Ältester Sohn des Feldherrn Bardas
Phokas
Lexikon des Mittelalters: Band VI Spalte 1156
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Nikephoros II. Phokas, byzantinischer Kaiser 963-969
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* 912, †
11. Dezember
969
auf Veranlassung seines Verwandten und Nachfolgers Johannes I. Tzimiskes im Kaiserpalast ermordet
Ältester Sohn des Bardas Phokas
Nikephoros II. war
in erster Ehe mit einer Frau aus der pontischen Familie PLEUSTAI verheiratet,
die ihm einen später von einem Verwandten getöteten Sohn
gebar, in zweiter Ehe (nach der Thronbesteigung) mit Theophano,
der Witwe Romanos II. In seine Laufbahn
als Themengeneral (945) und später (955) Oberbefehlshaber
der Gardetruppen fallen entscheidende Siege gegen die Araber, besonders
die Eroberung Kretas. Nach dem Tod des Kaisers Romanos
II. wurde er von den Truppen zum Kaiser ausgerufen
und am 16. August 963 gekrönt. Auch als Kaiser setzte er die persönliche
Führung der Feldzüge fort (Kilikien, Syrien), die die Reichsgrenzen
wieder weit in den Osten vorschoben. Auf dem Balkan beendete er 965 den
Friedenszustand mit Bulgarien und veranlaßte den Kiever
Fürsten Svjatoslav zu einer
verhängnisvollen, auch für Byzanz gefährlichen Bulgarien-Invasion.
Verhandlungen mit dem Gesandten OTTOS I.,
Liutprand von Cremona, über ein Heiratsprojekt und Süd-Italien
ließ er scheitern. Innenpolitisch stand er ganz auf Seiten des Militär-
und Landadels (dem er entstammte) und machte frühere Reformen zugunsten
der Landbevölkerung wieder rückgängig. Sein mönchischer
Lebenswandel brachte eine starke Unterstützung von Klöstern
(vor allem der Meg. Laura des Athanasios Athonites) und eine Mehrung ihres
Besitzes mit sich. Er war, wenigstens in zahlreichen Kapiteln selbst Verfasser
eines militärischen Handbuches, und neuesten Forschungen ist wohl
rechtzugeben, die in ihm den Urheber einer Militärreform sehen, die
die Themenarmee langsam ablöste und zu einer Berufsarmee mit zentraler
Leitung in Konstantinopel führte.
Einer der bedeutendsten byzantinischen Feldherren, konnte
den arabischen Vorstößen gegen das Byzantinische Reich durch
Eroberung kleinasiatischer Gebiete Einhalt gebieten; von Johannes
Tzimiskes, der sein Nachfolger wurde, ermordet.
ROMANOS
II.
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* 940, †
963 ermordet
Romanos II. folgte 959 seinem Vater, war primitiv und triebhaft und wurde von Theophanu ermordet.
1) oo BERTHA
D' ARLES, uneheliche Tochter König Hugos von Italien
†
2) oo 1. THEOPHANO,
Tochter eines Schankwirtes
†
berüchtigt und intrigant
963
2. oo NIKEPHOROS II. PHOAS
†
969
Nikephoros II. Phokas
war mönchisch und kriegerisch zugleich und wurde "Bleicher
Tod der Sarazenen" genannt. Er war ab 945 Erster Reichsfeldherr,
startete eine Großoffensive gegen die Araber und eroberte 961 Kreta.
Er wurde 963 Kaiser von Byzanz und Begründer der Machthöhe
des mittelbyzantinischen Reiches. Er eroberte unter anderem noch Kilikien,
Aleppo und Nordsyrien mit Antiochia zurück, zahlte keine Tribute mehr,
verbündete sich mit Kiew und begann gegen Bulgarien aktiv zu werden.
Er faßte die italienischen Restbesitzungen gegen die Eroberungsbestrebungen
Kaiser
OTTOS I. DES GROSSEN straff zusammen, dessen Kaisertum er nicht
anerkannte.
Nikephoros I. geriet schroff
gegen die Kirche, deren Landerwerb er rigoros einschränkte, um die
Soldatengüter zu schützen. Er stiftete die Lawraklöster
auf Athos, dem sein besonderer Schutz galt, konnte die weitere Feudalisierung
nicht verhindern und wurde 969 durch seine Frau
Theophanu
ermordet.
