Obgleich ein nachgeborenes Kind, erhält Welf
VI. den Leitnamen der Familie,
ja den Familiennamen überhaupt. Achtjährig dürfte Welf
die
prächtige Feier der Kanonisation seines Vorfahren, des Bischofs
Konrad von Konstanz, miterlebt haben, auf der sich neben der hohen
Geistlichkeit des Herzogtums auch die Herzoge des Landes, STAUFER
und ZÄHRINGER,
eingefunden hatten. In seine Kinderzeit fiel der Beginn des Neubaues in
Weingarten. Der äußeren Entfaltung entsprach das Formulieren
der Familientradition in der Selbstdarstellung der Genealogia Welforum
am Hofe seines Vaters. Vielleicht hat Heinrich der Schwarze
wirklich
einen allseitigen politischen Ausgleich erstrebt, als er seine vier Töchter
mit BREGENZERN, STAUFERN,
ZÄHRINGERN
und VOHBURGERN verheiratete. Seit sich der Herzog von Bayern jedoch
bei der Wahl nach dem Tode HEINRICHS
V. gegen das Königtum der STAUFER
gestellt
hatte, war dieses Gleichgewicht empfindlich gestört, und das Gegen-Königtum
KONRADS
brachte den offenen kriegerischen Ausbruch. Die WELFEN
gehörten nun durch die Eheabsprache zwischen Heinrich
dem Stolzen und der
Königs-Tochter
Gertrud
zum Königshaus. Nach dem Eintritt in die Herrschaft hat Heinrich
der Stolze seinen Bruder in den nächsten Jahren völlig in
seine Politik eingespannt, und das heißt: Kampf dem
staufischen
Gegen-Königtum.
Denn die Stellung der Familie zu untermauern, das war Aufgabe nachgeborener
Söhne, seien sie wie Welfs älterer
Bruder Konrad
sorgfältig für die geistliche Laufbahn vorgebildet oder wie er
selbst in jugendlichem Alter wegen einer bedeutenden Erbaussicht verheiratet.
Es war zweifellos ein Coup Heinrichs, als es ihm gelang, seinen
jüngeren Bruder durch die Ehe mit der Tochter des söhnelosen
Pfalzgrafen
Gottfried die Verbindung zum CALWER Haus und den Anspruch
auf dessen Erbe zu verschaffen. Damit war Welf
VI., wenngleich noch ganz unter dem Einfluß Heinrichs,
bereits mit einer schwierigen Aufgabe betraut. Er mußte selbst seine
Ansprüche durchfechten, denn natürlich erwuchs ihm Widerstand,
und der Eintritt in das Erbe ging - wie so häufig in dieser Zeit -
trotz aller Erbabsprachen nicht ohne kriegerische Auseinandersetzungen
ab. So auch in dieser ohnehin schon äußerst gespannten Lage.
Der Neffe des Pfalzgrafen, Adalbert, suchte sich zu widersetzen,
doch in den Friedensbedingungen mußte er die Belehnung mit Teilen
des Erbes durch die WELFEN akzeptieren.
