hatte besonders mit ihrer ersten Ehe mit einem Vasallen der Grafen von Flandern für großes Aufsehen gesorgt. Ihre Ehemänner blieben in Flandern ohne Einfluss.
1212-1221
oo Burchard d'Avesnes, Seigneur sde Leuze, Dr.
iur. und Bailli von Hennegau
+ 1244
1223
oo Wilhelm II. de Dampierre, de St-Dizier
+ 1231
Margarethe weilte
seit 1206 gemeinsam mit ihrer Schwester Johanna
am
französischen Hof in Paris.
Burkhard von Avesnes, Domkantor von Laon und
Sundiakon, verließ 1211 den geistlichen Stand, befehdete seinen
Bruder und wurde von dem Grafen Ferrand von Flandern
mit der Statthalterschaft über Hennegau, von der Gemahlin desselben,
der Gräfin Johanna, nachher mit
der Hut ihrer jungen Schwester Margarethe
betraut,
die er dann aber entführte und als seine Gemahlin ausgab, um durch
sie dereinst Anrechte auf Flandern geltend machen zu können. Er wurde
auf dem römischen Konzil gebannt und das über seinen jeweiligen
Aufenthaltsort verhängte Interdikt sollte die Auslieferung
Margarethes
und
Burkhards
Rückkehr in den geistlichen Stand erzwingen: Letzterer fand trotzdem
in den Diözesen von Laon, Cambrai und Lüttich immer wieder freundliche
Aufnahme und nicht bloß bei Weltlichen. Margarethe
sagte
sich zwar später von ihm los, nachdem sie ihm zwei Söhne geboren
hatte.
Favier, Jean: Seite 225-227
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"Frankreich im Zeitalter der Landesherrschaft 1000-1515"
Balduins Tochter
Margarete hatte nämlich zunächst mit Bouchard von
Avesnes eine Ehe von zweifelhafter Legitimität geschlossen, da
Bouchard
als
geweihter Subdiakon unter Heiratsverbot stand, was der Gräfin erst
bewußt wurde, als sie von ihm bereits zwei Kinder hatte. Ihrer zweiten
Ehe mit Wilhelm von Dampierre entstammten drei Söhne, deren
Legitimität nunmehr von der Scheidung von Bouchard abhing,
da, anders ausgedrückt, beider Väter Nachkommenschaft nicht gleichzeitig
legitim sein konnte. Jede Seite aber konnte Gründe ins Treffen führen
und besaß Verbündete unter den Baronen.
Margarete hatte die
Nachfolgefrage zu ihren Lebzeiten selbst zu regeln versucht, und zwar noch
ehe sie durch den Tod ihrer Schwester Johanna
zur Alleinerbin der beiden Grafschaften aufgestiegen war. Als Oberlehnsherr
über Flandern, nicht jedoch über den Hennegau, hatte Ludwig
IX. das Abkommen von 1235 bestätigt, das eine Erbteilung
zugunsten der Familie DAMPIERRE vorsah. Und er war es auch, der
1246 zusammen mit dem Legaten Odo von Chateauroux eine neue Regelung vorbereitete,
derzufolge der Hennegau den AVESNES, Flandern dagegen den DAMPIERRE
zufallen sollte.
Diese Lösung jedoch stellte niemand zufrieden. Johann
von Avesnes erhob als Ältester Anspruch auf das gesamte Erbe,
Wilhelm
von Dampierre junior wollte dagegen Leute, die ihn als Bastard behandelten,
nichts zugestehen. Graf WILHELM VON HOLLAND,
nach der Exkommunikation FRIEDRICHS II.
neuer König von Rom und als solcher Anwärter auf die Kaiserkrone,
erinnerte sich daran, daß Johann von Avesnes eine seiner Schwestern
geehelicht hatte: Er fuhr dem König von Frankreich in die Parade,
sicherte Johann von Avesnes den Hennegau zu und gab ihm obendrein
noch die Grafschaft Namur - ungeachtet der Tatsache, daß Balduin
II. diese Grafschaft dem König von
Frankreich für 50.000 im Orient verausgabte Livres verpfändet
hatte. Am Vorabend des Ägyptenkreuzzugs schien die Angelegenheit endlich
ohne den König von Frankreich mittels einer Leibrente für
Margarete und einer Erbteilung zugunsten
beider Parteien ins Lot zu kommen: Der Papst erklärte die Brüder
AVESNES für legitim, womit der Fall anscheinend als erledigt betrachtet
werden konnte.
