Tochter des Grafen Simon I. von Montfort
Nachdem die junge Gräfin den Grafen Fulco IV. von Anjou geheiratet hatte, verließ sie ihren Gatten, um sich 1092 am Hofe des französischen Königs Philipp I. niederzulassen. Dieser verstieß seine Gemahlim Bertha von Holland nach 20-jähriger Ehe und vermählte sich mit der von ihm entführten reizenden Frau. Da ihn jedoch 1094 deshalb der Bann traf und die Grafen von Anjou und Flandern sich empörten, schied er sich zum Schein von Bertrada, nahm sie später wieder zu sich und lebte bis zu seinem Tode mit ihr, worauf sie sich in das von ihr gestiftete Kloster Hautes-Bruyeres bei Chartres zurückzog.
Treffer Gerd: Seite 86-89
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"Die französischen Königinnen. Von Bertrada
bis Marie Antoinette (8.-18. Jahrhundert)"
BERTRADA VON MONTFORT - die Schwierige
* um 1060, + 1117
Fontevraud
Zweite Gemahlin Philipps I. (* 1053; König: 1060-1108) Heirat: 1092 Saint-Jean-de Tours
Diese Königin wird Frankreich eine ganze Reihe von
Schwierigkeiten mitr den Päpsten bereiten.
Zu Lebzeiten seiner ersten Frau Bertha
und obwohl ihm diese vier Kinder geboren hat, entführt und heiratet
Philipp
Bertrada von Montfort. Vor aller Öffentlichkeit lebt er
in Bigamie. Papst Urban II. bannt den Sünder, der keineswegs reuig
ist. Drei sich folgende Exkommunikationen werden keinen Eindruck auf ihn
machen. Wie genau diese Verbindung zustandegekommen ist, bleibt unbekannt.
Bertrada,
knapp über dreißig, ist sehr schön, sehr sinnlich, sehr
leidenschaftlich. Aber: Die Tochter des Grafen Montfort und der Agnes
d'Evreux ist seit vier Jahren mit dem Grafen von Anjou, Foulques
IV., kinderlos verheiratet. Den nennt man den Mürrischen, und
er hat seine zwei früheren Frauen verstoßen.
Natürlich gibt es Legenden um eine solche Frau:
Sie habe ihren Mann aus dem Bett gewiesen, und der mürrische Graf
habe sich auf einen Schemel gesetzt, um sie wie eine Göttin zu betrachten.
Oder: Sie habe Angst gehabt, wie ihre Vorgängerinnen verwiesen zu
werden und sich schutzsuchend an ihren Suzerän gewandt. Der König,
ein Mann ausschweifender Vergnügungen, habe da nicht gezögert
und in dieser sinnlichen Frau einen Gegenpart zu seinen eigenen Begierden
gefunden. Georges Duby, ein Spezialist für diese Zeit, schreibt in
"Der Ritter, die Frau und der Priester" kurz und bündig: "Verführte
Philipp
diese Frau? Wurde er von ihr verführt? Nahm er sie mit Gewalt? Wurde
er von ihr erwartet? Verständigte er sich, was das Wahrscheinlichste
ist, mit ihrem Mann? Welchen Anteil hatte an diesem Handeln, was wir gemeinhin
Liebe nennen?" Und der Historiker antwortet, bescheiden und bedauernd:
"Ich muß gleich und deutlich feststellen, daß wir gar nichts
wissen und niemand je etwas darüber wissen wird. Denn wir wissen fast
nichts über die Menschen, die vor knapp tausend Jahren in diesem Lande
lebten: von den Vorstellungen, die sie im Kopf hatten, wie sie sprachen,
wie sie ihre Kleider trugen, vom Gefühl, das sie für ihre Körper
hatten." In der Unkenntnis über den Seelenzustand Bertradas,
muß man sich auf die Spuren stützen, die die Chronisten hinterlassen
haben.