Welf
hatte
das Heiratsgut und Erbe seiner Gemahlin behauptet und brachte dem Haus
eine Machtposition zu, die in Schwaben im kleinen die Stellung widerspiegelte,
die Heinrich der Stolze nach und nach im Reich etwa zwischen 1125
und 1135 erlangt hatte: Außer dem schwäbischen Besitz, wozu
ja auch Güter im Alpenraum gehörten, waren - wie bekannt - Bayern
und Sachsen in seiner Hand; es folgte im Süden die Markgrafschaft
Verona mit den Erbteilen aus otbertinischen Haus, die teilweise einen Übergang
zu dem Gut der Gräfin
Mathilde bildeten, womit Kaiser
LOTHAR III. und Heinrich der Stolze von Innocenz
belehnt worden waren. Vom Kaiser erhielt er endlich noch die Markgrafschaft
Tuscien. Eine riesige Sammlung von Rechtstiteln und Ansprüchen; in
ihrer Ausdehnung wohl um diese Zeit einzigartig in Europa. Das ist die
Stellung seines Hauses, die Welf
-
eben 20-jährig - vor sich gesehen hat und die für ihn ganz unerwartet
zur Lebensaufgabe wird. Nach dem Tode seines Bruders
Herzog Heinrich
1139 ist Welf VI. nun der einzige rechtsfähige
Vertreter des welfischen
Hauses und
seiner Ansprüche. Aber er steht nicht allein: Die Kaiserin-Witwe und
die Mutter Heinrichs
des Löwen verfechten nach anfänglichem Zurückweichen
in Sachsen mit Erfolg ihre Ansprüche. Die Rückgabe Sachsens ist
der erste welfische Erfolg, allerdings
nicht ohne Preis. Gertrud verzichtet
1142 für ihren Sohn auf Bayern. Sie erscheint nun als ducissa Saxoniae
und wird die Gemahlin des neuen Herzogs von Bayern. Auch in Schwaben wird
zwischen den beiden Parteien verhandelt, als sich nach dem Tod des Bayern-Herzogs
Leopold eine Chance zur Wiedererlangung Bayerns bietet. Aber
KONRAD
III. belehnt den Bruder Leopolds, Heinrich
Jasomirgott, und die Kämpfe, deren Einzelheiten hier beiseite
bleiben sollen, weiten sich aus. Die Kontrahenten beginnen jenseits der
Reichsgrenzen Unterstützung zu suchen: Der König durch ein Bündnis
mit dem Basileus; Welf VI. schließt
Verträge mit Ungarn und Sizilien, das ihn offensichtlich finanziell
wirksam unterstützt.
Dass Welf in Peiting
zu Weihnachten 1146 das Kreuz nimmt, ist vielleicht dem persönlichen
Wirken Bernhards zuzuschreiben. In den Monaten vor dem Aufbruch zum Kreuzzug
ordnen die Kreuzfahrer ihre Verhältnisse. In diesem Zusammenhang erscheint
Welf
VI. überhaupt zum ersten Mal mit seiner Familie, seiner
Gemahlin und seinem Sohn Welf VII. Wirklich bedeutend aber ist die
Stiftung Steingadens, mit großer Wahrscheinlichkeit schon
im Hinblick auf den Kreuzzug zur Grablege bestimmt. Das Abrücken von
dem traditionellen Begräbnis Weingarten, wo noch Welfs
Eltern begraben wurden, nach Osten in den bayerisch-schwäbischen
Raum dürfte kein Zufall sein.
Auf dem Hoftag von Frankfurt fordert der inzwischen volljährige
Heinrich
der Löwe nach einem Treffen mit Welf
VI. das Herzogtum Bayern nach Erbrecht zurück. Der Herrscher
hat in Frankfurt die Entscheidung auf die Zeit nach dem Kreuzzug verschoben;
so war schon der neue Konflikt programmiert, bevor man überhaupt ins
Heilige Land aufgebrochen war. Und kaum zurückgekehrt, hat Welf
den Kampf um Bayern wieder begonnen, denn das Hauptziel, die Wiederaufnahme
des Verfahrens nicht als Erneuerung der Verurteilung, sondern mit der Aussicht
auf die Restitution Bayerns war noch nicht erreicht; Welf VI. hat
diesen Kampf für seinen Neffen Heinrich den Löwen aufgegeben,
nachdem der Tod des Thronfolgers
im Frühjahr 1150 der Situation eine neue Wende gab und schließlich
1151 eine Lösung im welfischen
Sinne in greifbare Nähe rückte.
So läßt sich - jedenfalls im nachhinein -
sagen, dass die Kreuznahme einen Einschnitt im Leben Welfs
VI. bedeutet hat. War er bis dahin
völlig in die Kämpfe für das brüderliche Erbe verwickelt
gewesen, so vollzieht sich von nun an langsam eine Wende von der ganz einseitig
orientierten welfischen Interessenpolitik
zur Teilnahme an der Reichspolitik, in den Quellen ablesbar an dem allmählichen
Abrücken Welfs VI. von seinem
welfischen
Neffen und der dann immer stärker werdenden Zusammenarbeit mit seinem
staufischen
Neffen
FRIEDRICH.
