Das Jahr 883.
Der Kaiser zog nach Italien und berieth in der Stadt Verona
mit seinen Getreuen über den Zustand seines Reiches, Poppo und Egino,
Grafen und Herzöge der Thuringer, untereinander im Kampf, richteten
nicht geringes Blutvergießen an; in welchem Streit Poppo überwunden
ward und kaum mit wenigen Männern entfloh, während alle Uebrigen
getödtet wurden. Der Nordmanne Gotafrid, welcher im vorigen Jahre
getauft worden war, ging mit Hluthars
Sohn Hugo ein Bündniß ein
und nahm dessen Schwester zum Weibe. Hierdurch kühner gemacht, trachtete
eben dieser Hugo, das Reich seines
Vaters seiner Herrschaft zu unterwerfen. Der Kaiser blieb die ganze Sommerzeit
in Italien und erregte gegen sich die Gemüther der Edlen jener Gegend.
Denn er entsetzte Wido und einige andere,
und gab ihre Lehen, welche sie, ihre Väter, Großväter und
Urgroßväter besessen hatten, an viel geringere Personen. Aus
Unwillen hierüber, beschließen jene in gleicher Absicht Empörung
wider ihn, wobei sie noch viel mehr, als sie früher gehabt hatten,
sich anmaßten. Ein Berg im italischen Lande bewegte sich von
seiner Stelle, fiel in den Fluß Athesis und versperrte dessen Lauf.
Die aber, welche zu Verona
und in Orten an diesem Fluß wohnten, entbehrten
so lange seinen Nutzen, bis derselbe Fluß durch diesen Berg gleichsam
Höhlen gemacht hatte und zu seinem Bett zurückkehrte. Die Nordmannen
stiegen das Bett des Rheinflusses hinauf und verbrannten sehr viele,
kürzlich erst hergestellte Ortschaften, wobei sie nicht geringe Beute
von da raubten; ihnen rückt Liutbert, Erzbischof von Mainz, mit wenigen
entgegen, aber nicht wenige von ihnen streckte er nieder und nahm ihnen
die Beute ab. Cöln wird mit Ausnahme der Kirchen und Klöster
wiederaufgebaut und die Mauern derselben mit Thoren, Riegeln und Schlössern
hergestellt.
Das Jahr 885.
Dieselben Nordmannen drangen in den Haspannischen Gau,
besetzten auch die übrigen ringsum gelegenen, brachten Früchte
verschiedener Art zusammen und richteten sich so zur Ueberwinterung ein;
sie ließen sich häuslich nieder, als ob gar kein Widerstand
mehr vorhanden wäre, und verwahrten die Männer und Weiber, welche
sie finden konnten, zu ihrem Dienst. Unverhofft aber kamen über sie
Erzbischof Liutbert und Graf Heimrih und einige andere, streckten sehr
viele nieder und zwangen die Uebrigen in eine kleine Befestigung zu fliehen;
die gesammelten Früchte nahmen sie ihnen ab. Da sie lange belagert
wurden und, obwohl vom Hunger gedrängt, kein Treffen wagen mochten,
entwichen sie fliehend bei Nacht. Gotafrid der Nordmanne, welcher Christ
geworden, und dem Kaiser und dem christlichen Volk Treue zu halten durch
Eidschwur gelobt hatte, brach seinen Schwur, sammelte ein nicht geringes
Heer aus seinem Volk, und beschloß das Bett des Rheines hinaufzusteigen
und sehr viele Orte seiner Herrschaft zu unterwerfen. Dies hatte er im
Monat Mai zu thun beschlossen, konnte es aber, weil Gott dagegen war, nicht
ausführen. Denn bei einer Unterredung, wozu er von Heimrih und anderen
Getreuen des Kaisers eingeladen war, wurde er ob seines Treubruchs
getadelt, und als er sie durch Scheltworte und mannigfachen Hohn erbitterte,
selber und alle seine Begleiter umgebracht:
der Herr verlieh ihm den seiner Untreue würdigen
Lohn. Aber die von ihm aufgebotenen Nordmannen rückten, des Geschehenen
unkundig, weiter um zu plündern nach Sachsen ein.
