Pfalzgrafen von Tübingen
 

EUROPÄISCHE STAMMTAFELN NEUE FOLGE BAND XII Tafel 47-49
 

Lexikon des Mittelalters: Band VIII Spalte 1076
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Tübingen Pfalzgrafen von
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Die Grafen von Tübingen werden Endes des 11. Jh. mit den Brüdern Anselm und Hugo erstmals erwähnt. Namen und Besitz weisen eine Abkunft von den Grafen des Nagoldgaus (Anselm) und von Kräheneck (Hugo) hin. Vor 1078 wurde die Burg Hohentübingen zum Hauptsitz der Familie. Umfangreiche Schenkungen an die Klöster Klosterreichenbach und Blaubeuren, die Vogtei über letzteres und die Belagerung Hohentübingens durch König HEINRICH IV. (1078) beweisen, dass die Familie zu dem Adel im Umkreis der Hirsauer Reform gehört hat. Hugo (+ um 1152), Sohn aus der Ehe Hugos, des Sohnes Graf Anselms, mit einer Gräfin von Arnstein, wurde kurz vor 1146 durch die STAUFER zum Pfalzgrafen des Herzogtums Schwaben erhoben. Ihm folgten seine Söhne Friedrich (+ ca. 1162) und Hugo (+ 1182) im Amt. Letzterer wurde durch seine Heirat mit der Erbtochter der Grafen von Bregenz über seinen jüngeren Sohn Hugo Stammvater der Grafen von Montfort. Sein älterer Sohn, Pfalzgraf Rudolf (+ 1219), heiratete die Erbtochter der Grafen von Gleiberg (bei Gießen). Dessen Söhne, Pfalzgraf Rudolf (+ 1247) und Wilhelm, teilten den Hausbesitz. Über deren Söhne wurden ersterer zum Stammvater der Grafen von Horb und Herrenberg, letzterer zum Stammvater der Linien Böblingen und Asperg. Der Sohn von Pfalzgraf Rudolf, Hugo (+ 1267), folgte seinem Vater im Amt und stiftete die Linie Horb. Der 1268 mit dem Verkauf der Pfalzgrafenwürde erwähnte Pfalzgraf Rufolf dürfte eher als Sohn Hugos denn als dessen Bruder angesehen werden. Durch die Veränderungen im Herzogtum Schwaben nach dem Tode Konradins scheint der Verkauf keine rechtliche Bedeutung erhalten zu haben. Unmittelbar darauf wird auch der bislang eindeutig als Amtstitel genutzte Titel 'Pfalzgraf' von allen männlichen Mitgliedern des Hauses benutzt. Die Linie Horb erlosch mit dem Tod des letzten der Söhne (Hugo, Otto, Ludwig) von Pfalzgraf Hugo um 1294. Über die Schwester Luitgard gelangte der Besitz des Hauses an deren Ehemann Burkhard von Hohenberg-Nagold. Der Bruder des Pfalzgrafen Hugo (+ 1267), Rudolf der Scherer (+ 1277), stiftete die Linie Herrenberg. Weitere Teilungen und zunehmende Schulden seiner Nachkommen zwangen diese zum Verkauf der Herrschaften an die Grafen von Württemberg. Die Linie erlosch um 1391. Der 3. Sohn des Pfalzgrafen Rudolf, Wilhelm, teilte seine Herrschaft unter seine Söhne Ulrich (Linie Asperg) und Rudolf (LINIE Böblingen). Ulrich von Tübingen-Asperg war bis 1264/65 Inhaber der Herrschaft Gießen, sein gleichnamiger Sohn konnte noch die Herrschaft Beilstein erwerben, mußte aber Asperg 1308 an die Grafen von Württemberg verkaufen. An diese verkauften seine Söhne Ulrich, Johann und Wilhelm 1340 auch Beilstein und mit letzterem erlosch um 1317 diese Linie. Auch die Linie Böblingen mußte im 14. Jh. den gesamten Besitz im alten Stammesgebiet an die Grafen von Württemberg verkaufen.

