Zur propagandistischen Unterstützung ihres Krieges
proklamierten die Regenten Eulaios und Lenaios zwischen 5.
Oktober und 12. November 170 v.u.Z. eine gemeinsame Regierung der drei
ptolemäischen Geschwister, nämlich
des Ptolemaios' VI. Philometor,
seiner Schwester-Gemahlin Kleopatra II.
und des jüngeren Bruders, Ptolemaios'
VIII.
Alexandria beugte sich weder dem Vertrag des Philometor
mit Antiochos IV. noch der
seleukidischen Macht. Die Alexandriner
riefen nun den jüngeren Bruder erneut zum König aus, womit sie
die Dreierherrschaft auflösten und eine Gegenregierung bildeten. Nach
dem Abzug des Antiochos war der Weg
für eine Versöhnung der drei ptolemäischen
Geschwister frei geworden. Entgegen den Erwartungen des SELEUKIDEN-Königs
kam der ältere Ptolemaios nach
Alexandria und stellte die Samtherrschaft wieder her. Obwohl die PTOLEMÄER-Könige
nach dem 6. Syrischen Krieg genauso selbständig regierten wie vorher,
war die Macht Roms 168 v.u.z. bereits so stark angewachsen, dass sie künftig
im Konfliktfall, selbst in innerdynastischen Angelegenheiten, häufig
angerufen wurde. Es stand somit ab nun das PTOLEMÄER-Reich
genauso unter dem Einfluß Roms wie die übrige hellenistische
Staatenwelt.
Das PTOLEMÄER-Reich
wurde nach dem von C. Polilius Laenas erzwungenen Abzug Antiochos'
IV. (Ende Juli 168 v.u.Z.) für einige Jahre (bis Herbst
164 v.u.Z.) von der emeinschaftsregierung der drei
ptolemäischen Geschwister Ptolemaios
VI., Kleopatra II. und Ptolemaios
VIII. repräsentiert. Die seit Installierung der Dreierregierung
vorprogrammierten Unstimmigkeiten zwischen den ptolemäischen
Brüdern brachen im Herbst 164 v.u.Z. auf. Philometor
mußte das Feld räumen. Ptolemaios VIII.
war im alexandrinischen Dynastiekult bislang unter die Theoi
Philometores subsumiert worden. Um sich von seinem älteren Bruder
zu distanzieren und gleichzeitig seine Verbundenheit mit dem großen
Vorgänger Ptolemaios III. auszudrücken,
nahm er den Titel "Euergetes"
an und behielt ihn bis zu seinem Tode 116 v.u.Z. bei. Mit seiner
tyrannischen Herrschaft machte er sich aber sehr rasch unbeliebt, so dass
die Alexandriner seinen älteren Bruder wieder aus Zypern zurückriefen.
Dieser überließ Euergetes II.
in einer feierlich bekräftigten Teilung des Reiches das Königreich
Kyrene. Da Euergetes II. mit seiner
Herrschaft über Kyrene nicht zufrieden war, wandte er sich um die
Jahreswende 163/62 v.u.Z. an den römischen Senat. Dieser sprach ihm
Zypern zu, das Ptolemaios VIII. nicht
in Besitz nehmen konnte, da er durch einen Aufstand in Kyrene daran gehindert
wurde. Obwohl der Senat im Winter 162/61 v.u.Z. die Beziehungen zu Ptolemaios
VI. abbrach und Euergetes II. erneut
Zypern zusprach, konnte dieser aus eigener Kraft nichts erreichen. Im Jahre
156/55 v.u.Z. wurde ein Attentat auf Euergetes
II. verübt, hinter dem vielleicht Kyrenäer standen.
Dieses Attentat nahm er unmittelbar zum Anlaß eines neuen, dramatischen
Manövers, mit dem er die Römer zu substantieller Hilfe bei seinen
Herrschaftsproblemen und seinen weit gesteckten Zielen bewegen wollte.
Er verfaßte zugunsten Roms eine testamentarische Verfügung,
das sogenante Testament des Euergetes
und publizierte im Frühjahr 155 v.u.Z. eine vielleicht etwas gekürzte
Fassung davon auf einer Steinstele. Im Jahre 154 v.u.Z. erschien er zum
zweiten Mal persönlich vor dem Senat und machte seinen Bruder für
das Attentat verantwortlich. Der Senat gab ihm diesmal fünf Legaten
als Begleiter mit, die ihn nach Zypern begleiten sollten. Der Senat gab
ihnen fünf Penteren als bescheidene Flottendemonstration mit und ermächtigte
die Bundesgenossen in Griechenland und Asien, die Aktion zu unterstützen.
