Stammatfel Lexikon des Mittelalters Band IX Anhang
STAMMTAFELN ZUR GESCHICHTE DER EUROPÄISCHEN STAATEN
Band I Tafel 82
Lexikon des Mittelalters: Band IX Spalte 464
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ZÄHRINGER
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Fürstenhaus im hochmittelalterlichen Schwaben.
In vermuteter Verbindung zu der frühalemannsichen
Familie der BERTOLDE/ALAHOLFINGER tritt um 1000 mit dem Thurgaugrafen
Berthold der erste historisch faßbare Vorfahre der ZÄHRINGER
entgegen.
Dieser erhielt 999 von Kaiser OTTO III. für
seinen Ort Villingen Markt-, Münz- und Zollrecht, und damit erscheint
die westliche Baar mit der oberen Donau als alter Besitzschwerpunkt der
Familie. Durch HEINRICH II. mit der
Grafschaft im Breisgau ausgestattet, erweiterte Berthold seinen
und seiner Nachkommen Wirkungsraum an den Oberrhein. Der 1024 gestorbene
Graf Berthold/Bezelin, über dessen Mutter Berta die
ZÄHRINGER mit den STAUFERN
verwandt, ist entweder mit dem Thurgaugrafen identisch oder
als dessen Sohn anzusprechen. Bezelins
seit 1025 belegter Sohn Berthold
gehörte
zur engeren Umgebung KONRADS II. und
war in seinem Auftrag 1037/38 in Italien tätig. Um diese Zeit heiratete
er Richwara, die als Tochter Herzog Hermanns IV. von Schwaben gelten
darf. Wohl durch sie erweiterte sich der Familienbesitz um den Komplex
Weilheim/Limburg im Neckargau, der im späten 11. Jahrhundert Zentrum
und Stammsitz war. Als einer der mächtigsten schwäbischen Adligen
erhielt Berthold
die Zusage Kaiser HEINRICHS
III. auf das Herzogtum Schwaben, ging allerdings 1057 leer aus,
da die Kaiserin-Witwe Agnes den Dukat
an RUDOLF VON RHEINFELDEN verlieh.
1061 wurde Berthold mit Kärnten entschädigt, und
dadurch erreichte die Familie dukalen Rang. Sein ältester Sohn Hermann
amtierte
als Graf im Breisgau und führte überdies den Titel des
Markgrafen (von Verona). Da er 1073 der Welt entsagte und in das Kloster
Cluny eintrat, nahm Herzog Berthold den Breisgau wieder in eigene
Regie. Um diese Zeit kam es zu einer ersten Entfremdung Bertholds
von König HEINRICH IV., die sich
nach 1072 verstärkte, als Berthold sich mit Herzog Welf IV.
von Bayern und Herzog Rudolf von Schwaben
zur süddeutschen Fürstenopposition zusammenschloß. Von
HEINRICH 1077 seiner Ämter und
Lehen entsetzt, starb Berthold
1078 auf der Limburg. Sein Sohn Berthold
II. führte bald als Anhänger der päpstlichen Partei
die anti-salische Opposition in Schwaben
fort, seit 1084 unterstützt von seinem Bruder Gebhard, der
damals Bischof von Konstanz und überdies 1089 päpstlicher Legat
wurde. Durch seine Heirat mit Agnes,
Tochter RUDOLFS VON RHEINFELDEN, gelangte
Berthold 1090 nach dem kinderlosen Tod von RUDOLFS
Sohn, Herzog Berthold von Schwaben, an das reiche, vor allem in Burgund
gelegene Rheinfelder Erbe; die Ehe seiner Tochter Agnes
mit
Graf Wilhelm von Hoch-Burgund verstärkte die Verbindung in diesem
Raum. Damals schuf Berthold den neuen Herrschaftsschwerpunkt mit
der Burg Zähringen im nördlichen Breisgau, die für
die Familie namengebend wurde, und zur gleichen Zeit verlegte er auch das
von seinem Vater gegründete, zeitweise in Hirsauer Verfügung
befindliche Kloster Weilheim an den westlichen Schwarzwaldrand, wo es als
zähringisches Hauskloster St.
Peter mit der Familiengrablege eine wichtige Funktion erhalten sollte.
