Nach dem Tode Ekkehards II. erbte das Haus WEIMAR
die Mark Meißen, doch nicht derart, dass damit der ganze Besitz
der EKKEHARDINER an Lehen ungeteilt auf Wilhelm
von Weimar (1046-1062) überging. Wir haben über diesen
Vorgang zwei Quellenzeugnisse, die nicht übereinstimmen, aber sich
auch nicht gegenseitig ausschließen. Es sind die größeren
Altaicher Jahrbücher und der Sächsische Annalist. Die oft angeführte
Stelle der Altaicher Jahrbücher lautet: "Illic (sc. in Misna) etiam
Teti, Dietrici comitis filius, marchas Ekkardi duas a rege promeruit, terciam,
id est Mihsinensem, rex adhuc retinuit" Der Sächsische Annalist schreibt
zunächst Lampert ab: "Eggihardus marchio subitanea morte prefocatus
interiit", und fährt dann fort: "et Willehelmus
marchiam illius adquisivit". Darauf folgt eine umständliche
Auseinandersetzung der weimarischen Verwandtschaftsverhältnisse
mit Betonung der Verdienste der Grafen um Thüringen. Es ist natürlich
nicht abgängig, sich für die eine Quelle zu entscheiden und die
andere mit Stillschweigen zu übergehen, wie das meist geschehen ist.
Beide Schreiber verraten durch ihre Bemerkungen eine mehr als nur oberflächliche
Kenntnis vom Stand der Dinge im deutschen Osten und haben daher beide das
Recht auf volle Annahme und Auswertung. Zunächst muß man beachten,
dass beide mit verschiedenem zeitlichem und örtlichem Abstand schreiben,
und dann darf nicht übersehen werden, dass der Niederaltaicher Mönch
von drei Marken redet. Beide haben offenbar verschiedenes im Auge. Die
süddeutsche Quelle, zeitlich den Ereignissen nahe stehend, schließt
an den plötzlichen Tod des weithin bekannten Markgrafen an und schildert
daher das Schicksal des von ihm beherrschten Gesamtgebietes, von dem ausführlicher
unten geredet wird. Sie sagt, dass jetzt eine Teilung eintritt und der
König sich die Entscheidung über einen Teil von Ekkehards Marken,
nämlich Meißen, vorbehält. Das scheint den Tatsachen zu
entsprechen; aus einer Reihe von Urkunden ist zu schließen, dass
noch ein halbes Jahr nach Ekkehards Tode Meißen nicht ausgetan war.
Eine andere Blickrichtung hat der sächsischen Schreiber. Er steht
den Ereignissen zeitlich viel ferner als der Altaicher. Einzelheiten jener
Zeit konnten ihm leichter entgehen oder unwichtig erscheinen. Während
der Süddeutsche eine auffallende Maßnahme festgehalten hat und
die ostdeutschen Verhältnisse dann nicht weiter beachtet, überblickt
der Sachse wohl mehr die Weiterentwicklung der Ereignisse, ohne sich auf
Einzelheiten einzulassen. Überdies hat er augenscheinlich seine Aufmerksamkeit
auf den Aufstieg des Weimarischen Hauses gerichtet,
über dessen Verwandtschaftsverhältnisse er, von einer Verwechslung
Wilhelms
II. und Wilhelms III. abgesehen, gut unterrichtet ist, wie er
für verwandtschaftliche Beziehungen überhaupt starke Anteilnahme
bekundet und ihnen einen breiten Raum in seinem Werk gewährt. So lassen
sich die beiden Quellen miteinander vereinbaren, ohne dass man ihnen Gewalt
antut oder sie mißdeutet.