Wenige Sachsen waren ihnen entgegengezogen und wandten,
weil sie einer so großen Menge Widerstand zu leisten sich fürchteten,
den Rücken. Jene aber entfernten sich weit von ihren Schiffen bei
der Verfolgung der Fliehenden, in der Hoffnung dieselben zu fangen. Inzwischen
kamen, wie von dem Herrn gesandt, die Friesen dazu, welche Destarbenzon
heißen, auf ganz kleinen Schiffen, wie ihre Gewohnheit ist, herangefahren,
und begannen sie im Rücken anzugreifen. Als dies die Sachsen sahen,
welche vorher geflohen waren, kehrten sie um, leisteten kräftigen
und beharrlichen Widerstand und das Treffen wurde von beiden Seiten gegen
die Nordmannen erneuert. Endlich wütheten die Christen gegen
sie mit solchem Blutbad, daß wenige von einer so großen Menge
übrig blieben. Hierauf drangen dieselben Friesen in die Schiffe jener
und fanden soviel Schätze an Gold und Silber nebst mannigfachem Geräth,
daß alle vom Niedrigsten bis zum Größten reich wurden.
Hugo, König
Hluthars Sohn, dessen Schwester der vorerwähnte Gotafrid
geheirathet hatte, wurde bei dem Kaiser angeklagt, daß er die Verschwörung
Gotafrids gegen das Reich des Kaisers begünstigt hätte. Deshalb
wurde er vor den Kaiser geladen, und nachdem er der Schuld überführt
war, nebst
seinem Oheim des Augenlichts beraubt und in das Kloster
des heiligen Bonifatius zu Fulda verstoßen; er endete so seine Tyrannis.
Die Uebrigen aber, welche mit ihm waren, entkamen mit Mühe nackt,
ihrer Rosse, Waffen und Kleider beraubt.
Der Kaiser hatte mit den Seinigen zu Frankonofurt eine
Unterredung, schickte Boten nach Rom und lud den Pontifex Hadrian
nach Franken ein. Er wollte nämlich, wie das Gerücht verbreitete,
einige Bischöfe widerrechtlich absetzen und Bernhard,
seinen Sohn von einem Kebsweib, zum Erben des
Reiches nach sich einsetzen, und weil er dies durch sich
allein erreichen zu können bezweifelte, gedachte er es vermittelst
des römischen Pontifex gleichsam durch apostolisches Ansehen
durchzusetzen. Seine trügerischen Pläne wurden durch Gottes Wink
vernichtet. Denn der römische Pontifex hatte, abgereist aus der Stadt,
bereits den Fluß Heridanus überschritten, als er das gegenwärtige
Leben endete; er ist in dem Kloster Nonantulas beigesetzt. Als der Kaiser
dies erfuhr, war er sehr betrübt, darum, daß er in solcher Sache
seines Verlangens nicht konnte theilhaftig werden. Nach wenig Tagen aber
kam er nach Mainz, und von da nach Worms; dort hielt er mit den Bischöfen
und Grafen von Gallien eine Unterredung, und reiste nach Baiern ab, wo
er den Geburtstag des Herrn feierte.
Die Römer setzten, als sie den Tod ihres Pontifex
erfahren hatten, an seine Stelle Stephanus ein. Deswegen zürnte
der Kaiser, weil sie, ohne ihn zu befragen, die Ernennung sich angemaßt
hatten, und schickte Liutwart und einige Bischöfe des römischen
Stuhles, um ihn abzusetzen: was sie ganz und gar
nicht ausrichten konnten; denn der genannte Pontifex
überschickte durch seine Gesandten dem Kaiser aufgeschrieben die Namen
von mehr als dreißig Bischöfen und aller Cardinal-Presbyter
und Diakonen, sowie von Personen niederen Ranges, wie auch von den vornehmsten
Laien des Landes, welche alle
einhellig ihn erwählt und seine Ernennung unterzeichnet
hatten.
Das Jahr 886.
