Sohn des Bauern Sabbatius und der Vigilantia,
Schwester von Kaiser
Justin I.
Lexikon des Mittelalters: Band V Spalte 821
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Justinian I. (Flavius Petrus Sabbatius Iustinianus),
oströmischer Kaiser
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* 482, † 11.
November 565
Tauresium Konstantinopel
bei Bederiana
Sohn eines (illyrischen?) Bauern, wurde von seinem
Onkel, dem nachmaligen Kaiser
Justin an den hauptstädtischen Hof gezogen, wo er eine
umfassende Ausbildung erhielt. Am 1. April 527 bestieg er den Kaiserthron.
Seit 525 war er mit
Theodora
verheiratet,
einer früheren Zirkusschauspielerin, Tochter eines Bärenwärtes
am Hippodrom; sie gewann dank außergewöhnlicher Intelligenz
und Willenskraft erheblichen Einfluß auch auf die Politik Justinians
I. Diese war auf die Interessen der Mittelklassen in Stadt und
Land gerichtet und zog ihm die Feindschaft der alten, sich vornehmlich
auf ihren Großgrundbesitz stützenden Oberschicht zu. Systematisch
betrieb Justinian I. eine Restauration
des Imperium Romanum, sowohl bezüglich der juristischen und gesellschaftlichen
Ordnung als auch der territorialen Ausdehnung.
Um die ideologische Einheit des Staates zu festigen,
verbot Justinian I. 529 den philosophischen
Unterricht und damit zugleich die Athener Akademie. Der Nika-Aufstand 532,
der alle oppositionellen Kräfte vereinigte, wurde blutig niedergeschlagen;
die inneren Gegner vermochten sich fortan nicht mehr zu erheben. Die durch
den Aufstand erheblich beschädigte Hagia Sophia ließ Justinian
I. wiederherstellen und in einem feierlichen Akt aufs neue weihen,
wobei der kirchliche Anlaß hinter der staatlichen Repräsentation
sichtbar zurücktrat und so die Einordnung der Kirche in die staatliche
Hierarchie deutlich gemacht wurde. Der Stärkung des kaiserlichen Absolutismus
durch Wiederherstellung der alten Rechtsordnung diente das grandiose Gesetzgebungswerk
(Corpus iuris civilis). Es begann unter Leitung Justinians
I. 529 mit der Promulgation des Codex Iustinianus (Sammlung
geltender Kaisergesetze); ihm folgten 533 die Institutiones (Lehrbuch des
römischen Rechts unter christlichen Vorzeichen) und die Pandekten
(auch Digesten; sachlich geordnete Sammlung von Auszügen aus klassischen
Juristenschriften mit normativem Charakter); die spätere eigene Gesetzgebung
Justinians
I. bildeten die Novellen.
Mehrung des Reichs, Verbreitung des wahren Glaubens und
Vernichtung der Häretiker beinhaltete das Regierungsprogramm Justinians
I.. Um seine offensiven außenpolitische Pläne durchzusetzen,
stützte sich Justinian I. auf
seine Generale Belisar und Narses. 534 fiel der arianische
Vandalen-Staat in Nord-Afrika. Der nächste Schlag galt den gleichfalls
arianischen Ostgoten, die unter König Theoderich
(† 526) in Italien einen Staat errichtet hatten; zwar wurde
536 Rom, 540 die Hauptstadt Ravenna eingenommen, doch war der Krieg damit
nicht beendet. Der Bruch des 532 mit dem Perser-König Chosroes
I. geschlossenen 'ewigen' Friedens führte zu langwierigen
militärischen Auseinandersetzungen an der Ostgrenze, erst 562 konnte
gegen hohe Tributleistungen der Frieden erkauft werden. Während Rom
vorübergehend wieder an die Ostgoten verlorenging, wurde Ravenna,
später Sitz des Exarchen, prächtig ausgebaut. 552 wurden der
Goten-König
Totila an der Via Flaminia und die Ostgoten
unter König Teia am Vesuv endgültig
geschlagen. Die Sanctio pragmatica (554) stellte die byzantinische
Verwaltung in Italien wieder her und annullierte unter anderem die von
Totila zugunsten der Sklaven und Kolonen
getroffenen Maßnahmen. 552 wurden von den Westgoten beherrschte Gebiete
in Süd-Spanien (Baetica) besetzt. Das Mittelmeer war damit aufs neue
Binnenmeer des Imperiums.
