Wie bei jedem Herrscherwechsel mußte sich die Festigkeit von Reich und Dynastie bewähren, als Rudolf II. am 12. oder 13. Juli 937 starb und in St-Maurice/Agaune beigesetzt wurde. Wie sein Vater hinterließ er zwei Söhne, Konrad und Rudolf. Wie schon 912 folgte 937 nur ein Sohn im Königtum, nun in deutlicher Parallele auch zur ostfränkischen Thronfolge OTTOS I. von 936. Der minderjährige Konrad (937-993) wurde noch in Lausanne gewählt und gekrönt, als der alte Rivale seines Vaters, König Hugo von Italien, die Hand nach seiner Familie ausstreckte. Über die Alpen kommend, heiratete Hugo Konrads verwitwete Mutter Berta und vermählte deren Tochter Adelheid seinem Sohn Lothar. Ob Hugo durch diese doppelte Eheverbindung das Kind aus dem Königtum verdrängen wollte, kann nicht sicher entschieden werden. Sogleich bewährte sich nämlich die burgundisch-liudolfingische Verschwägerung von 929/30. OTTO I. holte 937 den jungen WELFEN an seinen Hof und sicherte ihm dadurch die Herrschaft. Das Schutz- und Abhängigkeitsverhältnis Konrads zu OTTO I. war evident, doch die in der Forschung erfundene dritte burgundische Lehnshuldigung entbehrt erneut jeder Quellengrundlage. Wieder trifft an mit der Vorstellung vom Entgegenkommen in der Gleichrangigkeit eher das Politik- und Symbolverständnis der Zeit. Gewiß, Konrad und seine Verwandten verharrten auch in den kommenden Jahrzehnten vielfach am ottonischen Hof oder in seinem Umkreis. Mittlerin wurde seine Schwester Adelheid. Durch ihre Ehen entspann sich ein komplexes Netz familiärer Bande, das die europäische Familie der Könige vielfältig einte, die ostfränkischen LIUDOLFINGER, die westfränkischen KAROLINGER, die burgundischen WELFEN. Konrad, der Bruder der Kaiserin, war darin eingesponnen: 946 begleitete der welfische König den ostfränkischen Herrscher OTTO I. auf dem Zug ins westfränkische Reich, 960 weilte er am Mittelrhein, im Oktober 967 traf er den inzwischen zum Kaiser aufgestiegenen Schwager in Verona, 981 reiste er mit seiner Gemahlin Mathilde zu Kaiser OTTO II. nach Rom, am 29. Juni 984 nahm er an der Seite Kaiserin Adelheids und ihrer Schwiegertochter Kaiserin Theophanu als wichtiger Vermittler an jenem ostfränkischen Hoftag im fränkischen Rohr teil, auf dem die künftige Erziehung des minderjährigen Königs OTTO III. gereglt wurde.
Familiäre Verquickungen:
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Emma, die Tochter
Kaiserin
Adelheids aus ihrer ersten Ehe mit dem
italienischen König Lothar
und Nichte König Konrads von Burgund,
wurde 965 bei einem großen "Familientreffen" auf dem Kölner
Hoftag Kaiser OTTOS I. mit dem
karolingischen König Lothar von
W-Franken/Frankreich (954-986)
verlobt; aus dieser Ehe ging der letzte KAROLINGER
auf dem Thron hervor, Ludwig V. (986-987).
Seine Großmutter war Gerberga,
die Schwester OTTOS
I. und Gemahlin des westfränkischen
KAROLINGER-Königs
Ludwigs IV. (936-954). Ihre Tochter Mathilde
wurde zur zweiten Gemahlin König Konrads
von Burgund, der zuvor mit einer genealogisch schwer einzuordnenden
Adela/Adelana vermählt war. Aus
dieser ersten Ehe gingen vielleicht ein bald verstorbener Sohn Konrad
und eine Tochter
Gisela hervor. Sie
war mit dem
liudolfingischen Herzog
von Bayern,
Heinrich dem Zänker,
verheiratet und Mutter des letzten liudolfingischen
Kaisers HEINRICHS II. (1002-1024). Mit seiner zweiten
Frau Mathilde zeugte König
Konrad den Thronfolger
Rudolf
III. (993-1032) und drei
Töchter Berta,
Gerberga
und Mathilde. Berta
heiratete zunächst Graf Odo I. von Chartres, Tours und Blois,
dem sie neben anderen Kindern Graf Odo II. von der Champagne gebar, später
verband sie sich mit dem französischen König
Robert II. (996-1031); Gerberga
war mit Herzog Hermann II. von Schwaben vermählt und gebar ihm drei
Kinder, Herzog Hermann III. von Schwaben, Gisela
(die in drei Ehen ihren Ehemännern den schwäbischen Herzog Hermann
IV., den sächsischen Grafen Liudolf und den salischen
Kaiser HEINRICH III. gebar) und Mathilde.