Als
Margarete aber beim Tod ihres Sohnes Wilhelm
von Dampierre Flandern dem anderen DAMPIERRE, Guido,
zusprach, kehrte erneut Unfrieden ein. WILHELM
VON HOLLAND reagierte mit der neuerlichen,
diesmal sofortigen Belehnung Johanns von Avesnes mit dem Hennegau,
Namur und dem zum Reich gehörigen Teil Flanderns. Damit war die Eintracht
dahin, die DAMPIERRE fochten vor dem Papst die Legitimität
der Brüder AVESNES an, und alles begann wieder von vorne.
Margarete nutzte
die Gelegenheit, um das Unmögliche zu versuchen: Um den Grafen von
Holland an die alte Lehnshoheit Flanderns über Seeland zu erinnern,
rüstete sie 1253 einen Feldzug aus, der mit einer vernichtenden Niederlage
endete.
Karl von Anjou zeigte
gute Lust, sich einzumischen, zumal er zu diesem Zeitpunkt Höheres
als eine einfache Grafschaft an den Ufern der Loire erstrebte. Margarete
bot ihm für eine Intervention gegen WILHELM
VON HOLLAND den Hennegau an, doch Ludwig
IX., der ein Zerwürfnis mit dem römischen
König um jeden Preis verhindern wollte, dämpfte den Eifer seines
Bruders, was ihm den Ruf des Friedensretters und von seiten Margaretes
die Bitte um Schlichtung des Konfliktes eintrug. Lediglich die Bürger
von Gent, die begriffen, daß sie die Kosten des ganzen Handels tragen
sollten, erhoben unverzüglich Protest.
Am 24. September 1256 fällte
der König von Frankreich seinen Schiedsspruch, den Dit de Peronne,
eine Neuauflage des Schlichtungsversuchs von 1246. Karl
von Anjou verzichtete auf den Hennegau
und erhielt für diesen uneigennützigen Schritt von Margarete
eine Abfindung, wobei die Städte, wie vorherzusehen, zur Kasse gebeten
wurden. Der Tod Johanns von Avesnes bereinigte doe Situation dann
endgültig: Johanns Bruder Balduin erkannte die Ansprüche
Guidos
von Dampierre auf Flandern ohne Umstände an. Einzig
Ludwig IX. ging bei dem Handel leer aus,
erwarb sich dafür aber hohes Ansehen. Den größten Vorteil
erzielte dabei Guido von Dampierre. Er konnte nicht nur die Grafschaft
Namur billig zurückkaufen, sondern sich durch Vermählung mit
der Tochter Heinrichs von Luxemburg auch noch einen wertvollen Bundesgenossen
für die Zukunft sichern. Johann von Avesnes hatte nach dem
Tod KONRADS IV. und
seines Mitbewerbers WILHELM VON HOLLAND
die Kandidatur RICHARDS VON CORNWALL
unterstützt.
Le Goff Jacques: Seite 220-222
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"Ludwig der Heilige"
In Flandern, einem der größten und vermutlich
dem reichsten Lehen des französischen Königreichs, waren die
Frauen nach lehnsherrlicher Gewohnheit - und im Gegensatz zu der ausschließlich
männlichen Nachfolgetradition der KAPETINGER-Könige
- vollgültige Erbinnen der Grafschaft, sofern das Erstgeburtsrecht
ihnen den Vorrang gab. Doch wegen der Eheverhältnisse der Gräfin,
Margarete
von Flandern, herrschte fast dreißig Jahre ein kompliziertes
Durcheinander, das schon mehrfach für Aufruhr gesorgt und erheblichen
Unfrieden gestiftet hatte. Von diesen Verwicklungen will ich nur das erzählen,
was uns erlaubt, die Intervention Ludwigs IX.
zu
verstehen.
Gräfin Johanna,
Witwe des in der Schlacht bei Bouvines besiegten Ferrand
von Portugal war 1244 kinderlos gestorben und hatte die Grafschaft
ihrer jüngeren Schwester Margarete hinterlassen.
