Währenddessen zog mein Vetter, Graf
Werner, jugendlich unbedacht und durch weiblich Ränke veranlaßt,
am Sonntage mit wenigen Begleitern nach der Burg Beichlingen, überlistete
die Wachen und suchte die früher von ihm umworbene Burgherrin Reinhild
gegen
ihren Willen zu rauben. Sie hatte nämlich früher dem Kaiser das
feste Versprechen gegeben, ohne sein Wissen und Wollen werde sie sich keinem
Mann vermählen. Und so ließ sie sich nur unter Weinen und Klagen
entführen. Als das ihre Hörigen und Vasallen hörten, eilten
sie gewaffnet herbei, und Vulrad, einer von ihnen, erhielt eine schwere
Wunde. Nun wollte aber eine ihrer Mägde gleichfalls mitgenommen werden,
und als der edle Alwin sie auf Befehl seines Herrn aufnehmen wollte, wurde
er umringt und mußte meinen Vetter, der schon draußen war,
zu Hilfe rufen. Leider erhielt er den Todesstoß, bevor er Unterstützung
erhalten konnte, und als sein Herr endlich kam, wurde er in der Burg eingeschlossen
und von einem Knechte verwundet. Er konnte ihn wohl gleich mit der Lanze
durchbohren, an die Wand spießen und die übrigen dadurch abschrecken,
sich näher an ihn heranzuwagen. Als er merkte, dass die Seinen mit
der Frau schon längst draußen waren, er jedoch keinen Gelegenheit
mehr habe zu entkommen, opferte er plötzlich sein Pferd, sprang von
der Mauer herab und erreichte seine bekümmerten Gefährten, wenn
auch von Steinwürfen hart mitgenommen. Sie brachten ihn in das Haus
eines kaiserlichen Meiers nach Wiehe, wo sie ihn mit wenigen Leuten zurückließen.
Dann führten sie in aller Eile die Dame fort und bargen sich mit ihr
bald hier, bald dort, während sie in ständiger Sorge auf das
Kommen ihres Herrn warteten.
Doch der "ungerechte Verwalter" verriet seinen kranken
Gast sogleich an den Kaiser, und zwar zu dessen großer Freude. Er
wollte nämlich zum abschreckenden Beispiel für andere den in
seine Gewalt Geratenen entweder hinrichten oder sich für eine außerordentliche
Summe loskaufen lassen. Es war bereits Nacht, als die vom Kaiser entsandten
Grafen Bernhard, Gunzelin und Wilhelm mit ihren Mannen an seinem Krankenlager
eintrafen. Werner, dem seine Leute
ihr Kommen angezeigt hatten, begrüßte nur seinen Freund Wilhelm;
den beiden anderen erklärte er: Könnte er sein Schwert brauchen,
so wäre er nicht lebend in ihre Hände gefallen. Beim Verbinden
seiner Wunde erkannte Wilhelm, dass er ihn daher unmöglich befehlsgemäß
nach Merseburg bringen könne; er ließ ihn daher durch seine
Leute nur in das Nachbardorf Allerstedt schaffen und dort in einem festen
Steinhause bewachen, während er selbst mit den Seinen zum Kaiser zurückkehrte.
Am gleichen Tage wurden wir vor den Caesar berufen, der
sich tief bekümmert über die Frechheit beklagte, mit der mein
Vetter sein Gelübde zunichte gemacht habe. Denn als seinerzeit Bruno
von seinem Feinde Milo im eigenen Hause erschlagen worden war, wo doch
jeder Frieden haben soll, und als alle Eingesessenen dem Kaiser bekümmert
davon Mitteilung machten und ihn dringend baten, er möge wie seine
Vorgänger solchen Verbrechern Besitz und Wohnrecht absprechen und
dafür seinerseits eine eidliche Bestätigung befehlen, da habe
er mit erhobenen Händen dem allmächtigen Gott und allen Anwesenden
das Versprechen gegeben, so wolle er es zeitlebens halten. Nun wüßten
wir ja, es sei weit besser, Gott etwas Gutes gar nicht zu geloben, als
ein Gelübde später zu brechen; daher sollten wir den bitten,
dem er solches versprochen habe, er möge ihn durch eine angemessene
Buße belehren, falls er sein Gelübde aus menschlicher Schwäche
oder auf schlechten Rat hin gebrochen habe. Nach dieser bedauernden Erklärung
des Kaisers empfahlen sämtliche Großen, er möge alle Güter
Wernersbeschlagnahmen,
Herausgabe der Frau verlangen und die Urheber dieses Anschlages entweder
gefangen vorführen oder im Falle ihres Entrinnens bis auf den Tod
verfolgen lassen. Der Graf selbst aber solle nach seiner Genesung hingerichtet
werden, wenn er schuldig sei. Sei jedoch alles im Einvernehmen mit der
Dame geschehen, so möge er sich am besten mit ihr vermählen.
Zur Durchführung dieses Beschlusses wurde gleich mein Bruder, Graf
Heinrich, abgesandt und die Aufforderung erlassen, man solle sich zu
Allstedt zur öffentlichen Verhandlung einfinden. Er war schon unterwegs,
als die Grafen zurückkehrten und dem Caesar das Geschehen meldeten.
Am folgen Tage, dem Feste des heiligen Martin, verstarb
Werner,
nachdem er bis dahin geduldig alles Ungemach auf sich genommen hatte; er
hinterließ seinen Feinden keinen Gewinn, den Seinen aber unersetzlichen
Verlust. Der Kaiser war bekümmert darüber, und sein Feind Dietrich
vergoß Tränen. Als ich die Nachricht erhielt, erwirkte ich meinem
Vetter Dietrich Urlaub und ließ die Leiche meines Freundes
durch meine Vasallen von Memleben - hier stand damals eine Abtei, deren
trefflicher Vorsteher Reinhold in menschlicher Verpflichtung alle Vorsorge
getroffen hatte - nach Helfta bringen, wo ich sie erwartete. Da die Leiche
schon sehr stark roch, ließ ich sogleich die Eingeweide herausnehmen
und neben meiner Kirche bestatten, dann geleitete ich den Leib bis Walbeck,
wo ich ihn an der linken Seite seiner geliebten Gemahlin bestattete. -
14 Tage später, am 26. November, verstarb Frau Schwanhild,
seine Schwiegermutter, eines plötzlichen Todes.