Da im gleichen Jahr auch Markgraf
Dietrich starb, dessen Macht und Einflußbereich der Lutizenaufstand
erheblich geschmälert hatte, und sein Amt anscheinend für einige
Jahre überhaupt nicht mehr besetzt wurde [165 Offenbar ist
Dietrichs Sohn Bernhard
übergangen worden und das Amt jahrelang unbesetzt geblieben, ehe es
Liuthar von Walbeck erhielt (vgl. S. Lüpke, a.a.O., Seite 14);
Bernhard hat erst 1009 nach der Mordtat Wirinhers,
des Sohnes Liuthars, seine Rechte wieder geltend machen könen
(vgl. S. Lüpke, a.a.O., Seite 13f.; siehe auch die folgende Anmerkung
166.], ehe es an Liuthar von Walbeck [166 Liuthar von Walbeck
läßt sich erst 997 als marchio (vgl. Thietmar IV, 38)
nachweisen, vorher nur als comes (vgl. zu dieser Frage S. Lüpke,
a.a.O., Seite 13f., und mit Quellenbelegen in n. 100-107). - Möglicherweise
hat in diesen Jahren die eigentliche markgräfliche Gewalt auch bei
Ekkehard
gelegen (vgl. seine Teilnahme an den Kämpfen um Brandenburg); wahrscheinlich
sind die Fehden zwischen den Grafen von Walbeck und denen von Haldensleben
im Zusammenhang mit den Vorgängen im Markengebiet, speziell in Brandenburg
(vgl. die folgende Studie, Seite 42 ff.) eine Ursache für die Nichtbesetzung
dieses Amtes in der Nordmark gewesen. Zu den WALBECKERN vgl. besonders
die Einleitung von R. Holtzmann in seiner Thietmar-Ausgabe, Seite VII ff.;
und R. Schölkopf, a.a.O., Seite 73.], den Oheim Thietmars
von Merseburg, fiel, war Ekkehard plötzlich zum mächtigsten
Mann im ganzen Markengebiet geworden.
Als Markgraf Dietrich 985 starb, wurde sein Sohn Bernhard
in der Nachfolge übergangen [321 Über Bernhard, den Sohn
Dietrichs, vgl. S. Lüpke, a.a.O., Seite 17 und n. 132; sowie R. Schölkpf,
a.a.O., Seite 96f.; er erhielt erst nach der Absetzung Wirinhers von
Walbeck, des Sohnes Markgraf Liuthars, im Jahre 1009 dieses
Amt (Thietmar VI, 50; dazu vgl. oben Anm. 157, 165 und 283); Ehe mit Tochter
Vladomirs 991/92.]; die Gründe
hierfür sind unbekannt. Erst für das Jahr 997 ist der Nachfolger
Liuthar von Walbeck als marchio bezeugt [323 Liuthar von
Walbeck als Markgraf der Nordmark wird erstmals zum Jahre
997 in Thietmars Darstellung im Zusammenhang mit dem Verlust der
Arneburg (vgl. hierzu H. K. Schulze, Adelsherrschaft und Landesherrschaft,
Seite 10) als marchio bezeichnet, vorher auch in Urkunden nur als
comes und dazu meist an letzer Stelle (vgl. S. Lüpke, a.a.O.,
Seite 13f.].
Wahrscheinlich liegt hierin auch die Erklärung für
das auffällige Fehlen eines Nachfolgers im Amt des Markgrafen der
Nordmark aus der Reihe der sächsischen Grafen nach 985; ein solcher
- nämlich Liuthar von Walbeck - ist offenbar erst nach dem
Tode Mieszkos und der Vertreibung Odas
und
ihrer Kinder durch ihren Stiefsohn Boleslaw Chrobry
ernannt worden - ein Ereignis, das zwar keine grundlegende Wendung der
piastischen
Politik bedeutet, aber die Brandenburger Frage beeinfluß hat.
