Stammatfel Lexikon des Mittelalters Band IX Anhang
EUROPÄISCHE STAMMTAFELN NEUE FOLGE BAND L 1 Tafel
17 und 18-30
Lexikon des Mittelalters: Band VIII Spalte 2147
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Welfen
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I. VON DEN ANFÄNGEN BIS ZU HEINRICH DEM SCHWARZEN
Die WELFEN waren ein
seit dem frühen 9. Jahrhundert belegtes, weit verzweigtes Adelsgeschlecht,
das sich in einzigartiger Weise, wenn auch in unterschiedlicher Dichte
fortan das ganze Mittelalter hindurch verfolgen läßt. Da die
Sammelbezeichnung 'WELFEN'
erst im 12. Jahrhundert vereinzelt gebräuchlich wurde und eine
fortgeschrittene Entwicklungsstufe adliger Geschlechterbildung spiegelt,
kann der Name WELFEN für das Frühmittelalter
nur mit Einschränkungen gelten. Der für die heutige Forschung
nicht anders als für die welfische Hausgeschichtsschreibung
des 12. Jahrhunderts klar greifbare Spitzenahn der WELFEN
ist ein Graf Welf zur Zeit KARLS DES GROSSEN,
nach dem Zeugnis Thegans aus einem sehr vornehmen bayerischen Geschlecht
stammend; seine Tochter Judith wurde
819 die Gemahlin
Kaiser LUDWIGS DES FROMMEN.
So deutlich damit die Familie Welfs
in das politische Rampenlicht
trat, so sehr liegen die Ursprünge der
WELFEN
im dunkeln. Denn neben dem zeitgenössischen Hinweis auf bayerische
Herkunft gibt es (spätere) Belege für die fränkische beziehungsweise
schwäbische Abstammung der WELFEN.
Als ein Vorfahr gibt sich der fränkische Große Ruthard
zu erkennen, der mit Warin
um 750 Alemannien verwaltete (J. Fleckenstein);
dem mehrfach im welfischen Zusammenhang
vorkommenden Rekurs auf Ruthards Gewalttat gegenüber Abt Otmar
von St. Gallen kommt dabei, wenngleich negativ besetzt, die wichtige Funktion
adligen Gedächtnisses zu. Vielleicht gehörte zur Familie Graf
Welfs einer der bayerischen Großen, die im Auftrag König
Pippins in Auxerre, einer späteren welfischen
Position, eingegriffen haben, wodurch
sich die offenbar auf Reichsintegration gemünzte Herkunftsangabe Thegans
erklärt (J. Fried).
Die Zeit LUDWIGS DES FROMMMEN
bedeutete sogleich einen Höhepunkt welfischen
Einflusses im Reich: Neben Judith erhielt
deren Schwester Hemma
als Gemahlin
König Ludwigs des Deutschen eine
Spitzenposition, und der so gewonnene Vorrang der Familie
Graf Welfs
in
der karolingischen Adelsgesellschaft
verstärkte sich noch durch die Ehe von dessen Sohn Konrad mit
Adelheid,
einer Tochter des Grafen Hugo von Tours aus dem Hause der elsässischen
ETICHONEN, wodurch er Schwager Kaiser LOTHARS
I. wurde. Vor allem aber fiel ins Gewicht, dass Judiths
Sohn KARL seit 829 als künftiger
König galt. Von daher waren die WELFEN allesamt
in den Konflikt verwickelt, der bis zum Vertrag von Verdun (843) das KAROLINGER-Haus
und Reich erschütterte. Die Parteinahme der WELFEN
für
LUDWIG DEN FROMMEN, durch
die Konrad ab 839 eine Machtposition als Graf in Alemannien erlangte,
hat unter Ludwig dem Deutschen zu einem
Revriment zugunsten der in Alemannien verwurzelten ULRICHE vor allem in
den Grafschaften am Bodensee geführt. Offenbar wegen dieser Kränkung
verbanden sich zwei Söhne Konrads des Älteren, Konrad,
Dux in Transjuranien, und Hugo "Abbas", 858/59 mit ihrem
Vetter König KARL DEM KAHLEN,
bauten von dem überkommenen
welfischen
Stützpunkt Auxerre aus ihre im westfränkischen Reich seit dem
9. Jahrhundert auf; Konrad der Jüngere begründete das
Haus der westfränkisch-burgundischen
WELFEN und späteren Könige von Burgund (RUDOLFINGER).
Ein auch nur bis Mitte der 50-er Jahre des 9. Jahrhunderts
am Bodensee belegter Graf Welf, vermutlich Sohn Konrads des Älteren,
gilt
als "Stammvater" der süddeutschen
WELFEN.
Wenn diese damals die väterliche Grafschaft in Alemannien verlor,
so konnte doch im späten 9. Jahrhundert sein Vetter Rudolf
als Markgraf von Rätien und als Graf im Zürich- und
Augstgau
welfischen Einfluß
im Süden des ostfränksichen Reiches wieder geltend machen, und
auch der vielleicht auf Graf Konrad den Älteren zurückgehende
(K. Schmid) in der welfischen Tradition
Heinrich
"mit dem goldenen Wagen" zugeschriebene listige Erwerbung
eines großen kaiserlichen Lehens im Schussengau hat zur Konsolidierung
der welfischen Herrschaft mit dem über
Schwaben, Bayern (Augstgau, Ammergau), das Inntall, den Vintschgau und
Churättien verstreuten Besitz mit dem Zentrum nördlich des Bodensees
beigetragen. Hier in Altdorf und der im 11. Jahrhundert erbauten Ravensburg
sowie in dem vermutlich um 1000 gegründeten Stift (später Kloster
St. Martin/ Weingarten) entstanden für die WELFEN
im 12. Jahrhundert namengebender fester Sitz und das durch die Familiengrablege
ausgezeichnete Hauskloster, in dem zuerst Rudolf (+ um 992)
seine letzte Ruhe fand, ein Neffe Bischof Konrads von Konstanz,
der ebenso wie Bischof Eticho von Augsburg vom welfischenEinfluß
im Schwaben des 10. Jahrhunderts zeugt; seit dieser Zeit galten die WELFEN
als schwäbisches Geschlecht.
