Sohn des WIDONEN Haimo
(Haymo) und möglicherweise Neffe des Herzogs
Wido I. von Spoleto
Hlawitschka, Eduard: Seite 166,188,190,192-194
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"Die Widonen im Dukat von Spoleto", in: Stirps Regia
Mit dem Vater ging offenbar nur ein Teil der Familie ins
Exil, nämlich der Sohn Wido, den wir ab 842 als dux Spolitanorum
antreffen, und dazu anscheinend nochnein weiterer Sohn, vielleicht Haimo,
der 837 als LOTHARS
consilarius auftrat [33 Ein weiterer ins Exil gegangener
Bruder Widos I. von Spoleto wird durch ein Diplom der Kaiser
WIDO und LAMBERT
vom 1. Mai 892 nahegelegt. Mit dieser Urkunde (L. Schiaparelli, I. Diplomi
di Guido e di Lamberto, Roma 1906, Seite 34ff. nr. XIII) überließen
die beiden Regenten an Cohunradum
dilectum patruum ac patruelum nostrum illustrem marchionem und dessen
Frau Ermengund die curtis Almenno in der Grafschaft Bergamo.
Im Unterschied zu avunculus bezeichnet patruus den Onkel
väterlicherseits und patruelis den Vetter über den Vatersbruder.
Einen in dieser Weise deutbaren Sinn ergibt die Urkunde aber nur dann,
wenn man die Bezugsetzung von patruus
und
patruelis nicht
- entsprechend der Ausstellerreihenfolge - auf WIDO
und
LAMBERT,
sondern umgekehrt auf LAMBERT und WIDO
bezieht. (Ein Onkel WIDOS kann
ja doch niemals zugleich Vetter des Wido-Sohnes sein!). Demnach
mußten
Markgraf Konrads Vater und Kaiser
WIDOS Vater, Wido I. von Spoleto, Geschwister gewesen
sein. (Die Deutung "Mutterbruder" als patruus scheidet auch schon
bei der Beobachtung aus, daß in der Nachkommenschaft Konrads
das widonische Namengut - Radald, Wibert,
Wido - auftritt; vgl. E. Hlawitschka, Franken (wie Anm.6) Seite 213ff.,
247f., 283ff., 140). Wie Konrads Vater hieß, ist freilich
unbekannt. (Die Interpretation des WIDO-LAMBERT-Diploms
durch Th. Wüstenfeld, Herzoge (wie Anm. 10) Seite 413, die zu Wido
I. von Spoleto als Konrads Vater führt, ist ganz abwegig;
sie läßt das patruelis ganz außer acht.) Doch könnte
hier eine Beobachtung am genannten Diplom einen Hinweis liefern. Von dieser
curtis
heißt
es nämlich sicut a sanctae memoriae Hludovico
quondam
imperatore
concessa
fuit (eine Verbindung mit den dazwischenstehenden Pertinenzen ist nicht
möglich, weil es sonst concessae fuerunt heißen müßte),
woraus zu folgern ist, daß dieser Hof schon einmal an Konrad
- und zwar von Kaiser
LUDWIG II. - gegeben worden war; und Konrad muß
ihn in der Zwischenzeit verloren haben. Dazu fügt sich sehr genau,
daß König Ludwig der Deutsche
am 26. Februar 975 - das heißt noch vor LUDWIGS
II. Tod, gerade als
Ludwig der Deutsche
mit seinen Söhnen für die Nachfolge in Italien vorgesehen wurde
und dabei LUDWIGS II.
Familienangehörige
wirtschaftlich sicherstellen mußte - diesen Hof und andere Güter
an LUDWIGS II. Tochter Irmingard
schenkte; MG D LdD 157 (Original!). LUDWIGS II.
frühere Schenkung Almennos an Konrad war also tatsächlich
wieder rückgängig gemacht wrden. Nun wissen wir, daß 871
des späteren Kaisers WIDO älterer
Bruder, namens Lambert, zusammen mit einem anderen Grafen Lambert
(von Camerino), der in den Quellen auch als Lambert der Kahle bezeichnet
worden ist (siehe unten Seite 57), in ein Komplott des Herzogs Adelgis
von Benevent gegen Kaiser LUDWIG II.