Eine Entwicklung, die schon vor dem gemeinsamen Kreuzzug ihren Anfang nimmt
und schließlich unter Vermittlung FRIEDRICHS
den Frieden zwischen KONRAD III. und
Welf
VI. bringt. Welf VI. erhält
von KONRAD das bedeutende Reichslehen
Mertingen, sozusagen ein Einfallstor zum staufischen
Besitz im Ries und im Wörnitztal. Er wird nun zum Kronvasall,
wird zum Mitträger der Reichsregierung und jener Umordnung
des Reiches, die zwischen 1150 und 1156 die Interessen der vier großen
herzoglichen Familien, nämlich der BABENBERGER, STAUFER,
WELFEN
und ZÄHRINGER zum Ausgleich zu bringen versucht. Ein Versuch,
der nach sechs Jahren der Prozesse, Verhandlungen, Belehnungsakte und Privilegierungen
gelungen ist und der trotz aller Erschütterungen durch die Wende in
der Burgund-Politik auch das Schisma in den Jahren 1159 überdauerte.
Für die WELFEN konnte sich das
Ergebnis sehen lassen: Am Ende erscheinen sie wieder im Besitz der Rechtstitel,
die Heinrich der Stolze verloren hatte: Sachsen, Bayern,
Tuscien und das Mathildische Gut sind restituiert; dazu tritt jetzt noch
Spoleto. Und doch hat eben nicht nur eine Restauration stattgefunden. Vielmehr
haben wir in diesen Jahren den Versuch des Herrschers zu sehen, die Fehler
KONRADS
III. nicht zu wiederholen, sondern den Frieden nachhaltig zu
sichern, um alle Kräfte für die Verwaltung des Imperiums freizuhaben.
Unter diesem Aspekt erscheint es einleuchtend, dass BARBAROSSA
gleich
nach der Kaiserkrönung, nachdem er Einsicht in die Größe
der italienischen Aufgabe gewonnen hatte, diese Ordnung 1156 vollendete.
In der Hand Welfs VI. befand
sich seit der Belehnung 1152 ein Güterkomplex, der ihn notwendigerweise
in Berührung und in Konflikte mit den Mächten am Mittelmeer bringen
mußte: das Herzogtum Spoleto im Süden an der Grenze des Königsreiches
Sizilien gelegen, im Osten teilweise dem Patrimonium Petri, im Norden der
Mark Ancona und damit der brisanten Interessensphären von Byzanz und
Venedig benachbart; Tuscien mit der dauernd umstrittenen südlichen
Grenze zum Kirchenstaat; Sardinien und Korsika, kontrolliert durch die
Flotten der Seemächte Pisa und Genua und nur dem Anspruch nach in
der Hand des Reiches; das Mathildische Gut, verstreut vom Südufer
des Gardasees bis nach Umbrien. Eben so heikel war die Situation innerhalb
dieser verschiedenen Lehen.
Welf VI., Herr
des größten Teils Mittelitaliens, war vielleicht nicht unbedingt
das, was man einen Italienexperten nennen könnte, aber er war doch
mit Italien vielfältig verbunden, mehr als gemeinhin geläufig
ist. Der italienische Besitz (Hof Elisina mit 1.100 Mansen), die
damit verbundene Rechtstradition, die vielfältigen Beziehungen der
OBERTENGHI, der Aufenthalt Welfs am
normannischen Königshof Rogers
und Verbindungen zu der einflußreichen römischen Familie FRANGIPANI
belegen, dass er in Italien kein Fremder war. Vielmehr müssen wir
annehmen, dass er in Sprache und Recht einige Kenntnisse hatte. Und in
den etwa 20 Jahren, die die welfische Herrschaft
nominell in Italien andauerte, hat sich wenigstens bis zum Tode Welfs
VII. 1167 fast ständig ein WELFE -
sei
es
Welf VI. selbst, sei es sein Sohn
- dort aufgehalten. Dennoch ist es den
WELFEN
nicht
gelungen, wirklich Fuß zu fassen.
Während sich der Sohn anscheinend mehr um die Mathildischen
Güter kümmert, durchzieht Welf VI. besonders
1160 die Toscana unter der Proklamation der markgräflichen Rechte,
weist die Kommunen in die Schranken, versucht, die großen Adelsfamilien
durch die Belehnung mit gräflichen Rechten zu stärken, aber natürlich
auch neu an die Mark zu binden; er übt das markgräfliche Vorrecht
der Notarsernennung aus.
Unmittelbar nach Roncaglia fordert Hadrian
IV. von FRIEDRICH I. unter
anderem das Gut der Gräfin Mathilde, das Gebiet von Acquapendente
bis Rom, das Herzogtum Spoleto sowie die Inseln Sardinien und Korsika.
