BUCH II
Kapitel 10
Viele Leiber von Heiligen ließ der Kaiser durch
seinen Kapellan Dodo aus Italien nach Magdeburg bringen.
Einen denkwürdigen Vorfall aber, den ich von seinem
Cleriker Poppo, dem Bruder des Grafen Wilhelm, erfahren habe,
darf ich nicht übergehen. Als nämlich jener, ein treuer Diener
des Kaisers, heftig erkrankt war, verfiel er in eine Verzückung, in
der er auf einen hohen Berg geführt wurde, wo er eine große
Stadt mit schönen Gebäuden erblickte. Darauf kam er an einen
hohen Thurm, dessen Stufen er mühsam erstieg. Auf der höchsten
flachen Platte desselben ward ihm die Gnade, Christus und alle Heiligen
sitzen zu sehen. Vor dieser Versammlung ward Brun,
Erzbischof von Köln, von dem höchsten Richter wegen eitler
Anwendung der Philosophie angeklagt, aber von St. Paulus vertheidigt und
wieder eingesetzt. Darauf ward auch Dodo hervorgerufen und wegen einer
ähnlichen Ursache beschuldigt, aber durch die vermittelnde Fürbitte
der Heiligen unterstützt, vernahm erfolgendes Wort: "Nach dreien Tagen
wirst du zu mir kommen und den Stuhl einnehmen, den ich dir jetzt zeige."
Dies alles erzählte der Priester, als er erwachte, dem Kaiser, den
er zu sich gebeten hatte, und indem er versicherte, dies sei kein Traum,
sondern ein wahrhaftes Gesicht gewesen, sagte er dem Kaiser Dank für
alles Gute, das er je an ihm gethan; darauf beichtete er, und nachdem er
von den Anwesenden Vergebung der Sünden erlangt hatte, ging
er aus der Fremde in seine wahre Heimat hinüber, in gutem Frieden,
und tröstete seinen Herrn, der über seinen Tod weinte, selbst
durch diesen so glücklichen Heimgang.
BUCH IV
Kapitel 6
Unterdeß belagerten diejenigen, die dem Könige
zugethan waren, den Grafen Wilhelm [von Thüringen],
der zu den vertrautesten Freunden Herzog Heinrichs
gehörte, in Wimeri [Weimar]. Als sie aber erfuhren, Heinrich
komme heran, eilten sie ihm sogleich entgegen, und sammelten sich bei einem
Dorfe, Namens Iteri, wo sie sich lagerten, um ihm am nächsten Tage
eine Schlacht zu liefern. Da dies der Herzog sofort erfuhr, so schickte
er den Erzbischof Gisiler an sie ab, der ihre Gesinnung erforschen und,
wenn es irgend möglich wäre, den Frieden bewirken sollte. Als
dieser nun den versammelten Herren seine Sendung eröffnete, erklärten
sie: Wenn Herzog Heinrich ihnen seinen
Herrn und König ausliefern, und von seinen Besitzungen nichts als
Merseburg, Walbizi und Frasu, bis zu dem bestimmten Tage für sich
behalten, und dies alles auf eine zuverlässige Weise eidlich erhärten
wollte: dann solle es ihm frei stehen, mit sicherem Geleite von ihrer Seite
das dichtbesetzte Land zu verlassen; wo nicht, so stehe ihm kein Ort offen,
durch den er lebendig rück- oder vorwärts kommen könnte.
Und nun, wozu soll ich darüber noch mehr Worte machen? Sie bekamen
am andern Tage alles was sie wollten, und gestatteten ihm, indem sie selbst
abzogen, sich nach Merseberg zu begeben, wo die
Herzogin Gisla seit langer Zeit in trauriger Einsamkeit verweilte.