Im Monat Februar wurde ein Heer der östlichen Franken gegen die Nordmannen geschickt, welche in Gallien bei Paris standen. Auf dem Wege erlitten sie durch übermäßige Regengüsse und einbrechende Kälte nicht geringen Verlust an Pferden. Als sie aber dorthin gekommen waren, hatten die Nordmannen, überflüssig mit allen Dingen in ihren Verschanzungen versehen, weder Lust noch Muth mit ihnen handgemein zu werden. Daher als die Tage der Fasten und bis zur Bittwoche in nutzloser Anstrengung verbracht waren, ausgenommen, daß Heimrich einige außerhalb der Verschanzung antraf und tödtete, kehrten sie mit vielen geraubten Pferden und Rindern in ihre Heimath zurück. Inzwischen verschieden Hugo und Gozilin, Aebte und Hauptheerführer des gallischen Landes, auf welchen alle Hoffnung der Gallier gegen die Nordmannen beruhte. Deshalb wuchs die Kühnheit der Nordmannen, so daß sie aus ihrer Verschanzung herauskamen, sich der ganzen Gegend bemächtigten und, von niemand gehindert, Jagden und mannigfache Spiele trieben.
Der schönste Theil der Stadt Mainz, wo die Friesen
wohnten, verbrannte im Monat März nach Mitte der Fasten. Im Monat
Mai, Juni und Juli aber fiel vom Himmel eine solche Menge Regen Tag und
Nacht ohn' Unterlaß, daß jeder der jetztlebenden Menschen versichert,
solch Uebermaß von Wasser
niemals gesehen zu haben. Dadurch schwollen die Flüsse
an verschiedenen Orten sehr und wurden mancherlei Früchten sehr schädlich.
Denn der Rhein trat über sein Bett und vernichtete an allen Orten,
die vom Ursprung bis zum Eintritt in das Meer ihm nahe liegen, Korn, Lein
und Heu. Auch der Padus
soll in Italien Aehnliches angerichtet haben. Im Monat
Juli hielt der Kaiser eine Unterredung mit den
Seinigen in der Stadt Metz und zog von da gegen die
Nordmannen. Während er eine Zeitlang daselbst verweilte, wurde Graf
Heimrich, welchen die Seinen im Stich gelassen, umringt von den Feinden
und getödtet. Inzwischen kam Sigifrid mit einer großen Masse
Nordmannen, um den Uebrigen, die dort
sich festgesetzt, Hülfe zu bringen, und jagte den
Christen große Furcht ein. Erschreckt gab der Kaiser einigen die
Erlaubniß durch Burgund zu schweifen, anderen versprach er sehr viel
Geld, wenn sie sein Reich in einer unter ihnen festgesetzten Zeit verließen.
Er selbst aber zog sich von da beschleunigten
Schritts nach dem Elsaß zurück und lag daselbst
längere Zeit hindurch krank.
Das Jahr 888.
König
Arnolf empfing in der Stadt Radasbona die Edlen der Bajowaren,
Ostfranken, Sachsen, Duringer, Alamannen, eine große Anzahl Sclavanen,
und feierte daselbst würdevoll den Geburtstag des Herrn und Ostern.