verwickelt schien und daß die beiden Lamberte ihre Ämter
verloren und nach Benevent flüchten mußten. Offensichtlich hat
sich nun diese Strafaktion LUDWIGS II.
von 8971 auch auf Konrad ausgewirkt. Wenn Konrad aber in
die Bestrafung der beiden Lamberte von Spoleto und Camerino
einbezogen wurde, dann muß er - was ja auch die patruus- und
patruelis-Bezeichnungen
schon zu erkennen gaben - ein naher Verwandter zumindest des Spoletiner
Herzogs, vielleicht auch beider Lamberte, gewesen sein. Und
das stützt die schon oft geäußerte Annahme, daß auch
die beiden Lamberte nahe Verwandte waren, obgleich dies nicht ausdrücklich
mitbezeugt ist. War Konrad vielleicht ein Bruder Lamberts des
Kahlen? (Ein Bruder Lamberts von Spoleto kann er nicht gewesen
sein, denn dann hätte er im zitierten Kaiserdiplom auch als Widos
frater, nicht patruelis, bezeichnet werden müssen.).
Nun ist Lamberts des Kahlen Vater bekannt: er hieß Haimo
(siehe unten Anm.118). Ein Haimo ist zum 27.10.837 als LOTHARS
fidelis consilarius und Inhaber des Klosters Montamiata
bezeugt; MG D Lo I 33. War dieser nicht nur der Vater Lamberts des Kahlen,
sondern auch der des Markgrafen Konrad (von Lecco)? In einem solchen
Falle dürfte Haimo als Bruder Widos I. angesehen werden.].
LUDWIGS Rückzug
sollte an Rom vorbei und geradewegs über Spoleto nach Ravenna führen.
Wenn nicht Rom sondern Spoleto sein erstes Ziel war, muß dies seinen
tieferen Grund haben. Aber kaum, daß er dort anlangte, entfernte
sich "Lambert zusammen mit einem anderen Lambert vor ihm,
da sie merkten, daß ihnen vom Kaiser das angerechnet wird, was gegen
ihn geschehen war; und sie begaben sich Benevent, weil der genannte Adalgis
ihnen verbündet war. Es ist ganz offensichtlich: nicht erst der Beschwerden
des Papstes über die schon fast vier Jahre zurückliegenden Übergriffe
Lamberts
auf Rom zur Zeit seines Konsekration bedurfte es, um den Kaiser jetzt gegen
den Herzog Lambert einzunehmen. Die Entscheidung
LUDWIGS,
sofort nach Spoleto zu ziehen, und - als Lambert mit seinem gleichnamigen
Genossen floh - die Konsequenz, die Flüchtigen sofort zu verfolgen,
um sie noch vor Erreichen des beneventanischen Gebietes zu fassen, zeigen
mit aller wünschenswerten Deutlichkeit, daß es dabei um des
Kaisers eigene Fragen, sein eben erlebtes Schicksal ging. Wegen der schon
seit 860 bestehenden guten Verbindungen
Lamberts nach Benevent bestand
offenbar sofort der Verdacht seiner Mitwisserschaft am Komplott des Adelgis.
Ob dazu berechtigter Anlaß bestand, war schon seinerseits ungewiß.
Man stellt weiter fest, daß eben dieser Suppo
schon vor dem 29. September 871 die Nachfolge der beiden Lamberte
in der Verwaltung Spoletos und Camerinos angetreten hat [104 E.