Norwich John Julius: Band II Seite 211,222-226,228,232-269
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"Byzanz. Der Aufstieg des oströmischen Reiches."
Konstantin VII. ernannte
Leons Bruder Bardas Phokas zum Nachfolger von Johannes Kurkuas
als Oberbefehlshaber des Ostheeres und dessen Söhne Nikephoros
und Leon zu Militärgouverneuren der Themen Anatolien und
Kappadokien.
Das Oberkommando über diese gewaltige, zur Eroberung
Kretas ausgerüstete, Streitmacht (Heer 50.000 Mann; Flotte 1.000 schwere
Transportschiffe, 380 Versorgungsschiffe und mindestens 2.000 Trägerschiffen
für das Griechische Feuer) wurde einem häßlichen, strengen
und tief religiösen Mann von siebenvierzig Jahren übertragen,
der sich in der Zwischenzeit als der gegenwärtig beste Feldherr des
Reichs bewiesen hatte, ja sogar als einer der besten in seiner ganzen Geschichte.
Es handelt sich um Nikephoros Phokas.
Sein Großvater gleichen Namens hatte für die Rückeroberung
Süd-Italiens während der Regierungszeit Basileios'
I. verantwortlich gezeichnet, sein Onkel Leon Phokas
den Widerstand gegen Romanos Lakapenos im
Jahre 919 angeführt, wofür er geblendet wurde: Sein Vater
Bardas Phokas war unter Konstantin VII. Porphyrogennetos
zum Domestikos ernannt worden und hatte die Streitkräfte des
Reiches gegen die Sarazenen im Osten befehligt, bis 953 eine tückische
Wunde im Gesicht zur Beendigung seiner militärischen Laufbahn führte.
Nikephoros
nun, bisher Militärgouverneur im Thema Anatolien, hatte das
Oberkommando
sofort
übernommen und vier Jahre später mit der Einnahme des höchst
wichtigen Stützpunktes Adata eine vorzügliche Kostprobe seines
Könnens gegeben. Er war in jeder Hinsicht der geborene Soldat.
Kühl
und furchtlos in der Schlacht, ausgesprochen kräftig,
blitzschnell,
wenn es darum ging, eine Chance zu erkennen und zu nutzen sowie äußerst
aufmerksam gegenüber seinen Soldaten, die ihn verehrten und ihm blindlings
folgten. Außer der Armee interessierte ihn nur noch die Religion;
er führte ein asketisch strenges Leben und verbrachte seine Mußestunden
im Gespräch oder bei der Korrespondenz mit frommen Männern. Nikephoros
Phokas lag nicht das geringste an feiner Lebensart, er war vielmehr
ganz der kühn-beherrschte Hagestolz. Der dritte Angriff auf
Kandia, am 7. März 961 führte zum Ziel. Erstmals seit 136 Jahren
wehte über Kreta wieder die Flagge des Reichs.
Man gewährte dem siegreichen Nikephoros
Phokas, als die beutebeladenen Schiffe in das Goldene Horn hineinsegelten,
nicht den ganzen Triumph, sondern bereitete ihm nur eine Ovation im Hippodrom
und schickte ihn unverzüglich in den Osten. Nach der Eroberung Aleppos
im Jahre 962 gab Nikephoros den Befehl
zum Rückzug; das siegreiche Heer trat den langen Heimweg an. Kaum
in Kappadokien, erreichte sie die Nachricht vom Tod Kaiser
Romanos' II. Nikephoros
wurde von Kaiserin
Theophano aufgefordert, sogleich zurückzukehren. Als er
Anfang April mit einer kleinen Begleitmannschaft in Konstantinopel ankam,
erzwang die Menschenmenge den Triumphzug, um den man ihn nach der
Eroberung Kretas so schmählich betrogen hatte.
