Jahrbücher von St. Vaast: Seite 294,296
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in: Quellen zur karolingischen Reichsgeschichte Band VI

Das Jahr 879.
 

Im Jahre des Herrn 879 starb Graf Balduin, mit Zunamen der Gute, und wurde in dem Kloster Sithdiu begraben. Auch König Hludowich verfiel in schwere Krankheit, und am heiligen Charfreitag, im 33. Lebensjahr, in der zwölften Indiction, beschloß er sein Leben und wurde in der Kirche der heiligen Mutter Gottes, Maria, bestattet, welche sein Vater mit königlicher Pracht in seiner Pfalz Compendium hatte erbauen lassen. Nach seinem Tode aber entstand unter den Franken trauriger und verderblicher Zwiespalt. Denn Abt Hugo, der Treue eingedenk, welche er dem König Hludowich, seinem Vetter, geschworen hatte, wollte mit den ihm Gleichgesinnten dessen Söhne, Hludowich und Karlmann, in das väterliche Reich als Könige einsetzen; Abt Gozlin aber und Graf Chuonrad und viele andere, diesen Gleichgesinnte, riefen den obengenannten König Hludowich ins Reich.

Das Jahr 880.
 

Im Jahre des Herrn 880 aber verwüsteten die Nortmannen mit Feuer und Schwert die Stadt Tornaca und alle Klöster am Fluß Scaldus, indem sie zugleich die Bewohner des Landes tödteten oder gefangen fortführten. Gozlin aber und Chuonrad mit ihren Genossen, mißvergnügt über die Freundschaft des Abtes Hugo und ihrer Herren mit Hludowich, brachten diesen dazu, noch einmal nach Francien zu kommen. Sofort aber zog Abt Hugo mit seinen Freunden und seinen Herren und einem zahlreichen Heere gegen ihn, und sie lagerten sich bei dem Kloster des heiligen Quintinus; Hludowich aber lagerte mit seinem Heere am Fluß Hisa. Und nachdem Gesandte hin und her gegangen waren, hatten die genannten Könige eine Zusammenkunft und befestigten untereinander durch Vermittlung des Abts Hugo ihre Friedensbündnisse, indem sie auch diejenigen wieder zu Gnaden annahmen, welche von ihnen abgefallen waren. Dies geschah im Monat Februar. Darauf schickte sich Hludowich an, in sein Reich zurückzukehren, und unterwegs traf er auf Nortmannen, die vom Raubzuge heimkehrten, und es kam bei Tumiomum zum Kampf zwischen ihnen. Er aber würde über sie einen herrlichen Sieg davongetragen haben, wenn nicht zum Unglück sein Sohn Hugo gefallen wäre. Diesen tödtete Godefrid, der König der Dänen, und nach seinem Tode stand der König davon ab, die Nortmannen zu verfolgen. Viele aber der Edlen dieses Volks fielen daselbst; die übrigen, welche entkamen, kehrten nach ihrem Lager zurück. Auch Abt Hugo nahm an dieser Schlacht Theil.

Während so Hludowich nach seinem Reiche zurückkehrte, kamen die Könige Hludowich und Karlmann mit ihren Getreuen nach Ambianis und hier theilten die Franken das Reich unter die Brüder; Hludowich erhielt einen Theil Franciens und ganz Neustrien, Karlmann aber Aquitanien, einen Theil von Burgund und Gothien. Und darauf zog jeder von dannen nach seinem Reiche. Danach entsandte König Hludowich den Heinrich, einen seiner Großen, um mit Hludowich und Karlmann gegen den Tyrannen Boso zu ziehen. Und auf dem Wege selbst schlug Heinrich den Teutbald, den Sohn Hucberts, in einer schweren Schlacht. Hludowich entsandte den Gauzlin mit vielen andern zum Schutz des Reiches gegen die Nortmannen; er selbst aber und sein Bruder zogen mit dem übrigen Heere nach Burgund und brachten die Städte, deren sich jener Tyrann bemächtigt hatte, wieder in ihre Gewalt. Und nachdem sie sich mit König Karl, dem Bruder Hludowichs, vereinigt halten, schlossen sie Boso in der Stadt Vienna ein; und sie boten ihm zuvörderst Frieden an, den er jedoch nicht annehmen wollte. Während sie nun die Stadt ringsum einschlossen, befestigte er sich innerhalb aufs stärkste. Darob belegten ihn die Bischöfe nach dem Rathschluß der Könige und Fürsten mit dem ewigen Bannfluch. König Karl aber brach eines Nachts auf, ohne Wissen Hludowichs und Karlmanns, verbrannte sein Lager und kehrte nach seinem Reiche zurück. Um diese Zeit starb auch König Karlmann, der Bruder Karls und Hludowichs. Die aber, welche Vienna belagerten, kehrten in die Heimath zurück, da sie sahen, daß sie den Feinden keinen Schaden anzuthun vermöchten.

Abt Gozlin und das Heer, welches mit ihm war, beschlossen gegen die Nortmannen zum Kampf zu ziehen und sandten Botschaft an die, welche jenseits des Flusses Scaldus waren, zum bestimmten Tag zu kommen, damit die einen auf diesem Ufer des Flusses, die andern auf jenem die Nortmannen vernichten möchten; aber es geschah nicht so, wie sie wünschten. Denn nicht nur führten sie keinen glücklichen Schlag aus, sondem vermochten kaum in schimpflicher Flucht sich zu retten, nachdem die meisten von ihnen gefangen genommen und getödtet waren. Und ihre Furcht und ihr Schrecken fiel auch auf die Bewohner des Landes; die Nortmannen aber, durch ihren Sieg übermüthig gemacht, rasteten Tag und Nacht nicht, die Kirchen zu verbrennen und das christliche Volk zu morden. Da ergriffen alle Mönche, Kanoniker, Nonnen, mit den Gebeinen der Heiligen, und alles Volk von jedem Stand und Alter zwischen den Flüssen Scaldus und Somna und jenseits des Flusses Scaldus die Flucht. Denn die Dänen schonten niemand, selbst nicht das Alter, sondern verheerten alles mit Feuer und Schwert. Da aber Gozlin und die mit ihm waren, sahen, daß sie den Dänen nicht widerstehen könnten, wurde das Heer im Anfang des Monats Oktober entlassen und jeder kehrte nach Haus zurück. Die Nortmannen oder Dänen aber veränderten ihren Aufenthalt und erbauten sich im Monat November zu Curtriacus ein befestigtes Lager, um daselbst zu überwintern; und von da verheerten sie das Land der  Menapier und Sueven bis zur Ausrottung der Bewohner, weil sie diesen sehr feindlich gesinnt waren; und das ganze Land wurde von der gierigen Flamme verzehrt. König Hludowich aber kehrte nach Francien zurück und beging den Tag der Geburt des Herrn in der Pfalz Compendium.