Der jüngere Ptolemaios konnte
sich zunächst tatsächlich auf Zypern festsetzen und in der Stadt
einen Stützpunkt gewinnen. Dann fiel er jedoch in die Hände seines
Bruders. Sicher aus Gefälligkeit gegenüber den Römern behandelte
Philometor seinen Bruder sehr schonend:
Trotz seines Sieges beließ er ihm die Kyrenaika und versprach ihm
außerdem seine Tochter Kleopatra
(die spätere Kleopatra Thea) zur
Frau. Mit dem Eheprojekt wollte Ptolemaios VI.
den potentiellen politischen Konsequnezen des im Vorjahr ausgefertigten
"Testamentes" seines Bruders entgegenwirken; die Heirat kam später
allerdings nicht zustande. Der jüngere Ptolemaios
scheint die Beziehungen zur römischen Aristokratie weitergepflegt
zu haben. Nach dem Tode des Tiberius Sempronius Gracchus um 152
v.u.Z. soll er sogar um die Hand der berühmten Cornelia, der
Mutter der beiden Volkstribunen Tiberius und Gaius Gracchus,
geworben haben.
De facto mußte sich Ptolemaios
VIII. für den Rest der Regierung seines Bruders mit der
Kyrenaika begnügen. In Kyrene, wo der jüngere PTOLEMÄER
162 v.u.Z.-145 v.u.Z. residierte, versucht er seinem schlechten Image entgegenzusteuern
und sich als "Euergetes" zu erweisen.
Nach dem Tode des Philometor
in Syrien (Mitte Juli 145 v.u.Z.) mußte es sehr klargeworden sein,
dass es keine sinnvolle Alternative zu Ptolemaios
VIII. Euergetes II. gab. Er wurde von Gesandten aus Kyrene geholt
und war nach einem Interregnum von etwa drei Wochen in Alexandria an der
Macht. Etwas später heiratete er die Witwe seines Bruders Kleopatra
II. Im Zuge des Regierungswechsels hatte es jedoch Spannungen
gegeben, denn es wird berichtet, dass Ptolemaios
VIII. seine Herrschaft mit Brutalität und Ungerechtigkeiten
begonnen habe: Zuerst ließ er die Anhänger des noch sehr jungen
Sohnes des Philometor umbringen; dieser
selbst soll mitten in den Hochzeitsfeierlichkeiten mit Kleopatra
II. in den Armen seiner Mutter getötet worden sein. Die
Alexandriner kehrten den Titel des Königs "Euergetes"
ins Gegenteil, indem sie ihn "Kakergetes"
nannten; bald wird man ihn den Spottnamen Physkon
("Fettwanst") geprägt haben. Während somit Euergetes
II. die Gegner seines Regierungsantrittes aufs härteste
verfolgte, versuchte er die Bevölkerung des PTOLEMÄER-Reiches
durch Amnestieerlässe zu gewinnen. Mit Kleopatra
II. war ein Konsens gefunden worden, denn sie konnte ihre Stellung
als offizielle Mitherrscherin hinüberretten. Kurz nach seinem Regierungsantritt
zog Euergetes II. die Truppen aus den
letzten ptolemäischen Basen in
der Ägäis (Itanos, Thera und Methana) ab. Das PTOLEMÄER-Reich
umfaßte von nun an nur noch Ägypten mit dem (zumindest) nördlichen
Teil von Unter-Nubien sowie Zypern und die Kyrenaika, abgesehen von den
Stützpunkten am Roten Meer.
Im Jahre 144 v.u.Z. kam ein Sohn des Königspaares
etwa zur Zeit des Krönungsfestes im Memphis zur Welt; deshalb wird
er in der literarischen Überlieferung als "Memphites"
bezeichnet. Bald nach der Geburt des Ptolemaios
Memphites soll Euergetes II.
mit Kleopatra III., der jüngeren
Tochter seiner Schwestergemahlin und seine eigene Nichte und
Stieftochter, eine intime Beziehung begonnen haben. 141/40 v.u.Z. heiratete
er Kleopatra III. zusätzlich in
aller Form und erhob sie zur ebenbürtigen Königin neben Kleopatra
II. Wir sehen, dass der bei Regierungsantritt Ptolemaios'
VIII. gefundene Konsens nur oberflächlicher Natur war.
Der König hatte mit dieser Tat seine Schwester zutiefst verletzt und
zugleich Mutter und Tochter zu erbittertsten Rivalinnen gemacht. Eine derartige
Doppelehe stand in der hellenistischen Welt ohne Beispiel da. Der durch
diese Vorgangsweise des Königs heraufbeschworene Haß der beiden
Frauen aufeinander sowie die wiederaufgebrochene Gegnerschaft zwischen
Ptolemaios VIII. und Kleopatra
II. sollten für Dynastie und Reich die schlimmsten Folgen
haben.