So fest nun die Tatsache der Markübertragung auf
Wilhelm
selbst steht, so unsicher ist die Zeit und so wenig wissen wir über
die näheren Umstände. Als spätestes Jahr ist 1050 anzusetzen,
weil Wilhelm von da an in den Urkunden
auftaucht. Bemerkenswert aber ist noch eine andere Tatsache in diesem Zusammenhang,
nämlich dass die Mark einem anderen Geschlecht gegeben wurde. Wenn
Ekkehard auch keine Leibeserben hatte, so waren doch Seitenverwandte vorhanden,
die Ansprüche erheben konnten: die WETTINER. Das Verhältnis der
WETTINER zur Mark Meißen kann hier nicht behandelt werden. Nur soviel
kann als sicher festgestellt werden, dass die Erbansprüche der WETTINER,
wenn sie erhoben wurden, schließlich keine Erfüllung gefunden
haben. Nur ein Ereignis aus dem Leben Wilhelmsist
in den Quellen etwas ausführlicher behandelt. Das ist der Ungarnfeldzug
von 1060. Auf den Hilferuf des Königs Andreas
von Ungarn, der von seinem eigenen Bruder Bela
verdrängt worden war, sandte König HEINRICH
den
Böhmen-Herzog Spitignev II., den Bischof Eberhard von Naumburg, den
Markgrafen Ernst von der bayrischen Ostmark und unseren Markgrafen
Wilhelm. Ohne die Ankunft des Böhmen abzuwarten, nahmen
die Markgrafen und der Bischof den Angriff der Ungarn an. Aber den Ort
des Kampfes - es war der Wieselburger Engpaß - hatten die Deutschen
nicht glücklich gewählt: bald waren sie von allen Seiten von
den Feinden umringt. Der fliehende Andreas
kam durch einen Sturz vom Pferde um. Frau und Sohn konnten - wahrscheinlich
unter dem Schutz des Markgrafen Ernst - nach Bayern entkommen. Der Markgraf
Wilhelm aber kämpfte gegen ein große Übermacht
noch die ganze Nacht hindurch bis zum anderen Morgen und ergab sich erst
nach Zusage seiner persönlichen Sicherheit, "mehr durch Hunger als
durch das Schwert bezwungen", sagt Lampert von Hersfeld. Seine Tapferkeit
hat solche Bewunderung erregt, dass Belas
Sohn Geisa sich persönlich für
Wilhelms
Schutz
einsetzte und seinen Vater bat, die eigenen Schwester
Sophia
dem
Deutschen zu verloben, was dann auch geschah. Bald darauf wurden Bischof
und Markgraf aus der Gefangenschaft entlassen. In diesem Feldzug tritt
Wilhelm
als Führer der sächsischen Heeresabteilung auf. War das ganze
Unternehmen auch ein völliger Mißerfolg, so ist doch dem Markgrafen
an dem Unglück kaum eine Schuld beizumessen. Die Quellen lassen wenigstens
von einem Versäumnis seinerseits nicht das Geringste erkennen. Sie
rühmen im Gegenteil seine außerordentliche Tapferkeit gegen
die feindliche Übermacht und heben die Wertschätzung hervor,
deren er sich auch im gegnerischen Lager erfreut. Sie ist so groß,
dass der ungarische Führer in verwandtschaftliche Beziehungen zu ihm
zu treten wünschte. Seine sonstigen Beziehungen zu Reichsregierung
und zu Thüringen sind fest ganz in Dunkel gehüllt, da nur wenige
Urkunden als Belege dafür vorhanden sind, und auch die Schriftsteller
darüber schweigen. Die Zeit der Vormundschaft HEINRICHS
IV. wurde ja durch viel wichtigere Ereignisse in Spannung gehalten,
als dass die Zeitgenossen ihr Augenmerk auch auf die kleineren deutschen
Verhältnisse gerichtet hätten. Mit der Regentin
Agnes scheint der Markgraf in gutem Verhältnis gestanden
zu haben. Eine Urkunde deutet darauf hin, in der Wilhelm zu den
Getreuen der verwitweten Kaiserin gezählt wird. Erst unter Otto,
der nach seines Bruders Tode ihn beerbte, werden diese Beziehungen wieder
deutlicher, da er den großen Strömungen seiner Zeit etwas näher
trat als sein Bruder Wilhelm. Wilhelmstarb
auf dem Wege nach Ungarn, als er seine Braut heimführen wollte, wahrscheinlich
zu Anfang 1062, nachdem er nur zwei Tagesreisen weit gekommen war.