Nach der Darstellung der "Historia Welforum" war Rudolf
mit
Ita von Öhningen, einer Enkelin Kaiser
OTTOS I., verheiratet. Im hausgeschichtlichen Rückblick
des 12. Jahrhunderts scheint der so herausgestellte genealogische "Anschluß"
der WELFEN an
die höchste weltliche Rangstufe den Wiedereintritt der WELFEN
in die Reichsgeschichte im 11. Jahrhundert zu reflektieren. Rudolfs
Sohn Welf II., als Graf in Schwaben bezeugt, erreichte über
seine Ehe mit der LÜTZELBURGERIN Imiza
(Irmentrud), einer Nichte von Kaiser
HEINRICHS II. Gemahlin Kunigunde,
den Vorzug der Herrschernähe, die den WELFEN
den Gewinn des für die Sicherung des Italienweges nützlichen
Fiskus Mehring am Lech einbrachte. Politisch-militärisch tat
sich
Welf
nicht nur mit seinen Fehden gegen den Augsburger und Freisinger
Bischof hervor, sondern er ergriff auch in die unter HEINRICH
II. beginnenden Auseinandersetzungen um das Erbe des burgundischen
Reiches ein, die in der Rebellion Herzog Ernsts II. von Schwaben gegen
Kaiser
KONRAD II. kulminierten; dem hierin verwickelten Welf
wurde
1027 vom Kaiser die Grafschaft im Inn- und Eisacktal mit dem wichtigen
Brennerübergang abgesprochen.
Mit Welfs gleichnamigem Sohn beginnt die lange
Reihe der welfischen Herzöge;
1047 erhielt Welf III. von Kaiser
HEINRICH
III. das Herzogtum Kärnten
mit der Mark Verona, dessen Rang ihn nach dem Bericht der "Historia
Welforum" dem Herrscher gegenüber in einer "Mischung aus gesundem
Rechtsempfinden und Stolz" (B. Schneidmüller) hat auftreten lassen.
1055 war Welf an einer Verschwörung gegen den Kaiser beteiligt.
Als er noch in diesem Jahr in der Burg Bodman, dem Ort der für
den hochmittelalterlichen Adel Schwabens bedeutsamen karolingischen
Pfalz nachkommenlos starb, nachdem er sein Erbe dem Kloster in Altdorf
tradiert hatte, geriet die welfische Herrschaft
ins Wanken. Ihre Kontinuität ist durch die Tatkraft von Welfs III.
Mutter
gesichert worden, die den Sohn ihrer mit Markgraf Azzo II. von Este verheirateten
Tochter Chuniza (Kunigunde) aus Italien holen ließ.
Außerdem hat Imiza 1056 das nun Weingarten genannte Hauskloster
neu organisiert, indem sie die hiesigen Nonnen gegen den Mönchskonvent
des Klosters Altomünster östlich von Augsburg austauschte.
Auf Reichsebene kam die jüngere Linie der WELFEN
zum Zuge, als Welf IV. 1070 von König
HEINRICH IV. das Herzogtum Bayern empfing, das bis 1180
fast ununterbrochen in welfischer Hand
blieb. Durch seine dritte Ehe mit Judith, der Tochter Graf Balduins
von Flandern und Witwe des Earl Tostig von Northumberland, weitete sich
der
welfische Beziehungshorizont erheblich.
Welf IV. gehörte zu den Hauptträgern der süddeutschen
Fürstenopposition gegen
HEINRICH IV.,
weshalb er 1077 sein Herzogtum für fast 20 Jahre verlor. In der Folgezeit
agierte
Welf
weiter als treuer Anhänger des Papstes, spielte
in Schwaben eine dominierende Rolle und versuchte gar, 1091 die Wahl eines
neuen Gegen-Königs zu organisieren. Mit der spektakulären, von
Papst Urban II. betriebenen Heirat seines Sohnes Welf
mit Mathilde
von Tuszien wollte er die welfische
Position in Italien stärken. Die nach Scheitern dieser Allianz erreichte
Aussöhnung mit HEINRICH IV.1096,
zugleich Beginn einer reichweiten Entspannung, sicherte den Söhnen
Welfs
IV. die Nachfolge im Herzogtum Bayern, das der
ältere Sohn Welf nach dem Tod des Vaters 1101 übernahm.
Welf
V. war wie zuletzt Welf IV. ein treuer Parteigänger
HEINRICHS
V., und diese Politik setzte sein ihn 1120 nachfolgender Bruder
Heinrich
der Schwarze fort. Durch seine Ehe mit der BILLUNGERIN Wulfhild
erwarb dieser dem welfischen Haus später
bedeutsame Positionen in Sachsen. Mit der Verheiratung seiner Töchter
Judith
und Sophia an die STAUFER beziehungsweise
ZÄHRINGER betrieb Heinrich die Politik einer süddeutschen
Fürstenallianz. Allerdings gab er bei der Königswahl 1125 mit
seiner Stimme den Ausschlag für die Erhebung Herzog
Lothars von Sachsen auf Kosten seines staufischen
Schwiegersohnes Herzog Friedrich II. von Schwaben, ein Verhalten, das mit
der Absprache der Ehe seines Sohnes Heinrich der Stolze mit LOTHARS
Tochter
Gertrud zusammenhing.