Literatur:
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C.F. v. Stälin, Wirt. Gesch., Bd. 1, 1841, 561; Bd. 2, 1847, 425-451; Bd. 3, 1856, 700-709 - L. Eberl, Die Edelfreien v. Ruck und die Gf.en v. T.. zum schwäbischen Pfgf.amt?, ebd. 40, 1981, 188-220 - Die Pfgf.en v. T., hg. H. Decker-Hauff u.a., 1981 - S. Lorenz; Tübinger, Staufer und andere Herrschaftsträger (von Schwaben bis Jerusalem, hg. Ders.-K. Schmid, 1995), 285ff.
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Paul Friedrich Stälin: Seite 421-424
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"Geschichte Württembergs"

Vorfahren der Grafen von Tübingen, welche im 12. Jahrhundert die pfalzgräfliche Würde erhielten, sowie ihre Nebenlinien, der Grafen von Montfort und von Asperg, waren wohl Anselm, im Jahre 966 Graf im Nagoldgau, der auch in späteren Jahrhunderten vorzugsweise den Amtsbezirk des Geschlechtes bildete; Hugo, im Jahre 1007 Graf der Glehuntare; der Nagoldgaugraf Anselm des Jahres 1048, vielleicht dieselbe Person, wie der im Jahre 1027 als Vasall Herzog Ernsts II. bereits (Seite 200) erwähnte Graf Anselm. Ohne Zweifel ein Bruder desselben ist Graf Anselm von Tübingen, ums Jahr 1085 in Verbindung mit seinen Söhnen, den Grafen Heinrich samt dessen Gemahlin Adelheid (von Enzberg) und Hugo, Stifter des Klosters Blaubeuren.
Mehrere Angehörige des Geschlechtes taten sich in der allgemeinen Geschichte, insbesondere im Krieg und Frieden zu der nächsten Umgebung der staufischen Herrscher gehörig, hervor. Zuerst Hugo, wohl ein Enkel des obengenannten Hugo oder Anselm, am Hoflager wie schon Kaiser HEINRICHS V., so König KONRADS III., im Jahre 1146 im Besitze der Pfalzgrafenwürde (+ um 1152). Seine 3 Söhne, Pfalzgraf Friedrich (+ 1162), Pfalzgraf Hugo II. (+ 1182) und Graf Heinrich (+ 1167 in Italien) begegnen uns im Gefolge Kaiser FRIEDRICHS I. zum Teil auch auf den Römerzügen desselben; der mittlere insbesondere ist bekannt durch seine Fehde mit Welf VI. und VII. in den Jahren 1164-1166 und die Neustiftung des Klosters Marchtal im Jahre 1171. Sein älterer Sohn, Pfalzgraf Rudolf I. (+ 1219), wird bei den Verhandlungen über den Abschluß des Konstanzer Friedens zwischen Kaiser FRIEDRICH I. und den lombardischen Städten (1183) genannt und findet sich häufig bei Kaiser HEINRICH VI., König PHILIPP, zu dessen Gunsten er den Herzog Berchtold V. von Zähringen von seiner Mitbewerbung um das Reich abzustehen bewog, wie auch bei Kaiser OTTO IV. und Kaiser FRIEDRICH II.; gegen das Jahr 1190 stiftete er das Kloster Bebenhausen. Der jüngere Sohn, Graf Hugo von Montfort, welcher im Jahre 1218 die Johanniter-Kommenende zu Feldkirch begründete, kommt gleichfalls bei Kaiser FRIEDRICH II. vor. Weiter scheinen Pfalzgraf Rudolfs I. Söhne: Pfalzgraf Hugo III. (bis 1216) bei König PHILIPP und Kaiser FRIEDRICH II.; Pfalzgraf Rudolf II. (bis 1247) bei König HEINRICH (VII.), in der Folge bei der anti-staufischen Partei; Graf (auch Pfalzgraf) Wilhelm (+ um 1255) bei Kaiser FRIEDRICH II., König HEINRICH (VII.), König KONRAD IV.; endlich Pfalzgraf Rudolf III., der Scheerer, Rudolfs II. Sohn, (+ 1277) bei Konradin.