Auch Burg und Siedlung Freiburg im Breisgau nahmen zu dieser Zeit ihren
Anfang. In Opposition zum kaisertreuen staufischen
Herzog Friedrich I. wurde Berthold II. 1092 zum Herzog von Schwaben
gewählt; zugunsten des STAUFERS
gab er diese Funktion 1098 gegen Überlassung Zürichs als Reichslehen
auf, ohne indes auf seinen Herzogstitel zu verzichten, der zum festen Bestandteil
des zähringischen Hauses wurde.
Berthold kann ebenso wie sein gleichnamiger Sohn in der Folgezeit
als verläßliche Stütze der spät-salischen
Herrscher gelten. Bertholds II. Neffe Hermann, der die von
seinem Vater begründete markgräfliche Linie fortführte,
wurde damals von HEINRICH IV. für
den Verlust der Markgrafschaft Verona mit der Herrschaft über Baden
in
der Ortenau entschädigt, wonach sich dieser Zweig der Familie künftig
benannte.
Es gelang den ZÄHRINGERN
seit dem frühen 12. Jahrhundert, über Vogteien (Bamberg, St.
Peter, St. Georgen, St. Blasien) und unter Einsatz adliger und ministerialer
Gefolgsleute ihr Territorium im Südwesten Schwabens herrschaftlich
zu verdichten, das nun nicht mehr der Zuständigkeit des schwäbischen
Herzogs unterlag. In Konkurrenz mit alteingesessenen Herrschaftsträgern
wie dem Baseler Bischof erschlossen und nutzten die ZÄHRINGER
den Silbersegen des Schwarzwaldes und schufen sich damit eine wesentliche
materielle Basis. Nach dem Tod Bertholds II. 1111 tat sich unter
seinen Söhnen besonders der jüngere Konrad hervor, der
1120 in Freiburg im Breisgau einen Markt gründete und damit die zähringische
Städtepolitik einleitete. Als Nachfolger seines Ende 1122
gestorbenen Bruders Berthold III. im Dukat hat Konrad 30
Jahre lang die Geschichte der ZÄHRINGER
geprägt. Durch seine Heirat mit Clementia von Namur dehnte
er den Einfluß seines Hauses weit über den deutschen Südwesten
hinaus aus. Herrschaftsgeschichtlich ist von hoher Bedeutung, dass Konrad
1127 von König LOTHAR III. zum
Rektor Burgunds erhoben wurde, wo er über seine nach Hoch-Burgund
verheiratete Schwester Ansprüche anmelden konnte. Diese reichsamtliche
Position stützte fortan den fürstlichen Rang der
ZÄHRINGER. Während das
gute Einvernehmen Konrads
mit dem Königtum auch unter
KONRAD III. fortdauerte, verschlechterte sich die Beziehung
zwischen
FRIEDRICH BARBAROSSA; der
bereits 1146 eine Fehde gegen den ZÄHRINGER
geführt hatte, und Herzog Konrads Sohn und Nachfolger Berthold
IV. von Zähringen, da der STAUFER
nach anfänglichem Zugeständnis weiterreichende Rechte in Burgund
an den Herzog hier seine eigenen Interessen verfolgte und den Spielraum
der ZÄHRINGER
auf den östlichen Teil zwischen Jura und Alpen einengte.
Wenn auch Berthold IV. ca. 1156 als Entschädigung Vogtei und
Regalieninvestitur in den Bistümern Genf, Lausanne und Sitten zugestanden
bekam, blieben Spuren der Kränkung, und sie wurden noch vertieft,
als der Kaiser 1160 die Wahl von Bertholds Bruder Rudolf
für
den Mainzer Erzstuhl nicht anerkannte. In diesem Tiefpunkt des staufisch-zähringischen
Verhältnisses bot Berthold IV. dem französischen
König Ludwig VII. für den Fall eines staufischen
Angriffs Rat und Hilfe an und versprach im Zusammenhang mit der Mainzer
Affäre vom Haß des Kaisers gegen "unser Geschlecht". Dieser
betrieb seinerseits 1162 die Scheidung Heinrichs des Löwen von Bertholds
IV. Schwester Clementia, um die welfisch-zähringische
Allianz zu schwächen. In der Folgezeit besserten sich die Beziehungen
zwischen
FRIEDRICH I. und den ZÄHRINGERN:
Rudolfs
erfolgreiche
Bischofskandidatur in Lüttich 1167 kam den territorialpolitischen
Interessen seines Bruders im nordlothringischen Raum entgegen, die FRIEDRICH
I. allerdings später durchkreuzte, als er hier Mitte der
80-er Jahre die Grafen von Hennegau begünstigte. Berthold IV.,
der sich bereits 1159/60 im kaiserlichen Heer in Italien hervorgetan hatte,
begleitete FRIEDRICH I. auch 1167 und
1176 über die Alpen, und der Kaiser belehnte 1173 nach dem Anfall
des Lenzburger Erbes Berthold mit den Kirchenvogteien in Zürich.