Im Zuge der territorialen Expansion entwickelte sich
der Handel. Exportiert wurden zumeist aus syrischen und ägyptischen
Produktionsstätten stammende Stoffe, Werkzeuge und Juwelierwaren.
Als byzantinische Mönche das Geheimnis der Herstellung von Seide entdeckt
hatten, wurde deren Aufbereitung, Verarbeitung und Vertrieb Staatsmonopol.
Die handwerkliche und künstlerische Produktion in allen Zweigen florierte
ebenso wie die Herstellung von Büchern sowohl geistlischen wie weltlichen
Inhalts. In der Literatur wurden im Dienste der Restauration die klassischen
Formen gepflegt (z. B. Prokop, Agathias, Paulos Silentiarios). Gleichzeitig
zeigten sich in der rhythmisch-akzentuierten Kirchendichtung des Meloden
Romanos und der Weltchronik des Johannes Malalas neue Inhalte in neuen
Formen.
Bewußt förderte Justinian
I. die Spiritualisierung seines Amtes und damit seiner Person.
Justinian
I. war nicht nur Schutzherr, sondern zugleich auch Lenker der
christlichen Kirche. Wie er den Staat in allen seinen Funktionen dirigierte,
so hielt er auch die geistliche Hierarchie in seiner Abhängigkeit.
Daß Justinian I. dafür Kompetenz
besaß, zeigen seine theologischen Schriften, die, von neochalkedonischen
Positionen ausgehend, Originalität aufweisen.
Das Restaurationswerk, obwohl mit erbarmungslosem Steuerdruck,
langwierigen Kriegen und zahlreichen Insurrektionen erkauft, ließ
dennoch den Nachfahren die Epoche Justinians I.
als ein Goldenes Zeitalter erscheinen, doch hat es seinen Schöpfer
nur wenig überdauert. Die eroberten Territorien gingen bald wieder
verloren, mit ihnen der Traum von der Universalmonarchie. Die Landnahme
der Slaven veränderte die ethnischen und sozialökonomischen Grundlagen
des Reiches. Die geschwächte Finanzkraft bedingte fundamentale Veränderungen
des außenpolitischen, militärischenund administrativen Systems.
Es bedurfte danach eines vollen Jahrhunderts, ehe der byzantinische Staat
sich erneut zu konsolidieren vermochte.
J. Irmscher
byzantinischer Kaiser
geboren 11. Mai 482 in Tauretium (bei Skopje)
gestorben 11. November 565 in Konstantinopel
Regierungszeit 527-565;
aus illyrischer Bauernfamilie, vermählt mit
Theodora, die ihm beim Nikaaufstand 532 den Thron rettete, stellte
(vorübergehend) das römische Gesamtreich wieder her, indem er
durch seine Feldherren Belisar und Narses die Reiche der Vandalen
(534) und Ostgoten (554) vernichten ließ;
beanspruchte absolute und alleinige Herrschaft über Staat und Kirche
(Cäsaropapismus), legte den Grundstein
zur Hagia Sophia (an Stelle der 532 niedergebrannten
Kirche);
ließ das römische Recht im Corpus
Iuris kodifizieren.
Als Nachfolger seines Onkels Justin
I. betrieb Justinian I.
die Wiederherstellung des Römischen Weltreiches. Ohne selbst Konstantinopel
zu verlassen, eroberte er durch seine Feldherrn (besonders Belisar
und Narses) das nordafrikanische Wandalen-Reich 533/34, das
Ostgoten-Reich
in Italien 535-540, wo sich der Widerstand gegen die Fremdherrschaft bis
553 hinzog, und die Südostküste des westgotischen Spanien
(553/54). Während so der römische Westen zurückerobert wurde,
gefährdete der SASSANIDEN-König
Chosrau I., der Persien zu einem mächtigen Reich gemacht
hatte, die östliche Reichsgrenze und konnte nach schweren Kämpfen
nur durch hohe Tributzahlungen zu einem Frieden von 50 Jahren bewegt werden
(561).
