Die Capuaner brachte er vorübergehend in seine Botmäßigkeit,
der Person des Herzogs Ajo von Benevent bemächtigte
sich WIDO,
wiewohl mit seiner Schwester
Ageltruda
vermählt, verräterisch und gelangte hierdurch auf einen Augenblick
auch in den Besitz seiner Hauptstadt und seines Herzogtums, die er freilich
ebenso wie Capua nicht auf Dauer behauptete [59 Daß Ageltruda,
die Gemahlin WIDOS eine Schwester des
(Ajo und) Radelchis und folglich Tochter des Adalgis war,
lehren Chronica S. Benedicti, Chronic. Salernit. c. 148 (Scr. III, 201,545),
auch nennt sie sich selbst in einer Urkunde vom Jahre 907: filia quondam
principis de Benevento (Muratori ant. lt. V, 512). ].
Dem Papste, von dieser Seite im Stiche gelassen, blieb
hiernach nichts andres übrig, als sich WIDO
vollständig in die Arme zu werfen: am Sonntage Invokavit, den 21.
Februar 891 empfing dieser nebst seiner Gemahlin Ageltruda,
der Tochter des früheren Herzogs Adalgis von Benevent, aus
Stephans
VI. Hand die römische Kaiserkrone [11 Nur die Ann. Vedast.
888 überliefern von den Geschichtsschreibern dies Ereignis:
cumque
Berengerum e regno fugere compulisset,
Romam ivit, imperator efficitur. Über den Tag der Krönung
aber belehren drei Urkunden für die Kaiserin
Ageltruda: Data IX Kal. Martii ind. IX anno inc. dom. 891
regnante domno Widone in Italia anno
regni eius III imperii illius die prima (Muratori ant. It., 871, Ughelli
It. sacr. II, 191, Affo stor. die Parma I, 193). Zur Bekräftigung
dient auch die Bulle Stephans vom 26. Februar im ersten Jahr des Kaisers
WIDO (J. 2661). Formosus schrieb an Fulko
(Flodoard.h. Rem. eccl. IV c. 2 p. 430): imperatorem quoque Widonem
coronatum eodem anno significans indictione decima.].
Wenn man aber bisher bei dem gänzlichen Verschwinden
LAMBERTS
gewähnt hatte, daß er und seine Partei jeden Widerstand entsage,
so sollte sich dies bald als eine Täuschung herausstellen: zum größten
Schrecken der Truppen hatte die Kaiserin Ageltruda,
WIDOS
mannhafte Witwe, alle Tore der Stadt schließen lassen, um ohne Rücksicht
auf päpstliche Einladungen jedem fremden Herrscher den Eintritt zur
Peterskirche zu verwehren [12 Ann.
Fuld. 896.].
Erst dann konnte das wiederhergestellte Römerreich
Dauer und Festigkeit erlangen und der Papst Sicherheit gegen seine zahlreichen
Widersacher, wenn es glückte, jenes neu emporgestiegene Herrscherhaus
der WIDONEN
von dem usurpierten Thron in die frühere Vasallität zurückzudrängen.
An der Spitze desselben stand in diesem Augenblick minder der jugendliche
Kaiser LAMBERT, als vielmehr seine
Mutter Ageltruda, die Tochter jenes
Herzogs Adalgis von Benevent, der einst in frecher Empörung
seine Hand wider die gesalbte Majestät LUDWIGS
II. erhoben, eines der männlichen und herrschsüchtigen
Weiber, an denen das damalige Italien so reich war [28 In der Urkunde
LAMBERTS vom 6. Dezember 895 für den Vizegrafen Ingelbert
von Parma: domina et genitrix nostra Ageltruda
gloriosissima imperatrix augusta ... nostram caesaream flagitavit
clementiam (Muratori ant. It. I, 437), am 4. Mai 896 schenkte er der
preclarissima
atque ducissima genitrix nostra den Hof Corana in der Grafschaft
Toskana (eb. III, 739), 21. Mai 898 machte er interventu ac petitione
dominae genetricis nostrae Agiltrdae
serenissimae imperatricis (Ughelli III, 36) eine Schenkung, desgleichen
3. September (Muratori ant. It. V, 281, B. 1283-1285,1287), endlich in
einer undatierten Urkunde an Eberhard von Piacenza auf Bitte der domna
et dilectissima genetrix nostra Ageltrudis imperatrix
augusta aus Spoleto (Campi hist. di Piacenza I, 473).].
Bald aber schüttelte er dies Joch ab, Farold, der
deutsche Vasall mußte sich ohne Zweifel zurückziehen und zu
Anfang des Jahres 897 hielt Ageltruda
mit ihrem Sohne LAMBERT und in Begleitung
des Markgrafen Guido ihren Einzug in Rom, das ihr von neuem Gehorsam
und Unterwerfung zollte [38
Chron. S. Bened. (Scr. III 204): praedictus marchio
(sc. Wido) Spoletium perrexit imperatorem Lambertum
eiusque
matrem imperatricem cernere cupeins, ibant enim Roman ad apostolorum limina,
cum quibus et idem ire gestiebat. Der ungefähre Zeitpunkt dieses
Besuches ergibt sich daraus, daß paucis quoque post hinc diebus
elapsis das Totengericht über Formosus stattfand, sowie daß
Ageltruda am 31. März 897 nach
Benevent kam.]. Einige Tage nach der Ankunft der Kaiserin, im Januar oder
Februar 897, wurde Rom der Schauplatz eines grausen Possenspieles.
Ob LAMBERT und Ageltruda,
die sich damals in Rom aufhielten, dieses ebenso abgeschmackte als abscheuliche
Totengericht geradezu veranlaßt, steht dahin, da ja auch der junge
Kaiser seine Krönung dem gemißhandelten Papst verdankte, doch
hätte es keinesfalls wider ihren Willen stattfinden können. Die
verwitwete Kaiserin verließ die Stadt bald wieder, um nach Benevent
zu gehen und die Regierung dieses Herzogtums, welches Markgraf
Wido von den Griechen befreit, ihrem einst verdrängten Bruder
Radelchis zurückzugeben. Von dort kehrte sie im August nach
Pavia zurück, wohin schon Wido im Anschluß an die früheren
Herrscher den Schwerpunkt seiner Macht verlegt hatte.
Alles wandte sich nach LAMBERTS
Tod
daher, da keine Wahl gelassen war und von deutscher Seite nichts für
die Erneuerung der Ansprüche ARNOLFS
geschah, BERENGAR zu [58 Panegyr.
Ber. I. III v. 287-298, Liudprand. 1. I c. 43. Die Urkunde für Ageltruda
nebst einem besonderen Gelöbnis der Freundschaft am 1. Dezember 898
zu Reggio ausgestellt bei Muratori ant. It. VI, 337, Leg. I, 565. Am 11.
Dezember 907 stellte sie veste religionis induta eine Schenkungsurkunde
für das Kloster Campli in Camerino aus (Muratori ant. It. V, 511),
sie lebte noch im Jahre 923, in dem sie am 27. August für das
Seelenheil ihres Gemahls eine Stiftung machte (Affo storia die Parma I,
329).]. Die Kaiserin Ageltruda schloß
mit ihm einen Freundschaftsvertrag (1. Dezember), durch welchen alle ihre
ausgedehnten Besitzungen, insbesondere die Schenkung ihres Gemahls und
Sohnes ihr gewährleistet wurden und zog sich nachmals wie ihre Vorgängerin
Engelberga
in ein Kloster (in der Mark Camerino) zurück.