War die Geschichte der ZÄHRINGER
auf Reichsebene in der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts von einigen
Mißerfolgen gekennzeichnet, so vermochten doch Berthold IV. und
sein ihm 1186 nachfolgender Sohn Berthold V. ihr fürstliches
Territorium in der Alemannia und in Burgund durch Neugründungen von
Städten (Freiburg im Üchtland 1157, Bern 1160/91), durch die
Anlage repräsentativer Burgen (zum Beispiel Burgdorf, Rheinfelden)
und (in der Nachfolge der LENZBURGER) durch Siedlungs- und Verkehrspolitik
im Alpenraum zu konsolidieren. Allerdings erfuhr Berthold V., dessen
Ehe mit Clementia, Tochter Graf Stephans III. von Hoch-Burgund-Auxonne,
seine Verbindung zu Burgund spiegelt, gerade hier mehrfach den Widerstand
des Adels. Während er dabei 1190 einen klaren Sieg verzeichnen konnte,
bereitete ihm der Konflikt mit Graf Thomas von Savoyen zu Beginn des 13.
Jahrhunderts größere und längere Mühe. Im deutschen
Südwesten förderte Berthold V. Städte wie Villingen
und vor allem das mit einer Residenzburg verbundene Freiburg, dessen Münster
er neu erbauen ließ und als Ort seines Begräbnisses wählte.
Als nach dem Tod Kaiser HEINRICHS
VI., der im ZÄHRINGER-Land
staufische
Territorialinteressen verfolgt
hatte, Herzog Berthold V. Ende 1197 als Thronkandidat der anti-staufischen
Partei ausersehen wurde, eröffnete sich den ZÄHRINGERN
die
Möglichkeit reichspolitischen Engagements höchsten Ranges. Doch
wollte Berthold diese Aufgabe letztlich nicht wahrnehmen und blieb
von dem festgesetzten Wahltermin in Andernach 1198 fern, nachdem er sich
mit
König PHILIPP geeinigt und
von diesem im Gegenzug zu dessen Anerkennung territoriale Zugeständnisse
erhalten hatte, die seit alters verfolgte Ziele der ZÄHRINGER
betrafen: Vogtei und Herrschaft über Kloster und Stadt Schaffhausen
und die staufische Besitzhälfte
an dem alten breisgauischen Vorort Breisach, der zum anderen Teil dem Bischof
von Basel gehörte. In der Folgezeit fast durchgängig auf staufischer
Seite, hat Berthold V. sein Augenmerk auf die innere Konsolidierung
des ducatus Zaringiae gerichtet, indem
er ein anderes altes Ziel der ZÄHRINGER,
den vogteilichen Zugriff auf St. Gallen, zu erreichen suchte. Doch scheiterte
er hier, und auch seinen Anspruch auf das Erbe der Grafen von Nimburg konnte
er gegenüber dem Straßburger Bischof nicht durchsetzen. Der
höfischen Kultur aufgeschlossen, hat sich Berthold V. als Gönner
von Dichtern wie Berthold von Herbolzheim einen Namen gemacht; ob Hartmann
von Aue an den Hof der ZÄHRIINGER
gebunden war, ist fraglich.