Hlawitschka, Franken Seite 272.], so darf man wohl sagen, daß dieser
Suppo zu des Kaisers Gefolge zur Zeit der Beneventaner Überrumpelung
gehörte, ein Günstling Angilbergas
und LUDWIGS II. war und daß er
sofort nach der Freilassung (17.9.871) noch auf dem Wege des Kaisers nach
Spoleto oder unmittelbar nach seinem dortigen Eintreffen vom Kaiser mit
der Amtsführung im alten Gesamtdukat Spoleto betraut wurde. Das schon
andersweitig gewonnene Bild der ganz raschen Entscheidung LUDWIGS
gegen
Lambert
von Spoleto bestätigt sich damit. Es wird hierbei aber auch weiter
deutlich, daß eine Fraktion um Angilberga
und ihre Verwandten gegen Lambert existierte, das heißt, daß
sich damals Spannungen entluden, die um dem vorwaltenden Einfluß
bei Hofe, beim Kaiser, bestanden. War zu Anfang des Süditalien-Feldzuges
(866) noch Lambert von Spoleto eine einflußreiche, in der
Truppenführung geschätzte Persönlichkeit, der sich die Capuaner
sogar lieber ergaben als dem Kaiser, so war aber diese Stellung bald verloren
gegangen, wie die Mißachtung der mit Capua von Lambert ausgehandelten
Friedensbedingungen durch den Kaiser offenbarte und wie die nur halbherzige
Deckung des Eingriffs Lamberts in Rom durch den Kaiser zeigte. Da
Lambert
dadurch mehr und mehr in eine oppositionelle Haltung gedrängt wurde,
scheint nur natürlich; und gleichfalls wird dann glaubhaft, daß
der ebenso überspielte Adelgis von Benevent, den Angilberga
schon für die Exilierung vorgesehen haben soll und der Lambert
schon
860 einmal aufgenommen hatte, ihm freundschaftlich verbunden war.
Unterschweillig spielte bei den Vermutungen, daß
der widonische Familienclan nach rascher Selbständigkeit gedrängt
habe, oft auch die Person des zweiten mitvertriebenen Lambert, das
heißt Lamberts "des Kahlen", - wie Hinkmar ihn nannte
[111 Vgl. unten Anm. 122.] -, eine gewisse Rolle. Er wird immer
wieder als sehr naher Verwandter des Spoletiners, der wohl Camerino, also
den Ostteil des alten Gesamtherzogtums inne hatte [112 A. Hofmeister,
Markgrafen Seite 360; Th. Wüstenfeld, Über die Herzoge Seite
404.], angesehen. Indem man ihn als Vetter Lamberts von Spoleto
wertete [113 Th. Wüstenfeld, a.a.O. Seite 404.], der aus Nantes
bzw. der bretonischen Mark nach dem Tode Lamberts
II. von Nantes und dessen Bruders Warnarius
nach Italien nachgezogen worden sei, oder in ihm auch einen Angehörigen
einer alemannischen, mit den WIDONEN
verwandten Grafensippe, und zwar den Sohn eines Grafen Atto, erblickte
[114 H. Decker-Hauff, Die Ottonen und Schwaben, Zeitschrift für
Württembergische Landesgeschichte 14 (1955) Seite 335ff. ], konnte
man zugleich die fortdauernden weiträumigen Beziehungen dieses Adelshauses
betonen und in diesem weiträumigen, die Grenzen überschreitenden
Beziehungsnetz eine Gefährlichkeit der WIDONEN
für die KAROLINGER erblicken.
Aber dies ist nicht recht haltbar [115 A. Sanfelice di Monteforte,
Ricerche (wie Anm. 18) I Seite 20f. und II Tafel 3, sieht in Lambert
dem Kahlen einen Bruder Widos I. von Spoleto und somit
einen Sohn des 834 eingewanderten, 837 verstorbenen Lambert von Nantes.
Bei M. Chaume, Les Origines du Duche de Bourgogne I, Dijon 1925, Seite
534f., ist Lambert der Kahle in einem ganz abweichenden, unhaltbaren
genealogischen WIDONEN-System eine
Neffe Lamberts I. von Spoleto und Sohn eines Wido von Camerino,
zugleich Bruder des späteren Kaisers WIDO.
Was R. Rau über Lambert den Kahlen in seiner Ausgabe der Annales
Bertiniani kommentierend vermerkt - Freiherr-vom-Stein-Gedächtnisausgabe,
Quellen zur Karolingischen Reichsgeschichte II, Darmstadt 1958, Seite 220,228ff,
389 (Register) -, ist ganz falsch und verworren! R. Merlet, Les comtes
de Chartres, de Chateaudun et de Blois aux IX etX siecles, in: Memoires
de la Societa archeologique d'Eure-et-Loir 12, Chartres 1901, Seite 59
Anm. 3, schloß aus der Erwähnung Lamberts des Kahlen durch
Hinkmar - wie schon Th. Wüstenfeld - auf dessen westfränkische
Herkunft und vermutete in ihm den zum Jahre 863 in der petite Chronique
de l'Abbaye de Bonneval (ed. R. Merlet, in: Mem. de la Soc. arch. d'Eere-et-Loir
10, Chartres 1896, Seite 29f.) genannten Grafen Lambert von Chateaudun.