Der allmächtige Bringas mußte mit ansehen,
wie der Senat Nikephoros' Oberbefehl
erneuerte und übereinkam, keine politisch weitreichenden Entscheidungen
ohne seine Zustimmung zu treffen. Der Feldherr bedankte sich für das
ihm entgegengebrachte Vertrauen und begab sich sogleich nach den Osterfeierlichkeiten
zu seinem Heer nach Anatolien. Nachdem der Eunuch Bringas die Unterfeldherren
des Nikephoros zum Verrat aufgefordert
hatte, riefen diese im Morgengrauen des 3. Juli 963 Nikephoros
Phokas vor den Mauern der kappadokischen Stadt Cäsarea
zum Basileus aus. An der Spitze seiner Truppen zog Nikephoros
nach
Konstantinopel und konnte nach einem Volksaufstand am 16. August 963 in
die Hauptstadt einziehen. In Anwesenheit der beiden Kindskaiser setzte
ihm Patriarch Polyeuktos das Diadem auf.
Auch Leon Diakonos, der den Kaiser gut kannte
und gegen ihn nichts hatte, zeichnet folgendes Bild von ihm: Auch er beschreibt
Nikephoros
als
klein und gedrungen
- diesen Eindruck unterstrichen die breiten Schultern und der mächtige
Brustkorb - und von
dunkler Hautfarbe, die während seiner
langen Dienstzeit unter der Sonne Syriens noch dunkler geworden sei; dazu
hätten unter buschigen Brauen kleine Augen hervorgelugt (er
fügt hinzu, sie seien ihm nachdenklich und etwas traurig vorgekommen).
Nach Leon hatte der Kaiser langes, dichtes Haar.
Nikephoros zeigte
kaum andere Interessen als jene für das Heer und die Religion. Gewiß,
er gab sich in der Regel moralisch einwandfrei, war trotz seines
engen Horizontes intelligent, ernsthaft und sachlich,
dazu offenbar völlig unbestechlich, auch nicht anfällig
für Schmeicheleien und beinhart. Aber er konnte auch erbarmungslos
und grausam sein, sein Geiz und seine Habgier waren allgemein
bekannt, und außerdem spielte er gern ein doppeltes Spiel. Insgesamt
verhielt er sich, was seine Lebensgewohnheiten betraf, zwar vorbildlich,
aber es fällt doch schwer, diesem Mann Sympathie entgegenzubringen,
der jahrelang kein Fleisch aß, Frauen verachtete, stets
im
härenem Gewand seines Onkels - eines für seine Frömmigkeit
bekannten Mönchs namens Michael Maleinos - schlief und etliche
Stunden des Tages im Gebet verbrachte. Doch Nikephoros
bewarb sich nie um die Gunst des Volkes. Obwohl bereits über fünfzig,
mangelte es ihm nicht an Kraft, so dass er sich mit wahrer Begeisterung
den Regierungsgeschäften widmen konnte.
Seinen Feind Bringas verbannte er in seine Heimat
Paphlagonien und verbot ihm, Konstantinopel je wieder zu betreten. Seinen
greisen Vater
Bardas verlieh Nikephoros
den Titel eines Cäsars in Anerkennung seines Mutes,
den er während seiner Leidenszeit bewiesen hatte. Seinen Bruder
Leon ernannte er zum Magistros und Kuropalates, das
heißt Marschall des kaiserlichen Hofes. Johannes
Tzimiskes schließlich bestätigte er als Domestikos
und Oberbefehlshaber des Heeres in Anatolien. Am 20. September 963 heiratete
er die verwitwete Kaiserin
Theophano und hielt die Ehe trotz des Einspruchs des Patriarchen
aufrecht.
Kaiser Nikephoros
II. war, wie gesagt, durch und durch Soldat. Den Krieg
gegen die Sarazenen sah er als einen Kreuzzug an. Er war davon überzeugt,
es sei Gottes Wille, die Ungläubigen in die Wüste, aus der sie
gekommen waren, zurückzujagen, und dass er, Nikephoros,
dazu auserwählt war, diesen Willen zu vollstrecken. So groß
seine Leidenschaft zu Theophano auch
gewesen sein mag, von dieser Pflicht konnte sie ihn nicht abhalten. Im
Jahre 964 eröffnete er also erneut den Krieg, der sehr schnell seine
alte Eigendynamik wiedererlangte. Im Sommer des Jahres 965 gelang die erste
bedeutende Eroberung dieses neuen Feldzuges: Tarsos fiel, das arabische
Hauptsprungbrett für die jährlichen Einfälle nach Kilikien.