Da Berthold V. und Clementia zuletzt ohne
Nachkommen blieben und FRIEDRICH II. frühzeitig
den Plan verfolgte, den die staufischen
Kernlande beeinträchtigenden zähringischen
Dukat
aufzulösen, wurde das aus Allod, Reichs- und Kirchenlehen bestehende
Erbe nach dem Tod Bertholds 1218 teils auf dem Fehdeweg zwischen
den Ansprüche anmeldenden Parteien aufgeteilt. Hierzu gehörten
die Grafen von Urach und die Grafen von Kiburg, in deren Familien Schwestern
Bertholds,
Agnes und Anna, eingeheiratet hatten, die
Herzöge von Teck als eine im späten 12. Jahrhundert
abgetrennte Seitenlinie der ZÄHRINGER
und nicht zuletzt FRIEDRICH II. War
damit die Zeit der ZÄHRINGER-Herrschaft
zu Ende gegangen, so kam den ZÄHRINGERN
in der Nachwirkung eine bedeutsame Rolle zu, indem er sich sowohl die HABSBURGER
als auch (in der frühen Neuzeit) die BADENER auf sie als Vorfahren
beriefen.
Literatur:
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E. Heyck, Die Hzg.e v. Zähringen, 1891 [Nachdr.
1980] - Th. Mayer, Der Staat der Hzg.e v. Zähringen, 1935 - K. Schmid,
Aspekte der Z.forsch., ZGO 131, 225-252 - Veröff. zur Z.-Ausstellung,
I-III [Bibliogr.]: Die Z. Eine Traditon und ihre Erforsch., hg. K. Schmid,
1986; die Z. Anstoß und Wirkung, hg. H. Schader-K. Schmid, 1986;
die Z. Schweizer Vortr. und neue Forsch.en hg. K. Schmid, 1990 - Th. Zotz,
Dux de Zaringen - Dux Zaringiae. Zum zeitgenöss. Verständnis
eines neuen Hzm.s im 12. Jh., ZGO 139, 1991, 1-44 - J. Lichdi, Bm. Basel
und zähring. Herrschaftsbildung in der Freiburger Bucht, Schau-ins-Land
110, 1991, 7-63 - M. Blattmann, Die Freiburger Stadtrechte zur Zeit der
Z., 1991 - K. Schmid, Vom Werdegang des bad. Mgf.engeschlechtes, ZGO, 139,
1991, 45-77 - Ders., Baden-Baden und die Anfänge der Mgf.en v. baden,
ZGO 140, 1992, 1-37 - Ders., Auf der Suche nach der Z. Kirche in der Z.zeit,
Schau-ins-Land 112, 1993, 7-29 - H. Hartler, Die Z.ministerialen "von Schopfheim"
in der Ortenau. Ein Beitr. zum "Offenburg-Problem", Die Ortenau, 1994,
229-272 - Ders., Die "Herren v. Ow" im 11. und 12. Jh. (Adel am oberen
Neckar, hg. F. Quarthal, 1995), 229-272 - Freiburg 1091-1120. Neue Forsch.en
zu den Anfängen der Stadt, hg. H. Schadek-Th. Zotz, Das Z.haus unter
Heinrich V. und der Freiburger Marktgründung 1120 (Gesch. in Verantwortung.
Fschr. H. Ott, hg. H. Schäfer, 1996), 25-52 - J. Mangei, Die Z. in
den sog. Marbacher Annalen, Schau-ins-Land 116, 1997, 141-155 - A. Zettler,
Burgenbau und Z.herrschaft (Burgen im Spiegel der hist. Überlieferung,
hg. H. Ehmer, 1998), 9-36 - U. Parlow, Die Z. Kommentierte Q.ndokumentation
zu einem sw.dt. Hzg.sgeschlecht des hohen MA [im Dr.].
Trillmich Werner: Seite 112
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"Kaiser Konrad II. und seine Zeit"
Die ZÄHRINGER verfügten über Güter und Grafschaften in der Baar, am mittleren Neckar und um Weilheim am Teck, aber auch im Thurgau, in der Ortenau und dem Breisgau, wo ihr Familienkloster Sulzburg lag. In der Ortenau wurden die bambergischen Klöster Schuttern und Gengenbach von ihnen bevogtet. Für Villingen nahe der Neckarquelle besaßen sie Marktrecht.