Während er lange verweilte, wuchsen viele kleine Könige in Europa
oder dem Reiche seines Oheims Karl
auf. Nämlich Perangar, Ebarhards
Sohn, machte sich zum König in Italien, Ruodolf
aber, Chuonrads
Sohn, beschloß Ober-Burgund für sich, in Weise eines Königs,
zu behalten; daher denn setzten sich Hludowich,
Buosos Sohn, und Wito, Lantberts
Sohn, vor, das belgische Gallien und nicht minder die Provinz wie Könige
zu haben; Odo, Rodberts Sohn, maßte
sich das Land bis zum Liger und die aquitanische Provinz zu eigenem Nutzen
an. Hernach wollte Rannolf als König gelten. Auf diese Nachrichten
zog der König nach Franken und hielt in Frankonofurt einen Reichstag,
wo er beschloß nach Worms zu kommen. Dies erfuhr Odo,
und handelte nach vernünftigem Rathschluß, indem er versicherte,
er wolle lieber sein Reich mit des Königs Gunst friedlich haben, als
in irgend welcher Ueberhebung sich wider die Treue zu jenem etwas anmaßen;
er kommt demüthig zum König und wird huldreich empfangen. Als
die Sache von beiden Seiten zur Zufriedenheit glücklich geordnet war,
zog jeder heim. Der König rückt gegen Rodolf
nach
dem Elsaß vor. Von da schickte er gegen ihn ein alamannisches Heer
und kehrte selber durch Franken nach Bajowarien zurück. Nämlich
Rodolf kam nach einer
Berathung mit den edlen Alamannen freiwillig zum Könige nach der Stadt
Radasbona, wo sie über vieles in angemessener Weise übereinkamen;
er selber, in Frieden vom Könige entlassen, zog heim wie er gekommen
war. Italien wollte der König mit Heeresmacht angreifen, aber Perangar,
der kurz zuvor mit dem Tyrannen Wito
blutig gestritten und besorgte, es möchte das Italische Reich durch
den Einmarsch einer so starken Mannschaft übel leiden, schickte seine
Edlen voran und stellte sich selber dem König in der Tarentinischen
Stadt. Deswegen wurde er von dem Könige freundlich empfangen und ihm
nichts von der vorerworbenen Herrschaft entzogen, ausgenommen werden die
Höfe Navum und Sagum. Das Heer durfte daher ohne Verzug nach Hause
zurückgehen. Der König aber zog mit wenig Begleitung
durch Friaul und feierte auf dem Hof Corontana den Geburtstag des Herrn.
Auf diesem Wege nun fielen soviel Pferde todt nieder, wie kaum jemals Sterblichen
erinnerlich und überliefert ist.
Das Jahr 893.
Vor Fasten besuchte der König im ganzen Land der
westlichen Franken die Klöster und Bischofsitze, um zu beten. Engilscalch,
ein Mann von jugendlicher Kühnheit, hatte eine Tochter des Königs
von einem Kebsweib geraubt und sich für den Augenblick als Verbannter
zu den Maraven begeben, war
nicht lange nachher aber bei dem König zu Gnaden
gekommen und zum Markgraf im Osten gemacht. Weil er dort übermüthig
gegen Edle der Bajoaren in Sachen die ihm untergeben waren, handelte, wurde
er in der Stadt Radaspona, da er unvorsichtig in des Königs Palast
gedrungen war, ohne vor den König gestellt zu sein, nach ihrem Urtheil
geblendet. Daher auch wurde Willihelm, der Sohn seines Oheims, da er Boten
an Herzog Zwentibald schickte, des Majestätsverbrechens schuldig erklärt
und ihm der Kopf abgeschlagen. Auch der Bruder von diesem, welcher als
Verbannter unter den Maravanen sich versteckt hielt, wurde nach einem hinterlistigen
Rathschluß des Herzogs mit sehr vielen anderen getödtet. Der
König nun trat den Marsch an und drang abermals mit Heeresmacht in
Herzog Zwentibalds Reich, plünderte den größten Theil jenes
Landes aus und zog, wegen der Nachstellungen, welche für ihn gelegt
waren, mit großer Schwierigkeit, heim nach Bajoarien, auf den königlichen
Hof Otinga. Hier wurde ihm nicht lange darauf ein Sohn geboren, welchen
Haddo, Bischof von Mainz, und Adalpero, Bischof von Augusta (Augsburg)
mit der heiligen Quelle der Taufe besprengten und mit dem Namen seines
Großvaters Hludawich nannten.
Gesandte aber kamen vom Pabst Formosus mit Briefen und Edlen des
Italischen Reiches zum König nach Bajoarien, und baten
flehentlich, daß er käme, das Italische Reich
und die Sache des heiligen Petrus zu Handen zu nehmen und den bösen
Christen zu entreißen; was sich damals vornehmlich der Tyrann
Wito
anmaßte. Der König empfing sie in der Stadt Regino ehrenvoll
und mit Geschenken, erklärte sich ihren Forderungen geneigt, und erlaubte
ihnen abzureisen. Ein rauher Winter, der mehr als gewöhnlich sich
in die Länge zieht, so daß im Monat März an einigen Orten
fünf Tage hindurch fußhoher Schnee gesehen wurde. Daher in Bajoarien
sehr großer Mangel an Wein, Schafe und Bienen gingen zu Grunde.
Das Jahr 894.
