Begraben: Jerusalem, Grabeskirche
Einziger Sohn des Königs
Amalrich I. von Jerusalem aus dem Hause
ANJOU aus seiner 1. Ehe mit Agnes de
Courtenay, Tochter von Graf Joscelin II.
Lexikon des Mittelalters: Band I Spalte 1367
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Balduin IV., König von Jerusalem seit 1174
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* 1160, + 1185
Begraben: Jerusalem, Grabeskirche
Sohn Amalrichs I. und dessen 1. Gemahlin Agnes von Courtenay
Von Wilhelm von Tyrus erzogen, bestieg er mit 13 Jahren
den Thron. Trotz seiner Erkrankung an Aussatz, den periodischen
Regentschaften und den Rivalitäten, die zwischen seinen Ratgebern
auftraten, gelang es Balduin, tatkräftig
alle muslimischen Angriffe abzuwehren. Der aussätzige König bewies
dabei trotz seiner körperlichen Schwäche große Fähigkeiten
als Feldherr. 1177 fügte er Saladin
die schwerste Niederlage bei, die dieser je erlitt. Doch wurde Balduin
später in der Schlacht von Baniyas geschlagen, ebenso in einer weiteren
Schlacht unweit von Sidon und Saladin zerstörte die neue Burg der
Templer, Le Chastellet am oberen Jordan. 1182 griff der AYYUBIDE
die Burg Montreal an, ebenso Galiläa, dessen Verlust Balduin
durch seinen Sieg bei Nazareth jedoch verhindern konnte. Im Oktober 1182
eroberte Balduin unter Ausnutzung eines
Feldzuges, den Saladin gegen Mesopotamien
führte, die Burg Habis Jaldak im Sawad. Als 1183 seine Krankheit
ihm zunehmend der Sehkraft und Gehfähigkeit beraubte, ernannte Balduin
Guido von Lusignan zum Regenten des Königreiches. Er entzog
ihm die Regentschaft jedoch im November 1183 und nahm erneut die Regierung
in die Hand. Doch mußte er Anfang 1185 diese an Raimund III. von
Tripolis abgeben. Unterdessen bot eine Gesandtschaft in den Westen die
Oberherrschaft über das Königreich den Königen von Frankreich
und England an. Im März 1185 verstarb Balduin.
- Die Regierung dieses aussätzigen, durch Tapferkeit und Tatkraft
ausgezeichneten König wurde beeinträchtigt durch Konflikte zwischen
der Hofpartei (ihre wichtigsten Anhänger waren: die Schwester des
Königs, Sybilla, ihr zweiter Gatte
Guido
von Lusignan, die Königin-Mutter,
Agnes,
ihr Bruder Joscelin und Rainald von Chatillon) und einer baronialen Gruppe,
geführt
von Raimund III. von Tripolis. Die Rolle der Magnaten im Königreich
wurde im Zuge dieser Auseinandersetzung bedeutend gestärkt.
BALDUIN II., König 1174-1185
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* 1160, + 16.3.1185
Siegte über Saladin,
konnte aber dessen Übermacht nicht brechen; ernannte 1183 seinen fünfjährigen
Neffen Balduin V. zum Mit-König
(+ 118).
XIV. 58 a. Balduin, König von Jerusalem 1174
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* 1161, + 1185 vor 16.V.
BALDUIN IV. "der Aussätzige"
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* 1161, + 1185
Balduin IV. der Aussätzige
folgte
unter seinem Großonkel, dem Grafen Raimund von Tripolis und siegte
1177 überraschend über Saladin
bei Ramla, womit die Eroberung Jerusalems hinausgezögert wurde. Seine
Zeit war geprägt von zerstörerischen Querelen und Nachfolgefragen.
Balduin
IV. verzichtete 1183 an seinen Neffen Balduin
V.
Bei der Annullierung seiner ersten Ehe hatte König
Amalrich dafür gesorgt, dass die Kinder Balduin
und Sibylle als legitim erklärt
wurden. Da andere männliche Erben fehlten, folgte ihm 1174 sein Sohn
Balduin
IV. Er war von Wilhelm von Tyrus erzogen worden, der ihm aber
außer Ausdauer, Geduld und einem Talent für den Umgang mit Pferden
keine besonderen Eigenschaften zubilligt. Schon früh befiel ihn die
Lepra.