Im Sommer des Jahres 965 nahmen seine Truppen die Insel Zypern mit einer
solchen Gewalt in Besitz, dass die dort lebenden moslemischen Glaubensangehörigen
nicht einmal den Versuch eines Protestes oder gar Widerstandes unternahmen.
Zypern wurde byzantinisches Thema. Die Stadt Aleppo wurde Vasall und Protektorat
des Reiches. Im Jahre 969 fiel auch die alte Patriarchenstadt Antiocha
nach 332 Jahren wieder in christliche Hände.
Was den Krieg im Osten betrifft, erscheint die Regierungszeit
Nikephoros' II. als ununterbrochene Serie von Erfolgen.
Dies braucht nicht weiter zu verwundern, denn dazu war ausschließlich
strategisches Geschick und Gewalt vonnöten, über die der Kaiser,
sein Bruder Leon und sein Waffengefährte Johannes
Tzimiskes - gar nicht zu reden von Michael Burtzes, dem
Nachwuchshelden von Antiochia - mit ihrer Streitmacht im Übermaß
verfügten. Die Westpolitik dagegen steht weniger gut da, denn in den
Verhandlungen mit europäischen Mächten war die Kunst der Diplomatie
gefragt. In der Geschichte von Byzanz hat es jedoch kaum einen schlechteren
Diplomaten gegeben als Nikephoros Phokas.
Ihm scheint zudem die oberste Gewalt zu Kopf gestiegen zu sein: während
es ihm in seinen besten Augenblicken lediglich an Charme gebrach, gebärdete
er sich im Verlauf seiner Regierung immer anmaßender und überheblicher.
Eine einprägsame Kostprobe seines stümperhaften Benehmens gab
er bereits 965, als eine Gesandtschaft aus Bulgarien eintraf, um die jährlichen
Tribute abzuholen, die zwischen Romanos Lakapenos
und
Zar
Peter anläßlich dessen Eheschließung mit Kaiser-Tochter
Maria-Irene im Jahre 927 vereinbart worden waren. Es trifft
zwar zu, dass die bulgarische Gesandtschaft ihr Glück herausforderte,
denn Zarin Maria-Irene
war ein oder zwei Monate zuvor gestorben, und Nikephoros
hätte mit Recht darauf hinweisen können, dass die Übereinkunft
mit ihrem Tod hinfällig war. Anderseits war Bulgarien ein unschätzbar
nützlicher Pufferstaat, der das Reich gegen Ungarn und Rußland
abschirmte, so dass man die bescheidene Summe, die seit achtunddreißig
Jahren regelmäßig und selbstverständlich bezahlt wurde,
als nicht zu hohen Preis für gutnachbarliche Beziehungen hätte
ansehen können. Das Verhalten des Kaisers ist so oder so durch nichts
zu rechtfertigen. Er kanzelte die Gesandten nämlich ab wie Schuljungen,
beschimpfte sie und ihre Landsleute als rasse hinterhältiger, dreckiger
Bettelleute, als Sklaven in Potenz und Hundesöhne, beherrscht von
einem nur in Tierfelle gehüllten Fürsten. Dann ließ er
sie auspeitschen und schickte sie mit leeren Händen nach Preslaw zurück.
Nikephoros
marschierte schnurstracks mit einigen Truppenkontingenten zur bulgarischen
Grenze und nahm mehrere Grenzfesten ein, um zu demonstrieren, dass er meinte,
was er gesagt hatte. Unter anderen Umständen hätte er seinen
Vormarsch zweifellos noch weiter fortgesetzt. Nur dass die Hauptmasse seines
Heeres im Osten erfolgreich kämpfte, hielt ihn davon ab, wollte er
doch die günstige Situation derzeit nicht ohne Not aufs Spiel setzen.
Deshalb traf er mit
Fürst
Swjatoslaw von Kiew ein Abkommen, indem er ihm als Gegenleistung
für eine stattliche Summe zugestand, Bulgariens Unterwerfung an seiner
Statt in die Hand zu nehmen. Viel zu spät mußte Nikephoros
erkennen, dass er ein schwaches, friedfertiges Nachbarland gegen einen
ehrgeizigen und sehr aggressiven Feind eingetauscht hatte.
In seinen Verhandlungen mit dem Westen erwies sich Nikephoros'
Diplomatie,
wenn man davon überhaupt sprechen kann, als ähnlich verheerend,
und der dortige Hauptgegner zeigte noch mehr Format.