"Hausintern" hat Heinrich der Schwarze sein Interessen
auf die Erkundung der eigenen Vorfahren gerichtet, was durch den Bericht
von der Stiftung einer Kirche über dem auf sein Geheiß geöffneten
Grabes des Spitzenahns Welf-Eticho bezeugt ist; dies kommt auch
darin zum Ausdruck, dass er 1123 der Erhebung der Gebeine des heiliggesprochenen
Konrad
von Konstanz beiwohnte und sich durch seine Zuwendung an die Konstanzer
Kirche als dessen Verwandter zeigen wollte. Heinrich zog sich zuletzt
als Mönch in das Kloster Weingarten zurück, wo er 1126 starb.
Wenn er als letzter der WELFEN in der
dortigen welfischen Grablege beigesetzt
wurde, so kann das als Zäsur in der Geschichte dieser Familie gelten.
II. VON LOTHAR III. BIS ZU OTTO 'DEM KIND'
Seit der Königswahl LOTHARS
III. von 1125 nahmen die WELFEN für
mehr als ein Jahrhundert entscheidenden Einfluß auf die Reichspolitik.
Der 1125/26 erlangten Königsnähe entsprach die Formierung des
adligen Hausbewußtseins, das durch politische Realitäten wie
Ansprüche geprägt ar, sich darum beständig wandelte und
in unterscheidliche geistliche Zentren (Weingarten, Lüneburg, Braunschweig)
verschriftlicht wurde. Als erstes großes Adelsgeschlecht überhaupt
wurden die WELFEN zum Gegenstand von
"Hausgeschichtsschreibung", die nicht allein als adlige Selbstaussage,
sondern auch in ihrer institutionengebundenen Prägung gelesen werden
muß. Die "Genealogia Welforum" (um 1170) aus Weingarten/Ravensburg
dokumentieren den Aufstieg der WELFEN in
der Beschreibung genealogischer Verbindungen, politischen Aktivitäten,
erlangter Ämter und Titel wie der Förderung zentraler Herrschafts-
und Erinnerungsorte. Ebenfalls in Weingarten entstand in der 2. Hälfte
des 12. Jahrhundert die Darstellung eines Stammbaums, die den Übergang
des welfischen patrimomium an die staufischen
Nachfolger spiegelt, just in einer Zeit, als der norddeutsche Zweig der
WELFEN
aus der Herkunft von Kaisern (LOTHAR
III., KARL DER GROSSE) oder Königen
legitimierte und genuin
welfische Kontinuitäten
zugunsten der herrschaftlichen Verankerung in der neuen patria Sachsen
weiterentwickelte. Diese unterscheidliche Ausfaltung welfischer
Memoria resultierte aus dem politischen Wandel des 12. Jahrhundert, den
Otto von Freising noch in seine Rollenzuweisung zu pressen versucht hatte:
Die STAUFER pflegten Kaiser, die WELFEN
große Herzoge hervorzubringen (Gesta Friderici, II 2)! Dieses Bild
entsprach allenfalls den Realitäten staufisch-welfischen
Zusammenwirkens
zwischen 1152 und 1174/76.
Noch 1137/38 hatte Heinrich der Stolze, Herzog
von Bayern und Sachsen (wohl schon seit 1126, RI IV 1/1, 115), beim
Tod seines Schwiegervaters Kaiser LOTHAR III.
auf
die Krone gehofft. Doch die Königswahl KONRADS
III. und die von Helmhold von Bosau (Chron. Slavorum, I 54)
überlieferte Forderung des STAUFERS,
ein Herzog dürfe nur ein Herzogtum besitzen, drängten Heinrich
in die Opposition. Nach rechtlichen und militärischen Auseinandersetzungen,
die wegen des Fehlens fester Prinzipien und Prozeßformen erst politische
Normen erwachsen ließ, verlor der WELFE
Bayern an die BABENBERGER, Sachsen an die ASKANIER. Besitz und Herrschaftsrechte/-ansprüche
der WELFEN blieben seit Heinrichs
des Stolzen Tod 1139 zweigeteilt: im süddeutschen patrimonium
folgte Welf VI. (+ 1191), zunächst alleiniger Verfechter
der
welfischen Sache. Er konzentrierte
sich nach anfänglicher Behauptung seiner italienischen Herrschaft
(1152 Belehnung mit Spoleto, Tuszien, Sardinien und den
Mathildischen Gütern) ganz auf den welfischen
Besitz im schwäbisch-bayerischen Raum (Zentren Weingarten und Steingaden)
und entfaltete dort nach dem frühen Tod seines Sohnes Welf VII.
(+ 1167) eine vielgerühmte Hofhaltung. Die Rechte an beiden
welfischenHerzogtümern reklamierte
Heinrich der Löwe (+ 1195) erfolgreich für
sich: Er wurde 1142 von KONRAD III.
mit Sachsen, 1154/56 von FRIEDRICH I.
mit Bayern belehnt (Abspaltung Österreichs).
Die enge Verwandtschaft der WELFEN
mit führenden Adelsfamilien des Reiches und Europas bildete die Basis
einer langjährigen Kooperation von WELFEN
und
STAUFERN.