Entführt oder nicht, Bertrada
heiratet zu Pfingsten 1092 feierlich den König von Frankreich in Saint-Jean
zu Tours. Jetzt hat jeder von beiden zwei Ehepartner, beide sind Bigamisten,
und das stellt die Kirche gerade bei einem Souverän vor große
Probleme. Zwar haben einige Bischöfe das Paar gesegnet. Aber Yves,
Bischof von Chartres, der Vertreter detr reformatorischen Richtung, hatte
sich geweigert, an der Hochzeit teilzunehmen und Philipp
einen in Latein abgefaßten geharnischten Brief geschickt: "Ich werde
kein Ruhe geben, ehe ich weiß, on durch ein allgemeines Konzil eine
rechtmäßige Trauung zwischen Dir und Deiner Gemahlin beschlossen
wurde, und die Möglichkeit einer legitimen Verbindung zwischen Dir
und jener, die Du ehelichen willst." Philipp
kümmert sich um solche Vorwürfe nicht. Aber auch der Bischof
von Chartres wankt nicht. Er stellt eie Akte zusammen und sendet sie nach
Rom. Die Affäre verursacht in der ganzen Christenheit großen
Wirbel. Ungeachtet dessen schenkt Bertrada
dem König mehrere Kinder: einen Philipp
- Graf von Mantes, eine Fleury, eine
Cecilie
und schließlich Eustachie.
Nachdem Bertha 1094
stirbt, wird der Hauptanklagepunkt, die Bigamie des Königs, hinfällig.
Nicht aber die der neuen Königin. Um die Offensive gegen das rebellische
Paar neu zu lancieren, bedient sich Papst Urban II. - der den französischen
König zu Wohlverhalten bewegen will - daher des verlassenen Ehemanns.
Dieser Foulques dröhnt gegen den Ehebrecher, der ihm die Frau
geraubt hat. 1095 zum Beispiel datiert er eine Urkunde so: "Zur Zeit, da
Frankreich durch den Ehebruch des unwürdigen Königs von Frankreich
besudelt war." Papst Urban II., der den Süden des Landes bereist,
läßt er Urkunden zukommen, die zudem die nahe Verwandtschaft
Bertradas mit ihrem Buhlen belegen - fügt dem Ehebruch
mithin auch noch Inzest an.
Währenddessen zeichnen sich große weltgeschichtliche
Ereignisse ab. Die Auseinandersetzung zwischen Christenheit und Islam tritt
in eine neue Phase. Unter Gottfried von Bouillon
werden
Adelige aller Länder zur Wiedereroberung des Heiligen Grabes ausziehen,
große Herren, aber auch Nachgeborene, die sich mit ihrer Tapferkeit
eine Zukunft erstreiten wollen. Zweihundert Jahre lang werden westliche
Kontingente nach Osten ziehen, zu ritterlichen Abenteuern, beseelt von
christlichem Geist, aber auch aus wirtschaftlichen Interessen. 1095 hält
Papst Urban II. zu Clermont ein Konzil ab Er lanciert die große Idee
des Kreuzzuges, zugleich aber exkommuniziert er hier den König von
Frankreich wegen seiner Königin. Was soll Philipp
also bei diesem Kreuzzug? Er bleibt in seinem schönen Palast, bei
seinem süßen Leben. Aber er läßt die Gelegenheit
nicht verstreichen, sein Gut zu mehren. Viele Ritter brauchen, um würdig
in den Kreuzzug zu ziehen, viel Gold. Der König stellt ihnen Geld
oder Ausrüstung. Er tut dies aber nicht aus christlichenm Antrieb.
Die Herren müssen ihm dafür Teile ihrer Lehen abtreten. So erwirbt
er manche Länderei.