Angesichts des Charakters, der Lebensart und der Erscheinung
Nikephoros
Phokas' stand nicht zu erwarten, dass er bei seinen Untertanen
lange beliebt bleiben würde. Zu Beginn seiner Regentschaft war er
als Held populär gewesen, der ausdauernd und tapfer für das Reich
gekämpft hatte und dessen Mühen mit der Rückeroberung Kretas
und der Beseitigung der Sarazenengefahr im Osten belohnt worden waren.
Auf der Woge dieser Popularität kam er auf den Thron, zwar nicht aufgrund
eines Geburtsrechts, aber doch auf die Aufforderung der regierenden Kaiserin
hin, die schon bald darauf die Ehe mit ihm einging. Selbst seine ärgsten
Feinde hätten zugestimmt, dass er, wie auch sie, im politischen Vakuum,
das nach Romanos'
Tod entstanden war,
durchaus rechtmäßig handelte. Aber, wie soeben demonstriert,
war Nikephoros in der Friedenskunst
völlig unbegabt. In den sechs Jahren seiner Regierung machte er sich
in kürzester Zeit alle zu Feinden, mit denen er in Berührung
kam, darunter auch die Macht, die für den byzantinischen Staat
von größter Wichtigkeit war: die Bevölkerung von Konstantinopel.
Die politische Macht, die er zuvor nie genossen hatte, war ihm
zu Kopf gestiegen, und im gleichen Maß wie seine Arroganz
nahmen auch seine Reizbarkeit und seine Ungeduld zu. Die
unverzeihliche Behandlung des Bischofs von Cremona - der immerhin kaiserlicher
Botschafter war - und die Art, wie er die bulgarischen Gesandten traktierte,
waren leider nur allzu charakteristisch für sein Vorgehen in Sachen
Diplomatie. Er scheint auch mit seinen eigenen Hof- und Regierungsbeamten
ähnlich hoffärtig umgesprungen zu sein. Die Abneigung und das
mit der Zeit
zunehmende Mißtrauen, die sie ihrem Herrn entgegenbrachten,
lagen jedoch nicht allein in seiner Person begründet, sah er sich
doch nicht in der Lage, außenpolitische Vorgänge richtig einzuschätzen.
Als Beispiele dafür mögen sein Auftrag an
Fürst Swjatoslaw
von Kiew dienen, Bulgarien zu verheeren, sowie die unnötige
Beleidigung OTTOS DES GROSSEN zu einer
Zeit, da sein Heer, das bereits an Fronten in Ost und West alle Hände
voll zu tun hatte, nicht auch noch in Süd-Italien einen dritten Kriegsschauplatz
eröffnen konnte. Zu alledem kommt die schamlose Begünstigung,
die er den einzigen beiden Bereichen erwies, die seinen sozialen Hintergrund
repräsentierten: allem voran dem Heer und dann der anatolischen Militäraristokratie.
Früher hatte der Mindestwert eines Eigentums, den
ein kleiner Landbesitzer vorweisen mußte, um als bewaffneter Reiter
Dienst tun zu können, vier Pfund in Gold betragen. Diesen Betrag erhöhte
Nikephoros
nun
auf zwölf Pfund und schloß damit Tausende von landbesitzenden
Bauernfamilien aus, die jahrhundertelang das Rückgrat der Wehrbauernschaft
gebildet hatten. Dadurch wurde die besitzende Klasse noch mächtiger.
Die Bevölkerung von Konstantinopel verhehlte ihre Mißbilligung
nicht.
Auch auf seiten der Kirche regte sich Widerstand, was
vielleicht überraschend klingt. Aufgrund seiner extremen Frömmigkeit
hatte der Kaiser bei den kirchlichen Autoritäten anfangs in hoher
Gunst gestanden, doch schon bald begriffen sie, dass seine Ansichten über
ihre Rolle in der Gesellschaft sich radikal von den ihren unterschieden.