Sie ermöglichte
Heinrich dem Löwen den entscheidenden
Ausbau seiner Herrschaft in Sachsen und Bayern (Gründung Münchens),
so dass kaum von einem gleichförmig verlaufenden Epochenkonflikt zwischen
zwei festgefügten Familienverbänden gesprochen werden kann (Hechberger).
Angestoßen wurde der seit 1176 offen zutagetretende Dissens zwischen
FRIEDRICH I. und Heinrich dem Löwen
aber nicht nur durch die überherzogliche Stellung des WELFEN,
die sich nach der Eheschließung mit der englischen Prinzessin
Mathilde 1168 in einem königsgleichen
Rangbewußtsein, im gezielten Ausbau Braunschweigs zum residenzartigen
Zentrum wie in einer mäzenaten Hofkultur niederschlug. Eigentlicher
Anlaß dürfte neben der Hilfeverweigerung Heinrichs in
Chiavenna 1176 vielmehr der Entschluß Welfs VI. (ca. 1174)
gewesen sein, das süddeutsche patrimonium der
WELFEN
seinen staufischen
Verwandten zu verkaufen.
Hinzu trat die latente Opposition der Reichsfürsten gegen Heinrich,
die seine Aburteilung im Fürstengericht, den Einzug seiner Reichslehen
und 1180 die Aufteilung der Herzogtümer Sachsen (Dukat der Kölner
Kirche, ASKANIER) und Bayern (WITTELSBACHER,
Errichtung des Herzogtums Steiermark) durchsetzen.
Die WELFEN begrenzt
auf ihre von sächsischen Fürstentöchtern ererbten Allodien
um Braunschweig und Lüneburg, wurden damit aus dem sich formierenden
Stand der Reichsfürsten verstoßen. Der Wiedereingliederung in
diese adlige Spitzengruppe galten fortan die Bestrebungen, bis ins 13.
Jahrhundert politisch wie finanziell nachdrücklich durch das verwandte
englische Königshaus unterstützt. Die Anläufe von Heinrichs
des Löwen ältesten Söhnen Heinrich von Braunschweig
(1195/96 Pfalzgraf bei Rhein, 1214 Verlust der Pfalzgrafschaft nach dem
frühen Tod des gleichnamigen Sohnes) und
OTTO
IV. (König 1198, Kaiser 1209, nach seiner Niederlage gegen
Philipp
II. von Frankreich bei Bouvines 1214 Sieg des staufischen
Rivalen
FRIEDRICH
II.) scheiterten freilich. So nannte Burchard von Ursberg die
WELFEN
ein Geschlecht, das stets Gott und der römische Kirche ergeben sei,
oft aber den Kaisern widerstehe. Als OTTO IV.
1218 und Heinrich von Braunschweig 1227 ohne Söhne
starben, verblieb als letzter
WELFE
Otto 'das Kind' (+ 1252), Nachkomme von Heinrichs
des Löwen jüngstem Sohn Wilhelm von Lüneburg
(+ 1212/13). Mit ihm erreichte Kaiser FRIEDRICH
II. 1235 die endgültige Aussöhnung beider Häuser,
indem das neue Herzogtum Braunschweig-Lüneburg geschaffen und
Otto in den erblichen Reichsfürstenstand erhoben wurde. Nach
dem Verlust der süddeutschen Lehen und Allodien blieben die WELFEN
ganz auf ihre sächsische terra beschränkt.
Dieser neuen Realität von Herrschaft trug die spätmittelalterliche
Historiographie durch die Dynastie und Land wie durch die Betonung des
sächsischen Wurzeln der WELFEN
Rechnung.
Die Nachkommen Ottos spalteten seit 1267/69 in
10 Teilungen das Herzogtum in mehrere Linien auf (Braunschweig, Lüneburg,
Göttingen, Grubenhagen, Wolfenbüttel, Calenberg). Trotz der
Verlagerung der welfischen Hofhaltung
im Spätmittelalter blieb Brauschweig namengebender Herrschaftsmittelpunkt
des Reichsfürstentums, Ort des Hausarchivs und Grablege.
Quellen:
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Historia Welforum, ed. E. König, 1978
Literatur:
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zu I.
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Zur Herkunft der Hzgn. Judith v. Bayern (Fschr. A. Kraus, 1982), 15-32
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hg. J. Ehlers-D. Kötzsche [im Dr.].