"DIE ZÄHRINGER" Band I
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Althoff Gerd: Seite 53
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"Die Zähringerherrschaft im Urteil Ottos von Freising"
Die Eigenart der geschichtlichen Erscheinung der
ZÄHRINGER wäre aber auch
unvollständig beschrieben, wenn nicht anschließend die Frage
gestellt würde, wie es kommt, dass die ZÄHRINGER
im 11. und 12. Jahrhundert durch das Problem ihres Titelherzogtums
zu ständiger Anstrengung im Königsdienst genötigt wurden.
Die Antwort kann hier nur noch thesenartig gegeben werden: Sie waren es
deshalb, weil ihre Herrschaft nicht in langen Zeiträumen gewachsen
war, nicht auf vornehmen Vorfahren aus grauer Vorzeit, auf altem ausgedehnten
Eigenbesitz und auf Lehen beruhte, deren Lehenscharakter in Vergessenheit
geraten war, sondern weil sie erst zu Beginn des 11. Jahrhunderts sozusagen
einen großen Sprung nach vorne gemacht hatten. Zu Beginn des 11.
Jahrhunderts bot sich nämlich dem König
HEINRICH II., dem letzten Vertreter der ottonischen
Dynastie, die Möglichkeit einer weitgehenden Neuordnung
der Machtverhältnisse am Oberrhein. Dies deshalb, weil schon sein
Kontrahent bei der Königswahl im Jahr 1002, der schwäbische Herzog
Hermann aus dem Hause der KONRADINER,
im Jahre 1003 verstarb und nur einen unmündigen Sohn hinterließ,
der jedoch bereits 1012 ohne Erben verschied. Damit war für das Königtum
die seltene Möglichkeit gegeben, die Herrschaftsverhältnisse
in einem wichtigen Reichsgebiet weitgehend neu zu ordnen. Dementsprechend
fassen wir in dieser Zeit ein Fülle diesbezüglicher Aktivitäten
HEINRICHS
II., der unter anderem den Bistümern Basel und Straßburg,
aber auch dem gerade neu gegründeten Bistum Bamberg Besitzungen und
Rechte am Oberrhein zuwies.
Unter den weltlichen Herrschaftsträgern aber hat
von dieser Neuordnung vor allem eine Sippe profitiert, die durch die sogenannten
'Leitnamen' Bezelin und Bertold gekennzeichnet ist. In den
Angehörigen dieser Sippe glaubt man seit langem - und wohl zu Recht
- die Vorfahren der ZÄHRINGER
zu erkennen. Sei sind im endenden 10. und beginnenden 11. Jahrhundert in
auffälliger Weise im Königsdienst nachzuweisen. Wir hören
von ihnen aus Italien, aus Lothringen und aus Sachsen, und immer in der
besonderer Nähe zum König. In die freigewordenen Herrschaftspositionen
am Oberrhein aber rückten gleichfalls diese Personen ein, die zuvor
ihren Herrschaftsschwerpunkt wohl auf der Baar im Raum Villingen und Weilheim
unter Teck gehabt haben. Sie werden nun faßbar als Vögte kirchlicher
Institutionen in der Ortenau und im Breisgau, sowie als Inhaber der Grafenämter
in mehreren Grafschaften. Im Verlaufe des 11. Jahrhunderts scheinen
sie sich dann auf den westlichen Teil ihres Einflußbereichs konzentriert
zu haben. Der Einfall Herzog Bertolds II. in den Breisgau im Jahre
1079, den Karl Schmid kürzlich gewürdigt hat, gehört sicher
in diesen Zusammenhang. Die Verlagerung des Schwerpunktes der Herrschaft
fand 1091/93 mit der Gründung des Hausklosters St. Peter und der Benennung
nach der Burg Zähringen ihren sichtbaren Abschluß.
Alle diese Hinweise markieren den Vorgang einer jüngeren
Herrschaftsbildung. So ist es auch nur bestätigend, dass im 12. Jahrhundert
die WELFEN mit der Tatsache renomierten, dass aus ihren Reihen schon in
der KAROLINGER-Zeit eine Kaiserin hervorgegangen
sei; dass die STAUFER auf ihre Vorfahren
aus dem salischen Königsgeschlecht
pochten, die sie sogar bis zu den Merowingern zurückführten.