Die Krankheit entstellte sein Aussehen und führte zu einer unmerklich
fortschreitenden Lähmung der Extremitäten, die ihn vom Pferd
in die Sänfte umzusteigen nötigte. Sein Schicksal war persönlich
und politisch gleichermaßen tragisch. Dem Zerfall des Reiches in
zwei einander bitter befehdende Parteien hat er nicht steuern können,
aber er hat sich mit heroischen Anstrengungen um seine königliche
Stellung bemüht. Es muß ihm klar gewesen sein, dass seine Krankheit
seine Amtsfähigkeit in Frage stellte, aber er tat alles, um angebliche
oder wirkliche Versuche einer Ablösung, an denen es nicht fehlte,
zu blockieren. Diese geradezu fixe Idee seiner Regierung machte ihn zu
einem mißtrauischen Menschen, der in jedem den potentiellen Gegen-König
witterte. Man fragt sich natürlich, warum der Adel ihn überhaupt
auf den Thron ließ. Man muß aber, was in der Literatur übersehen
wird, den Bericht Wilhelms von Tyrus so verstehen, dass man zu Lebzeiten
des Vaters zwar schon wußte, dass Balduin
krank war, die Krankheit aber erst kurz vor seiner Volljährigkeit
(Mitte 1176), also erst nach der Thronbesteigung, diagnostiziert wurde.
Die wenigen Eingeweihten mögen selbst die Tatsache der Krankheit geheimgehalten
haben, denn als 1174 der Günstling des Königs
Amalrich, Milo von Plancy, faktisch das Regiment für Balduin
führte, tritt als ein besonderer Vorwurf gegen ihn hervor, dass er
die Person des Königs von den Vasallen hermetisch abschirmte, wofür
es freilich auch andere Gründe gab. Öfters war Balduin
zur Bestellung eines Regenten (Bailli) genötigt, zuerst wegen seiner
Minderjährigkeit, später wegen seiner Krankheit. Nachdem dem
unkonstitutionellen Regime des Milo von Plancy durch seine Ermordung ein
rasches Ende gemacht worden war, erhielt noch 1174 der 34-jährige
Graf Raimund III. von Tripolis als nächster (männlicher) Verwandter
des Königs, der durch seine Ehe mit Eschiva, der Witwe des Fürsten
von Galilaea, Herr von Tiberias und damit auch einer der größten
Lehnsleute des Königs von Jerusalem war, die Regentschaft bis zur
Volljährigkeit des Königs. Er betrieb mit straffer Selbstkontrolle
eine Politik der besonnenen Abwehr und des Ausgleichs mit den Muslimen,
die er in langer Gefangenschaft gut kennengelernt hatte. Er wurde das Haupt
der einen Partei, die man vergröbernd die der alten Familien nennen
kann. Hierzu gehörten der Konstabler Humfred II. von Toron, die IBELINS
und der gebildete, Arabisch sprechende Rainald von Sidon, vor allem aber
Wilhelm von Tyrus, den Raimund 1174 zum Kanzler des Königreichs, 1175
zum Erzbischof von Tyrus machte. Allerdings wurde Wilhelm nach dem Ende
von Raimunds Regentschaft vorübergehend an der Ausübung seiner
Kanzlergeschäfte gehindert, in die er erst im Sommer 1177 wieder zurückkehrte.