Trillmich Werner: Seite 109
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"Kaiser Konrad II. und seine Zeit"
Fränkischer Herkunft war Ruthard, der Ahnherr der WELFEN [Erst die jüngeren WELFEN betrachteten sich als schwäbisches Geschlecht. Ihre Stammburg lag auf dem Veitsberge bei Ravensburg.]. Vom Elsaß aus wirkte er zunächst in Ortenau, Breisgau und Thurgau. Dann erwarb er Grafenrechte im Schussengau samt stattlichen Allodien zwischen Bodensee und Iller. Weiterer Streubesitz lag in der Baar, im Vintschgau und in Rätien, dessen Markgrafschaft noch sein Urenkel innehatte. Mit den Enkelinnen Judith und Emma vermählten sich LUDWIG DER FROMME und Ludwig der Deutsche. In den Auseinandersetzungen um die Teilung des Reiches aber schlossen sich Angehörige der Familie 859 KARL DEM KAHLEN an. Rudolf ließ sich 888 in Burgund sogar zum König krönen. Das machte dem ostfränkischen Herrscher die rechtsrheinischen WELFEN so verdächtig, dass er ihnen Lehen und politischen Einfluß entzog. Von den nächsten Generationen ist daher nur verschwommene Kunde auf uns gekommen. Erst KONRAD I. gab ihnen im Schussengau Grafenrechte zurück. Inzwischen hatten sie sich aber nordöstlich vom Bodensee durch Usurpation von Ödland und günstige Tauschverträge einen ungewöhnlich geschlossenen Besitz geschaffen. Konrad erlangte als Anhänger HEINRICHS I. die Konstanzer Bischofswürde (934-975). 935 wurde neben Burg Altdorf ein Familienkloster gestiftet, das man nach 953 ins nahe Weingarten verlegte. Seitdem vergrößerten die WELFEN ihren Besitz zielstrebig weiter durch Eheschließungen und durch Urbarmachung unbesiedelter Waldgebiete am herrschftsfreien Alpenrande. Das gelang besonders gut im Allgäu um Füssen, am oberen Lech und im Bruchland östlich der Iller um Memmingen im Bistum Augsburg, dessen Leitung 982-988 der WELFE Eticho innehatte. Im Augstgau besaßen seine Verwandten Grafschaften beiderseits des Lechs bis ostwärts an Paar und Ammer. Als bayerisches Geschlecht erlangten sie neue politische Bedeutung. Durch Verschwägerung mit bayrischem Uradel erwarb die Familie Burg Hohenwarth bei Weilheim sowie große, rodungsfähige Gebiete im Ammergau zwischen Lech und Loisach, Güter im Inntal um Imst und wohl auch bei Bozen, so dass außer dem Zugang vom Bodensee zum Oberrheintal nun auch die Straße über Fern- und Reschenpaß unter welfische Kontrolle gelangte. Als Vögte verwalteten WELFEN Augsburger Bistumsland, Güter von Altomünster, Wessobrunn, Polling, St. Mang zu Füssen und anderer Klöster. Zu Beginn des 11. Jahrhunderts verschwägerte sich Welf II. durch Imiza, eine Schwester der Kaiserin Kunigunde, sogar mit dem Herrscher. Durch Belehnung mit der Grafschaft im Inn- und Norital machte ihn HEINRICH II. zum Hüter der Brennerstraße. Die Heirat seiner Schwester Richardis verband ihm das mächtige Haus EBERSBERG.
Stälin Paul Friedrich: Seite 393-400
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"Geschichte Württembergs"
In Schwaben jedenfalls schon früher in naher Beziehung
stand das Geschlecht der WELFEN [Welf
ist ursprünglich ein Appellativum und bezeichnet ein Junges von wilden
Tieren und Hunden.], welche durchaus sagenhafter Weise auf die Skyren-Fürsten
Eticho und Welf zurückgeführt wird, hinsichtlich dessen es jedoch
zweifelhaft ist, ob es ursprünglich Schwaben oder Bayern angehört
habe, - eine Frage, welche später noch kurz zu erörtern ist.
In der Geschichte tritt die Familie auf vielleicht schon mit den schwäbischen
Statthaltern zu König Pippins
Zeit, Warin und
Ruodhard, jedenfalls aber mit dem als Grafen,
auch als Herzog bezeichneten Welf (+ um 824), dessen Töchter
Judith
und Emma Kaiser LUDWIG DER FROMME
(819) und
König Ludwig der Deutsche
(827) zu ihren Gemahlinnen wählten. Durch Judith
wurden mehrere Angehörige des Geschlechts in das ihrem Sohn
KARL
DEM KAHLEN, dem späteren Kaiser, zugefallene Westreich
geführt und spielten dort zum Teil eine bedeutende Rolle. So schon
ihre Brüder Konrad und Rudolf, von denen der erstere
uns übrigens wohl auch in den Jahren 839 und 856 als Graf im Argengau,
844 im Linzgau, 839 und 851 im Eritgau, 839 im Alpgau,
853 und 855 im Rheingau begegnet. Sein Enkel Rudolf
schwang sich im Jahre 888 zum König von Hoch-Burgund auf
und wurde der Gründer des dortigen im Jahr 1032 erloschen Königshauses.
Für uns kommt nur der in Deutschland verbliebene
Zweig des Geschlechts in Betracht, dessen ältere Geschichte besonders
die Historia Welforum Weingartensis, zum Teil höchst wahrscheinlich
auf Grundlage einer wohl ums Jahr 1126 gefertigten Genealogie der WELFEN,
und der Codex Traditionum Weingartensium, freilich nicht in durchaus glaubhafter
Weise erzählen. Ihr zufolge erscheint als Welfs I. weiterer
Sohn Eticho, der sich im Kummer darüber, dass sein Sohn Heinrich
vom
Kaiser 4.000 Hufen Landes in Oberbayern zu Lehen genommen, mit zwölf
Gefährten in die Wildnis des Scharnitzwaldes zurückgezogen und
Mönchen in Ammergau oder in dem benachbarten Ettal eine Zelle gebaut
haben soll - eine Geschichte von mythischem, nicht historischen Hintergrunde.
Heinrich
selbst hat, wie die Sage weiter berichtet, vom Kaiser soviel Guts im Lande
seiner Gemahlin versprochen erhalten, als er während der Mittagszeit
mit einem Wagen umfahren oder nach anderer Fassung mit einem Pfluge umgehen
könne. Mit immer frischen Pferden umritt er darauf, einen goldenen
Wagen oder Pflug bei sich bergend, einen großen Landstrich, den ihm
der Kaiser schenken mußte. Er wird als Gründer des Klosters
Altomünster in Oberbayern und des Nonnenklosters Altdorf in Oberschwaben
bezeichnet. Aus seiner Ehe mit Ata (Beata von Hohenwarth)
werden ihm drei Söhne beigelegt: Rudolf,
Konrad der Heilige,
Bischof von Konstanz (+ 976) und Eticho. Aus Rudolfs
Ehe mit Ida von Öhningen (am Bodensee) sollen zwei Söhne
entsprossen sein: Heinrich, welcher gegen Ende des 10. Jahrhunderts
auf der Jagd bei Lana in Tirol verunglückte, und Welf II.,
welcher geschichtlich nachweisbar im Jahre 1030 verstarb.