Die Grafschaft, welche die Familie vorzugsweise jahrhundertelang verwaltete, war diejenige des Nagoldgaues; allein auch in der im Nordosten angrenzenden Glehuntare stand ihr das Grafenamt wie wohl schon vor Beginn des 11., so wiederum seit der Mitte des 12. Jahrhunderts zu . Der Kern des anderweitigen Besitzes befand sich in der Gegend des mittleren Neckars, wo auch, außerhalb ihrer Amtssprengel, ihre namengebende Stammburg lag, und der Nagold. So waren es die Bezirke von Tübingen, Böblingen, Herrenberg, Horb, Nagold, Dornstetten, in dem sich aus Eigen- und Lehengütern, gräflichen (und pfalzgräflichen) Amts- und anderen Rechten allmählich mit der sich entwickelnden Landeshoheit das Territorium der Pfalzgrafen von Tübingen bildete und wo auch in großer Anzahl Dienstmannen der Familie erscheinen. Dazu kamen, ohne dass die Erwerbstitel sich stets sicher nachweisen ließen, die Besitzungen in den Gegenden des Blautales und der angrenzenden Alb, welche vorzugsweise aus der Stiftung des Klosters Blaubeuren bekannt werden. Allein namentlich durch Heiratsglück dehnte sich der Besitz des mächtigen Geschlechtes an Rechten und Gütern bedeutend aus. Pfalzgraf Hugo II. bekam durch seine Gemahlin Elisabeth, Erbtochter Graf Rudolfs von Bregenz und der Wulfhild, Tochter Heinrichs des Schwarzen, Herzogs von Bayern, fast den ganzen Besitz der Bregenzer Grafenfamilie, namentlich die Grafschaft des churischen Rätien und überhaupt die Bezirke von Bregenz, Tettnang, Feldkirch, Werdenberg, Sonnenberg, Sargans, sodann die Herrschaft Kellmünz mit deren Besitz im Donau- und Illertale, die Burg Kellmünz selbst und Marchtal, Erbe von dem alten herzoglichen Geschlecht (vor 1158), und endlich ursprünglich vielleicht durch Lehensübernahme von dem Oheim Elisabeths, Welf VI., das Erbe von dessen Gemahlin, der Gräfin Uta von Calw: die Grafschaft in der Glehuntare, zu welcher Böblingen, Sindelfingen (mit der Vogtei über das Stift), die Fildergegenden gehörten, die Grafschaft im Glemsgau mit dortigem Besitze, wie dem Asperg. Sodann erwarb Pfalzgraf Rudolf I. durch seine Vermählung mit Mechthilde, Erbtochter der Gräfin Salome von Gießen, die Grafschaft Gießen in Hessen.