Einige Jahre konnte sich der Routinier zwischen den Fronten halten und
blieb bis 1180 der außenpolitische Hauptberater des Königs,
der das Reich auf dem Dritten Laterankonzil und in Konstantinopel vertrat
und weiterhin die dann 1182 im byzantinischen Lateinerpogrom zusammenbrechende
Anlehnung an Byzanz betrieb, für die er sich schon unter Amalrich
eingesetzt hatte. Die andere Partei war komplexer zusammengesetzt. In ihr
dominierten die stärker auf Abenteuer und Besitzerwerb bedachten Neuankömmlinge,
die erst in der ersten Generation im Heiligen Land waren. Rainald von Chatillon
war einer ihrer Führer. Zu Rainald stießen die Brüder Amalrich
und Guido von Lusignan, unruhige und
ehrgeizige Poitevins, die dort von Richard Löwenherz
seit
kurzem vertrieben worden waren, dann Joscelin III. von Courtenay, Titulargraf
von Edessa, ein Graf ohne Grafschaft, der sich mit einer Habgier ohnegleichen
in der Gegend von Jaffa die sogenannte "Seigneurie de Joscelin" zusammenraffte,
ferner seine Schwester Agnes von Courtenay,
die als Mutter Balduins IV. und Großmutter
Balduins
V. einen besonders schlechten Einfluß auf den König
ausübte. Während Raimunds Regentschaft war die Stellung von
Agnes noch relativ bedeutungslos, obwohl sie 1175 die Wahl ihres
Günstlings Eraclius zum Erzbischof von Caesarea durchsetzte. Nach
Raimunds Abtritt sorgte sie dafür, dass ihr eigener Einfluß
und den ihrer Kamarilla, die in der Literatur als "Hofpartei" bekannt ist,
rasch anwuchsen. Sie stand 1176 hinter der Ernennung ihres gerade von ihr
aus der Gefangenschaft freigekauften Bruders Joscelin III. zum Seneschalk
von Jerusalem. Durch eine Ehe zwischen
Maria Komnena,
der Witwe des Königs Amalrich,
mit Barisan, dem jüngsten der IBELIN-Brüder, wuchs ihr Einfluß
am Hof (1177), weil die Ehe das Ende von Marias
Stellung als ehemaliger Königin bedeutete. Der mächtige Konstabler
Humfred II. von Toron wurde, ähnlich wie 1176/77 Wilhelm von Tyrus,
kaltgestellt, ohne abgesetzt zu werden. Jedenfalls verschwindet der vorher
Allgegenwärtige im Laufe des Jahres 1176 aus den Königsurkunden,
zeitweise wegen Krankheit; den Armeeoberbefehl übernahm Rainald von
Chatillon. Erst im Februar 1179 bei einem Schiedsgericht zwischen Templern
und Johannitern, dann im April 1179 bei schweren Kämpfen bei Baniyas
war Hunfred wieder dabei. Dort rettete er in alter Treue den leprösen
König, kam an den Folgen aber selbst um, ein schwerer Verlust für
das Reich. Agnes sorgte dafür,
dass Amalrich von Lusignan seine Nachfolge
antrat. Bei einer Kampfwahl des Jahres 1180 gelang es Agnes,
Eraclius von Caesarea (+ etwa 1190) gegen die Kandidatur Wilhelms von Tyrus
zum Patriarchen zu machen, womit der Aufmarsch der Parteien beendet war.
Wilhelm wurde zunehmend aus der Politik verdrängt. Trotz seiner Erfahrungen
wurde nicht er 1180 nach Konstantinopel geschickt, sondern Joscelin III.
Im März amtierte er letztmals als Kanzler. Dass er von Eraclius in
Rom vergiftet worden sei, ist demonstrierbar verkehrt, während es
möglich ist, dass dieser ihn im Frühjahr 1183 exkommunizierte,
als die Hofpartei mit der Ernennung Guidos von
Lusignan zum Regenten einen großen Sieg errungen hatte.
Mit der Wahl von 1180 war der Aufmarsch der Parteien
beendet. Der größte Teil der Geistlichkeit trat auf die Seite
des Patriarchen und der LUSIGNANS,
sicherlich auch deshalb, weil der König die Bischöfe durch seine
Knauserigkeit gegenüber der Kirche verprellt hatte. Für diese
im Gegensatz zur Freigebigkeit seiner Vorgänger stehende Haltung Balduins
ist es bezeichnend, dass er, obgleich selbst leprös, nicht einmal
dem jerusalemitanischen Leprosenkonvent von St. Lazarus eine Schenkung
gemacht hat. Die Ritterorden schlugen sich seit 1186 in verstärktem
Maß auf die Seite der Hofpartei, weil der Templermeister Gerard von
Ridefordia aus früheren Zeiten einen bitteren persönlichen Haß
auf Raimund III. von Tripolis hatte, der ihm vor seinem Eintritt in den
Orden die Ehe mit einer reichen Erbtochter eines seiner Vasallen verweigert
hatte.
Da Balduin IV. nicht
heiraten konnte, konzentrierten sich die Erwägungen hinsichtlich der
Thronfolge vorerst auf seine Schwester Sibylle.
