Da aber alle in der Forschung bisher erwogenen Möglichkeiten
über das Zustandekommen dieser Verwandtschaft sich als völlig
haltlos und unbegründet erwiesen haben - sowohl die PREMYSLIDIN
Dobrowa
als auch Oda
von Haldensleben sollten vor ihren Ehen mit Mieszko
bereits Gunthers
Frau und somit Gunzelins
Mutter gewesen sein! [98 R. Schölkopf, a.a.O., Seite 70, vergrößerte
diese Auswahl, indem sie - nach der Klärung durch R. Holtzmann (in:
Sachsen und Anhalt, Band 8), daß
Gunzelin und Boleslaw
verschwägert
gewesen sein müssen - auch noch die Tochter Rikdags,
die erste Gemahlin
Boleslaws, die nach
ihrer Trennung vielleicht geheiratet haben könnte, zur Erwägung
stellte - eine Vermutung, für die angesichts des gespannten Verhältnisses
zwischen
Rikdag und dem EKKEHARDINER-Haus
nichts spricht und durch die übrigen wohl kaum ein Verwandtschaftsverhältnis
unter der Bezeichnung "frater"
seine Erklärung fände.]
-, blieb die Frage offen, bis Robert Holtzmann zeigen konnte, daß
frater nicht unbedingt nur "Bruder", sondern auch "Vetter" oder "Schwager
bedeuten kann.
Als Zeitpunkt für die Eheschließung Boleslaws
mit
Emnildis gilt 987; es war seine dritte Ehe nach seiner ersten
Verbindung mit einer Tochter desMarkgrafen Rikdag [111
Vgl.
Thietmar IV, 58. - Zur Datierung zwischen 982 und 985, spätestens
984 vgl. O. Balzer, Genealogia Piastow, Seite 34; und H. Lowmianski, in:
PPP, Band 1, Seite 128 ohne Stellungnahme zur Chronologie. - G. Labuda,
der auch diese Verbindung später ansetzt, nämlich von 985-986
(Fragmenty, Band 1, Seite 298, n. 204), glaubt nicht an das Bestehen einer
Ehe, da Boleslaw noch zu jung gewesen
sei und 986 die Ungarin geheiratet habe; beide Argumente überzeugen
nicht (Boleslaw befand sich 982 im
17., 984 im 19. Lebensjahr; vgl. dazu OTTOS
I. frühe Verbindung mit der Schwester Tugumirs 929).
O. Balzer (a.a.O., Seite 5 und 59ff.) hat demgegenüber aus späteren
und darum umstrittenen Quellenzeugnissen auf zwei Kinder, die dieser Eheverbindung
entstammen sollen, geschlossen, darunter eine dem Namen nach unbekannte
Tochter, die mit dem in Danzig residierenden Pommmern-Fürsten vermählt
wurde, von dem Bischof Adalbert von Prag zu seiner Missionsreise aufbrach
(vgl. hierzu A. Hofmeister, Genealogische Untersuchungen zur Geschichte
des pommerschen Herzogshauses, 1938, Seite 9f., besonders n. 5). Die Zweifel,
die H. Lowmianski (in: PPP, Band 1, Seite 132) hiergegen anmeldet, Thietmar
hätte die Heirat einer deutschen Markgrafen-Tochter sicher
nicht verschwiegen, sind jedoch nicht überzeugend (vgl. oben Anm.
105). - Der Name der Tochter Rikdags ist nicht überliefert
(K.A. Eckhardt, a.a.O., Seite 79 ff. setzt nach O. Posse, Die Wettiner,
1897, Tafel 1, Oda als Gemahlin Boleslaws
an,
ohne Beleg, während O. Posse, Die Markgrafen von Meißen, Seite
30, ausdrücklich betont, daß ihr Name nicht überliefert
ist); möglicherweise ist sie mit der als Äbtissin von Quedlinburg
am 30.10.1022 gestorbenen Gerburg
identisch; ein Bruder oder Vetter, vielleicht sogar ein Sohn Gerburgs
aus dieser Ehe ist Rikdag
III. der Jüngere, der um 1005 als Abt von St. Johann
in Magdeburg und 1026 als Abt von St. Michael in Lüneburg
bezeugt ist, woraus sich das besonders starke Interesse für die PIASTEN-Familie
in Lüneburg erklären würde (vgl. unter PIASTEN
und
OTTONEN,
Anm. 442)], der von 982 bis 985 die Gewalt über die südlichen
Marken in seiner Hand vereinigte.