Der enorme Reichtum, den die Kirche, besonders die Klöster, im Laufe
der Jahrhunderte aufgehäuft hatten, stand seinem asketischen puritanischen
Empfinden diametral entgegen. Da große Teile besten Ackerlandes aufgrund
klösterlicher Mißwirtschaft brachlagen, war es höchste
Zeit, für Abhilfe zu sorgen. Nikephoros
ging auf für ihn typische Weise kompromißlos vor: alle derartigen
Händel wurden prinzipiell verboten. Zwar durften Wohltätige weiterhin
verfallene oder beschädigte Kirchen und Klöster restaurieren
lassen, mehr aber nicht. Natürlich löste das Edikt einen Sturm
des Protestes beim Klerus aus, aber es kam nur noch schlimmer: ein neues
Dekret verkündete, dass inskünftig kein Bischof ohne des Kaisers
persönliche Zustimmung ernannt werden dürfe. Dies konnte nach
Auffassung der wutschnaubenden Priesterschaft nur bedeuten, dass Nikephoros
die Kirche samt ihrer Hierarchie und Verwaltung gänzlich seiner Kontrolle
unterwerfen wollte.
Was schließlich Reiche und Arme, Klerus, Soldaten
und Zivilbevölkerung gleichermaßen traf, waren erdrückemde
Steuern, die Nikephoros auf einen nie
erreichten Stand hochschraubte, um seine endlosen Kriege zu finanzieren,
die gleichzeitig an drei Fronten tobten: gegen Sarazenenfestungen im Osten,
Rußland in Bulgarien und OTTO
in Süd-Italien. Der erste war bereits so gut wie gewonnen, die anderen
waren unnötig und hätten niemals vom Zaun gebrochen werden dürfen.
Daher sah die steuerzahlende Bevölkerung keinen Grund, warum sie ein
so gewaltig aufgeblähtes Heer unterhalten sollte, das sie ohnehin
von Herzen verabscheute und dessen Repräsentanten keinerlei Anstalt
machten, die beträchtliche Beute zu teilen, während sie gleichzeitig
immer größere Geldsummen verlangten. Die Lage verschlimmerte
sich, als eine Reihe schwerer Mißernten den Brotpreis in schwindelerregende
Höhe trieb. In ähnlichen Situationen hatten in der Vergangenheit
die Kaiser eine staatliche Unterstützung angeordnet;
Nikephoros machte dazu jedoch keinerlei Anstalten, und bald
argwöhnte man überall, er nutze das Unglück seiner Untertanen
zugunsten seiner über alles geschätzten Soldaten aus.
Am Ostersonntag 967 kam es zum ersten Aufruhr in Konstantinopel.
Zwei Monate später, am Himmelfahrsttag, beschimpfte ihn das Volk und
er gelangte nur mit Hilfe der Soldaten lebendigen Leibes in den Palast
zurück. Nikephoros ordnete die
Befestigung des Großen Palastes an; dieser wurde hermetisch gegen
die angrenzenden Straßen abgeriegelt. Innerhalb dieser Enklave, zum
kleinen Hafen Bukoleon hin, ließ er eine Art privater Zitadelle für
sich, seine Familie und seine engsten Vertrauten errichten. Spätestens
jetzt war allen klar, dass der Kaiser, vielleicht zum ersten Mal in seinem
Leben, sich fürchtete. Sein Antlitz verdüsterte sich zusehends,
seine religiösen Übungen nahmen immer krankhaftere und verbissenere
Züge an. Er pflegte nicht mehr im Bett zu schlafen, sondern auf einem
Pantherfell in einer Ecke des kaiserlichen Schlafgemachs auf dem Boden.
Der Tod seines Vaters Bardas, der 90-jährig sein Leben aushauchte,
traf ihn schwer. Auch scheint er sich vom Schock, den er an einem Spätsommertag
erlitt, als er während einer religiösen Prozession von einem
unbekannten, widerlich aussehendem Mönch, der ihm eine Zettel in die
Hand drückte und sofort wieder in der Menge untertauchte, angepöpbelt
wurde, nie wieder erholt zu haben. Auf dem Zettel soll gestanden haben:
"O Basileus, obwohl ich nur ein armer Erdenwurm bin, ist mir offenbart
worden, dass du im dritten Monat nach dem kommenden September sterben wirst."