Sie hatte 1176, noch von dem Regenten Raimund arrangiert, den Markgrafen
Wilhelm von Montferrat geheiratet, der aber schon 1177 starb und sie schwanger
hinterließ. Ihr Sohn war der nachmalige König
Balduin V. Noch vor dessen Geburt propagierte der Graf von Flandern,
der 1177 ins Heilige Land kam und in einer Serie verwirrender und sprunghafter
Züge das neuerliche Projekt einer byzantinisch-fränkischen Eroberung
Ägyptens hintertrieb, die Wiederverheiratung
Sibylles mit einem Sohn des Vogts von Bethune, dessen Identität
er allerdings nicht preisgab, so dass Wilhelm von Tyrus das Projekt leicht
blockieren konnte. Dass Jerusalem in der internationalen Politik kaum noch
zählte, zeigt nicht nur der niedrige Rang des Bewerbers, sondern auch
die von Wilhelm zurückgewiesene Zumutung, die Thronerbin einem Unbekannten
zu versprechen. Auch über die Regentschaft des Grafen wurde verhandelt,
wobei die Angst des Königs vor einer Ablösung hervortritt. Als
im Frühjahr 1180 der Fürst von Antiochia und Raimund III. von
Tripolis aus dem Norden sich ins Königreich begaben, fürchtete
der König erneut die Absetzung, mindestens aber die Lösung der
Ehefrage seiner Schwester, die nicht in seinem Sinne war. Er kam solchen
Eventualitäten dadurch zuvor, dass er Sibylle
mit unziemlicher Hast mit Guido von Lusignan verheiratete,
war er bereuen sollte. Dabei muß ihm klar sein, dass die Ehe die
Interessen der mächtigen IBELINS verletzte, weil es 1179 Bestrebungen
gegeben hatte, Sibylle mit dem Führer
des Hauses IBELIN, Balduin von Ramla, zu verheiraten. Dieses Projekt war
auch vom byzantinischen Kaiser unterstützt worden, der für den
in Gefangenschaft geratenen Balduin ein monumentales Lösegeld aufbrachte,
so dass er in ihm den künftigen König Jerusalems gesehen haben
muß. Im Jahre 1186 sollte Balduin dem zum König avancierten
Guido
als
einer von nur zwei Baronen die Huldigung verweigern. An Balduins Stelle
schob sich nun Guido von Lusignan;
die Hofpartei war einen Schritt weiter. Guido
wurde
Graf von Jaffa-Asakalon. Die einzige Alternative zu Sibylle
war ihre Halbschwester Isabella aus
der zweiten Ehe König Amalrichs,
die bei den IBELINS in Nablus lebte. Noch im selben Jahr (1180) gelang
es der Hofpartei, sie dem Einfluß der IBELINS zu entziehen und sie
zu verloben mit Humfred IV. von Toron, der zwar der Enkel des Konstablers
war, aber vor allem der Erbe Transjordaniens, wo er bei seinem Stiefvater
Rainald von Chatillon lebte. Rainald war der Hauptarrangeur der Verbindung,
aber Agnes wird ihre Hand im Spiel
gehabt haben, da Humfred das väterliche Erbgut Toron aufgeben mußte
und Agnes schon 1184 in dessen Besitz
erscheint. Die Hofpartei besetzte jetzt die wichtigsten Hofämter,
hatte den Episkopat auf ihrer Seite und kontrollierte neben der Krondomäne
die Doppelgrafschaft Jaffa-Askalon, Transjordanien und Hebron sowie Toron.
Widerstand konnte nur noch von Galilaea unter Raimund III. und von den
IBELINS in Ramla und Nablus kommen. Im Jahr 1182 kam es zu dem beispiellosen
Vorgang, dass der König in seiner Panik und von seiner Mutter in seinen
Befürchtungen angestachelt, dem Grafen von Tripolis (seinem Vasallen!)
kurzerhand das Betreten des Reiches verbot.