Eticho wird
eine nur ganz wenig beglaubigte illegitime Nachkommenschaft zugeschrieben.
Bei dieser ganzen Genealogie sind übrigens jedenfalls einige Generationen
übersprungen, vielleicht bei Eticho, dem Vater Heinrichs,
zum mindesten zwei Eticho, und später zwei Rudolf, Großvater
und Enkel, in eine Person zusammengezogen worden, wobei in letzterem Falle
schon an einen im Jahre 972 vorkommenden Grafen Wolferat oder auch
an den im Aufgebot des Jahres 980 oder 981 erwähnten Azolin,
Rudolfs Sohn, als Bindeglied gedacht wurde [Der Graf Welfo,
welcher im Jahre 849 oder 850 im Linzgau, 857 und 858 im Argengau als Nachfolger
obigen Konrads amtete, nimmt keine sichere Stelle in der welfischen
Stammtafel ein, weshalb er auch bei der heutzutage üblichen
Zählung der "Welf" genannten Glieder der Familie in der Regel nicht
mitgerechnet wird.].
Sicher und zusammenhängend wird die Geschichte der
Familie erst mit Welf II., Gemahl der Imiza (Irmengard)
von Gleiberg
(bei Gießen), Schwester der Herzoge Heinrich VII.
von Bayern und Friedrichs von Nieder-Lothringen. Er beteiligte sich sehr
zu seinem Schaden an der Empörung gegen Kaiser
KONRAD II., wurde jedoch von dem letzteren wieder zu Gnaden
angenommen und ist ohne Zweifel der Erbauer von Ravensberg. Sein
Sohn,
Welf III., genannt von Ravensburg, wurde im Jahr 1047 von
Kaiser HEINRICH III. mit dem Herzogtum
Kärnten und der Mark Verona belehnt, schloß sich im Jahr
1055 der von Bischof Gebhard von Regensburg geleiteten Verschwörung
mehrerer Fürsten gegen den Kaiser an, starb aber, nachdem er, von
Reue ergriffen, dieselbe HEINRICH
angezeigt
und dessen Verzeihung erhalten, im selben Jahr den 12. oder 13. November
auf seiner Burg Bodmann am Bodensee.
Mit ihm erlosch der Mannesstamm des alten WELFEN-Hauses;
allein seine Mutter ließ den Sohn seiner Schwester Kunigunde,
Gemahlin des Markgrafen Azzo II. aus dem Geschlechte der ESTE, - nach Berichten,
die allerdings keinen Anspruch auf Zuverlässigkeit haben, einer welfischen
Nebenlinie in Italien - Welf IV. (I.), eiligst
nach Schwaben kommen. Er übernahm hier die alten Erbgüter des
Hauses und behauptete sie gegen die Ansprüche des Klosters Weingarten,
welches Welf III. zum Erben seines
Allodialvermögens eingesetzt haben soll. Dieser Neubegründer
des welfischen Hauses (+ 1101), in
welchem sich kriegerische Tüchtigkeit und Schlauheit paarten, ist
uns als Herzog von Bayern und als Genosse des Gegen-Königs
RUDOLF in den Kämpfen zwischen Kaiser
HEINRICH IV. und RUDOLF schon
öfters begegnet. Er war zuerst vermählt mit Ethelinde,
einer Tochter des Bayern-Herzogs Otto von Nordheim; als aber dieser der
Acht verfiel, schickte er sie dem Vater wieder zurück (1070) und heiratete
bald darauf Judith, Tochter Graf Balduins V. von Flandern, Witwe
des Grafen Tostig von Northumberland. Seine schwäbischen Erbgüter
vermehrte er durch das Allodialgut des letzten Grafen von Buchhorn und
einen Teil des Besitzes Graf Liutolds von Achalm; in Italien erbte
er unter sonstigem ansehnlichem Besitze namentlich Este. Hochbetagt
unternahm er im Jahre 1101 noch einen Kreuzzug nach Palästina und
verschied auf der Rückkehr zu Paphos auf Zypern. Seine Mildtätigkeit
gegen die Kirche hatte, gleich anderen Klöstern, auch Weingarten zu
genießen.
Von seinen Söhnen folgte ihm im Herzogtum Bayern
und der einen Hälfte der väterlichen Güter Herzog Welf
V. (II.), der Dicke,
in der andern Hälfte dieser
Güter
Heinrich, in ziemlich späterer Zeit der Schwarze
zubenannt. Noch sehr jung vermählte sich Welf V. mit der
über 40-jährigen "großen Gräfin" Mathilde von Tuszien,
um durch diese Verbindung Tuszien und die angrenzenden Länder zu erwerben;
allein er trennte sich wieder von ihr und hielt von da an fest zum salischen
Königshause,
wie er denn als tapferer Kämpfer und als Unterhändler besonders
auch in den kirchlichen Streitigkeiten (1107,1119) um Kaiser
HEINRICH V. sich wiederholt Verdienste und dadurch dessen Gewogenheit
erwarb. Nach seinem Tode (1119 oder 1120) wurde voller Erbe des Herzogtums
Bayern und der Hausgüter sein jüngerer Bruder Heinrich der
Schwarze. Auch er hielt treu zu genanntem Kaiser, in dessen Investiturstreit
mit dem Papste er als Vermittler tätig war, und spielte bei der Königswahl
des Jahres 1125 eine nicht unbedeutende Rolle. Durch seine Heirat mit Wulfhilde,
Tochter des Herzogs Magnus von Sachsen, erwarb er seinem Hause die Hälfte
der ausgedehnten billungischen Güter, namentlich Lüneburg und
dessen Gebiet. Gegen das Ende seines Lebens ließ er sich im Kloster
Weingarten, welches er neu hatte aufbauen lassen, als Mönch einkleiden.