Das Konzil vonm Clermont hat aber nicht nur den Kreuzzug
auf den Weg gebracht, sondern - wie gesagt - Philipp
auch
exkommuniziert, eine in jeder Hinsicht schwerwiegende Maßnahme: Der
König wird wie ein Aussätziger aus der Gemeinschaft der Gläubigen
ausgeschlossen und persönlich zur ewigen Verdammnis verurteilt - ebenso
seine Konkubine. Trotz der für das Denken der Menschen dieser Zeit
ungeheuerlichen und entsetzlichen Konsequenzen verstößt Philipp
Bertrada nicht. Steht er wirklich so unter ihrem Einfluß,
ist er ihr hörig? Oder aber dient ihm diese wagemutige Ehe als Vowand,
um den Papst die Stirn zu bieten, der die Unabhängigkeit der Kirche
und zugleich ihre Superiorität über alle Herrscher des Westens
beweisen will? Eine Reihe von französischen Bischöfen unterstützt
ihn, und Philipp widersetzt sich Urban
zwei Jahre lang. Dann sieht sich der Papst gezwungen, ein neues Konzil
nach Nimes einzuberufen, dem er persönlich vorstehen wird. Angesichts
des unlösbaren Konflikts bringt Philipp
ein Opfer und verweist Bertrada vom Hof. Urban erfährt aber, daß
sie immer noch in Philipps Bett regiert.
Diesmal greift der Papst zu schwerstem Geschütz. Er exkommuniziert
den Schuldigen nicht nur neu, er verhängt über das ganze Land
den Kirchenbann: keine Messe, keine Taufe, keine Eheschließung, nichts
geht mehr in der Diözese, in der sich der König aufhält.
1099 stirbt Urban, und das von ihm verfluchte Paar hofft auf mehr Nachsicht
durch seinen Nachfolger, Pascal II. Dieser aber setzt die Politik der geistlichen
Zähmung der Lehnswelt fort. Ein weiteres Konzil in Poitiers bestätigt
sowohl die Exkommunikation als auch den Kirchenbann.
Diesmal lenkt der König ein. Ein neues Konzil tritt
in Beaugency zusammen. Philipp und
Bertrada
erscheinen und schwören, fortan keine fleischlichen Beziehungen mehr
zueinander zu unterhalten. Der Papst erteilt ihnen Absolution. Das hat
1104 eine ebenso demonstrative wie feierliche Sühneveranstaltung in
Paris zur Folge: Bertrada und der König
erscheinen barfuß in Bußkleidern. Philipp
schwört, Bertrada nur noch in
Anwesenheit honoriger, unverdächtiger Dritter zu sehen. Die Chronisten
berichten, daß das Paar dennoch rückfällig wurde. Aber:
die Kirche hat bereits ihre Macht augenfällig demonstriert. Überdies
hat sich die Lage verändert: der Papst benötigt nun die Unterstützung
des Königs von Frankreich. Er gibt vor, nichts zu bemerken.
Der König begnügt sich damit, als zwar klarsichtiger,
aber blasierter Zuschauer die großen Ereignisse zu verfolgen. Die
Verwaltung seines Reiches findet er eher lästig und überläßt
sie ab 1100 - unter dem Vorwand, Ludwig dem
Thron zu assoziieren - diesem Sohn, ein Glücksfall übrigens,
denn Ludwig ist von anderer Art als
sein Vater und stellt in kurzer Zeit das Ansehen der Monarchie wieder her.
Er kocht vor Ungeduld, die Herrschaft allein auszuüben, ist es leid,
immer wieder die Zustimmung seines Vaters einzuholen, der schon äußerst
ungnädig wirkt, wenn man ihm mit Politik kommt und auf den Bertrada
großen Einfluß hat. Zweifellos war sie auch die Urheberin des
großen Konflikts, der 1098 zwischen Philipp
und Ludwig ausgebrochen war und der
die Geduld und die Sohnesliebe Ludwigs
auf eine harte Probe gestellt hatte. Bertrada
wurde auch beschuldigt, einen Mordversuch auf die Person des Thronfolgers
unternommen zu haben.
Philipp stirbt am
30. Juli 1108 in seinem Schloß zu Melun. Zu seinem Begräbnisort
hat er zuvor die Abtei Saint-Benoit-sur-Loire bestimmt und damit die traditionelle
Grablege Saint-Denis abgelehnt: "Ich habe zuviel gesündigt, um neben
dem Heiligen Denis, einem so großen Märtyrer zu liegen." Bertrada
überlebt ihn um fast zehn Jahre. Ludwig
entfernt sie nach dem Tod seines Vaters umgehend vom Hof. Sie zieht sich
ins Kloster Fontevraud zurück und wird Nonne. 1117 stirbt sie
im Alter von siebeundfünfzig Jahren.