Die erfolgreiche Expansionspolitik war nur möglich
durch straffe Organisation im Innern. Justinian
I. zentralisierte die Verwaltung unter Einbeziehung der Kirche.
Der Einheit des eiches diente Justinians Gesetzessammlung
"Codex Justinianus", die 529 erstmals und 534 in erweiterter Fassung publiziert
wurde. Sie regelte die Rechtsprechung und Verwaltung im gesamten Reich
und beeinflußte seit dem 11. Jh. bis in die Gegenwart die abendländische
Rechtsentwicklung.
Römisches Reich, römisches Recht und christlicher
Glaube bildeten für Justinain I.
eine Einheit, die er als Diener Gottes zu bewahren habe. So schloß
er 529 im Rahmen der Heidenverfolgung die Akademie in Athen. Die Herstellung
der Glaubenseinheit mißlang jedoch trotz der sowohl gegen die Monophysiten
als auch gegen Papst Vigilius angewandten Maßnahmen (5. Ökumenisches
Konzil; Dreikapitelstreit); seine eigenen theologischen Schriften blieben
nicht unangefochten.
Justinians Frau Theodora
stand ihm als Mit-Kaiserin gleichberechtigt zur Seite.
JUSTINIAN I.
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* 482, † 565
Balkanrömer, bäuerlicher Herkunft
Justinian I. wurde als Neffe des Kaisers Justin I. Patricius, Magister militum, Konsul und Chef der Hofgarde und ließ 520 den zum Konsul erhobenen Gegen-Kaiser Vitalian ermorden. Er übte schon lange die Regierungsgeschäfte aus und wurde am 1.4.527 zum Mitregenten ernannt und folgte dem kinderlosen Onkel als Kaiser von Byzanz. Unter seiner Regierung erreichte die Reaktion der herrschenden Sklavenhalterklasse ihren Höhepunkt. Die geplante Wiedererrichtung des Römischen Reiches (restitutio imperii) begann mit der Eroberung des Vandalen-Reiches in Nord-Afrika (534 durch Belisar) und des Ostgoten-Reiches in Italien (533 durch Narses). Wechselvolle Kämpfe mit dem benachbarten mächtigen Perserreich wurden durch Verträge auf einen fünfzigjährigen Frieden beendet (562). Gegen die auf dem Balkan anstürmenden Slawen wurden starke Befestigungen gebaut. Justinian I. vergrößerte die Armee und den bürokratischen Apparat. In Konstantinopel und in anderen großen Städten ließ er riesige Bauten errichten. Das unter seiner Aufsicht kodifizierte Rechtswerk (Corpus iuris civilis) entsprach dem Bestreben, überlebte Produktionsverhältnisse und Rechtsnormen aufrecht zu erhalten, ebenso die staatliche Monopolisierung der wichtigsten Wirtschaftszweige (Seidenmonopol). Auch die Kirche stand unter staatlicher Kontrolle (Cäsaropapismus). Die justinianische Restaurationspolitik verschlang ungeheure Mittel, diente der rücksichtslosen Ausbeutung der unteren Klassen, führte zum Verfall des byzantinischen Wirtschaftslebens und zur wachsenden Unzufriedenheit der Volksmassen. Bereits 532 kam es zu einer Erhebung, dem Nika-Aufstand, der den Kaiserthron erschütterte und nur mit Mühe unterdrückt werden konnte. Mit der Besetzung Südost-Spaniens (554) wurde die größte Ausdehnung des Reiches erreicht. In der Regierung folgte sein Neffe Justin II.
525
oo THEODORA,
Tochter eines Schankwirtes
† 548
Ehemalige Zirkustänzerin mit äußerst fragwürdigem
Ruf (vgl. Prokops Geheimberichte), 527 Augusta und einflußreiche
Mitregentin, intrigenreich, mutig, verschlagen; sicherte dem wankelmütigen
Mann den Thron und beherrschte ihn völlig.
Literatur:
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Beck München 1999 Seite 26,74 - BERTELSMANN Lexikon Geschichte
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des Byzantinischen Weltreiches. Gustav Lübbe Verlag GmbH Bergisch
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C.H. Beck München 1994, Seite 33-34 - Eickhoff Ekkehard: Theophanu
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Das erste Reich der Deutschen. Geschichte der Merowinger und Karolinger.
C. Bertelmanns Verlag GmbH, München 1980 Seite 22,86 - Herm,
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Seite 120,134,137 - Kashdan A.P.: Byzanz und seine Kultur. Akademie-Verlag
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der Große. Kaiser und Heiliger. Bechtle Verlag Esslingen 1986 Seite
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