Inzwischen hatte Kaiserin
Theophano sich in Johannes Tzimiskes
verliebt und beide beschlossen, Nikephoros
zu ermorden. Mitverschworene ließen sich unschwer finden. Mittlerweile
gab es nur noch wenige im unmittelbaren Gefolge, die für Nikephoros
ein gutes Wort eingelegt hätten. Zur Verschwörung gesellten sich
auch der Parakoimomenos
Basileios und mehrer hohe Hofbeamte. Als Zeitpunkt für
den Anschlag wurde der 10. Dezember festgelegt. Am Nachmittag dieses
Tages betraten die engeren Verschwörer, in Frauenkleidern und mit
Schwertern unter den Gewändern, das Gynaikeion (Frauenflügel)
des Palastes, als wollten sie Theophano
besuchen. Diese teilte ihnen verschiedene der zahlreichen kleinen Räume
zu, wo sie unbemerkt warten konnten, bis die Zeit zum Handeln gekommen
war. Gegen Abend erhielt Nikephoros einmal
mehr einen Zettel mit einer Warnung, diesmal von einem seiner Kaplane.
Darauf wurde ihm mitgeteilt, ihm drohe unmittelbar Gefahr und die Mörder
hielten sich bereits im Palast versteckt. Sofort beauftragte er Michael,
seinen obersten Eunuchen und Majordomus, der Sache nachzugehen.
Da aber Michael ebenfalls unter Theophanos
Kommando stand, berichtete er nach einer Runde, ihm sei nichts
Verdächtiges aufgefallen. Im Dezember bricht die Dunkelheit schon
früh herein, und in der Nacht erhob sich ein fürchterlicher Scheesturm.
Die Verschwörer blieben im stockfinsteren Palast in ihren Verstecken,
denn ohne Johannes Tzimiskes wagten
sie nicht loszuschlagen. Würde er aber bei einer solchen Witterung
die heimliche Fahrt über den Bosporus überhaupt antreten können?
Theophano
fühlte sich bemüßigt,
den Argwohn ihres Mannes zu zerstreuen und sicherzustellen, dass der Weg
im richtigen Augenblick frei war. Sie wolle, so sagte sie ihm, noch auf
einen Augenblick zu den beiden bulgarischen Prinzessinnen hinübergehen,
um nachzusehen, ob sie sich in ihrer neuen Umgebung wohl fühlten.
Sie werde nicht lange bleiben, und er solle doch bitte nicht zusperren,
bevor sie zurück sei, sondern erst danach. Dagegen hatte Nikephoros
nichts
einzuwenden. Er las noch eine Weile weiter in einem der frommen Bücher,
die seine Bibliothek füllten, dann ließ er sich wie gewöhnlich
zum Gebet nieder. Da seine Frau noch immer nicht zurück war, streifte
er schließlich das härene Gewand seines Onkels über und
streckte sich zum Schlafen auf dem Boden aus. Erst gegen elf Uhr hörten
Johannes Tzimiskes Komplizen den leisen Pfiff, der als Zeichen
seiner Ankunft verabredet worden war. Lautlos ließ man von einem
Fenster der Gemächer der Kaiserin ein Seil hinab und zog die Verschwörer
einzeln daran hoch. Tzimiskes folgte
als letzter. Sobald er drinnen war, machten sie sich ans Werk. Ein Eunuch
führte sie geradewegs ins Schlafzimmer des Kaisers. Für einen
Moment stutzten sie, weil sie das Bett leer vorfanden. Doch der Eunuch
deutete stumm in eine entlegene Ecke des Raumes, wo ihr Opfer auf seinem
Pantherfell in tiefem Schlaf ruhte. Die letzten Augenblicke in Nikephoros
Phokas' Leben, bei denen die Chronisten genüßlich
verweilen, lesen sich nicht gerade schön. Durch den Lärm aufgeweckt,
versuchte er aufzustehen, da traf ihn ein wuchtiger Schwertstreich des
Taxiarchos Leon Balantes. Der Hieb zielte auf den Hals, doch
durch die plötzliche Bewegung des Kaisers wurde er umgelenkt, und
die Schneide zog sich mit voller Wucht quer übers Gesicht;
blutüberströmt schrie er und rief die heilige Jungfrau Theotokos
um Hilfe an. Man zerrte ihn zum Fußende des großen Raumes hinüber,
auf dem Johannes Tzimiskes in Richterpose
thronte, und versuchte ihn auf die Knie zu zwingen, aber er fiel zu Boden
und lag reglos da, während seine früherer Kampfgefährte
ihm seine Ungerechtigkeit und Undankbarkeit vorhielt, völlig unbeherrscht
nach ihm trat und ihm büschelweise Haupt- und Barthaar ausriß.