Margarete
war in erster Ehe mit Bouchard von Avesnes, Bailli des Hennegau,
verheiratet gewesen. Doch da Bouchard, ursprünglich für
die kirchliche Laufbahn bestimmt, die Weihen des Subdiakons empfangen hatte,
besaß seine Ehe keine Gültigkeit, und Johanna
hatte schon 1216 für den Bund ihrer Schwester die Nichtigkeitserklärung
der römischen Kurie erwirkt. Margarete
und Bouchard von Avesnes hatten sich indessen nicht sofort getrennt
und zwei Söhne bekommen. 1223 schloß Margarete
eine zweite Ehe mit Wilhelm von Dampierre, dem sie drei Knaben gebar.
So begann der Konflikt zwischen den Brüdern AVESNES, die auf
ihr Erstgeburtsrecht pochten, und den DAMPIERRE, die ihren Halbgeschwistern,
Sprößlingen einer illegitimen Ehe, das Erbrecht absprachen und
denen die Gunst ihrer Mutter galt.
Ludwig IX. schaltete
sich wiederholt ein, seines auf Ersuchen dieser oder jener der beiden Parteien,
sei es aus eigenem Antrieb, weil ihm als obersten Lehnsherrn das Schicksal
eines seiner wichtigsten Lehen nicht gleichgültig sein konnte. 1235
verbürgte er ein Abkommen zwischen Johanna
und Margarete, das eine ungleiche Erbteilung
vorsah: zwei Siebtel den AVESNES, fünf Siebtel den DAMPIERRE.
Die ganze Angelegenheit war um so komplizierter, als ein Teil des Erbes,
die Grafschaft Flandern, zum Königreich Frankreich gehörte, während
der andere Teil, das Herzogtum Flandern und seit 1245 auch die Markgrafschaft
Namur (mit der Kaiser FRIEDRICH II. Gräfin
Margarete belehnt hatte, die aber inzwischen als Pfand für
die große Leihgabe zugunsten des lateinischen Kaisers von Konstantinopel,
Balduin II. von Flandern [Richtigstellung: Balduine
ntstammte zwar über seine Mutter Jolanthe
dem flandrischen
Grafenhaus. Seine exakte Bezeichnung ist jedoch
Balduin
II. von Courtenay.], an den König von Frankreich gefallen
war), im Reichsgebiet lag. Die kaiserlose Zeit nach dem Tode FRIEDRICHS
II. im Jahr 1250 ließ dem König von Frankreich freiere
Hand.
Im Jahr 1246 hatten Ludwig IX.
und der päpstliche Legat Odo von Chateauroux im Rahmen der auf den
Kreuzzug ausgerichteten Befriedungsmaßnahmen ein Abkommen ausgehandelt,
demzufolge der Hennegau den AVESNES und Flandern den DAMPIERRE
zufallen
sollte. Margarete setzte ihren Sohn
Wilhelm
von Dampierre in die Grafenwürde ein. Doch
Wilhelm, der
sich dem Kreuzzug Ludwigs IX. anschloß
und 1250 mit den wichtigsten Baronen aus dem Heiligen Land zurückkherte,
starb ein Jahr später ganz plötzlich.
Margarete
übertrug
den Grafentitel seinem jüngeren Bruder Guido, der im Februar
1252, während sich König Ludwig
noch im Heiligen Land aufhielt, Blanka von Kastilien
den Lehnseid leistete. Unterdessen hatte der Papst 1249 endlich die Legitimität
der Brüder AVESNES anerkannt.
Aber Gräfin Margarete verweigerte
Johann
von Avesnes den Hennegau und wollte ihm nur die Markgrafschaft Namur
belassen, deren Lehnsherrschaft sie ihm 1249 abgetreten hatte. Im übrigen
stiftete sie ihre Söhne DAMPIERRE, Guido und seinen
Bruder, sowie etliche französische Barone an, sich in einem Handstreich
der seeländischen Inseln zu bemächtigen, über die sie für
die Grafschaft Flandern Lehnshoheit beanspruchte. Die Landung auf Walcheren
war ein Desaster, und im Juli 1253 nahm der Graf von Holland, ein Bruder
des Römischen Königs, die DAMPIERRE und mehrere französische
Barone gefangen. Daraufhin rief Gräfin Margarete
Karl von Anjou, den jüngsten Bruder Ludwigs
des Heiligen, zu Hilfe. Für seinen Beistand versprach sie
ihm den Hennegau. Karl ging auf den
Vorschlag ein, besetzte Valenciennes und Mons, wurde aber von seinen Ratgebern
dazu überredet, einen Waffengang gegen den Römischen König,
der mit dem König von Frankreich im besten Einvernehmen stand, zu
unterlassen.