1092 verstieß König
Philipp seine Frau Bertha von Holland;
sie war ihm, wie der zeitgenössische Historiker Wilhelm von Malmesbury
berichtet, zu dick geworden. Ihre Stelle sollte Bertrada
von Montfort einnehmen, die allerdings noch mit dem Grafen
Fulko von Anjou verheiratet war und deshalb zunächst von
Philipp entführt werden mußte. Die Tat glückte,
und der Bischof von Senlis erklärte sich bereit, das Paar zu trauen.
Der Ehebruch rief Papst Urban II. auf den Plan. Da seine Aufforderung an
den französischen Episkopat, den König auf den rechten Weg zurückzuführen,
nichts nutzte, beauftragte er Hugo, der bereits Gregor VII. als Legat gedient
hatte und inzwischen Erzbischof von Lyon geworden war, mit der Angelegenheit.
Hugo berief eine Synode nach Autun ein, die 1094 den König exkommunizierte.
Auf dem Konzil von Clermont im Jahre 1095 bestätigte Papst Urban II.
die Exkommunikation.
Mehrmals hat man in den folgenden Jahren versucht, Philipp
vom Bann zu lösen. Er versprach schon bald nach dem Konzil von Clermont,
seiner Verbindung mit Bertrada zu entsagen,
doch stand er allzu sehr im Banne dieser Frau, als daß er dem auch
Taten hätte folgen lassen können. So blieb er fast zehn Jahre
exkommuniziert und konnte deshalb auch nicht am ersten Kreuzzug teilnehmen.
Erst 1104 sollte es zu einer Verständigung kommen: Auf dem Konzil
von Paris erklärten sich der König und Bertrada unter Eid zur
Trennung bereit und wurden absolviert. Zwar hielten sie sich nicht an ihre
Zusage, doch drückte Papst Paschalis beide Augen zu.
Der König lebte ganz im Banne der Bertrada
von Montfort. Seine zweite Frau schenkte ihm drei Kinder:
Philipp,
Florus und Caecilia.
Zuvor hatte er sich entschlossen, Ludwig,
seinen ältesten Sohn aus der Ehe mit Bertha,
als Erben anzuerkennen, und ihm Mantes, Pontoise und die Grafschaft Vexin
übertragen. Bertrada
setzte sich
dagegen zur Wehr und soll sogar geplant haben, Ludwig
umzubringen,
um ihren eigenen Sohn Philipp
die Thronfolge
zu sichern. Ihre Intrigen blieben jedoch erfolglos, und seit dem Jahre
1100 wird Ludwig als rex designatus
bezeichnet.
An Stelle Berthas
trat die ehrgeizige, selbstbewußte, mit Schönheit und weiblichem
Charme wohlversehene Bertrada von Montfort,
die sowohl den König wie bald auch wieder den verlassenen Ehemann,
Graf
Fulco IV. von Anjou, in ihren Bann zu ziehen verstand.
Die Macht dieser Frau wird in der neueren Literatur zuweilen
unterschätzt. Bertrada, bald Mutter
zweier Söhne (Philipp und Florus),
sinnt unterdessen auf Möglichkeiten, die Thronfolge für ihr eigenes
Geschlecht zu sichern. Bei einem Besuch Ludwigs
in London versuchte sie, mit einem nachgesandten, zwar echt besiegelten,
aber trotzdem gefälschten Königsmandat den Stiefsohn auf Lebenszeit
festsetzen zu lassen. Nach Frankreich zurückgekehrt, wünschte
ihr der Prinz den Tod. Sie beauftragte nun drei ihrer Kleriker, Ludwig
zu töten. Dieser Anschlag wird rechtzeitig entdeckt und vereitelt,
gegen das anschließend ausgeführte Giftattentat aber war man
machtlos: Der Prinz erkrankte lebensgefährlich.
