EUROPÄISCHE STAMMTAFELN NEUE FOLGE BAND III TEILBAND
I Tafel 42
Lexikon des Mittelalters: Band VIII Seite 802
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Tirol, Grafschaft
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HOCHMITTELALTER
Mit der Einbeziehung des Langobardenreiches und Bayerns in das Frankenreich durch KARL DEN GROSSEN und vor allem durch die Erneuerung des Imperiums durch OTTO I. wuchs das Gewicht der Gebirgsregion als maßgeblicher Transitraum zwischen der Mitte und dem Süden des Kontinents. Die meisten Italienzüge der OTTONEN, SALER und STAUFER führten über den Brenner oder den Reschen. Der politischen und insbesondere der strategischen Bedeutung trugen die Herrscher Rechnung, wenn sie im Rahmen des sogenannten ottonisch-salischen Reichskirchensystems den Bischöfen Grafschaftsrechte übertrugen: HEINRICH II. 1004 die Grafschaft Trient an den dortigen Bischof; KONRAD II. dazu 1027 noch die Grafschaft Bozen und Vintschgau; KONRAD II. 1027 die Grafschaft Norital (= Eisacktal und "Tiroler" Inntal) an den Bischof von Brixen; HEINRICH IV. 1091 die Grafschaft Pustertal an den Bischof von Brixen. Randgebiete des späteren Landes Tirol erhielten "auswärtige" Hochstifte: Freising das Cadore durch die OTTONEN; Regensburg die Grafschaft Unterinntal und das Gebiet am obersten Tiroler Inn. Damit lösten sich die Alpentäler mehr und mehr aus den größeren politischen Zusammenhängen (Herzogtum Bayern, Herzogtum Kärnten, Markgrafschaft Verona). Im Investiturstreit profilierte sich Bischof Altwin von Brixen als Stütze HEINRICHS IV. Die vom Salzburger Metropoliten entscheidend geförderte kirchliche Reform führte sodann seit etwa 1130 zur Gründung einer Reihe von Klöstern: St. Georgenberg, Marienberg, Wilten, Neustift bei Brixen, San Michele all'Adige, San Lorenzo bei Trient, Au bei Bozen. Sie alle waren von Beginn an eingebunden in die süddeutsch-österreichische Klosterlandschaft. Unter den Bischöfen ragt Hartmann von Brixen (1140-1164) als Ratgeber FRIEDRICHS I. und Seelsorger hervor. Er und seine Nachfolger erhielten weitere Regalien und die Ausbildung geistlicher Territorien an Eisack, Etsch und Inn schien unaufhaltsam. Im Laufe des 12. Jh. gewannen aber zunehmend einzelne Grafengeschlechter an Macht: die EPPANER (südwestlich von Bozen), die TIROLER (Schloss Tirol bei Meran, seit etwa 1140 bezeugt) und die im Alpenvorland verankerten ANDECHSER, die vor allem im Inntal bei Innsbruck ein Machzentrum besaßen. Neben Eigengütern trugen indes Vogteirechte zum Aufstieg dieser Familien bei. So errangen die TIROLER um 1150 die Vogtei über Trient; die Brixener Vogtei nahmen wenig später die ANDECHSER wahr.
SPÄTMITTELALTER
Graf Albert III. von Tirol (ca. 1200-1254) erlangte
auch die Vogtei über Brixen und schaltete die konkurrierenden Adelsgeschlechter
aus. Sein Enkel Meinhard II. (1259-1295) - väterlicherseits
ein Graf von Görz - schuf sodann mit Gewalt, Geld, Geschick und Glück
die den Alpenhauptkamm überspannende Grafschaft Tirol zwischen der
Mündung des Ziller in den Inn im Nordosten, dem Becken von der Reutte
im Nordwesten, Arlberg und Unterengadin im Westen, der Mündung des
Avisio in die Etsch im Süden und der Mühlbacher Klause am Eingang
des Pustertales im Osten. Das neue politische Gebilde fand in der 1. Hälfte
des 14. Jh. als Reichslehen Anerkennung und wurde zum Zankapfel zwischen
LUXEMBURGERN, WITTELSBACHERN
und HABSBURGERN, denn mit Meinhards
wenig tüchtigem Sohn Heinrich erlosch
1335 die Tiroler Linie der Görzer Grafen im Mannesstamm. Seine
Tochter Margarethe Maultasch übertrug
1363 ihre Rechte auf das Land ihren nächsten Verwandten, den
habsburgischen Herzögen von Österreich. Ansprüche
der WITTELSBACHER wurden mit militärischen
Einsatz und Geld abgewehrt. Die Funktion als Brücke zwischen den habsburgischen
Herrschaften im Südwesten und im Südosten des Reiches
prägte nun zusätzlich zur Nord-Süd-Einbindung die Geschichte
Tirols. Dieser neuen Aufgabe trug man um 1420 durch die Verlegung der Residenz
von Schloss Tirol bei Meran nach Innsbruck Rechnung. Von 1379 bis 1490
regierte eine eigene Linie der HABSBURGER
in Tirol. Ihr unterstanden zumeist auch die habsburgischen