Von den drei Töchtern, die Emnildis
geboren
hat, ist zwar nur die älteste, Reglindis,
mit ihrem Namen bekannt. Aber die beiden Namen Emnildis (Erminildis)
und Reglindis beweisen bereits, daß Dobromir seine Frau aus
einem deutschen Grafengeschlecht genommen hat. Da nun der Name Emnildis
[125 Neben Thietmar IV, 58 (Handschrift 2) hat auch der Ann. Saxo
(zu a. 992) die Namensform Erminildis. - Zu dem Namen Emnild
(auch Irminhild, zu as. irmin "groß, gewaltig" vgl.
W. Schlaug, Studien zu den altsächsischen Personennamen des 11. und
12. Jahrhunderts, 1955, Seite 117, wo die Belege - darunter auch die Gemahlin
Boleslaws
- u.a. neben sechs weiteren Belegen aus dem Lüneburger Totenbuch verzeichnet
sind. Hierfür sind aber auch die Emnild-Belege aus dem 9. und 10.
Jh. heranzuziehen (zu as. * amja "emsig"; vgl. auch J. Schatz, in:
Zs. f. dt. Altertum, Band 72, 1935, Seite 129ff; W. Schlaug, Die altsächsischen
Personennamen vor dem Jahre 1000, 1962, Seite 119), wo gleichfalls Boleslaws
Frau
aufgefühhrt ist. Dazu die zusätzliche Bemerkung von W. Schlaug,
daß diese Namengruppe teilweise auch mit Irmin-Namen verbunden
werden (vgl. F. Stark, Die Kosenamen der Germanen, 1868, Seite 207f.).
Es lassen sich offenbar die beiden Namen Imhildis (Emnildis)
und Erminildis nicht voneinander trennen.] in sächsischen Familien
dieser Zeit belegt ist [126 Unter den Belegen bei W. Schlaug, a.a.O.,
1962, Seite 119, ist das Auftreten des Namens in der Rikdag-Sippe
(siehe oben Anm. 112), im Geschlecht der QUERFURTER (vgl. Thietmar IV,
16; und Stammtafel III in der Ausgabe von R. Holtzmann) und in der Familie
Erzbischof
Geros von Magdeburg (Thietmar VII, 55), über deren genaue
Verbindung mit anderen sächsischen Geschlechtern leider nichts bekannt
ist, am bemerkenswertesten. Hinzu kommt vielleicht noch die unmittelbar
neben Kero (Gero) im Reichenauer Gedenkbuch (Cod. aug. col. 263; vgl. K.
Schmid, in: Zeitschriften für Geschichte des Oberrheins, Band 108,
Seite 213) aufgeführte
Eininhilt (sonst nirgends belegt, vielleicht
für Erninhilt?). Auch die in den Ann. Quedl. zu 991 genannte
Emnild sowie die im Merseburger Nekrolg unter 21. September als Äbtissin
und die ebenda am 13.4. als
sancta monialisverzeichnete
Emnild
sind
sicherliche Angehörige des sächsischen Adels gewesen. Der in
diesem Zusammenhang älteste und meines Erachtens gewichtigste Beleg
ist der Name der Gemahlin des comes
Siegfried, des Schwagers
HEINRICHS
I. und Bruder Geros,
in einem verschollenen St. Gallener Verbrüderungsbuch (MGH Libri confraternitatum,
1884, Seite 84): Herminburch (zu Irmin - vgl. W. Schlaug,
a.a.O., 1962, Seite 120); es handelt sich um eine Schwester des Königs
(vgl. K. A. Eckhardt, a.a.O., Seite 20), deren Todesdatum 29. Dezember
(Irminburg) auch der Merseburger Nekrolog enthält.], diese
Grafengeschlechter aber - wie neue genealogisch-besitzgeschichtliche Forschungen
erwiesen haben - weithin miteinander nahe versippt gewesen sein und viele
in enger verwandtschaftlicher Beziehung zum Königshaus und durch sie
und über EKBERTINER auch zu den KAROLINGERN
gestanden haben [129 Schon von S. Krüger und R. Schölkopf
ist auf diese Tatsache aufmerksam gemacht worden; noch ausdrücklicher
mit dem Hinweis auf das Auftreten von Namen, die auf Verbindung zum Geschlecht
der Königin
Mathilde und damit auf die EKBERTINER hindeuten, wie Ida,
Friderun, Bia usw. speziell in der
Rikdag-Gruppe und deren Umkreis
bei Haldensleben
und den Querfurter Grafen, K. A. Eckhardt, a.a.O., besonders Seite 86f.],
wo ebenfalls der Name Reglindis auftaucht, liegt es nahe, zunächst
an ihren Kreis zu denken, aus dem Dobromirs Gemahlin gestammt haben dürfte.