Die scharfe Reaktion Hadrians und die Forderung der welfischen
Gebiete
zeigte bereits, wo die Gefahr lag, aber noch führte
Welf
VI. ganz im Sinne des Kaisers seine
Politik in der Toscana und wohl auch im Herzogtum Spoleto. Äußerlich
betrachtet stand der
WELFE auf der
Höhe seiner Macht. Der schismatischen Wahl von 1159 folgte dann die
Wende, die das Verhältnis zwischen Kaiser und Herzog für beinahe
20 Jahre aufs äußerste belasten sollte und - wenngleich stufenweise
- die Zeit des welfischen Rückzugs
einleitete. Auf dem im Februar 1160 durchgeführten Konzil von Pisa,
das Viktor
IV. zum rechtmäßigen Papst erklärte, hatte Welf
VI. teilgenommen, bevor er anschließend geheim erste Beziehungen
zu Alexander
III. geknüpft hatte. Mit ihrer Erklärung für Alexander
III., der Welf VII. mit dem Mathildischen Gut belehnt haben soll,
waren die WELFEN für den Kaiser
in Italien zu einer ernsten politischen Gefahr geworden.
Bereits Ficker zeigte, in welchem Maße der Kaiser
in den nächsten Jahren die welfischen
Rechte immer stärker zugunsten seiner eigenen Einwirkung beschnitt
und die markgräfliche Gewalt zu schwächen suchte, obgleich Welf
VI. doch mit kaiserlicher Zustimmung und gemäß der
Gesetze von Roncaglia mit der intensiven Erfassung der Reichsrechte begonnen
hatte. Das Institut der Legation bildete in der Folgezeit den Hebel, mit
dem der Kaiser die Herrschaft der WELFEN sozusagen
ganz legitim aus den Angeln gehoben wurden. Die Zeit der welfischen
Markgrafen
von Tuscien war schon in diesen Jahren beendet, ohne dass es zu einer spektakulären
Konfrontation zwischen FRIEDRICH I.
und Welf VI. gekommen wäre.
Keiner von beiden, weder der Kaiser noch Welf
VI., hat sie gewünscht. Das zeigte sich auch in Deutschland,
in der sogenannten Tübinger Fehde. Was zunächst eine lokale Streiterei
um Gerichtsrechte zwischen dem Pfalzgrafen und Welf VII. gewesen
war, wuchs sich auf dem Hintergrund eines Erbstreites zu einem Kampf um
die Macht zwischen beiden Herzogshäusern aus, in dem der Kaiser endlich
der Klage Welfs VII. folgte und ihm seinen eigenen staufischen
Parteigänger,
den Pfalzgrafen von Tübingen, preisgab. Während die Herrschaft
in Italien schon zur Neige ging, hatten Welf VI.
und
sein Sohn hier in Schwaben noch einmal ihre ganze Macht entfalten können,
und das, obwohl sie Papst Alexander anhingen, dauernde Beziehungen zur
Kurie unterhielten und ihre Haltung mithin überhaupt nicht dem entsprach,
was der Kaiser auf dem Hoftag in Würzburg von den Reichsfürsten
hatte bekräftigen und beschwören lassen und andernorts auch mit
Härte durchzusetzen versuchte. Zudem entfremdete sich Heinrich
der Löwe der alexandrinisch-welfischen
Partei immer mehr, und Welf
VI. erscheint zunehmend isoliert,
auch gegenüber seinem Sohn, denn möglicherweise hatte Welf
VII. für den günstigen Ausgang der Tübinger Fehde dem
Kaiser die militärische Unterstützung bei dem Italienzug versprochen,
zu dem FRIEDRICH noch im Jahre 1166
aufbrach.