Ein starkes Donnerwetter krachte am 28. Januar. Er selbst
begab sich bald auf den Weg und blieb den Geburtstag des Herrn in
dem königlichen Hof Weibilinga; von da rückte er mit einem Alamannischen
Heer in Italien ein. Zuerst hörte er, daß die Stadt Pergamus
(Bergamo) unter Ambrosius, einem Grafen Witos,
ihm aufständisch sei. Deshalb befahl der König, der selber herzuritt,
das Heereslager rings herum auf den Bergen bis an die Mauer der Stadt vorzurücken.
Denn so sehr waren sie bei schon heranbrechendem Abend kämpfend zusammengerathen,
daß den übrigen Theil der Nacht ebenso die Belagerten, wie die
Belagerer durchwachen mußten. Mit anbrechender Morgenröthe,
als die Feier der Messe vollbracht war, vertheilte der König rings
herum sein Heer zur Erstürmung der Stadt. Er selber hielt mit den
Feldzeichen auf dem Gipfel des Berges, um den Mauerstürmern Hülfe
zu bringen. Ein wunderbar starker Muth giebt sich bei beiden kund, den
Belagerten und den Belagerern; beide stehen wie eine Mauer im Kampf beharrlich
gegeneinander.
Denn beim ersten Anlauf des Kampfes läßt sich
solcher Lärm der an die Schilde schlagenden Steine vernehmen, daß
es den Hütern des königlichen Lagers, welches über eine
Meile entfernt war, vorkam, als ob sie Donner hörten. Als aber in
Gegenwart des Königs die Ritter der Pfalz mit höchster Anstrengung
fochten, drang man endlich bis zur Mauer vor. Sie halten die nach Art eines
Daches zusammengelegten Schilde über sich und versuchen die vor Alters
gegründete Mauer zu durchgraben, während von oben die armen Städter
Fässer voll Steinen vergeblich herabwälzten, Lanzen auf sie niederwarfen,
endlich die Zinnen der Mauern auf sie herabzustürzen versuchten; mit
aller Kraft der Brust drängten jene an und auf Gottes Wink brachten
sie die Mauer dazu, bis zum Grunde niederzustürzen. Draußen
entsteht ein Geschrei des Volkes, drinnen Schrecken mit Flucht, von allen
Seiten dringt das Heer wie ein Wirbelwind ein und plündert. Graf Ambrosius,
Urheber des Streites gegen den König, besteigt, in der Flucht Rettung
suchend, einen Thurm, doch ohne Nutzen; denn in
der Wuth wird er nach dem Urtheil des Heers verdammt,
und alsbald an einem Galgen aufgehängt, sein Weib und seine Söhne
mit einem großen Schatz dem König überliefert; auch der
Bischof dieser Stadt, mit Namen Adalbert, wurde daselbst ergriffen und
dem Bischof Haddo seine Bewachung anvertraut.
Darob fiel solche Furcht auf ganz Italien, daß
die größten Städte, Mailand nämlich und Papia, aus
freien Stücken zum König sandten und sich unterwarfen.
Daher stellten sich dem Könige die Markgrafen, welche
zum italischen Reich gehörten, Adalbert nämlich und sein Bruder
Bonifacius, auch Hildibrand und Gerhard. Aber als sie hochmüthig über
das Maaß forderten, belehnt zu werden, wurden sie alle gefangen und
in die Hände der Fürsten zum Gewahrsam übergeben. Aber nicht
lange litt dies der König; denn aus Mitleid gestattete er ihre Lösung
und verlangte von ihnen ein eidliches Gelöbniß der Treue. Zwei
von ihnen, Adalbert und Bonifacius, brachen ihr Wort, flohen und fielen
vom König ab. Als nun wegen der zu großen Länge des Marsches
das Heer ermattete, zog der König, der bis Placentia (Piacenza)
gekommen war, zu Ostern zurück, bis unweit des Castells Eboregia (Ivrea).
