Sohn des Grafen
Sigihart im Kraichgau
Sigihart hatte Besitz
in der Wingarteiba,
im Kocher- und Mulachgau, sowie ein Lehen in Heidingsfeld bei
Würzburg.
Als Parteigänger Prinz Karlmanns
verlor er jedoch 861 wahrscheinlich nicht nur seine Grafschaft, sondern
auch seinen fränkische Besitz. Bei seiner Stellungnahme für Karlmann
spielen wohl seine Beziehungen zu Graf Werner mit, der ja durch
seine mutmaßliche
Großmutter mit den SIGIHARDEN
verwandt war. Nach seiner Absetzung und dem Verlust seiner Güter
zog
sich Sigihart wahrscheinlich
ebenso
wie Graf Ernst zu Karlmann zurück,
der gewiss trachtete, die so schwer getroffene Familie andersweitig zu
entschädigen. Dazu ergab sich durch die Vertreibung der Grafen
Pannoniens
und Karantaniens eine günstige Gelegenheit. In den Fuldaer Annalen
wird ausdrücklich betont, dass Karlmann sie
durch seine Leute ersetzte. Es wäre denkbar, dass damals auch der
abgesetzte Kraichgau-Graf Sigihart
oder
eher sein mutmaßlicher Sohn
gleichen Namens in Karantanien entschädigt
wurde. Von diesem berichtet das Chronicon Eberspergense, dass er preses
in Norica regione gewesen sei. Die Bezeichnung Noricus
könnte in gleicher
Weise auf die Mark, die ja das Gebiet der ehemaligen römischen
Provinz
umfasste, wie auch auf das bayerische Altland bezogen werden. Hier
hatten
die SIGHARDINGER im 10. Jahrhundert
die Grafschaft um Ebersberg inne,
die jedoch zur Zeit Sigihards
nachweislich von einem Grafen Orendil
verwaltet wurde. Für eine frühe
Verwurzelung der Familie in der Mark spricht die Nennung eines Sigihard
als ersten Zeugen nach Graf
Guntram und dessen Sohn
Megingoz. Im Markengebiet
ergab sich die Möglichkeit, Güter in großem
Ausmaß
zu erwerben und sich so eine neue Ausgangsbasis zu schaffen. Die SIGIHARDE
verstanden es sicher, diese Gelegenheit zu nützen. Nur auf diese
Weise
war es für das gestürzte Geschlecht möglich, so rasch zu
neuem und noch größeren Ansehen zu gelangen.
Graf Sigihard, der Ahnherr der
EBERSBERGER, wird im Chronicon ein consanguineus Kaiser
ARNULFS genannt. An der Verwandtschaft Sigihards
mit Kaiser
ARNULF ist nicht zu zweifeln.
Die Annahme Kimpens, dass Sigihards
Mutter eine Tochter Markgraf
Eberhards und der KAROLINGERIN
Gisela
gewesen sei, hat wenig Wahrscheinlichkeit. Trotter denkt an eine
Vermittlung der Verwandtschaft durch die ADALHARDE, erbringt für diesen
Vorschlag jedoch keine Argumente. Zu den mit den KAROLINGERN
mehrfach versippten WELFEN lässt
sich bei den SIGHARDINGERN
keine Beziehung aufzeigen. Am ehesten kommt Kaiser
ARNULFS Mutter
Liutswind als Bindeglied in Frage, von der wir
wissen, dass sie einem bayerischen Adelsgeschlecht entstammte.
Durch Kaiser
ARNULF wurde sein
consanguineus Sigihard mit
reichen
Schenkungen bedacht. Von Gütervergabungen im Markengebiet haben
wir
zwar keine urkundlichen Nachrichten, doch werden sie durch die
spätere
Stellung des Geschlechts, besonders in Karantanien, sehr wahrscheinlich
gemacht. Im bayerischen Altland erhielt Sigihard
den königlichen Hof Sempt,
der zur Ausgangsposition für die Erwerbung
eines ausgedehnten Güterkomplexes zwischen Inn und Isar wurde.