Aus dem Heiligen Land zurückgekehrt, beschloß
Ludwig
IX., in den Konflikt einzugreifen. Dafür hatte er drei
gute Gründe: Zwei seiner Vasallen, der Graf von Flandern und dessen
Bruder, befanden sich - nachdem der Graf von Holland die anderen französischen
Barone freigelassen hatte - immer noch in Gefangenschaft; sein eigener
Bruder war in die Sache verstrickt, und er wollte dem Abkommen von 1246
Respekt verschaffen. Verärgert über die unvorsichtigen Initiativen
seines Bruders, rief er als erstes Karl von Anjou
nach Paris zurück.
Behutsam in seinem Vorgehen, suchte Ludwig
dann in Gent Gräfin Margarete auf,
um sie seiner Unterstützung zu versichern und ihr seine Vorschläge
zu unterbreiten. Nachdem die Gräfin und ihre Söhne AVESNES
übereingekommen waren, Ludwig IX. als
Schiedsrichter zu akzeptieren, fällte dieser am 24. September 1256
seinen Spruch (Dit de Peronne), der im wesentlichen eine
Neuauflage des Abkommens von 1246 war: Hennegau den AVESNES, Flandern
den DAMPIEERE. Aber inzwischen war der Hennegau an Ludwigs
Bruder, Karl von Anjou, vergeben. Ludwig
verschaffte
Karl die Möglichkeit, sich ohne Gesichtsverlust aus der
Affäre zu ziehen: Gräfin Mararete kaufte
den Hennegau zu einem sehr hohen Preis zurück. Für die Freilassung
der DAMPIERRE mußte sie auch dem Grafen von Holland ein stattliches
Lösegeld zahlen, aber kurz danach söhnte sich der überlebende
ihrer beiden Söhne aus dem Haus AVESNES, Balduin, Graf von
Hennegau, mit ihr aus.
Leo Heinrich Dr.: Seite 106-117
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"Zwölf Bücher niederländischer Geschichten"
Die Gräfin Margaretha
führte die Regierung mit Zuziehung des ältesten ihrer mit DAMPIERRE
erzeugten
Söhne, Guillaumes, streng und weise. Den früher von Ferdinand,
dann von Thomas mit Frankreich beschworenen Frieden mußte
auch sie bestätigen, ehe sie die Belehnung mit Flandern von
Louis IX. erhielt; und auch wegen der Belehnung mit Hennegau
und mit den deutschen Lehen bei Flandern hatte sie unangenehme Erörterung
mit dem Bischof von Lüttich und dem deutschen Reiche zu bestehen.
Hinsichtlich der inneren Angelegenheiten verfolgte sie die von Thomas
und Johanna eingeschlagene Bahn, überall
zweckmäßige Freiheiten erteilend. Doch wurde diese Tätigkeit
sehr gestört durch den verderblichen Zwist der Söhne Margarethes
aus den beiden Ehen. Guillaume de Dampierre nannte seinen Stiefbruder
Jean d'Avesnes, zu Peronne in Gegenwart des Königs von Frankreich
einen Bastard, worauf Jean entgegnete, daß die Ehe, aus welcher
er und sein Bruder Balduin geboren seien, vollkommen rechtmäßig
gewesen; doch würde selbst die Unrechtmäßigkeit sein Recht
auf Flandern nicht schmälern, da in Flandern von jeher der Bastard
in Beziehung auf die Mutter das volle Erbrecht gehabt habe.