Unter solchen Umständen war Saladin
nicht
wirkungsvoll zu bekämpfen. Zwar erfocht Balduin
IV. 1177 bei Mont Gisard in der Nähe von Ramla einen glänzenden
Sieg, konnte ihn aber nicht ausnutzen; 1179 mußte er es hinnehmen,
dass Saladin die neu gebaute Festung
Chastellet an der Jakobsfurt zerstörte; 1180 kam es dann zu einem
zweijährigen Waffenstillstand. Der erfolgreiche Vorstoß Saladins
gegen Aleppo (1183) nötigte die Franken zu Gegenmaßnahmen. Es
wurde erneut eine Sondersteuer ausgeschrieben, in der die Reichen aber
wesentlich milder davonkamen als der Rest der Bevölkerung, auch wenn
das Steuerdekret die Gleichheit der Besteuerung betonte. Die Krankheit
des Königs verschlimmerte sich ständig. Er hatte Lähmungserscheinungen
und begann zu erblinden, ein lebendiger Kadaver von 21 Jahren. Nach einem
arabischen Reisebericht von 1184 vermied er der Krankheit wegen nach Möglichkeit
öffentliche Auftritte. Er hatte schon 1182 in Europa seine Abdankung
angeboten, freilich unter der irrealen Bedingung, dass entweder der französische
oder der englische König sein Amt übernehmen würden; in
einem Briefsteller der Zeit ist als Stilübung sogar ein Abdankungsschreiben
von ihm erhalten. Die Bestellung eines Regenten ließ sich 1183 trotz
der Abneigung Balduins dagegen nicht
nehr umgehen. Nach Lage der Dinge kam dafür nur Guido
von Lusignan in Betracht, in dem man den künftigen Herrscher,
mindestens aber den Regenten für Balduin
V. nach dem Tode Balduins IV. sehen
mußte. Der König traute auch Guido
nicht und nahm ihm einen Eid ab, dass er zu seinen Lebzeiten nicht nach
der Krone greifen werde. Aus diesen Beweggründen behielt Balduin
bezeichnenderweise neben einer Jahresrente von 10.000 Goldstücken
auch Jerusalem, an dem die Königswürde hing; alles andere bekam
der Regent. Die Hofpartei schien am Ziel. Aber bald wurde der König
wieder anderen Sinnes, und der Vorwand für die Abberufung Guidos
war, dass er die Armee nicht aus einer wasserreichen Stellung in eine höchst
riskante Feldschlacht locken ließ, was durchaus herkömmlich
Taktik entsprach. Überdies provozierte der König Streit mit Guido,
als er plötzlich Jerusalem gegen Tyrus eintauschen wollte und sich
ein kalkulierbares Nein Guidos einhandelte.
Balduin
nahm also im Herbst 1183 die Regierung wieder in die eigene Hand. Die einzige
Alternative zu Guido als Regent aber
war Raimund III. Um dies zu verhindern, legte Agnes einen Kompromißvorschlag
vor, auf den sich beide Seiten gerade noch einigen konnten, auch wenn er
erhebliche Diskussionen auslöste: der König regierte ohne Regent
weiter, was in der Praxis die Herrschaft der Hofpartei zementierte. Die
Nachfolgefrage aber wurde dadurch gelöst, dass des Königs Neffe
Balduin
V. am 20. November 1183 in einer ganz ungewöhnlichen Abweichung
vom Verfassungsbrauch noch zu Lebzeiten des Vorgängers zum König
erhoben wurde und die Huldigung der Vasallen empfing. Danach entsetzte
der König die belagerte Burg Kerak in Transjordanien, wo gerade
die Hochzeit zwischen Isabella und
Humfred IV. von Toron gefeiert wurde. Um die IBELINS aus Transjordanien
fernzuhalten, untersagte Humfred seiner Gemahlin jeden Kontakt mit ihrer
Mutter in Nablus.
Dem König ging die Entmachtung Guidos von Lusignan
noch nicht weit genug. Er betrieb im Frühjahr 1184 ohne Erfolg auch
noch Guidos Scheidung von Sibylle.
Das trieb Guido in den offenen Ungehorsam:
er ignorierte Vorladungen vor die Haute Cour, obgleich sie der König
selbst nach Askalon überbrachte. Jaffa wurde dem Grafen entzogen und
unter königliche Verwaltung gestellt. Auf einer Reichsversammlung
in Akkon, die über eine hochrangige Gesandtschaft nach Europa befinden
sollte, durchbrach der Patriarch die Tagesordnung, um den König mit
Guido zu versöhnen. Als der König sich weigerte, ihn
überhaupt anzuhören, verließ der Patriarch empört
die Versammlung, die der König dann schloß, weil er politisch
zu schwach war, um die alte Tagesordnung noch abzuhandeln. Der Patriarch
war einer der Exponenten der Hofpartei, und ohne ihn wollte ihn guter Teil
des Adels überhaupt nicht mehr beraten. Auf einer weiteren Reichsversammlung
wurden der Patriarch und die beiden Ordensmeister zu Gesandten nach Europa
bestellt, gleichzeitig aber wurde Raimund von Tripolis zum zweiten Male
zum Regenten ernannt. Der Graf stellte harte Bedingungen. Für sich
verlangte er Beirut als Bezahlung. Außerdem sorgte er gegen eine
erneute Absetzung vor, indem er die Garantie verlangte, dass er auf 10
Jahre Regent bleibe, also auch während der Minderjährigkeit Balduins
V., ja (wenn die Zahl nicht als eine runde zu nehmen ist) sogar
noch etwa zwei Jahre darüber hinaus. Für den Fall eines vorzeitigen
Todes des Kindes sollten der Papst, der Kaiser und die Könige von
Frankreich und England darüber entscheiden, welche der beiden Töchter
Amalrichs, Sibylle oder
Isabella,
für sich oder ihre Nachkommenschaft die besseren Ansprüche hätte.