Der weitverzweigte Besitz des Hauses wurde übrigens mehrfach geteilt, was in Verbindung mit der großen Wohltätigkeit der Familie gegen Klöster, deren sie 3, Blaubeuren, Marchtal, Bebenhausen - die Montforter Linie noch weiter die Johanniter-Kommende zu Feldkirch und der Sage nach Kloster Mariaberg - stiftete und andere, wie Mengen, Reichenbach, Kirchberg, reichlich bedachte, die Schwächung der Macht desselben zur Folge hatte. Auf das Bregenzer Erbe der Gemahlin Pfalzgraf Hugos II. wurde sein 2. Sohn Hugo abgeteilt, welcher sich sofort Graf von Montfort, einer Burg im österreichischen Rheintale, nördlich von Rankweil, nannte (Graf Hugo I. von Monfort + um 1230) und durch seine beiden Söhne Rudolf und Hugo wieder 2 gesonderte Linien bildete: die von Rudolf abstammende des Hauses WERDENBERG, das sich nach der Burg dieses Namens im Rheintal (nunmehr Kantons St. Gallen) nannte, im Jahre 1534 erlosch und sich abermals mannigfach verzweigte, und die von Hugo ausgehende des im Jahre 1787 ausgestorbenen Hauses MONTFORT im engeren Sinne (Bregenz, Feldkirch, Tettnang, Langen-Argen). - Des Erben vom älteren Tübinger Besitze, des Pfalzgrafen Rudolf I. Söhne, Rudolf II. und Wilhelm, teilten in der Art, dass Rudolf den Sitz Herrenberg nebst anliegenden oberen Gegenden, Wilhelm den Sitz Asperg nebst unteren (ehemals calwisch-welfischen) Besitzungen, dazu noch die entlegene Grafschaft Gießen erhielt; Tübingen und einiger anderer Besitz sollte beiden gemeinschaftlich sein. Rudolfs II. Söhne teilten wieder in der Weise ab, dass Pfalzgraf Hugo IV. (+ um 1267) vorzugsweise den Bezirk von Horb, Rudolf III. den von Herrenberg erhielt. Wilhelms Sohn, Graf Ulrich von Asperg und Gießen, veräußerte in den Jahren 1264 oder 1265 die letztere Grafschaft an das Haus HESSEN.
Die Pfalzgrafenwürde, welche das Geschlecht als Nachfolger einer um die Mitte des 12. Jahrhunderts ausgestorbenen Dillinger Nebenlinie erhielt, hatte es wohl nicht allein seinem Ansehen, sondern vielleicht auch dem Umstande zu verdanken, dass sich in der Gegend seines Allodial- und Amtsbesitzes viele königliche Kammergüter, so namentlich der Schönbuchwald befanden. Sie vererbte sich, wie es scheint, meist nach dem Seniorat und verlieh zwar dem Hause eine besondere Auszeichnung, doch finden sich kaum einige Spuren davon, dass Mitglieder der Familie eine Tätigkeit als Pfalzgrafen entwickelt hätten.
Das Wappen der Familie, eine sogenannte Kirchenfahne mit 3 Lappen und 3 Ringen, wurde bei den verschiedenen Linien verschieden tingiert. Die Tübinger Pfalzgrafen führten eine rote Fahne in Gold, die Montforter eine rote in Silber, während bei den Werdenbergern die Verschiedenheit der Tinktur des Wappens auch zur Bezeichnung verschiedener Linien des Geschlechts Veranlassung gab: der Linie von der schwarzen Fahne (in Silber oder Weiß; Werdenberg-Heiligenberg) und derjenigen von der weißen Fahne (in Rot; Werdenberg-Sargans-Alpeck).

Hansmartin Decker-Hauff:
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"Die Ottonen und Schwaben" Seite 260

Die Pfalzgrafen von Tübingen lassen sich in weiblicher Linie auf das schwäbische Herzogshaus der BURKHARDINGER zurückführen. Es scheint nicht von der Hand zu weisen, dass diese oder spätere Versippungen mit schwäbischen Herzogsgeschlechtern eine Rolle spielten, als die TÜBINGER auf bisher noch immer nicht geklärte Weise das Amt des Pfalzgrafen in Schwaben errangen.
Herrenberg mit seiner Umgebung gehörte zum ältesten Besitz des später nach Tübingen benannten gräflichen und seit dem 12. Jahrhundert pfalzgräflichen Hauses. Entgegen der bisherigen Annahme halte ich Tübingen und den Schönbuch nicht für den Stammbesitz des Hauses, sondern für einen erst im 11. Jahrhundert (wohl von Frauenseite) ererbten Besitz; die Stammgüter sind im Nagoldgau und im oberen Gäu zu suchen.