Sein Erbe teilten im Jahre 1126 seine Söhne: Heinrich,
in der Folge der Stolze genannt, Nachfolger im Herzogtum Bayern,
und Welf VI. (III.), in der Weise, dass der erstere die reichen
sächsischen Allode und Herrschaften seines Vaters nebst den meisten
Rechten und Besitzungen in Bayern, der letztere dagegen der Hauptsache
nach die Hausgüter und Rechte westwärts vom Lech in Schwaben
und dazu mehrere im dem rechten Lechtal und in den oberen Ammergegenden
erhielt. Heinrich der Stolze war, von Kaiser
LOTHAR durch die Hand seines einzigen Kindes Gertrud,
der Erbin der ausgedehnten braunschweigisch-nordheimischen Güter,
für sich gewonnen, unermüdlich in dem Kampfe seines Schwiegervaters
gegen die staufischen Brüder,
Friedrich II. und KONRAD, und wurde
dafür von LOTHAR unter anderem
mit der Markgrafschaft Tuszien und dem Herzogtum Sachsen
und vom Papste mit den mathildischen Gütern belehnt. Als er
aber, nach seines Schwiegervaters Tode selbst nach der königlichen
Krone strebend, sich gegen den neugewählten König, den STAUFER
KONRAD III., zur Wehr setzte, ging er im Jahre 1138 seiner beiden
Herzogtümer verlustig und starb schon im folgenden Jahr zu Quedlinburg.
Sein damals noch minderjähriger Sohn Heinrich, später
der Löwe zubenannt (+ 1195), welcher im Jahre 1142 mit dem
sächsischen und im Jahre 1156 mit dem bayerischen Herzogtume belehnt
wurde, besaß zwar auch in Schwaben manche alt-welfische
Güter, Rechte und Dienstmannen (zum Beispiel die Vogtei
des Klosters Reichenau), allein sein und seiner Nachkommen Schicksale
gehören nicht der schwäbischen Geschichte an, oder sind, wie
die Geschichte seines dritten Sohnes, Kaiser OTTOS
IV., bereits früher berührt worden. - Nach seines
älteren Bruders, Herzog Heinrichs des Stolzen, Tode setzte
Welf
VI. den Kampf gegen das staufische Haus
in SW-Deutschland längere Zeit fort, machte insbesondere vergebliche
Versuche, sich das Herzogtum Bayern zu erkämpfen, unterlag aber namentlich
in dem berühmten Kampfe bei Weinsberg. Schließlich mit König
KONRAD III. ausgesöhnt, wurde er besonders in Italien ein
wackerer Streitgenosse von KONRADS
Nachfolger, seinem eigenen Neffen FRIEDRICH I.,
und erhielt von diesem im Jahre 1152 als Reichslehen das Herzogtum Spoleto,
die Markgrafschaft Tuszien, das Fürstentum Sardinien und
Korsika, woselbst er freilich faktisch seine Herrschaft nicht durchführen
konnte, mochte er sich auch Fürst von Sardinien und Korsika nennen,
sowie die Mathildischen Güter. Durch seine Heirat mit Uta,
Erbtochter des reichbegüterten Grafen Gottfried von Calw,
Pfalzgrafen vom Rhein, verdoppelte er fast seinen ererbten Länderbesitz;
allein da sein einziges Kind, Welf VII. (IV.), sein Stellvertreter
in Italien, vor ihm im Jahre 1167 auf dem 4. italienischen Zuge Kaiser
FRIEDRICHS I. starb, wandte er mit Umgehung des welfischen
Mannesstammes dem staufischen
Hause sein Erbe zu. In seinem 76. Lebensjahr beschloß er den 15.
Dezember 1191 an seinem Lieblingsaufenthalt Memmingen wie sein dereinst
kampfbewegtes, später dem Genuß gewidmetes Leben, so den Stamm
der schwäbischen WELFEN,
gerühmt von Dichtern und Klöstern, denen er sich wohltätig
erwiesen hatte.
Wiederholt lagen die Glieder dieses Hauses, Welf IV.
(nebst seinen Söhnen), Heinrich der Stolze, Welf VI.,
Welf
VII. und von den nordischen WELFEN
Heinrich der Löwe und Kaiser OTTO
IV., mit den STAUFERN in
Fehde und erst im Jahre 1235 wurde durch den Frieden mit Kaiser
FRIEDRICH II. mit einem Neffen Kaiser
OTTOS IV., Herzog Otto dem Kinde,
der Streit der beiden
mächtigen Häuser beendigt. Doch hatten auch mehrfach Aussöhnungen,
ja selbst Eheverbindungen zwischen denselben stattgefunden, indem Herzog
Friedrich II. von Schwaben mit Judith, der Tochter Herzog Heinrichs
des Schwarzen,
Herzog Friedrich IV. mit
Gertrud,
der Tochter Herzog Heinrichs des Löwen, und
Heinrich,
ältester Sohn Heinrichs des Löwen, mit
Agnes, der
Tochter des rheinischen Pfalzgrafen Konrad, eines Bruders von Kaiser
FRIEDRICH I., sich vermählen.