Kaum hatte Tzimiskes sich ausgetobt,
traten die anderen an seine Stelle. Jeder hatte eine eigene Rechnung zu
begleichen. Der eine zerschmetterte ihm den Kiefer, ein anderer
schlug ihm mit dem Dolchknauf die Schneidezähne aus, bis er
schließlich - von wem, ist nicht überliefert - mit einem langen
Krummschwert durchbohrt wurde. Dieser Gnadenstoß beendete
das Leben von Nikephoros Phokas. Nikephoros'
Leichnam lag unter dem Fenster, aus den man ihn geworfen hatte, ein geschändetes
Bündel im blutdurchtränkten Schnee. Selbstverständlich stand
nach einem solchen Ende ein Staatsbegräbnis außer Frage. Statt
dessen warf man den Toten nach Anbruch der Nacht auf eine behelfsmäßig
zusammengeschusterte Holzbahre, deckte ihn mit einem groben Sack zu und
schleppte ihn in aller Stille durch die leeren Straßen zur Apostelkirche,
wo man ihn in einen der Marmorsarkophage legte, die
Konstantin der Große 600 Jahre zuvor hatte aufstellen
lassen. So fand er zwar eine ehrwürdige letzte Ruhestätte, aber
Nikephoros, der als bleicher Tod der Sarazenen gefeiert
wurde, als Held von Syrien und Kreta, der zugleich fromm war bis zur
Bigotterie und schrecklich, großartig und unausstehlich,
hätte auch ein angemesseneres Ende verdient.
1. oo N.N. Pleustana
†
20.9.963
2.oo 2. Theophano, Tochter des Schankwirtes Anastaso
um 941 † um 990
Kinder:
Tochter
†
Bardas
†
vor 963 jung
Literatur:
-----------
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- Browning Robert: Byzanz. Roms goldene Töchter. Die Geschichte
des Byzantinischen Weltreiches. Gustav Lübbe Verlag GmbH Bergisch
Gladbach 1982 Seite 89 - Collenberg, Weyprecht Hugo Graf Rüdt
von: Wer war Theophano? Seite 52 - Die Begegnung des Westens mit
dem Osten, hg. von Odilo Engels und Peter Schreiner, Jan Thorbecke Verlag
Sigmaringen 1993, Seite 15,16,17,18,117,118,119,121-124,126-128 - Eickhoff
Ekkehard: Theophanu und der König. Otto III. und seine Welt. Klett-Cotta
Stuttgart 1996 Seite 26, 31-35,67,196 - Faber Gustav: Der Traum
vom Süden. Die Ottonen und Salier. C. Bertelmanns Verlag 1983 Seite
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Ahnen. Rainer Wunderlich Verlag Tübingen 1969 Seite 243,261,265,274
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1968 Seite 54,63 - Laudage, Johannes: Otto der Große. Eine
Biographie. Verlag Friedrich Pustet Regensburg 2001 Seite 16,279,282 -
Norwich
John Julius: Byzanz. Der Aufstieg des oströmischen Reiches. Econ Verlag
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- Riche Pierre: Die Karolinger. Eine Familie formt Europa. Deutscher
Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München 1991 Seite 155,318 -
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Steven: Geschichte der Kreuzzüge, Sonderausgabe in 1 Band Verlag H.C.
Beck München 1978 Seite 31,32-33 - Schneidmüller Bernd/Weinfurter
Stefan (Hrsg.): Ottonische Neuanfänge. Symposium zur Ausstellung "Otto
der Große, Magdeburg und Europa" Verlag Philipp von Zabern Mainz
2001 Seite 238,239,241, 242,247,311,328 - Schneidmüller Bernd/Weinfurter
Stefan: Otto III. Heinrich II. Eine Wende? Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen
1997 Seite 230A,245,284,314-317 - Schulze Hans K.: Das Reich und
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Thiele, Andreas: Erzählende genealogische
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Kaiser-, Königs- und Fürstenhäuser Ergänzungsband,
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