Jean d'Avesnes, von seinem Schwager, dem Grafen
WILHELM VON HOLLAND, unterstützt,
begann endlich 1246 den Krieg gegen seine Mutter und gegen seinen Stiefbruder;
fast der ganze Adel Hennegaus, der in dem D'AVESNES einen Landsmann
sah, fiel ihm zu, und es kam endlich nach einer Berufung auf die Entscheidung
Louis' IX. und des Papstes durch deren
Gesandte zu der Entscheidung: Guilauume de Dampierre solle nach
der Mutter Tode Flandern, Jean d'Avesnes Hennegau erhalten, und
jeder für seine rechten Geschwister sorgen. Jeder Teil beruhigte sich
dabei, und Jean schien um so fester in seinem Recht zu stehen, seitdem
der Graf WILHELM VON HOLLAND in
Deutschland die königliche Würde erlangte. Guillaume de Dampierre
hatte sich in dieser Zeit auf das engste an Frankreich angeschlossen und
begleitete 1248 König Louis auf
seinem Kreuzzuge. Sobald Guillaume nicht mehr der Mutter zur Seite
stand, begann Jean von neuem den Krieg, um sich in vorläufigen
Besitz von Hennegau zu setzen, suchte und erhielt die Grafschaft von dem
inzwischen auf dem Lütticher Stuhle gefolgten Bischofe Heinrich von
Geldern zu Lehen, und erobnerte mit seines Schwagers WILHELM
Hilfe nicht bloß Hennegau, sondern verwüstete auch das Aalsterland,
das Waesland, die vier Ambachten und die Landschaften von Dendermonde und
Geersbergen. Margaretha
schloß endlich mit ihm eine Kapitulation, und zahlte ihm 60.000 Golsdstücke
für den Frieden und für die Anerkennung von Cambray, vom Cambresis
und der Landschaft von L'Alleue bei Flandern. Um endlich den Makel unehelicher
Geburt ganz von sich abzuwenden, ließen die Brüder D'AVESNES
durch eine päpstliche Kommission entscheiden, welche im Jahre 1249
den Ausspruch tat, daß sie als ehelich geboren zu achten seien, da
ihre Mutter die Ehe ohne Kenntnisse des geistlichen Charakters ihres Vaters
geschlossen hätte.
Schon bald nach dem Antritt der
Regierung in Flandern durch Margarethen
hatten sich deren zweiter Sohn,
Gui de Dampierre, mit Mathildis
verheiratet,
der Tochter des Vogtes von Arras, Robert von Bethune und Dendermonde. Kurz
vor seiner Abreise nach dem Heiligen Lande heiratete auch Guillaume
de Dampierre Beatrix von Brabant; auf dem Kreuzzug hatte er das Unglück,
in Ägypten gefangenommen zu werden, und kaum war er 1251 zurückgekehrt,
als er an einer Krankheit, von der er schon unterwegs befallen war, starb
[Oudegherst fol. 188. Anders erzählen Meyer fol. 76 und Delewarde
p.7.: Guillaume sei zu Traisegnies auf einem Turnier geworfen und
von den Rossen zertreten worden.].
Margaretha,
deren Haß gegen ihre Söhne erster Ehe mit den Jahren zunahm,
erkannte durchaus WILHELM VON HOLLAND
nicht als römischen König an. Dieser, um sich zu rächen,
forderte, weil die Belehnung nicht gesucht worden sei, im Juli 1252 alle
deutschen Lehen bei Flandern (das Aalster- und Waesland, die vier Ambachten
und die Inseln nebst Cambray) ab, und übertrug sie an Jean d'Avesnes.
Mit Hilfe König WILHELMS
und des Bischofs von Lüttich brachte Jean ein Heer zusammen;
da aber der Adel sowohl als auch die Städte in diesen Landschaften
zu Flandern hielten, konnte das Heer Verwüstungen anrichten, keine
Eroberungen gründen. Der hennegauische Adel hatte sich bei dieser
Gelegenheit entschiedener für Jean gezeigt; um für die
Zukunft Ähnliches zu hindern, stellte die Gräfin
Margaretha dreihundert Fläminger
von Adel an die Spitze der Verwaltung in Hennegau, übertrug ihnen
die Bailli-Stellen und allen Blutbann und brachte dadurch ihre wallonischen
Untertanen so auf, daß sie sich zum Teil empörten, die Amtleute
der Gräfin schlugen, und eine Anzahl flämischer Edelleute gefangennahmen,
und den Flämingerinnen von Adel, die ihnen in die Hände fielen,
Nasen und Ohren abschnitten. Diese Stimmung, welche in das Jahr 1253 hinein
fortdauerte, benutzte Jean, bemächtigte sich ganz Hennegaus,
während die Holländer, wie es scheint, die seeländischen
Inseln besetzt hielten. Gegen dies letzteren sandte Margaretha
ihre Söhne Gui und Jean de Dampierre mit einem ansehnlichen
Heere; sie wurden aber von Florens, dem Bruder König
WILHELMS, geschlagen und gefangen [Bei
Westkapelle auf der Insel Walchern im Juli 1253. - Die Königin
Blanca von Kastilien kaufte dem armen
Kaiser
Balduin von Konstantinopel in diesem Jahre
die Grafschaft Namur ab, und schenkte sie dessen Gemahlin.]. Erst nach
manchem fruchtlosen Versuch erhielten der Gräfin Boten Gehör
von König
WILHELM, und dann die Antwort, die Gräfin
verdiene keine Antwort, da sie sich gegen das Reich empört. Sie solle
erst ihre Pflichten gegen den König erfüllen, dann könne
von Freilassung ihrer Söhne die Rede sein.