Die WELFEN, gleich
den STAUFERN
glücklich im Ländererwerb durch Heiraten, waren vor dem Aufkommen
der letzteren neben den ZÄHRINGERN die begütersten Erbherren
in Schwaben und Besitzer der verschiedenartigsten Rechte, Allode, Lehengüter,
auch Grafenrechte, so besonders der Grafschaft im Schussensee. Ihr Hausbesitz
erstreckte sich in dem jetzt württembergischen Oberschwaben auf die
Oberämter Ravensburg (zum Beispiel die Stadt Ravensburg nebst Altdorf
[heutzutage Stadt Weingarten] und dem Altdorfer Wald), Wangen, Tettnang,
Saulgau, Waldsee, Biberach, und es gehörten zu demselben allhier namentlich
auch viele Lehensleute und Dienstmannen, wie die Truchsessen von Waldburg,
die Herren von Schmalneck, Ravensburg, Emerkingen, und Klostervogteien,
wie diejenige des Klosters Weingarten und in der Folge die der Priorate
Langnau, Ochsenhausen und Roth. Dieser Besitz dehnte sich aber auch aus
auf das jetzt bayerische Schwaben (zum Beispiel die Schutzvogtei über
das Hochstift Augsburg und über die Abteien Kempten; die Orte Immenstadt,
Füssen, Kaufbeuren, Memmingen), auf Bayern, wo dem Hause die Grafschaften
im Augst- und Ammergau zustanden (zum Beispiel Ammergau, Steingaden, Raitenbuch,
Peiting, Schongau, Altomünster), auf Tirol (zum Beispiel Güter
im Vintschgau, Ulten- und Passeiertale) und auf die Schweiz (zum Beispiel
Graubünden). Zu dem Buchhorner Erbe gehörte namentlich
Buchhorn selbst, zu dem von dem letzten Grafen von Achalm übergebenen
Besitze die freilich nicht lange bei der Familie verbliebene Burg Achalm,
wie der Verbindung mit dem Achalmischen Hause ohne Zweifel noch weiter
die welfische Schirmvogtei des Klosters
Zwiefalten verdankt wurde. Aus dem gräflich
Calwischen
Erbe
besaß Herzog Welf VI. (III.) Orte in den Oberämtern Calw
und Neuenbürg (zum Beispiel Liebenzell - die Burg Calw selbst
wurde den Verwandten
Utas als Lehen zurückgegeben); Sindelfingen,
Möhringen auf den Fildern, Echterdingen, Plieningen; Rechte zu Cannstatt,
zu Heilbronn; die Grafschaft der Glehuntare und so weiter.
Das welfische Wappenbild
war ein Löwe.
Was schließlich die Frage betrifft, ob die WELFEN
ursprünglich ein schwäbisches oder ein bayerisches
Geschlecht gewesen, so steht so viel fest, dass sich die späteren,
die lombardischen
WELFEN (seit 1055),
entschieden als Schwaben, ihren Besitz in der Ravensburger Gegend als ihr
Handgemal betrachteten; sie werden in gleichzeitigen Dokumenten von Ravensburg
oder Altdorf genannt, wurden anfangs sämtlich zu Weingarten begraben
und noch der bayerische und sächsische Herzog Heinrich der Löwe
verlangte
auf schwäbischem Boden gerichtet zu werden. Nicht so unzweifelhaft
ist die Entscheidung hinsichtlich der älteren echten
WELFEN:
allerdings erscheint für sie Altdorf-Weingarten wenigstens seit dem
10. Jahrhundert als Erbbegräbnis und werden sie nach den Sitzen Altdorf
und Ravensburg genannt; allein letzteres geschieht nur in Schriftstücken
aus der Zeit der jüngeren WELFEN;
gerade das älteste sicher als solches beglaubigte Glied der Familie,
Welf,
Schwiegervater Kaiser
LUDWIGS DES FROMMEN,
wird von den gleichzeitigen, sonst nicht schlecht unterrichteten Biographen
LUDWIGS,
Thegan, ausdrücklich als zum edelsten Geschlechte der Bayern gehörig
bezeichnet; die erwähnten, freilich sagenhaften Berichte über
die früheste Geschichte seiner Nachkommen wiesen teilweise wenigstens
auch auf die bayerischen Lande als den Schauplatz ihres Auftretens hin;
der Besitz in letzteren dürfte noch umfassender gewesen sein, als
der in Schwaben, und der letztere ist zu einem beträchtlichen Teile
erst längere Zeit nach dem erstmaligen Auftreten der WELFEN,
teilweise sicher erst von der jüngeren Linie, erworben. Ja er ist
vielleicht in seinen Anfängen erst auf Schenkung seitens des kaiserlichen
Schwiegersohnes an Welf I. zurückzuführen, denn der im
Jahre 815 genannte "königliche Fiskus" Schussengau wird später
nicht mehr erwähnt, und so hat die Annahme manches für sich,
eben dieses Königsgut habe bald darauf den Kern des welfischenBesitzes
in Schwaben gebildet und es sei dem Geschlechte auch erst in der Folge
dort eine Grafschaft verliehen worden, die auf Kosten anderer Gaue gegründete
Schussengau-Grafschaft, welche dem Hause in Schwaben allein in dauernder
Weise zustand.