Sicher ist dagegen, dass Welf
VI. diesen Zug, der die Inthronisation des kaiserlichen Papstes
zum Ziel hatte, mißbilligt hat und ihm durch eine Pilgerfahrt ins
Heilige Land auszuweichen suchte. Dieses Jahr 1167, in dem Welf
zum
zweiten Mal im Heiligen Land war, ist wie 1147, das Kreuzzugsjahr, ein
Schicksalsjahr für ihn gewesen. Hatten damals seine guten Beziehungen
zu FRIEDRICH - soll man es Freundschaft
nennen? - begonnen, so erreichten sie nun ihren Tiefpunkt, als Welf
VI. angesichts der Vertreibung Alexanders den Kaiser und dessen
Heer verflucht haben soll. Es erscheint uns noch heute nicht ohne berührende
Tragik, dass der Herzog gerade im Kampf gegen seinen Papst, gegen die für
ihn allein rechtmäßige Kirche seinen Sohn verlieren sollte.
Auf dem chaotischen Rückzug nach dem Ausbruch der Malaria vor Rom
erlag auch Welf VII., wie viele andere aus dem deutschen Heer, der
Seuche. In Steingaden ließ ihn sein Vater begraben.
Der Tod des einzigen Sohnes traf den Herzog aufs tiefste.
Seine alte politische Energie hat er nicht wiedergewonnen. Den kaiserlichen
Hof hat es für Jahre nicht mehr besucht. Doch aus der politischen
Lethargie der Trauer ging offenbar ein Mann hervor, an dem nun ganz neue
Züge hervortraten: der Mäzen Welf VI.
Dichtkunst,
Geschichtsschreibung und Kirchenbau erfuhren seine Förderung. Seine
Freigebigkeit rühmten die Minnesänger; sein Geldmangel war notorisch.
In dieser Zeit nach dem Tod des Sohnes erlosch das Interesse an seinen
italienischen Lehen, die er nicht mehr aufgesucht hatte, und er resignierte
sie schließlich dem Kaiser gegen eine beträchtliche Summe, nachdem
die verflossene Zeit eine Wiederannäherung beider ermöglicht
hatte. Damit war ein erster großer Teil welfischer
Macht endgültig in die staufische Hand
übergegangen. Von nun an heißt er in den eigenen wie in den
fremden Urkunden wieder einfach dux Welfo.
Mit dem erlösten Geld scheint er die aufwendigen Feste auf dem Gunzele
bezahlt zu haben. Insbesondere das Pfingstfest 1175 besuchten viele vornehme
Familien, darunter die Pfalzgrafen von Tübingen und Wittelsbach, die
Markgrafen von Steier, Vohburg und Istrien, der Herzog Konrad von Dachau.
Es war ein politisches Fest, vergleichbar dem Mainzer Pfingstfest, auf
dem nicht nur handfest gefeiert wurde, sondern auf dem auch weittragende
politische Entscheidungen fielen.
Ungefähr 60 Jahre alt muß der Herzog zu dieser
Zeit gewesen sein. Da sein Sohn - soviel wir bis jetzt wissen - ohne Nachkommen
gestorben war, dürfte sich zunächst die Frage nicht gestellt
haben, wer der Erbe seiner Güter sein würde, denn dass der Sohn
des Bruders im Allod folgte, war nicht ungewöhnlich. Eher fällt
auf, dass es einer eigenen Abmachung zwischen Heinrich dem Löwen
bedurfte, die wohl 1174 oder 1175 zustandekam. Diese Übereinkunft
könnte einer der Gründe gewesen sein, weshalb sich schwäbischer
und bayerischer Adel so zahlreich am Gunzele einfand; es gab - vorsichtig
formuliert - einen weiteren Kreis von Erbwilligen, deren Einsprüche
befürchtet wurden. Dabei ist vielleicht der Versuch unternommen worden,
den Erbfolgekrieg, eine typische Erscheinung auch des 12. Jahrhunderts,
durch eine vertragliche Regelung der Betroffenen zu vermeiden. Es sei dahingestellt,
ob es nur die ausbleibende Geldzahlung war, die Welf
dann
veranlaßt hat, seinen staufischen
Neffen zum Erben zu bestimmen. Aber in der kurzen Zeit zwischen der ersten
Übereinkunft mit dem welfischen
und der zweiten mit dem staufischen
Neffen um die Jahreswende 1178 und 1179 liegen Ereignisse, die weitreichende
Folgen hatten: einmal der Friedensschluß in Venedig mit Alexander
und zum anderen der endgültige Bruch zwischen BARBAROSSA
und Heinrich dem Löwen. Dass FRIEDRICH
diese
einmalige Chance der Erbfolge in den welfischen
Gütern auch in Hinblick auf die bevorstehende entscheidende Auseinandersetzung
mit dem Herzog sofort genutzt hat, daran kann gar kein Zweifel bestehen.