Die Vormundschaft über Balduin V.
lehnte er ab, um sich nicht im Falle seines vorzeitigen Todes dem Mordverdacht
gegenüberzusehen. Zum Vormund wurde daher der Großonkel
Balduins
V. bestellt, Joscelin III. von Courtenay, also ein Mitglied
der Gegenpartei. Dies war eine Konzession an Joscelin, die diesem aus der
Hofpartei zu lösen schien. Acht Jahre Arbeit der Hofpartei waren vertan.
Agnes
von Courtenay dürfte dies nicht mehr erlebt haben, jedenfalls
war sie am 1. Februar 1185 bereits tot. Da Guido
von Lusignan politisch am Ende schien, die Regentschaft Raimunds
für die Hofpartei aber inakzeptabel war, betrieb der Patriarch in
Europa nunmehr offen die Ablösung der ganzen Dynastie, obgleich Jerusalem
zwei Könige hatte. Er fand für solche Pläne freilich weder
in Frankreich noch in England Unterstützung und kehrte 1185 erfolglos
zurück.
Im Frühjahr 1185 erlag der unglückliche
Balduin
IV. seinem Leiden.
Pernoud Regine: Seite 118
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"Frauen zur Zeit der Kreuzzüge"
Drei Tage nach dem Tod von König
Amalrich (+ 11. Juli 1174) wurde sein 13-jähriger Sohn
in der Grabeskirche als König Balduin IV.
bestätigt
und gesalbt. Schon als Kind war er "sehr schön, lebhaft und offen
und ritt vorzüglich, besser als sein Vater... Er hatte ein sehr gutes
Gedächtnis, war recht belesen, merkte sich die Ereignisse der Geschichte
und gab sie sehr gern wieder". Wilhelm von Tyrus, der Erzieher dieses begabten
jungen Mannes, äußert sich sehr lobend über ihn, berichtet
jedoch auch, mit welch tiefer Bestürzung er feststellte, als Balduin
noch ein Kind war, dass dieser von der Mistelsucht (dem Aussatz)
befallen war. Er hatte beobachtet, dass Balduin keinerlei Schmerz in Armen
und Händen empfand, wenn er sich beim Spielen mit anderen Kindern
verletzte. Nachdem er genauer darauf geachtet hatte, bemerkte er an seinen
Händen und Armen die schuppigen Flecken, mit denen sich die Krankheit
ankündigt. Nichts konnte das Fortschreiten des schrecklichen Leidens
aufhalten, so dass man Balduins Regierungszeit
letzten Endes nur als eine jahrelange Agonie bezeichnen kann."
Dieser junge Mann, der schon mit 24 Jahren starb, konnte
allerdings für das Königreich Jerusalem noch einmal ganz erstaunliche
Siege erringen, und das über einen Gegner wie Saladin.