Daher läßt sich mit Sicherheit nur soviel erschließen,
daß Dobromir - wohl zwischen 963 und 973 [131 Dieser Zeitraum
ergibt sich aus dem Mindestalter der Emnildis,
die 987 die Ehe mit Boleslaw Chrobry
einging, und den politischen Vorgängen im Zusammenhang mit Geros
Aktionen 963, in die Dobromir aller Wahrscheinlichkeit nach verwickelt
gewesen ist (vgl. unten, Brandenburg in der Politik um die Jahrtausendwende,
Seite 34 ff. und Anm. 241, 242 und 260.] - wahrscheinlich eine Angehörige
aus der Verwandtschaft des Markgrafen Gero oder der sogenannten Harzgrafen,
zu denen die Sippe des Markgrafen Rikdag und das Geschlecht Bruns
von Querfurt gehört haben, geehelicht hat, da in beiden Familien der
Name in jener Zeit überliefert ist.
2. In dieser Stellung hat Heinrich
zur Unterstützung Boleslavs von Böhmen diesem die Herrschaft
über Meißen verschafft.
Das politische Ehebündnis der PIASTEN
mit dem Hause Rikdags verlor
dadurch seine Bedeutung, und ihr Übergang
in das Lager Theophanus
unnd des jungen OTTO
war nur die logische Folge [160
Falls
nicht, wie oben Anm. 152 vermutet und bereits von K.
Buczek (in: Studia Zrodloznawcze,
Band 10, Seite 132) dargelegt worden ist, das Bündnis Mieszkos
I. mit
dem Reich, verstärkt durch die Ehebündnisse mit Oda
bzw. der Tochter Rikdags, für die
PIASTEN
überhaupt nie in Frage gestanden hatte! Möglicherweise hatte
die Bindung an das Haus
Rikdags mit der Hoffnung auf
Abschirmung an der Meißen-Grenze sogar nur den Sinn einer
zusätzlichen Sicherung im Falle
der Thronbesteigung durch Heinrich
den Zänker, falls sie - wie
sogar meist in der Forschung angenommen
wird - erst Anfang 984 geschlossen wurde.].
Es ist in der Forschung viel darüber gerätselt
worden, weshalb in den beiden Aufständen Heinrichs
des Zänkers sich die PIASTEN
jedesmal sehr bald von ihm abgewandt und den Ausgleich mit den OTTONEN
gesucht haben [177 Vgl. hierüber zuletzt K. Buczek, in: Studia
Zrodloznawcze, Band 10, Seite 131f.; und dazu oben die Anmerkung 149 über
den Zeitpunkt der Heirat Mieszkos mit
Oda
und Anmerkung 150 über die Ehe Boleslaws
mit einer Tochter Rikdags.].
Gerohat
dem PIASTEN-Fürsten fraglos nahegestanden
[202 Begreiflich aus dem fraglos seit langem bestehenden guten Einvernehmen
zwischen den Markgrafen aus dem GERO-Geschlecht
und den PIASTEN (vgl. Thietmars Vergleich
in V, 10) bedingt und erwachsen aus der Notwendigkeit militärischen
und politischen Zusammenwirkens. Gero
II. gehörte zu OTTOS III.
Vertrauten (vgl. S. Lüple, a.a.O., Seite 21, mit Hinweis auf DO III
118 und 359) und war fraglos ein Anhänger der Gnesener Politik; falls
Emnildis
durch ihre Mutter aus dem
GERO-Geschlecht selbst stammte (siehe
oben Anmerkung 126), bestanden sogar verwandtschaftliche Beziehungen zwischen
Gero und
Boleslaw (vgl. auch die folgende
Anmerkung 203).].
Denn der Name Karl ist - abgesehen von den karolingischen
Geschlechtern - während des ganzen 10. Jhs. und weit darüber
hinaus innerhalb des Imperiums eine Rarität, ja offfenbar tabu gewesen
[497 Vgl. A. Bach, Deutsche Namenkunde, Band 1/2, 1953, Seite 34f.,
der darauf hinweist, daß selbst nach KARLS
Heiligsprechung dieser Name in Deutschland höchst selten geblieben
ist. - Bemerkenswert, daß die einzige mir bekannte Ausnahme unter
den WETTINERN vorkommt: Graf
Karl, der Sohn des Markgrafen
Rikdag von Meißen und Bruder der ersten Gemahlin Boleslaws
I., was zu den Feststellungen und Vermutungen von K. A. Eckhardt
(siehe oben Anm. 442) über die Abstammung dieses Geschlechtes paßt.]
und ein späteres Aufnehmen dieses Beinamens durch Kazimierz
schon darum höchst unwahrscheinlich.