Der Konflikt im Herrschertrio schwelte sicher die 30-er
Jahre hindurch weiter, obwohl alle drei in den Datierungs- und Weiheformeln
immer wieder vereint begegnen. Bald nach dem Beginn des 39. Regierungsjahres
(vor dem 11. November 132 v.u.Z.) brach jedoch der Bürgerkrieg zwischen
den Anhängern Euergetes' II.
und der Partei um Kleopatra II. aus.
Euergetes konnte offenbar ein Jahr lang in Alexandria die Oberhand behalten,
denn es gibt noch alexandrinische Münzen aus seinem 40. Jahr, das
am 25. September 131 v.u.Z. begann. Dann überstürzten sich die
Ereignisse: Der Königspalast wurde in Brand gesteckt. Euergetes konnte
nicht mehr an Widerstand denken; heimlich floh er mit seiner zweiten
Gattin Kleopatra III.
nach Zypern, um mit den ihm ergebenen, dort stationierten Truppen
und neuen Söldnern die Rückeroberung Ägyptens zu versuchen.
Er hatte die Lage vollkommen richtig eingeschätzt. Es war ihm auch
klar, dass die Hauptgefahr darin bestand, dass nun sein ältester Sohn,
den er mit Kleopatra II. hatte, Ptolemaios
Memphites, zum König ausgerufen würde. Dieser war
in Kyrene und Ptolemaios VIII. ließ
ihn nach Zypern bringen.
Daraufhin wurde in Alexandria Kleopatra
II. zur alleinigen Königin ausgerufen und dem Euergetes
die Königswürde aberkannt; dessen Statuen wurden beseitigt.
Euergetes II. rächte sich in seinem
zyprischen Exil für diese Vorgangsweise auf das furchtbarste: Den
etwa 14-jährigen Ptolemaios Memphites,
der ihm, seinem Vater, offenbar völlig vertraut hatte, ließ
er vor seinen Augen umbringen und ihm Kopf, Beine und Hände abhauen.
Die Überreste seines Sohnes schickte er nach Alexandria und ließ
sie Kleopatra II. in der Nacht vor
der Feier ihres Geburtstages zustellen. Sie aber stellte nun die Körperteile
des ermordeten Kronprinzen in Alexandria aus, um die Wut der Massen zu
steigern.
Spätestens im Herbst 131 v.u.Z. hatte sich Euergetes
II. nach Zypern begeben. Bald danach wird er mit Heeresmacht
nach Ägypten zurückgekehrt sein, denn im Frühling 130 v.u.Z.
wurde bereits in Memphis nach ihm und Kleopatra
III. datiert. Die vielen Datierungen nach Euergetes
in den Jahren 130 v.u.Z. und 129 v.u.Z. zeigen, dass die Sache des Königs
sehr rasch Fortschritte machte. In Theben war die Herrschaft des Euergetes
ab 21. Januar 130 v.u.Z. fix installiert.
Der von Kleopatra II.
zu Hilfe gerufene Schwiegersohn Demetrios II.
kam mit seinem Expeditionsheer nur bis zur ägyptischen Grenzfestung
Pelusion, wo ihm Euergetes entgegentrat.
Infolge einer Meuterei mußte der SELEUKIDEN-König
seine Pläne aufgeben (Frühling 128 v.u.Z.). Dadurch wurde die
Lage für Kleopatra II. in Alexandria
aussichtslos; sie flüchtete samt dem ptolemäischen
Staatsschatz nach Syrien. Der brutale wie schlaue Politiker Euergetes
versuchte nun, die Mißstimmung gegen den unbeliebten Demetrios
II. zu nützen. Bereits 129/28 v.u.Z. stellte Euergetes
II. einen Mann niederer Herkunft namens Alexander
Zabinas als Gegen-König gegen Demetrios
II. auf und legitimierte ihn dadurch, dass er ihn als Adoptivsohn
von Antiochos VII. Sidites ausgab.
Dieser Alexander Zabinas wurde von
Euergetes II. mit beträchtlichen
Truppen nach Syrien geschickt, wo er 126 v.u.Z. Demetrios
II. bei Damaskus besiegte. Bald darauf wurde
Demetrios II. ermordet. Somit beraubte Euergetes
II. mit seiner erfolgreichen Außenpolitik Kleopatra
II. ihres erhofften Rückhaltes in Syrien. 127/ 26 v.u.Z.
nahm er vermutlich Alexandria ein. Nach der Eroberung Alexandrias entlud
sich die Rache des Königs in einem ungewöhnlich blutigen Strafgericht.