Durch dieses wurden die Engpässe, über welchen das von Steinen
errichtete Castell sich erhob, fest verschlossen. Ein Graf
Witos
hielt es besetzt Namens Ansger, mit Trabanten Rudolfs,
des Königs von Burgund, die hinübergeschickt waren, um
dem König hier die Rückkehr zu verwehren. Der König nun
sah ein, daß er durch den besetzten Weg ohne Gefahr der Seinigen
gewaltsam nicht dringen könne; er stieg mit Wegweisern unter großer
Anstrengung des
Heeres die Alpen herauf, wobei er wegen der Größe
des Heeres vom Wege ab durch steile Felsen kam; nur mit großer Gefahr
der Seinen und auf wunderbare Weise, indem die Pferde am Abhang des Felsens
wie auf einer Mauer vom Gipfel herab längs der Klippen herunter sprangen,
welche ihnen gewissermaßen Stufen wie zur Erholung boten, kamen sie
endlich am dritten Tage nach dem Thal von Augusta. Der König schickte
das Heer voraus und zwang König Rodulf
zu fliehen, er selber begab sich durch das obere Burgund nach Alamannien
zurück zu dem Hof Chirihheim, wo ihm die Königin entgegenkam.
In Worms wurde eine Reichsversammlung abgehalten, dorthin kam unter anderen
Karl,
ein Knabe nahe am Jünglingsalter,
Hludowichs,
der Karls, des Königs vom westlichen
Francien, Sohn war, Sohn und Enkel eines Königs, zu ihm, welchen
der König mit Zuneigung empfing und abfertigte. Die Alamannen werden
mit starker Mannschaft gegen König Rodulf
geschickt unter
Zuentibald,
einem Sohn des Königs von einem Kebsweib. Da jenen die entgegenstehenden
Alpen vertheidigten, verwüsteten die Alamannen einen großen
Theil jenes Landes und zogen heim.
Wido, der Tyrann
des Italischen Reiches, starb an einer Krankheit; sein Sohn
Lantbert maßte sich gleich ihm die Herrschaft an. Zwentibald,
Herzog der Maraven und Urquell jeder Treulosigkeit, der alle ihm benachbarten
Gegenden durch Trug und List aufwiegelte und nach Menschenblut dürstend,
umherzog, beschloß unselig sein Leben, wobei er
noch die Seinen ermahnte, nicht Liebhaber des Friedens zu werden, sondern
vielmehr in Feindschaft gegen die Hausgenossen zu verharren. Die Avaren,
welche man Ungarn nennt, zogen in dieser Zeit jenseits der Donau umher
und vollbrachten viel Klägliches. Denn die Männer und alten Weiber
tödteten sie insgesammt, die jungen Weiber nur schleppten sie wie
Vieh mit sich, ihrer Begierde zu fröhnen, und verwüsteten ganz
Pannonien bis zur Vernichtung. Ein Friede wurde zur Herbstzeit zwischen
Bajoaren und Maraven geschlossen. Als Gesandter Leos,
des Kaisers der Griechen, kam Anastasius mit Geschenken zum König
nach der Stadt Radasbona; welchen der König anhörte, und an demselben
Tage abfertigte.
Das Jahr 896.
Nun wurde durch das übermäßig schlechte
Wetter, unaufhörliche Regengüsse und unmäßige Ueberschwemmungen
das ganze Heer auf verschiedenen Gebirgspässen aufgehalten, irrte
zerstreut umher, und drang mit Mühe vor. Daher auch entstand eine
heftige Seuche unter den Pferden und nahm durch die Schwierigkeit des Marsches
mehr als gewöhnlich zu, dergestalt, daß fast das ganze Heer
sein Gepäck ungewohnter Weise auf Ochsen, die nach Art der Pferde
gesattelt waren, fortschaffte. Dazu erschreckte inzwischen ein böses
Gerücht den König und das Heer, daß nämlich Perngar,
sein Neffe, von der Treue abgefallen und deswegen schon nach Italien zurückgekehrt
sei, Adalpert aber, Markgraf von Tuscien, durch Unterredungen mit Perngar
bewogen sei, keinesweges die Treue gegen den König zu halten. Nach
dieser Kunde gelangte der König unter großen Mühseligkeiten
und das ganze Heer in höchster Angst und Mangel endlich nach der Stadt
Rom. Zu alle dem noch befällt das Heer eine neue Art Besorgniß.