Dazu zuletzt G. Schneider, Fulco (wie Anm. 12) Seite 14-19.].
Dieser Lambert der Kahle war - worauf ich schon
1956 zum ersten Male hinweisen konnte [116 Vgl. Zeitschrift für
Württembergische Landesgeschichte 15 (1956) Seite 190 Anm. 60).] und
was seither erst spärlich von der Forschung beachtet worden ist -
der Sohn eines Haimo, wobei letzterer im Jahre 837 consilarius
LOTHARS
I. und Inhaber des Klosters S. Salvatore am Monte Amiata
gewesen zu sein scheint [118
Wie ein Kommentar zu den in Anm. 98
zitierten Quellen wirkt LUDWIGS II. Diplom
vom 1. November 874 - P. Torelli, Regesto Mantovano I (= Regesta Chartarum
Italiae 12), Rom 1914, Seite 9 nr. 9 -: Hyldovicus imp. Cum
persequeremur infidelis Dei seu nostros, scilicet Lampertum et filium
Vuidonis
et filium Haymonis, tendentes Beneventum, devenimus ad Piscariam,
ubi invenimus insulam et iussimus inibi hedificari besalicam in honore
S. trinitatis ... - Zu Haymo vgl. oben Anm. 33 (Ende) und H.
Keller, Zur Struktur (wie Anm. 6) Seite 213.]. Ob Lambert der Kahle
und Haimo indessen auch ganz enge Verwandte der Spoletiner
WIDONEN
waren, ist nicht ganz sicher, wenn auch wahrscheinlich [119 Vgl.
oben Anm. 33.]. Trotz mehrmaliger gemeinsamer Bezeugung [120 Vgl.
Anm. 98 und Anm. 122.] werden sie leider nicht als consanguinei
oder parentes etc. ausgewiesen. Auch die Tatsache, daß Suppo
in Spoleto und Camerino als dux nachweisbar isr, also beiden Lamberten
zugleich
nachfolgte und damit den alten Gesamtdukat in seinen Händen vereinte,
ist kein tragfähiges genealogisches Argument. Schon eher ist dies
der in der Vita Hadriani II. auftretende Ausdruck coniuratio
Lambertorum,
in dem beide
Lamberte gleichsam wie Mitglieder einer Familie zusammengefaßt
sind [121 Vgl. Anm. 100.].
Lambert von Spoleto hat bis zu
LUDWIGS II. Tode 875 seinen Spoletiner Amtsbereich nicht zurückerlangt.
Er blieb mit dem anderen Lambert (dem Kahlen) zunächst
bei Adelgis von Benevent; beide erkämpften sogar zusammen mit den
Beneventanern 872 einen Sieg gegen die Sarazenen; Lambert der Kahle
verstarb jedoch 873 in Unteritalien [122 Erchempeert, Hist.
c. 35, Seite 248: Quorum (das heißt der beiden Lamberte)
auxilio
fretus, (Adelgisus) super Saracenorum scaram irruit et viriliter
stravit, occisis ex eis pene tribus milibus viris ... Cumque in hac obsidione
prope terminaretur annus, misso exercitu iam dictus augustus ... -
Ann.
Bert. ad 873, Seite 123: Hludowicus imperator
Italiae in Capua residens, mortuo iam Landberto Calvo
... Daß Lambert der Kahle sich zuletzt in Capua aufgehalten
hat, könnte man eventuell aus Hinkmars Formulierung schließen.].
Literatur:
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Hlawitschka, Eduard: Die Widonen im Dukat von
Spoleto, in Stirps Regia von Eduard Hlawitschka, Verlag Peter Lang Frankfurt
am Main - Bern - New York - Paris Seite 166,188,190,192-194,218 -
Hlawitschka, Eduard: Franken, Alemannen, Bayern
und Burgunder in Oberitalien (774-962), in Forschungen zur Oberrheinischen
Landesgeschichte Band VIII Eberhard Albert Verlag Freiburg im Breisgau
1960 Seite 214 - Jahrbücher von
St. Bertin. Quellen zur karolingischen Reichsgeschichte Band VI Wissenschaftliche
Buchgesellschaft Darmstadt 1972 Seite 228 -