Er aber erwog mit seinen Getreuen alles im Einzelnen, und indem er
darauf erklärte, er wolle aus Furcht vor Gottes Zorn und zum Heile
des Vaterlandes in Wahrheit seine Pläne aufgeben, dankte und lohnte
er ihnen auf eine würdige Weise für ihre Hülfe und ihren
guten Willen, und bat alle, sie möchten aus Liebe zu ihm an dem bestimmten
Tage sich mit ihm zusammen einfinden. Die beiden Kaiserinnen, welche bis
dahin zu Pavia in Demuth auf göttlichen Trost geharrt hatten, und
sämmtliche Fürsten des Kaiser- und Königreichs kamen nach
Rara, und der Herzog erfüllte treu sein Versprechen, indem er alle
zum Reiche gehörigen gern von sich entließ; da erkannte Gott
durch einen hellen am Tage vor aller Augen leuchtenden Stern Otto
III. als den von ihm bestimmten Herrn und König an. Alsbald
stimmten alle, Weltliche wie Geistliche, wie aus einem Munde einen Gesang
an zum Lobe Christi, und nun beugte sich der Sinn der bisher widerspenstigen,
und die vordem in Zwietracht getheilten Schaaren vereinigten sich unter
einem Herrn und Gebieter. Der König ward von seiner Mutter und Großmutter
voll zärtlicher Liebe empfangen und dem Grafen Hoico zur
Erziehung übergeben. Zwischen dem Könige und dem Herzoge ward
ein vorläufiger Friede geschlossen, bis zu einer Zusammenkunft auf
dem obenerwähnten Felde von Bisinstidi, indem jeder von beiden nach
Hause zog. Als sie aber dort zusammenkamen, gingen sie, von bösen
Menschen angereizt, im Bösen wieder aus einander, und so fand wieder
eine langwierige Unterbrechung dieser Angelegenheit statt. Denn nun entstand
zwischen Herzog Heinrich und dem vorher
erwähnten Heinrich, welcher der jüngere Heinrich
genannt zu werden pflegte, eine große Fehde, welche erst späterhin
durch Rath und Beihülfe des Grafen Herimann beigelegt ward, als Heinrich
sich dem Könige zu Francanafordi [Frankfurt] unterwarf, und nun mit
dem Herzogthume [Baiern] belehnt ward.
BUCH V
Kapitel 5
Welches aber der Grund gewesen sein mag, der jene bewog,
ein solches Verbrechen zu begehen, kann ich nicht zuverlässig angeben.
Einige sagen, Heinrich sei auf Ekkihards Betrieb einst vom Kaiser
mit Geißelhieben bestraft worden, und habe darum dem Markgrafen die
erwähnte Rache von jeher zugedacht. Andere vermuthen, sie hätten
die That unternommen wegen der oben geschilderten Beschimpfung, welche
Ekkihard in Werlu den beiden Schwestern angethan habe, denen sie
dann gern sich dienstfertig bewiesen, oder auch wegen der Drohungen, die
der Markgraf gegen sie bei jenem Mahle ausgestoßen hätte. Ich
aber weiß nur soviel, daß Markgraf Ekkihard von Meißen
eine Zierde des Reichs, eine Stütze des Vaterlandes, eine Hoffnung
derer, die ihm anvertraut waren, ein Schrecken seiner Feinde und überhaupt
ein vollendeter Mann gewesen wäre, hätte er nur in der Demuth
verharren wollen. Wie beifallswürdig war nicht sein Betragen gegen
seinen Lehnsherrn, den Kaiser, da er von demselben den größten
Theil seines Lehens zum Eigenthum erhielt! Die Milzienter beraubte
er ihrer altangebornen Freiheit, und zwang sie unter
das Joch der Knechtschaft. Den Böhmenherzog Bolizlav, der den Beinamen
des Rothen führt, gewann er zum Vasallen, und den andern Bolizlav
[den von Polen], zu seinem vertrauten Freunde: das bewirkte er theils
durch Güte, theils durch Drohungen. Ueber ganz Thüringen erlangte
er durch gemeinsame Wahl des Volkes die Herzogsgewalt. Auf die Grafen im
Osten aber konnte er mit wenig Ausnahmen rechnen, und so hoffte er auf
die Königskrone.
Alle diese Umstände aber führten ihn zu einem
so kläglichen Ende. Die Kunde von demselben verbreitete sich alsbald
weithin, rief Frau Suonehilde [seine Gemahlin] herbei, und trübte
den Frohsinn seines Sohnes Heriman. Dieser nämlich hatte
auf Befehl seines Vaters den Grafen Willehelm, einen in jeder Beziehung
ausgezeichneten Greis, um den Tod des von dem Sohne desselben erschlagenen
Widikind und Heriman zu rächen, mit einer starken Schaar in Wimeri
[Weimar] belagert, und den alten hochverdienten Krieger zu der eidlichen
Verpflichtung gezwungen, vor dem Markgrafen erscheinen und was jener von
ihm verlangen würde erfüllen zu wollen. Als nun aber der Sohn
von dem unvermutheten Tode seines Vaters Kunde bekam, eilte er mit der
Mutter der Leiche sofort entgegen, empfing des Vaters sterbliche Ueberreste
mit außerordentlicher Trauer, und ließ sie in einer Burg Namens
Geni bestatten. Nachdem aber der dreißigste Tag vorüber war,
reiste Frau Suonehilde mit ihren Söhnen nach Misni [Meißen].
Kapitel 9
Hier kam ihm Willehelm, der mächtigste der
thüringischen Herren, entgegen und ward, indem er den heranziehenden
Herrscher mit vielen Glückwünschen empfing, des Königs Lehnsmann.