Die ZÄHRINGER propagierten dagegen
keine vergleichbare Version ihrer vornehmen Herkunft. Die ältesten
Mitglieder ihres Geschlechts waren nach ihrer in einer Genealogie aus St.
Peter niedergeschriebenen Meinung die am Ende des 10. Jahrhunderts lebenden
Gründer von Sulzburg namens Bezelin und Gebhard. Doch selbst dies
hat die moderne Forschung nur zweifelnd zur Kenntnis genommen.
Zusammenfassend möchte man also die mittelalterliche
ZÄHRINGER-Herrschaft charakterisieren
durch die Tatsache eines sprunghaften Aufstiegs auf Grund königlicher
Förderung und durch das lange Streben nach dem Herzogstitel, der für
die unabhängige Herrschaftsbildung nötig war, der aber von königlicher
Verleihung abhing und deshalb Anstrengung im Königsdienst unabdingbar
machte.
Stälin Paul Friedrich: Seite 25
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"Geschichte Württembergs "
Als weitere Nachkommen der alten Volksherzoge werden vielfach
mit Rücksicht ins besondere auf den beliebten Familiennamen Berchtold
(welchem auch die Verkleinerungsform Birchtilo entsprechen dürfte),
sowie auf die Lage des Besitzes die ZÄHRINGER
angesehen, obgleich sich diese Annahme nicht sicher nachweisen läßt.
Es wird daher auch das Geschlecht in neuester Zeit mannigfach als eine
verhältnismäßig junge Familie aufgefaßt, welche durch
die 1. Gemahlin Herzog Berchtolds I., Richware, ein Tochter
des 1039 verstorbenen Herzogs Konrads II. des Jüngeren von Kärnten,
des Sohnes Herzog Konrads I. und der Mathilde von Schwaben, in den Besitz
ursprünglich alaholfingischer Güter gekommen sei.
Auf dem Schauplatz der größeren Geschichte
erscheinen die ZÄHRINGER
mit Graf Berchtold, von späteren Quellen mit dem
Kosenamen "Bezelin" von Villingen bezeichnet, welchem Kaiser
OTTO III. im Jahr 999 für seinen Ort Villingen Markt, Zoll
und Münze schenkte, einen Sohn von Bertha, der Schwester Friedrichs,
des ersten bekannten Ahnherrn des staufischen
Geschlechts, noch mehr aber mit Bezelins Sohn, Berchtold dem
Bärtigen. Letzterer, in der 1. Hälfte des 11. Jahrhunderts
Graf im Breisgau, in der Ortenau und in dem um Stühlingen gelegenen
Albgau, wird zuerst, im Jahre 1078, nach Ceringen, das heißt der
Burg
Zähringen im Breisgau, nahe bei dem erst im Jahr 1091 von Berchtold
II. gegründeten Freiburg genannt [J. Caspart findet in dem
Weiler
Zähringen die Urheimat der ZÄHRINGER,
aus der sie am Ende des 11. Jahrhunderts nach dem Breisgau übergesiedelt
seien; allein in diesem Ort und seiner Umgegend ist kein Besitz der Familie
bekannt, entscheidende Anhaltspunkte liegen für seine Annahme nicht
vor und die beglaubigte Anfangsgeschichte des Geschlechts weist es doch
mehr der Schwarzwald-Gegend zu.]. Wie er im Jahre 1061 das Herzogtum Kärnten
mit der Markgrafschaft Verona erhalten, an welches er nach obigen Ausführungen
eine Erbanwartschaft gehabt hätte, welche Rolle er in den Kämpfen
zwischen HEINRICH IV. und dem Gegen-König
RUDOLF VON SCHWABEN gespielt hat und wie er im Jahre 1078 sein
Leben beschlossen, ist bereits dargelegt worden. Vermählt war Berchtold
I. in erster Ehe mit Richware, über deren Abstammung schon
sehr verschiedenartige Vermutungen aufgestellt worden sind - die neueste
siehe oben -, in zweiter Ehe mit Beatrix, Tochter des Grafen Ludwig
von Mömpelgard. Er besaß 3 Söhne, nach der wahrscheinlicheren,
wenngleich nicht unbestrittenen Reihenfolge
Herzog Berchtold II. (+
1111), Markgraf Hermann I. (+ 1074) und Gebhard III. Bischof
von Konstanz 1084-1110.