Um ein neues Heer aufstellen zu
können, bot Margaretha Louis' IX.
Bruder, dem Grafen Karl von Anjou,
Hennegau an, und sofort brachte dieser mit Hilfe der Herzöge von Burgund
und Lothringen eine Streitmacht zusammen. Auch Margarethas
Schwager, Thomas von Savoyen, kam zu diesem Heere, so wie viele
Herren, besonders des nordöstlichen Frankreich.
Nachdem er in Hennegau eingefallen
war, nahm Karl Crevecoeur,
dann Valenciennes; Raes van Gaeveren, der früher zu den Hennegauern
gehalten hatte, öffnete Stadt und Burg von Mons. Soignies, Braine-le-Comte,
Maubeuge, Binche, Ath, Beaumont und Le Quesnoy ergaben sich ohne Wderstand.
Bouchain griff Karl
aus Galanterie nicht an, weil die Gemahlin Jeans daselbst in Wochen
lag; nur Enghien ward von Gaultier d'Enghien und von Jeans Besatzung
hartnäckiger verteidigt. Karl
kehrte, ohne es eingenommen zu haben, nach Frankreich zurück,
und bald hatte Jean wieder dessen Besatzungen aus Binche und Mons
vertrieben. Edlich, nachdem König
WILHELM einen Sieg gegen die Friesen erfochten,
konnte er dem D'AVESNES auch wieder Hilfe bringen, und brachte sie
mit einem sehr zahlreichen Heere; auch Karl
zog wieder heran, und vor Valiencennes lagerte das deutsche, in Douay das
französische Heer. Bald fingen WILHELMS
Geldmittel
an zu fehlen; die Friesen rüsteten von neuem, und so gelang es Jean
und Gui von Chatillon (jener Graf von Blois und dieser von St. Pol), so
wie Enguerran de Coucy, einen Waffenstillstand zu vermitteln. WILHELM
ging
nach Holland, Karl
nach
Frankreich zurück; alles blieb zunächst im Status quo. Valenciennes
ergab sich noch den Deutschen.
Nun kam aber König
WILHELM im Kampfe mit den Friesen um,
und Jean d'Avesnes war eben so sehr dadurch genötigt, in dem
Kampfe mit seiner Mutter mildere Seitenn herauszukehren, als es sich Louis
IX. angelegen sein ließ, diesen
Familienzwist auszugleichen. Der König von Frankreich bewog seinen
Bruder Karl,
gegen eine bedeutende Geldsumme wieder auf Hennegau zu verzichten. Der
Vergleich von 1246 ward hierauf Grundlage des zwischen Jean und
Margarethe
geschlossenen Friedens, und Gaultier d'Enghien ward von der Gräfin
zu Gnaden angenommen. Florens, der Oheim und Vormund von König
WILHELMS Sohne, Florens
Grafen von Holland, gab Gui und
Jean
de Dampierre gegen ansehnliches Lösegeld frei [Dieser Vertrag
fand 1256 statt, und es ward dabei ausgemacht, daß entweder Florens
selbst, oder wenn dieser früher sterben sollte, sein Mündel,
Graf
Florens von Holland, die Tochter des jungen
Grafen
Gui de Dampierre heiraten und die seeländischen Inseln als Mitgift
erhalten sollte. Sollte aber der Zufall dies hindern, so sollte einer von
Guis
Söhnen Mathildis,
die Tochter des von den Friesen erschlagenen Königs
WILHELM, heiraten. Übrigens wurde
mit den Holländern der alte Frieden von 1167 erneuert.]. Auch nach
dieser Zeit aber verzichtete Jean d'Avesnes nicht ganz auf seine
Ansprüche hinsichtlich der deutschen Lehen Flanderns; doch überlebte
er den Vertrag nicht lange: er starb im Dezember 1257.