Bertrada betreibt
nun Heiratspolitik: Für ihren etwa 10-jährigen Sohn Philipp
gewinnt sie als Gemahlin die Erbin einer strategisch zentral gelegenen
Burg im Süden von Paris, von der aus seit langem der Verkehr auf der
Straße nach Orleans verunsichert wird (Montlhery). Diese Ehe des
Halbbruders ist auch für den Thronfolger akzeptabel, da die Burg,
solange Bertradas Sohn noch minderjährig
ist, vom Vater zunächst Ludwigs
Obhut anvertraut wird. Der Thronfolger erweist sich deshalb auch seinerseits
entgegenkommend. Er versöhnt sich, zumindest vorübergehend mit
der Stiefmutter und verspricht seinem Halbbruder die Grafschaft Mantes
an der Seine. Er selbst gibt 1104 der noch minderjährigen Tochter
des neuen Seneschalls, Guido von Rochefort, ein Eheversprechen, in den
Augen vieler eine Mesalliance, von Bertrada jedoch
begrüßt, denn Ludwigs Verlobte
war nun eine Kusine der Frau ihres Sohnes.
Die Folgen treten nach dem Tod des alten Königs
zutage (1108-1110). Ludwigs Thronfolge
ist keineswegs gesichert. Seine Krönung muß eilends in Orleans
vollzogen werden, ohne Beteiligung des Erzbischofs von Reims und ohne Huldigung
der meisten Großen des Reiches. Ivo von Chartres rechtfertigt dieses
Vorgehen mit der Gefahr von Wirren und Blutvergießen, der Bedrohung
für Reich und Kirche; Störer lägen bereits auf der Lauer,
um die Herrschaft einer anderen Person zu übertragen. Suger spricht
zweimal von eidlich vereinbarter machinatio böser und treuloser Elemente.
Die gesamte Sippe der MOMTFORT, an der Spitze Bertrada,
hoffte, so versichert er, auf den Ruin des Königs und die dann mögliche
Nachfolge des Halbbruders, Philipp.
Ein Zeuge aus Sens endlich betont die verweigerte Mannschaftsleistung seitens
der Herzöge der Normandie, Burgunds und Aquitaniens für die nachfolgende
Zeit. Der junge Pfalzgraf Theobald IV. von Blois seinerseits bringt den
König in höchste Gefahr, und schließlich dekuvriert sich
auch Ludwigs Halbbruder Philipp,
der inzwischen als Graf von Mantes eingesetzt ist und von dort aus Unruhe
ins Land trägt. Gegen ihn geht der neue König am entschlossensten
vor. Die Burg von Montlhery hat er ihm zum Glück nicht übergeben.
Mantes wird eingenommen, Philipp vertrieben,
und Bertrada, die sich ins Anjou abgesetzt
hat, muß beziehungsweise darf gerade noch ihr Wittum verkaufen, mit
dem Erlös ein Kloster gründen (Fontevristinnen von Haute-Bruyere)
und sich dorthin zurückziehen.
Ehlers Joachim: Seite 86-88,90,92,98
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"Die Kapetinger"
Die Trennung des Königspaares koinzidiert aber zeitlich
so eng mit der sogenannten Entführung Bertradas
von Montfort, der Gemahlin des Grafen Fulko von Anjou,
durch Philipp I. wohl am Vorabend des
Pfingstfestes (15. Mai) 1092, daß der zweite und ausschlaggebende
Beweggrund doch wohl in der Liebe des Königs zu Bertrada
gesehen
werden muß, denn politisch war das Unternehmen absurd und hatte verheerende
Folgen. Zu einer ersten begegnung Philipps
mit Bertrada von Montfort mag es zur
Zeit der Allianz des Königs mit Fulko gegen dessen Bruder Gottfried
gekommen sein.