Es mag an Kizo und seiner Stellung gelegen haben, die
fraglos Liuthar von Walbeck und wahrscheinlich auch Dietrichs Sohn
Bernhard beanspruchten, der aber Rücksicht auf seine Schwester Mathilda
zu nehmen hatte, daß Konflikte nicht ausblieben.
d) Der Zeitpunkt für diesen politischen Seitenwechsel
war günnstig. Denn inzwischen war Miesko
gestorben und der Konflikt innerhalb
des PIASTEN-Hauses zwischen
Boleslaw unnd Oda in voller
Schärfe entbrannt, wenn nicht
gar schon entschieden, wodurch die Stellung der Haldenslebener
Familie und ihre Ansprüche auf
die Nachfolge im Markgrafenamt empfindlich getroffen sein
mußten. Auf diesen Hintergrund
muß sich nach der mühsam erkämpften Befreiung Brandenburgs
aus der Umklammerung der Lutizen im
Sommer 993 die Kettte jener schwer durchschaubaren
Streitigkeiten zwischen den rivalisierenden
Grafengeschlechtern abgespielt haben, an denen außer
Kizo mit Sicherheit die HALDENSLEBENER
mit ihren Verwandten in der Heveller-Dynastie und
die WALBECKER beteiligt gewesen
sein müssen [373 Neben dem quasilegitimen Haldenslebener
Grafen waren es vor allem die WALBECKER,
denen es dann mit Liuthars Beauftragung von 997
glücken sollte, dieses Amt zu
erhalten, während Kizo als vermutlicher Angehöriger der
Gero-Familie
es 994 verstanden hatte, beide Kontrahenten den Weg zu diesem Ziel zu versperren.
Dahinter standen schließlich
die Interessen des neuen Alleinherrschers im PIASTEN-Land,
dem in
erster Linie jedwede Schwächung
der Position der HALDENSLEBENER und ihrer Anhänger
gelegen kommen mußte. Daß
deshalb auch Spannungen innerhalb der hevellischen Dynastie bzw.
ihres nächsten Hofes ausgelöst
und sowohl gegen Pribislav und Mathilda als auch gegen Kizo ins
Spiel gebracht werden konnnten, liegt
nahe; ihrer Ausnutzung verdankte Bolilut seine Herrschaft.].
Die Kizo-Affäre muß aber noch eine weitere
wichtige Entscheidung zur Folge gehabt haben, nämlich die Übertragung
der Amtsgewalt über die Nordmark an Liuthar
von Walbeck spätestens vor Beginn des Feldzugs OTTOS
gegen
die Obodriten und Lutizen im Sommer 995 [375 In einem Deperditum
wird Liuthar - vermutlich während des Feldzuges - als "marscalcus
noster" bezeichnet und durch eine Schenkung belohnt (vgl. Reg. Imp.
Ottos III., Nr. 1145; August bis 10. September 995). Diese Schenkung, in
der er allerdings nicht ausdrücklich marchio genannt wird,
und die geschilderten Zeitumstände machen jedenfalls seine Ernennung
zu diesem Feldzug wahrscheinlich.]. Einem längeren Schwebezustand
und den Rivalitäten der Grafenfamilien um dieses Amt war dadurch vorerst
ein Ende gesetzt; jedoch scheint es Liuthar
nicht gelungen zu sein, sein Amt in Brandenburg auszuüben. Denn Bolulit
war offenbar entschlossen, eine unabhängige Stellung zu beziehen und
eine Neutralitätspolitik zwischen dem Hoheitsanspruch des Reichs und
der Macht des Lutizenbundes zu betreiben.
Im voraufgegangenen Jhar 1009 war ein Wechsel im Markgrafenamt
der Nordmark eingetreten. Liuthars Sohn Wirinher, der nach
dem Tode des Vaters 1003 sein Nachfolger geworden war, verlor nach einer
Fehde mit dem Grafen
Dedi von Wettin dieses Amt, mit dem nunmehr Bernhard, der Sohn
Dietrichs und der Bruder der aus Polen vertriebenen Oda,
betraut wurde.