Im Jahre 124 v.u.Z. kam es nach Aussage der Datierungsformeln zu einer
wenigstens äußeren Versöhnung der ptolemäischen
Streitparteien, und die merkwürdige Dreierregierung wurde
fortgesetzt. Der Begriff der Theoi Euergetes umfaßte nun wieder
- wie schon 140 v.u.Z.-131 v.u.Z. - Ptolemaios
VIII. und seine beiden Frauen Kleopatra
II. und III. Warum sich
Euergetes II. mit seiner geschlagenen
Schwestergemahlin plötzlich aussöhnte, bleibt uns verborgen.
Möglicherweise stand dies in Verbindung mit seiner Syrienpolitik.
Die Krönung der Aussöhnung innerhalb der PTOLEMÄER-Familie
stellte jedoch die Schaffung eines neuen dynastischen Gottes mit dem Kulttitel
Neos Philopator dar, der im Titel des Alexanderpriesters zwischen
dem verstorbenen Theos Philometor und den regierenden Theoi Euergetai
eingeschoben wurde; der älteste Beleg stammt vom 22. Mai 118 v.u.Z.
Neos Philopator erscheint somit in den Aufzählungen der PTOLEMÄER-Könige
kurz nach dem Inkrafttreten des Friedenserlasses (28. April 118 v.u.Z.),
so dass der Zusammenhang sicher ist. Analog zur Aufnahme des einstigen
Mitregenten Ptolemaios Eupator in den
Dynastiekult kann man nur annehmen, dass ein von Euergetes
II. ermordeter Kronprinz rehabilitiert wurde. Früher dachte
man an den Sohn des Philometor, der
bei der Hochzeit von Ptolemaios VIII. und
Kleopatra II. ermordet worden sein soll und als Ptolemaios
VII. gezählt wird. Es gibt jedoch gute Gründe dafür,
in Neos Philopator Ptolemaios Memphites
zu sehen, der das große Opfer des dyanstischen Krieges war und als
"Vaterliebender" postum seinem Mörder die Schuld verziehen hätte.
Durch die Ermordung des Memphites war der spätere
Ptolemaios IX. Soter II. zum Kronprinzen
aufgerückt; die antike Überlieferung ist sich darüber einig,
dass er der ältere Sohn von Kleopatra III.
war. Nicht lange vor dem Tod seines Vaters, das heißt
etwa 117 v.u.Z. erhielt er auf Betreiben von Kleopatra
III. die Funktion eines Generalgouverneurs von Zypern. Kleopatra
III., die ihn nicht mochte, ließ ihn offenbar dorthin
abschieben, um seinem jüngeren Bruder, dem späteren Ptolemaios
X. Alexander I., die Thronfolge zu sichern. Abgesehen von diesen
beiden Söhnen hatten Ptolemaios VIII. und
Kleopatra III. noch drei Töchter.
Die älteste war vermutlich Tryphaina,
die 124/23 v.u.Z. Antiochos VIII. Grypos geheiratet
hatte;
obgleich der "Kleopatra"-Name
für sie nicht überliefert ist, hat sie als
"Kleopatra Tryphaina" in
die moderne Literatur Eingang gefunden.
Die zweite Tochter, Kleopatra
IV., wurde noch sehr jung mit ihrem Bruder Ptolemaios
IX.
verheiratet.
Die jüngste Tochter erhielt den Beinamen
Selene.
Zu diesen Kindern kam noch ein illegitimer Sohn Ptolemaios
von einer Nebenfrau: Für diesen Ptolemaios
mit dem Beinamen Apion sah Euergetes
II. in seinem Testament die Kyrenaika als selbständiges
Königreich vor; als König in Kyrene ist er allerdings erst seit
100 v.u.Z. nachgewiesen.
Aus einer Bauinschrift in Edfu wissen wir, dass Ptolemaios
VIII. Euergetes II. am 28. Juni 116 v.u.Z. gestorben
ist. Mit ihm ist einer der brutalsten und gleichzeitig intelligentesten
Politiker der hellenistischen Zeit abgetreten. Die klassische Überlieferung
hebt vor allem die negativen Charakterzüge Euergetes'
II. im Vergleich zu seinem älteren Bruder Philometor
hervor. Ergänzend dazu zeigen uns Amnestieerlässe
einen Herrscher, der sich um eine gute Administration und das Wohlergehen
des Landes kümmerte. Jedoch stehen die negativen Folgen, die die dynastischen
Auseinandersetzungen gerade unter Ptolemaios VIII.
für ganz Ägypten mit sich brachten, außer Zweifel.