Daselbst wurde damals dem Könige von diesem Grafen und von den Ersten
jenes Landes gehuldigt, und er erließ dem ganzen Volke auf dessen
Bitte den Schweinezins. Von da nach Merseburg kommend, ward Heinrich
vom Abte Heimo empfangen und von seinem Getreuen, dem Grafen Esico, der
jene Stadt, so wie Alstidi und Dornburg sammt Zubehör bei Lebzeiten
und zum großen Mißvergnügen des Markgrafen Ekkihard
bis zur ersehnten Erscheinung seines Herrn mannhaft behauptet hatte. Dahin
kamen die Erzbischöfe Lievizo von Bremen und Gisiler von Magadaburg,
mit ihren übrigen Amtsbrüdern, den Bischöfen Rethari von
Paderborn, Bernward von Hildesheim, Arnulf von Halberstadt, Ramward von
Minden, Eido von Meißen, Bernhari von Verden, Hugo von Zeiz. Auch
erschienen daselbst die Herzoge Bernhard [von Sachsen] und
Bolizlav [von Polen] sammt den
Markgrafen Liuthar und Gero und dem Pfalzgrafen Fritherich und sehr
vielen anderen Bischöfen und Grafen, deren Namen einzeln herzuzählen
zu weit führen würde. Diese alle empfingen den König mit
Ehrerbietung und Unterwürfigkeit. Am Tage darauf aber, das ist am
25. Juli, eröffnete Herzog Bernhard mit Zustimmung Aller, in
Gegenwart des Königs die Wünsche der zusammengekommenen Menge,
und indem er ihm die Bedürfnisse und Rechte Aller auseinandersetzte,
fragte er angelegentlichst beim Könige an, was er ihnen mit Worten
der Güte zu versprechen oder gleich durch die That zu verleihen geneigt
sei? Solches fragte er, der König aber erwiederte: "Gott vor allen,
dann aber auch euch würdig zu danken, bin ich durchaus nicht im Stande.
Darum eröffne ich euch hiemit meine geheimsten Absichten, die ich
mit eurer eigenen Hülfe in Betreff eurer aller auszuführen mich
sehne. Denn es ist mir wohl bekannt, wie treu ihr euren Königen stets
und überall Gehorsam und Unterstützung zu leisten euch beeifert
habt. Und darum ist es um so mehr mein Wunsch, euch in jeder Beziehung
auf das Beste zu ehren, zu lieben, und zur Förderung des Reiches und
zu meinem eigenen Heile zu behüten und zu beschützen. Und damit
ihr dieser meiner Worte gewiß seid, so will ich euren Wünschen
gemäß (in so weit meine königliche Ehre nicht darunter
leidet) erklären, daß ich nicht wider euren Wunsch und Willen,
sondern mit eurem Beifalle und von euch gewissermaßen berufen hier
vor euch im königlichen Schmucke erscheine. Euer Gesetz will ich durchaus
nicht verletzen, sondern vielmehr, so lange ich lebe, mildiglich handhaben,
und ich gelobe euch, daß ich verständigen Wünschen von
eurer Seite stets, so viel ich vermag, mein Ohr leihen werde."
Also redet der König; da schallt einstimmiger Jubel
Gleich ihm zu vom versammelte. Volk, das preisend und dankend
So viel Liebe erkennt und solch eine Größe
der Gnade.
Darauf nahm nun Herzog Bernhard die heilige Lanze
und indem er sie dem neuen Herrscher übergab, betraute er ihn im Namen
Aller mit der Sorge für das Reiches Wohl.
Wieder erschallen die Stimmen und wiederum tönen
die Lieder Dich, o Christus, zu preisen für deine unendlichen Gaben.
Thränen der Freude entströmen dem Aug' der versammelten Frommen.
Freude ergreife auch dich, du stattliches Merseburg, theile Alle Gefühle
des Glückes der Menge, und singe begeistert Hymmen des Preises dem
Herrn und fei're so heilige Stunden.
Ja, fei're, sage ich, mit Ehrfurcht diese so heiligen
Stunden, diesen erhabenen Tag, an dem er für dich auserkoren ward,
er, der seitdem unablässig darauf sinnt, dich, die Verstoßene,
zu erheben und dich in deine frühere Lage zurückzubringen. Gelobt
sei Gott, der die, welche ihn ehren und von Herzen lieben, erhöhet
zum Schrecken und zur Schande derer, die ihn schmähen. Gekommen ist
das Ende deiner Trauer, weil ein heilbringender Südwind dir wohlthätig
laue Lüfte zugeweht hat. Nicht lange mehr bleibst du in der Knechtschaft,
sondern frei zu herrschen wirst du erneut werden, o Zion! - Doch wir wollen
weiter gehen.