Die Hauptlinie der Familie, deren Stammvater Herzog
Berchtold II. ist, hat für die württembergische Landesgeschichte
weniger Bedeutung, insofern sie vorzugsweise Besitz im jetzigen Großherzogtum
Baden, so im südlichen Schwarzwald, im Breisgau und in der Ortenau
erhielt; doch besaß sie im jetzigen Königreich Württemberg
namentlich Dornstetten und Aach, kurze Zeit auch den Hohentwiel, vielleicht
aus dem rheinfeldischen Erbe, und außerdem verwaltete sie einen Bruchteil
der alten Berchtoldsbar um Rottweil das Grafenamt, in dessen Ausübung
uns einige zähringische Herzoge (1099,1108,1140) entgegentreten. Unter
den Gliedern der Familie wurde insbesondere Berchtold II. (+ 1111),
der Schwiegersohn des Gegen-Königs RUDOLF
VON SCHWABEN, im Jahr 1092 von der päpstlichen Partei zum
Herzoge von Schwaben erhoben; allein ums Jahr 1098 trat er mit seinen Ansprüchen
an das schwäbische Herzogtum zugunsten des STAUFERS
Friedrich I. zurück und bekam dafür die Stadt Zürich, wohl
mit ihrer Umgebung, als unmittelbares Reichslehen zugestanden. Auch behielt
er wie seine Nachfolger den Herzogstitel bei und die umfangreichen, unter
den verschiedensten Rechtstiteln erworbenen Besitzungen und Grafschaftsrechte
des Geschlechts wurden immer mehr zu einem selbständigen Reichsgebiete
verschmolzen, wenn sie auch niemals ein Herzogtum im staatsrechtlichen
Sinne des Reiches gebildet haben. Berchtolds II. Sohn und Nachfolger,
Herzog Berchtold III., war einer der wenigen weltlichen Zeugen des
berühmten Wormser Konkordats vom September 1122, starb aber noch im
gleichen Jahre kinderlos, so dass sein Bruder Konrad (+ 1152) folgte.
Durch Kaiser LOTHARS
Gunst erhielt
dieser im Jahr 1127 die Belehnung mit den Grafschaften Hoch-Burgund und
Sitten, vermochte jedoch nur in den Besitz des burgundischen Gebiets östlich
vom Jura zu setzen und nahm, da ihm auch hier eine der herzoglichen Gewalt
ähnliche Stellung übertragen wurde, noch den weiteren Titel eines
Herzogs - in der Folge auch Rektor genannt - von Burgund an. Sein Sohn
Berchtold IV. (+ 1186) erprobte sich vielfach in den italienischen
Kämpfen Kaiser FRIEDRICHS I.,
war auch beim Abschluß des Konstanzer Friedens vom Jahr 1183 tätig;
insbesondere aber erwarb er sich in der westlichen, burgundischen, Schweiz
als Gründer oder Förderer einer Reihe von Städten Verdienst:
Sein Sohn Berchtold V. wurde, wie bereits erwähnt, im Jahr
1198 von einigen Fürsten zum deutschen König gewählt, trat
jedoch alsbald wieder von seiner Bewerbung zurück. Er ist der Gründer
der Stadt Bern (1191). Als er am 18. Februar 1218 kinderlos verstarb,
fielen die Teile, aus denen sich der bedeutende zähringische
Länderkomplex zusammensetzte, auseinander. Die Güter und Rechte,
welche die Familie im Namen des Reiches innegehabt hatte, wie das Rektorat
Burgund, kamen ans Reich zurück; der Allodialbesitz der Familie ging,
freilich unter heftiger Fehde mit Kaiser FRIEDRICH
II., welcher die Herzoge von Teck mit ihren Erbansprüchen
durch Geld abfand, an Berchtolds beide Schwestern über: die
uralten Stammgüter im Breisgau und in Schwaben an Agnes und
deren Gemahl Graf Egino von Urach, die rheinfeldisch-burgundischen Erbgüter
an Anna und deren Gemahl Graf Ulrich von Kiburg.