Herrschaften vor dem Arlberg. In den in ihrem Umfang eingeschränkten
Hochstiften von Trient und Brixen sicherten sich die Tiroler Landesfürsten
einen starken Einfluss. Selbst Nikolaus von Kues vermochte sich als Bischof
von Brixen nicht von diesen Beeinträchtigungen zu befreien. Im Südosten
(Primiero 1373, Valsugana 1412) und im Süden (Lodron 1396, Arco 1440)
erfuhr die Grafschaft Erweiterungen. Die habsburgischen Niederlagen gegen
die Eidgenossen (Sempach, Näfels) kostete auch Tiroler Rittern das
Leben. Als 1406 die Appenzeller über den Arlberg nach Tirol vorstießen,
blieb dies eine Episode ohne Folgen. das fast gleichzeitige Vordringen
Venedigs im Etschtal bis Roverto bedrohte zwar nur indirekt Tirol, doch
kam es 1487 zu einer militärischen Konfrontation (bei Calliano), ohne
Veränderungen im Besitzstand zu bewirken. Da eben damals wegen der
Misswirtschaft Siegmunds de Übergang Tirols an die WITTELSBACHER
drohte, griffen die Landstände ein und sorgten dafür, dass Siegmund
1490 MAXIMILIAN I., seinen nächsten
habsburgischen Verwandten, als Nachfolger akzeptierte. Die 1504/05 zu Tirol
geschlagenen Gebiete von Rattenberg, Kufstein und Kitzbühel hatten
im Mittelalter zum Herzogtum Bayern gezählt. Teile des Pustertals
und des heutigen Ost-Tirols unterstanden bis 1500 den Grafen von Görz.
Tirol wurde anfangs von den Rätern und Kelten bewohnt. Unter Kaiser Augustus wurde es von den Römern erobert, die sich um den Anbau des Landes verdient machten. 476 kam es unter die Herrschaft der Ostgoten. Als diese 552 zertrümmert wurde, fiel der südliche Teil Tirols in die Gewalt der Langobarden, der nördliche wurde von den Bajoariern (Bayern) besetzt. Mit Bayern wurde Tirol im 8. Jahrhundert von den Franken unterworfen, die es durch Grafen verwalten ließen. Nach der Wiedereinsetzung bayerischer Herzöge im 10. Jahrhundert standen unter diesen auch die Grafen Nordtirols, während die ehemalige langobardische Grafschaft Trient, die nordwärts bis gegen Bozen und Meran reichte, zur Mark Verona gerechnet wurde. KONRAD II. gab 1027 dem Bischof von Trient die Grafschaften Trient, Bozen und Vintschgau, dem Bischof von Brixen die Grafschaft im Eisacktale nordwärts von Klausen und im Unterinntale bis zum Ziller zu Lehen. 1091 wurde der letztere auch noch mit der Grafschaft Pustertal belehnt. Aber die Bischöfe verliehen diese Gebiete wieder meist an weltliche Große. So erhielt ein Adliger namens Adalbert, dessen Söhne sich seit 1140 von einer ihrer Burgen Grafen von Tirol nannten, um 1130 vom Bischof von Trient die Grafschaft Vintschgau und vom Bischof von Brixen die Grafschaft im Eisacktal. Die Grafschaften im Unterinn- und Pustertal kamen um 1165 an die besonders in Bayern begüterten Grafen von Andechs, die nach 1180 den Titel Herzog von Meranien erhielten. Als das Haus der ANDECHSER 1248 im Mannesstamm erlosch, kamen dessen Besitzungen an den Grafen Adalbert von Tirol, nach dessen Stammburg es von nun an genannt wurde. Nach seinem Tode kam Tirol an seine Schwiegersöhne Meinhard, Graf von Tirol, und Gebhard, Graf von Hirschberg, dessen Gemahlin aber kinderlos starb, so dass Meinhards I. Sohn, Meinhard II., der 1286 Herzog von Kärnten wurde, auch das Erbe des letzteren erwarb. Seine Enkelin Margarete Maultasch trat 1363 Tirol den Herzögen von Österreich ab.
Prinz Friedrich:
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"Bayerns Adel im Hochmittelalter"
Ebenfalls aus dem Freisinger Raum gleich den ARIBONEN
kommen die 1253 ausgestorbenen Grafen von Tirol, neben den WELFEN,
den Grafen von Eppan und den ANDECHSERN die mächtigsten Herren
in dem Lande, das nach ihnen genannt wurde. Sie waren ein Brixener Ministerialen-Geschlecht,
wahrscheinlich mit den ARIBONEN verwandt und Nachkommen der Grafen
im Vintschau, besaßen außerdem die Grafschaft im Etschtal (Bozen)
und um 1140 die Vogtei über Trient und über den Churer Besitz
im Vintschgau. Der älteste, urkundlich fassbare Vorfahre der Tiroler
Grafen war der Freisinger Vogt Graf Adalbert (1039-1047), dessen
gleichnamiger Sohn erstmalig als Graf im Vintschgau, aber auch als Besitzer
von Gütern im Freisingischen, in Friaul und Istrien festzustellen
ist .