Denn bei ihrer Ankunft hatte Ageldrudis,
Widos
Wittwe, alle Thore im Umkreis
der Mauern schließen und besetzen lassen, so daß allen gleichmäßig
der Eingang zum Hause des heiligen Petrus verweigert war. Darüber
bekümmert, kam der König zu einer gemeinsamen Berathung mit dem
ganzen Heer bei der Kirche des heiligen Pancratius zusammen. Als die Feier
der Messen vollendet war, befragte der König einmüthig das Heer,
was zu thun sei. Alle kommen zusammen, versprechen unter Thränen Treue,
legen vor den Priestern öffentlich Beichte
ab, ein Fasttag wird angesagt, und allgemein beigestimmt,
die Stadt mit Waffengewalt zu erobern. Während nun alle zauderten
in das Lager zurückzukehren, nahm der König ringsum die Mauer
in Augenschein; plötzlich auf Gottes Wink entsteht zwischen Belagerten
und Belagerern unerwartet ein Streit, ein Zusammenlauf des Volkes von allen
Seiten, alle schreien, man solle die Stadt mit Gewalt erobern, alle beseelt
gleicher Wille zum Kampf. Ohne Verzug kommen sie an die Mauern, verjagen
mit Steinen die Vertheidiger der Mauern, eine Masse Männer sammelt
sich an den Thoren; mit Beilen und
Schwertern durchschlagen einige das Thor und die eisernen
Riegel, andere durchgraben die Mauer, andere steigen auf Leitern die Mauern
hinauf. Und so wird durch Gottes Vorsehung, ohne daß von Seiten des
Königs aus einem so großen Heer Einer fiel, die festeste und
edelste Stadt bei schon hereinbrechendem Abend mit edlem Triumph erobert,
der Apostolicus zugleich und die Stadt von den Feinden befreit. Der ganze
Senat nun der Römer, und die Gilde der Griechen, kamen mit Fahnen
und Kreuzen an die Malvische Brücke, den König ehrenvoll mit
Hymnen und Lobgesängen zu empfangen, und führten ihn in die Stadt.
Nun empfing mit väterlicher Liebe der Pabst den König vor dem
Paradies, an dem Ort, welcher "an den Stufen des heiligen Petrus" genannt
wird, und ehrerbietig führte er ihn voll Freude in die Basilica der
heiligen Apostelfürsten, und indem er nach Sitte seiner Vorfahren
zur Kaiserweihe die Krone auf sein Haupt setzte, nannte er ihn Cäsar
Augustus. Nachdem daselbst vielerlei Angelegenheiten geordnet waren, versprach
das ganze Volk der Römer bei dem heiligen Paulus eidlich dem Kaiser
Treue. Den Eid nun, damit er keinem unbekannt bleibe, will ich hier einfügen:
"Ich schwöre bei all diesen Mysterien Gottes, daß, unbeschadet
meiner Ehre, des Gesetzes und der Treue gegen den Herrn Pabst Formosus,
ich treu bin und sein werde alle Tage meines Lebens dem Kaiser
Arnolf und mich niemals zur Untreue gegen ihn mit irgend einem
Menschen verbinden werde; dem Sohne der Agildruda,
oder seiner Mutter selbst zu weltlicher Würde niemals Hülfe leihen
werde; und diese Stadt Rom dem Lantpert
selbst oder seiner Mutter Agildruda
oder ihren Leuten mit keiner List und unter keinem Vorwand übergeben
werde."
Hierauf aber wurden Constantin und Stephan, welche die
Häupter im Senat waren, des Majestätsverbrechens angeklagt, weil
sie früher sich mit Agildruda
zur Einnahme der Stadt
verschworen hatten; ohne Verzug ließ sie der König
ergreifen und mit sich nach Bajoarien führen. Die Bewachung der Stadt
legte er in die Hände eines Vassallen Farold, er selber endlich zog
am 15. Tage nach seiner Ankunft von der Stadt ab. Auf die Nachricht
dann, daß Agildruda in der Stadt
Spoleto verweile, beschleunigte er seinen Marsch, diese zu erobern. Aber
noch nicht an den bestimmten Ort gekommen, wurde er von einem schweren
Kopfweh ergriffen und ließ dies unvollendet; mit aller Eile, nachdem
er seinen kleinen Sohn Ratolt, der
von einem Kebsweib war, zur Huldigung des Italischen Volkes in Mailand
gelassen hatte, zog er selber durch das Tridentinische Thal im Monat Mai
heim nach Bajoarien. Aber nicht lange darauf kam auch sein Sohn, welchen
er in Italien gelassen hatte, über den Cumenser See zu ihm zurück.