Die ausführlichste Schilderung geben einige Jahrzehnte
nach dem Ereignis die Gesta consulum Andegavorum (Seite 142f.):
Der lüsterne (libidinosus) König sei nach Tours
gekommen, habe sich mit Fulkos Gemahlin besprochen und beschlossen,
sie zur Königin zu machen. In der folgenden Nacht habe diese überaus
schlechte (pessima) Frau ihren Mann verlassen und sich zu
Philipp
begeben, der ihr eine berittene Eskorte als Geleit nach Orleans bereitgestellt
hatte. Im Gegensatz dazu sprechen andere Autoren wie der Fortsetzer Aimoins
(Seite 122) ausdrücklich von einer Entführung Bertradas
durch Philipp, während Ordericus
Vitalis (VIII. 20) Bertrada die Initiative
zuschreibt und das damit begründet, daß Fulko schon zwei frühere
Gemahlinnen zugunsten von Maitressen verstoßen habe und Bertrada
überzeugt
gewesen sei, daß ihr ein ähnliches Schicksal unmittelbar bevorstehe.
Weil sie sich ihres Adels und ihrer Schönheit bewußt gewesen
sei, habe sie ihre Sorgen durch einen Boten dem König mitgeteilt und
der schwache Philipp, unfähig,
dem Angebot der attraktiven Frau zu widerstehen, habe in das Verbrechen
eingewilligt. Bertrada habe daraufhin
ihren Mann verlassen und sich in die Francia begeben, wo
Philipp
sie freudig aufgenommen, Bertha aber
verstoßen habe.
In der Zuweisung der Verantwortung äußerte
sich der schon zitierte Wilhelm von Malmesbury vor 1125 ähnlich und
erinnerte an das Sprichwort "Nicht gut passen zusammen noch bleiben an
einer Stätte Majestät und die Liebe."
In dieser Welt mußte eine Verbindung der Art, wie
sie Philipp I. und Bertrada
von Montfort eingegangen waren, stärkste Turbulenzen auslösen
und es ist erstaunlich, wie entschlossen der immer wieder als schwach und
beeinflußbar hingestellte König daran festgehalten hat.
Philipp wandte sich
zunächst an Ivo von Chartres, dessen Autorität in der französischen
Kirche unbestritten war, um ihn zur geistlichen Legalisierung seiner Verbindung
mit Bertrada zu veranlassen. Der Bischof
hatte schwere Bedenken und verlangte zuvor eine legale Scheidung der bestehenden
Ehe durch ein französisches Generalkonzil. Dennoch kam es in Paris
zu einer Bischofsversammlung in Paris, bei der die Verbindung Philipps
mit Bertrada von Montfort eingesegnet
worden ist, vermutlich durch den Bischof von Senlis. Nun griff Papst Urban
II. ein und verlangte, ellerdings vergeblich, vom französischen Episkopat
korrigierendes Einwirken auf die Verhaltensweise des Königs. Den Erzbischof
von Lyon, jenen Hugo von Die, der schon Gregors VII. Legat für Frankreich
gewesen war, beauftragte er mit der Lösung des Falles. Hugo
berief eine Synode nach Autun, die den König im Oktober 1094 in den
Bann tat. Philipp I. befand sich jetzt
in derselben Lage wie HEINRICH IV.,
doch der Papst bestätigte die Bannsentenz zunächst nicht.
Vom 18. bis zum 28. November versammelte Urban eine Synode
in Clermont, die als Schauplatz einer berühmten Kreuzzugspredigt bekannt
ist. Weil Philipp I. seine Zusagen
nicht eingehalten hatte, mußte der Papst ihn und Bertrada
exkommunizieren. Obwohl der Bann schon im folgenden Jahr wieder aufgehoben
wurde, weil Philipp endgültige
Trennung von Bertrada versprochen hatte,
mußte die von Clermont ausgehende Kreuzzugsvorbereitung ohne die
großen europäischen Monarchien auskommen, denn auch HEINRICH
IV. war exkommuniziert.
Obwohl der exkommunizierte Philipp
I. noch unter Urbans Nachfolger Paschalis II. (1099-1118) bei
Festkrönungen die Insignien aus der Hand von Bischöfen empfing,
brachte der Bann doch Nachteile im Hinblick auf die Loyalitätspflichten
der Vasallen und des Kronepiskopats, deren beider Bezug auf den König
seiner Rechtsgrundlage beraubt war. Infolgedessen gab es mehrmals Versuche,
die Rekonziliation zu erreichen, aber jede Vermittlung scheiterte an Philipps
Weigerung, sich von Bertrada zu trennen.