Die in solchen Fällen übliche, oft riesige Geldsumme zahlte der
Kaiser dem WELFEN unverzüglich,
und sie bildete für Welf VI.-
folgen wir den Quellen - das Hauptinteresse. Der Übergang des welfischen
Patrimonium
vollzog sich lege gentium, wie die Quelle vermerkt, und offensichtlich
in Stufen. Einige Teile des welfischen
Patrimonium nahm FRIEDRICH selbst sofort
in Besitz;
welfische Güter erscheinen
unmittelbar nach Vertragsabschluß auch in der Hand des
staufischen
Herzogs
Friedrich von Schwaben. Ob er sie über seinen Vater
oder direkt empfing, also selbst mit in den Vertrag eingeschlossen war,
ist nicht eindeutig aus der Quelle abzulesen. Andere Teile des Allods behielt
Welf,
sie sollten die STAUFER erben. Ein
weiterer Teil des Eigengutes aber wurde mit Reichsgut verbunden und vom
Kaiser den Herzog als Reichslehen gegeben. Welf
VI. war nun mit Teilen seines Eigengutes königlicher Lehnsmann,
das heißt ein Kronvasall geworden, war nun dux et princeps:
Herzog und Reichsfürst, wie er dann auch genannt wird. Im Grunde vollzieht
sich mit der Fixierung der Stellung Welfs VI.
als Reichsfürst - denn dass er dazu gezählt wurde, kann schon
für die Jahre zuvor nicht bezweifelt werden - der Vorgang, den Odilo
Engels bei der Entmachtung Heinrichs des Löwen beschrieben
hat, in umgekehrter Richtung. Reduzierung auf das Allod bedeutet den Ausschluß
aus dem Kreis der Kronvasallen, aus dem Kreis der principes und Mitregierenden
des Reiches, was hier konkret der urteilenden pares hieß.
Welf ist Inhaber zahlreicher Kirchenvogteien gewesen,
die er ganz oder teilweise innehatte und wie andere Laien auch zur Arrondierung
seiner Güter mißbraucht hat. Jedenfalls läßt sich
aus den Vogteien keine eigentümliche religiöse Haltung des Herzogs
ablesen. Doch bei der Betrachtung seiner drei Stiftung Allerheiligen, Memmingen
und Steingaden fällt bereits etwas auf: zwei von ihnen wurden den
Prämonstratensern übertragen. Hingegen zeigt die Liste seiner
Schenkungen deutlich, dass der moderne Mönchsorden der Zisterzienser
ganz am Rande steht, wiewohl Welfs
älterer Bruder Mönch dieses Ordens gewesen ist; vielleicht auch
weil er es geworden ist. Wo Welf zu den Zisterziensern in Beziehungen
tritt, im Elsaß und in Oberösterreich, sind es familiäre
Bindungen: hier die STAUFER dort die
Markgrafen von Steiermark. Zwar vernachlässigt er bei seinen Vergabungen
nicht die alten Benediktinerklöster, aber der Entzug der Grablege
deutete doch an, dass er sich anderen Strömungen stärker verbunden
fühlte, und das waren nach welfischer
Tradition die regulierten Kanonikerstifte.
Neben seinem Bruder Heinrich dem Stolzen und dessen
Sohn Heinrich dem Löwen ist Welf VI.
sicher,
gemessen an seinen Ländern und Lehen, einer der mächtigsten Fürsten
seiner Zeit gewesen. Mit Königshöfen und Kurie stand er auf vertrautem
Fuß. Die Tradition seines Hauses hat er aufgenommen, die Kirche hat
er mit Mut nach seinem Glauben verteidigt, die Könige bekämpft,
wo es seine Vorstellungen erforderten. Im Zuge der Zeit hat er mit den
üblichen Mitteln versucht, seinen Besitz zu einem Land, zur
terra Welfonis zu formen. Das Schicksal hat seinen politischen
Erfolg letztlich verhindert. Aber indem er unter seinem Schutz das geistige
Klima schuf, in welchem Kunst und Literatur gedeihen konnten, hat er sich
und seiner Familie mit der Historia Welforum dennoch ein in seiner Zeit
einmaliges Denkmal gesetzt.