Einen seiner Erfolge erzielte er bei Montgisard (Tell Dschazar), wo am
25. November 1177 300 Ritter die türkischen Streitkräfte trotz
deren haushoher zahlenmäßiger Überlegenheit in die Flucht
schlugen und vernichteten, einschließlich der 1.000 Mameluken, die
für Saladin kämpften. Der
König war damals 17 Jahre alt. Über diesen denkwürdigen
Tag berichten die begeisterten Worten, allen voran Michael der Syrer, Patriarch
der jakobitischen Kirche und Augenzeuge des Geschehens:
"Alle hatten die Hoffnung aufgegeben, denn das Übel
des Aussatzes machte sich allmählich an den jungen König
Balduin bemerkbar, der immer schwächer wurde, und jeder
fürchtete sich deshalb. Aber Gott, der seine Stärke in den Schwachen
kundtut, gab dem kranken König Mut. Der Rest seiner Truppen versammelte
sich um ihn; er stieg vom Pferd, warf sich vor dem Kreuz mit dem Gesicht
auf die Erde und betete unter Tränen. Dieser Anblick rührte allen
Soldaten ans Herz. Sie streckten die Hand nach dem Kreuz aus und schworen,
nicht zu fliehen und bei einer Niederlage jeden, der anstatt zu sterben
die Flucht ergreifen würde, als Verräter und Abtrünnigen
zu betrachten. Sie bestiegen ihre Pferde und rückten gegen die Türken
vor, die im Bewußtsein ihrer Überlegenheit frohlockten. Als
die Franken der Türken ansichtig wurden, deren Streitkräfte einem
Meer glichen, schlossen sie untereinander Frieden und baten einander um
Verzeihung. Dann eröffneten sie die Schlacht. In diesem Augenblick
ließ der Herr einen gewaltigen Sturm anheben, so dass auf seiten
der Franken der Staub aufgewirbelt und den Türken ins Gesicht geweht
wurde. Da begriffen die Franken, dass der Herr ihre Reue angenommen
hatte, und schöpften Mut, während die Türken kehrtmachten
und die Flucht ergriffen. Die Franken verfolgten sie den ganzen Tag und
töteten und vernichteten sie." Der Kommentar des Chronisten Ernoul
dazu lautet: "Roland und Olivier haben in Roncevaux bei weitem nicht solche
Heldentaten vollbracht... wie an jedem Tag Gott und der Heilige Georg,
der mit uns kämpfte."
Schlacht bei Mont Gisard (in der Nähe von Ramla) 25.11.1177
500 Ritter
80 Templer gegen 30.000
Moslems
3.000 Kämpfer
Literatur:
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Berg Dieter: Die Anjou-Plantagenets. Die englischen
Könige im Europa des Mittelalters. Verlag W. Kohlhammer 2003 Seite
56,73 - Brandenburg Erich: Die Nachkommen Karls des Großen
Verlag Degener & Co Neustadt an der Aisch 1998 Tafel 7 Seite 15 - Großer
Bildatlas der Kreuzzüge. Sechs Jahrhunderte abendländischer Kultur-
und Glaubensgeschichte. Verlag Herder Freiburg im Breisgau 1992 Seite 57
- Jones Terry/Ereira Alan: Die Kreuzzüge. Bechtermünz
Verlag 2000 Seite 148,155,158, 194 - Kugler Bernd: Geschichte der
Kreuzzüge. Reprint-Verlag-Leipzig 1880 - Lehmann Johannes:
Die Kreuzfahrer. Abenteurer Gottes. Gondrom Verlag Bindlach 1991 Seite
256,264 - Mayer, Hans Eberhard: Geschichte der Kreuzzüge, Verlag
W. Kohlhammer GmbH 1995 Seite 108,116-122 -
Norwich John Julius:
Byzanz. Der Aufstieg des oströmischen Reiches. Econ Verlag GmbH, Düsseldorf
und München 1993 Band III Seite 187 - Payne Robert: Die Kreuuzüge.
Zweihundert Jahre Kampf um das Heilige Grab. Albatros Verlag Düsseldorf
2001 Seite 189-206 - Pernoud Regine: Frauen zur Zeit der Kreuzzüge
Verlag Herder Freiburg im Breisgau 1995 Seite 118 - Prutz Hans:
Die Ritterorden. Mönche als Kämpfer, Helden, Abenteurer Bechtermünz
Verlag Berlin 1908 Seite 91,422 - Runciman, Steven: Geschichte der
Kreuzzüge, Sonderausgabe in 1 Band Verlag H.C. Beck München 1978,
Seite 602,695,706-709,712-713,716-726,730-735,739-744,746,802 -
Sippel
Hartwig: Die Templer. Geschichte und Geheimnis. Amalthea Verlag 1996 Seite
110,111 -Thiele, Andreas: Erzählende genealogische Stammtafeln
zur europäischen Geschichte Band III Europäische Kaiser-, Königs-
und Fürstenhäuser Ergänzungsband, R.G. Fischer Verlag 1994
Tafel 171 - Zöllner Walter: Geschichte der Kreuzzüge.
VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften Berlin 1977 Seite 144 -