Nach dem Tode Waltfreds, des Markgrafen von Friaul, welcher sehr treu Verona
für den Kaiser behauptet hatte, drang sogleich Perngar
in das Italische Reich ein und nahm es bis zum Fluß Addua wie durch
Erbrecht in Besitz, in Theilung mit Lantpert.
Maginfred, Graf von Mailand, wurde von Lantpert,
Widos
Sohn, zum Tode verurtheilt und hingerichtet, sein Sohn und Schwiegersohn
ihres Augenlichts beraubt.
Aber in Rom verschied Pabst Formosus am heiligen Tage
der Ostern, in dessen Stelle Bonifacius geweiht wird, der, vom Podogra
ergriffen, kaum 15 Tage überlebt hat. An seiner Stelle folgte ein
Pabst Namens Stephan, ein Mann von schimpflichem Ruf, der seinen
Vorgänger, Formosus nämlich, auf
unerhörte Weise aus dem Grabmal reißen und
in der Person eines für ihn ausgestellten Fürsprechers für
abgesetzt erklären und draußen außerhalb des gewöhnlichen
Begräbnißortes der Päbste begraben ließ.
Die Griechen nun schließen in diesem Jahre Friede
mit den Avaren, welche Ungarn heißen; was ihre Mitbürger, die
Bulgaren, übel aufnehmen, sich zu einem feindlichen Zuge gegen sie
erheben und ihr ganzes Land bis an das Thor von Constantinopel verwüsten.
Dies zu rächen, schicken die Griechen
listiger Weise Schiffe zu den Avaren und führen
sie in das Reich der Bulgaren jenseits des Danuvius über; übergesetzt,
drangen jene mit starker Heeresmacht auf das Volk der Bulgaren ein
und brachten einen sehr großen Theil um. Auf die Nachricht hiervon,
kehren die im Zuge begriffenen Bulgaren mit aller Eile zurück, ihr
Vaterland von dem Feinde zu befreien, begannen sogleich ein Treffen und
wurden besiegt; abermals, da sie auf gleiche Weise Vergeltung suchten,
ließ sie zum zweitenmal der Sieg im Stich. Endlich, ungewiß,
welchen Trost oder welches Heilmittel zu finden, laufen die Elenden alle
zu den Füßen ihres alten Königs
Michael, welcher sie zuerst zur Wahrheit der christlichen Religion
bekehrte, und forschen, was er ihnen um der drohenden Gefahr zu entgehen
riethe. Nachdem dieser ein dreitägiges Fasten angesagt, ermahnte er
sie, das Christen zugefügte Unrecht zu bereuen, sodann Hülfe
bei Gott zu suchen. Als dies vollbracht, begannen sie den harten Kampf,
und da beide Parteien aufs Heftigste stritten, wurde zuletzt durch das
Erbarmen Gottes der Sieg, obwohl ein blutiger, den Christen zu Theil. Denn
wer könnte wohl die Niederlage der heidnischen Avaren bei schrecklichen
Kämpfen aufzählen und auseinandersetzen? da von den Bulgaren,
welchen der Sieg zu Theil ward, die Zahl von 20.000 Reitern todt gefunden
worden. Als aber in diesen Gegenden die Kämpfe sich häuften,
befahl der Kaiser für diese Zeit den Schutz von Pannonien nebst der
Stadt Paludarum seinem Herzog Brazlawo an. Aber Leo,
der Kaiser der Griechen, sandte einen gewissen Lazarus, einen Bischof,
mit Geschenken zum Cäsar Augustus, den jener in der Stadt Radasbona
freundlich aufnahm, ihn wenige Tage bei sich behielt, endlich mit Ehren
bereichert, heimschickte.