Seine eigenständige Herrschaft in Burgund hatte
König
Konrad nach seinem Aufenthalt am ostfränkischen Hof erst
seit 942/43 entfalten können. Rasch gelang ihm der Zugriff auf das
Doubs-Gebiet, den Jura und das Land an der mittleren Rhone um Lyon und
Vienne sowie die Zurückdrängung einer westfränkischen Expansion
nach Südosten. Schrittweise errrichtete er seine Herrschaft in Nieder-Burgund
und erntete damit die Früchte väterlicher Vorbereitungen. Als
ein erster markanter Höhepunkt erwies sich ein Hoftag am 27. Juni
943. Eine illustre Zeugenschar bestätigte ein Gerichtsurteil gegen
Karl
Konstantin, den Grafen von Vienne und Verwandten König
Konrads.
Nur 49 urkundliche Texte aus 56 Regierungsjahren, im
Urteil der Forschung "beispiellos ereignisarm", bezeugen den einigermaßen
gleichmäßigen Zugriff des Herrschers auf die unterschiedlichen
Teile seines Reichs und die Stabilität seiner Kanzlei. Gleichwohl
treten Schwerpunkte hervor, zunächst vor allem das Land an mittlerer
und unterer Rhone, dann die beiden welfischen
Hausklöster St-Maurice/ Agaune in Hoch-Burgund wie St-Andre-le-Bas/Vienne
in Nieder-Burgund, am Ende der Regierung schließlich der Raum um
Vienne und der traditionelle welfische
Kernraum um den Genfer See.
Noch bevor die Klöster Moutier-Grandval und Romainmotier
in direkten königlichen Besitz zurückgenommen wurden, entstand
in Payerne, auf dem Weg von Schwaben zum Genfer See, ein neues geistliches
Zentrum der welfischen Familie. In
der Zuweisung an Abt Maiolus von Cluny tritt die Faszination zutage, die
der cluniacensische Verband rasch verbreitete, aber auch jene enge Bindung
monastischer Reformbewegung und adliger Herrschaft, welche Aufstieg und
Ausbreitung der Cluniacenser erst erklärt. Die Gründung ging
von König Konrad, seinem Bruder
Herzog
Rudolf, seiner Mutter Königin
Berta, die sich nach dem Tod ihres zweiten Gemahls König
Hugo (948) offenbar wieder nach Burgund begeben hatte, und seiner
Schwester Adelheid aus. So stand Payerne
von Anfang an im Schnittfeld burgundischer und ostfränkisch-italienischer
Interessen und erhielt nicht alein die nachdrückliche Förderung
König Konrads und seine Bruders
Herzog Rudolf, sondern auch die der
Kaiser OTTO I., OTTO
II. und OTTO III.
Daß des Königs Sohn Burchard
II. wie vorher sein Onkel Burchard
I. zum Erzbischof von Lyon und Konrads
Verwandter
Theobald zum Erzbischof von Vienne aufstiegen, markiert den zunehmenden
Einfluß der Monarchie auf die Besetzung vornehmer Bischofsstühle
mit Familienangehörigen.
König Konrad
starb am 19. Oktober 993. Die politische Neuorientierung von Hoch-
und Nieder-Burgund schlug sich in der Auswahl seiner Grablege nieder: Nachdem
bereits seine zweite Frau Mathilde
in der Kathedrale St-Maurice/Vienne beigesetzt worden war, fand auch der
König seine letzte Ruhestätte in Vienne.