Ohne bedeutende Begebenheiten verflossen
die nächsten Jahre, und das erste denkwürdigere Ereignis wieder
ist erst, daß KönigRICHARD
im Jahre 1269 den Rechtsspruch König
WILHELMS, welcher die deutschen Lehen
von Flandern trennte, annullierte und die Gräfin
Margaretha von neuem damit belehnte.
Das Jahr 1262 brachte neue Streitigkeiten
über dei Markgrafschaft namur, welche von der
Königin Blanka von Kaiser
Balduin gekauft, und dessen Gemahlin Martha
von Brienne geschenkt worden war. Plötzlich
machten die LUXEMBURGER wieder
ihr Recht geltend. Marthas Schultheiß
in Namur ward ermordet; Heinrich von Luxemburg bemächtigte sich der
Stadt. Margaretha
kam sofort Marthen gegen
Heinrich zu Hilfe, der aber von Balduin d'Avesnes, dem Bruder des
verstorbenen Jean, insgeheim begünstigt ward. Balduin leitete
Unterhandlungen zu einem Waffenstillstand, auf welchem bald ein Friede
folgte.
Gui de Dampierre, der seine
erste Gemahlin verloren hatte, heiratete Isabella von Luxemburg,
die Tochter Heinrichs, und erhielt mit Einwilligung Margarethas
die
Markgrafschaft Namur. Mit dieser und den anderen deutschen Territorien
bei Flandern belehnte ihn RICHARD.
Die nächsten Jahre vergingen nun wieder in ungetrübter Ruhe und
in Frieden, bis zum Jahre 1274, wo kurze Zeit ein Mißverhältnismit
England obwaltete, aber sehr bald durch einen neuen Frieden ausgeglichen
ward.
Sofort nach dieser Änderung
der Genter Verfassung wendete sich die Partei der Neununddreißiger
an den Oberlehnsherrn von Flandern, König
Philipp von Frankreich, und beschwerte
sich, daß die Gräfin ohne Urteil und Recht die Privilegien der
Stadt angetastet. Margaretha
führte für sich an die Gesetzwidirgkeiten, welche sich die Neununddreißig
hatten zu Schulden kommen lassen. Der König kommitierte zu Entscheidung
der Sache den Grafen von Ponthieu und den Archidiaconus von Blois, Herrn
Guillaume de Neufville, welche die Wiedereinsetzng der 39 sprachen, im
März 1276. Die Gräfin fügte sich dem Urteil, bestrafte nun
aber sieben von den letzten 39 wegen schlechter Amtsführung.
Es war diese Angelegenheit die
letzte von größerer Bedeutung, welche die Gräfin
Margaretha erledigte. Als sie anfing sich
schwächer zu fühlen, ließ sie am 11. September 1279 ihrem
Sohn Gui in der Nähe von Damme von dem flämischen Adel
huldigen. Sie starb am 10. Februar des nächsten Jahres 1280
zu Gent.
Alle Geschichtsschreiber sind einig
über die herrlichen Geistes- und männlichen Gemütseigenschaften
der "schwarzen Margareth".
1212
1. oo Burkhard Graf von Avesnes
- 1221 - 1244
1223
2. oo Wilhelm II. Graf von Dampierre
um 1200-5.5.1231
Kinder:
1. Ehe
Johann I. von Avesnes Graf von Hennegau
4.1218-24.12.1257
Balduin Seigneur de Beaumont
- 1295
2. Ehe
Guido Graf von Dampierre
1225/26-7.3.1304
Wilhelm III.
1224-6.6.1251
Johanna
- nach
1243
um 1239
1. oo Hugo III. de Vitry Graf von Rethel
- 1243
2. oo Theobald II. Graf von Bar-Mousson
- 1291
Johann I. von Dampierre Seigneur von Dampierre
-
1258
Marie Äbtissin von Flines
-
Literatur:
-----------
Ehlers Joachim: Geschichte Frankreichs im Mittelalter.
W. Kohlhammer GmbH 1987 Seite 123 - Ehlers Joachim/Müller
Heribert/ Schneidmüller Bernd: Die französischen Könige
des Mittelalters. Von Odo bis Karl VIII. 888-1498. Verlag C. H. Beck München
1996 Seite 187 - Ennen, Edith: Frauen im Mittelalter. Verlag C.H.
Beck München 1994, Seite 100,209-210 - Erbe Michael: Belgien,
Niederlande, Luxemburg. Geschichte des niederländischen Raumes. W.
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