Der rasche Erfolg Boleslaws
in diesem Markengebiet, die aktive Unterstützung, die er von Gunzelin
erfuhr, die invitatio an ihm, das heißt seine Wahl durch
die Bevölkerung Meißens selbst, sowie die gerade in dieser Zeit
erfolgte Heirat seiner Tochter Reglindis
mit Hermann
von Meißen, Ekkehards ältestem Sohn [462 Zu
dieser Heirat vgl. oben Seite 29 und Anmerkung 209. Die Heirat ist wahrscheinlicherst
nach der Ermordung
Ekkehards erfolgt, obwohl man das nur aus der
Zerstörung Strehlas durch Boleslaw
beim Rückzug aus Merseburg erschlossen hat, da dieser Ort als Morgengabe
der Reglindis überliefert ist
(Thietmar V, 36; vgl. M. Uhlirz, Jbb. Ottos III., Seite 254). Möglich
ist aber auch, daß die Ehe schon bestand, als Hermann nach
Meißen (etwa Ende Mai) eilte, bevor der Angriff
Boleslaws
begann. Die Darstellung Thietmars ist merkwürdig genug und
läßt deutlich erkennen, daß er hier manches verschweigt.
Besonders auffällig berührt es, daß er (V, 8) mit genauen
Zeitangaben den Zug Hermanns und seiner Mutter Schwanhild
nach Meißen mitteilt, um dann über dessen Schicksal in den folgenden
Kapiteln kein Wort zu verlieren. Als Überleitung dient ihm die boshafte
Wendung von der Freude, die Boleslaw,
"Miseconis filius patri longe inferior",
über die Ermordung Ekkehards empfand! Wahrscheinlich haben
Familienstreitigkeiten zwischen Gunzelin und seinem Neffen bei den geschilderten
Vorgängen entscheidend mitgespielt, die dann im Jahre 1009 zur Absetzung
Gunzelins und zur Betrauung Hermanns mit der Mark
Meißen führten. Daß Hermann jedenfalls 1002/03 auf
Boleslaws Seite stand, ist nicht zu
bezweifeln. Die seit langem bestehenden offenbar engen freundschaftlichen
und verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen dem Haus Ekkehards
und Boleslaw, von deren Trübung
weder unmittelbar vor noch nach Ekkehards Ermordung etwas
verlautet, die Reise der Witwe und des Sohnes Hermann nach Meißen
zu einem Zeitpunkt, da Boleslaw einfällt,
die entweder damals, kurz vor- oder nachher eingegangene Verbindung Hermanns
mit Reglindis und der rasche, durch
Verträge gesicherte Erfolg des PIASTEN-Fürsten
schließen jedenfalls die Möglichkeit aus, die Aktion Boleslaws
als Schlag gegen die EKKEHARDINER
im Bunde mit HEINRICH
zu interpretieren (vgl. im übrigen die Studie Piasten und Ekkehardiner,
insbes. Seite 26ff. über die politischen Motive bei
Boleslaw und den EKKEHARDINERN). - Die Feindschaft, der
Ekkehard innerhalb der sächsischen Aristokratie begegnet und zum
Opfer gefallen war, bedrohte die Stellung dieses Geschlechts, dem Boleslaw
verwandtschaftlich verbunden war und dessen Sturz auch seine
eigensten Interessen berühren mußten. Es war Liuthar von
Walbeck gewesen, der die Aussichten Ekkehards auf die Thronkandidatur
zunichte gemacht hatte; und mit Wilhelm von Weimar, dem mächtigsten
Mann Thüringens (Thietmar V, 14), der HEINRICH
II. entgegenzieht und als erster huldigt, lag Hermann damals
in erbitterter Fehde. Angesichts dieser bedrohlichen Lage und ungewissen
Zukunft für die EKKEHARDINER mutet das Vorgehen
Boleslaws wie ein diplomatisches Meisterstück an, um die
Ansprüche dieses Hauses zu sichern, wobei er seine Bereitschaft erkennen
läßt, den Entscheid der sächsischen Großen in der
Frage der Königswahl zu akzeptieren, was man allein aus den
Worten Thietmars herauslesen kann.], zwingen vielmehr zu dem Schluß,
daß Boleslaw nicht ohne Einverständnis der EKKEHARDINER,
sondern vielmehr in ihrem Auftrag zur Wahrung ihrer Interessen gehandelt
hat.