Erst der wachsende Einfluß des Thronfolgers
Ludwig führte schließlich zur Verständigung.
Schon aus diesem Grund war den Burgherrn des Umlandes
die Souveränität zu nehmen, mit der sie die Region weitgehend
beherrschten und dabei durch Ludwigs
Stiefmutter Bertrada von Montfort ausdauernde
Unterstützung bekamen. Ihr Sohn Philipp
hielt die Burg Mantes (Dep. Yvelines, 60 km westlich Paris); Ludwig
brach sie und vertrieb mit Philipp auch
dessen Mutter, die sich ins Anjou zurückziehen mußte.
Ennen, Edith: Seite 97-98
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"Frauen im Mittelalter"
Wieder anders lagen die Dinge bei Philipp
I. von Frankreich. Er verließ seine Frau Bertha,
Tochter des Grafen von Holland, und heiratete Bertrada,
die Gattin Fulcos von Anjou. Ein Annullierungsgrund gegenüber
Bertha,
die ihm einen Sohn geboren hatte, bestand nicht; daß sie, wie ein
Chronist behauptet, ihm "zu dick" war, entschuldigte - wenn diese Anektode
stimmt - natürlich nicht sein ehebrecherisches Verhalten. Dagegen
war er mit der Ehebrecherin
Bertrada
auch noch verwandt. Trotzdem hat der Bischof von Senlis die Ehe in Anwesenheit
der Kronbischöfe eingesegnet, und Bertrada
wurde in Frankreich anerkannt, sie besaß Einfluß, besonders
in der Frage der Bischofsernennung. Der Papst und der große Reformer
Ivo von Chartres verurteilten das skandalöse Verhältnis. Philipp
hielt aber die Beziehung aufrecht; altgeworden hat er zwar 1105 mit
Bertrada Buße getan und Besserung gelobt - aber dennoch
die Beziehung zu Bertrada wieder aufgenommen. Nach Philipps
Tod (1108) zog sich Bertrada in das Reformkloster Fontevrault zurück.
1. oo 4. Fulco IV. Rechin Graf von Anjou
1043- 1109
15.5.1092
2. oo Philipp I. König von Frankreich
1052-29.7.1108
Kinder:
2. Ehe
Philipp
-
Florus
-
Caecilia
-
Literatur:
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Berg Dieter: Die Anjou-Plantagenets. Die englischen
Könige im Europa des Mittelalters. Verlag W. Kohlhammer 2003 Seite
18 - Ehlers Joachim: Die Kapetinger. W. Kohlhammer GmbH Stuttgart
Berlin Köln 2000 Seite 86-88,90,92,98,109 - Ehlers Joachim:
Geschichte Frankreichs im Mittelalter. W. Kohlhammer GmbH 1987 Seite 77,80,85,87
- Ehlers Joachim/Müller Heribert/Schneidmüller
Bernd: Die französischen Könige des Mittelalters. Von Odo bis
Karl VIII. 888-1498. Verlag C. H. Beck München 1996 Seite 113,123,125,127,131,135
- Ennen, Edith: Frauen im Mittelalter. Verlag C.H. Beck München
1994, Seite 97-98 - Favier, Jean: Frankreich im Zeitalter der Landesherrschaft
1000-1515. Deutsche Verlagsanstalt Stuttgart 1989 Seite 108 - Glocker
Winfrid: Die Verwandten der Ottonen und ihre Bedeutung in der Politik.
Böhlau Verlag Köln Wien 1989 Seite 344 - Mexandeau Louis:
Die Kapetinger. Editions Rencontre Lausanne 1969 Seite 155 - Treffer
Gerd: Die französischen Königinnen. Von Bertrada bis Marie Antoinette
(8.-18. Jahrhundert) Verlag Friedrich Pustet Regensburg 1996 Seite 86-89
-