Sicher haben die Schenkungen Kaiser ARNULFS
wesentlich zur Bildung der sighardingischen Machtstellung
in Bayern beigetragen. Aus diesen kaiserlichen Gunsterweisen allein
wäre
sie jedoch nicht zu erklären. Schon früh dürften die SIGHARDINGER
durch eine geschickte Heiratspolitik zu den einheimischen
Adels-Geschlechtern
in Beziehung getreten sein und sie auch teilweise beerbt haben. Der
spätere
Grundbesitz der Grafen von Sempt-Ebersberg erlaubt schon für die
ausgehende
KAROLINGER-Zeit derartige
Schlüsse.
Seit 838, als Ludwig begann,
die von seinem Bruder LOTHAR I. zeitweilig
beanspruchten Gebiete an der oberen Save und in Pannonien fester an
sich zu binden, setzte er eine ganze Reihe von aus Baiern stammenden
Adligen in diesen Grenzregionen als Grafen und Markgrafen ein. Ob es
zutrifft, dass Ludwig,
wie die amerikanische Historikerin Pearson vor kurzem meinte, in der
zweiten Hälfte seiner Regierung, nämlich seit circa 850,
immer mehr den Zugriff auf Baiern und seine südöstlichen
Marken verloren habe, muss bezweifelt werden. Es ist zwar
auffällig, dass seit 854 immer wieder wichtige Amtsträger in
Baiern, vor allem an seinen Grenzen, abgesetzt wurden. Dies begann mit
der Absetzung des weit im Südosten, vielleicht in Pannonien
tätigen Grafen Ratpot
854. [285
Vgl. Krah, Absetzungsverfahren Seite 194ff., bes. Seite 195 Anm. 8.]
Als nächster in Baiern tätiger Amtsträger wurde 861 der Markgraf Ernst vom Nordgau abgesetzt,
[286 Ebd.
Seite 197 f.] 865 erlitten Graf Werinhar und vielleicht auch Graf Gundachar dasselbe Schicksal. [287 Ebd. Seite
203 f.] Diese Maßnahmen gegen missliebig
oder untreu gewordene Grafen dürfen aber nicht als Zeichen der
Schwäche Ludwigs
des Deutschen verstanden werden. Vielmehr zeigt sich in diesen
Maßnahmen des Königs, dass er gewillt und imstande war, an
seiner persönlichen Ausübung der Herrschaft in Baiern
festzuhalten und sie nicht seinem
Sohn Karlmann und
den mit diesem verbundenen Adelsgruppen zu überlassen. [288 So auch
Mitterauer, Markgrafen im Südosten Seite 247ff.]
Außerdem muss auch Pearson zugeben, dass es während der
gesamten Regierung Ludwigs eine
beträchtliche Anzahl von geistlichen und weltlichen Großen
aus Baiern gab, die Ludwig stets
die Treue hielten und auf die er sich immer verlassen konnte. [289 Pearson,
Conflicting Loyalities hat auf Seite140 solche Personen
zusammengestellt.] Vielleicht ist es auch
bezeichnend, dass alle Rebellen gegen Ludwig den
Deutschen außerbairische Verbindungen besaßen: die Grafen Ernst und Sigihard kamen ursprünglich
aus dem Rheinland, Werner und Gerold aus Alemannien, Ratpot stammte aus Friesland und
auch Gundachar war
wahrscheinlich ein Franke. [290
So auch Pearson, Conflicting Loyalities, Seite 138.
Mitterauer, Markgrafen im Südosten Seite 153 bezeichnet Ernst, Ratpot
und Werner als „Main-
und Rheinfranken".]
Graf Gebhard gehörte zu
den ostfränkischen Großen, die 834 bei der Restituierung LUDWIGS DES FROMMEN
die entscheidende Rolle spielten. 840 stellte er sich auf die Seite Ludwigs des Deutschen,
der ja mit seinem Schwager KARL DEM KAHLEN verbündet
war. Die Schenkung Ludwigs
für das von Graf Gebhard gegründete
Kloster Kettenbach (D 40 vom 31. März 845) ist ein Ausdruck guter
Beziehungen zwischen dem König und dem Grafen. Anscheinend hatten
die KONRADINER
die nach Westen abgewanderten RUPERTINER
an der Lahn, in der Wetterau, am Main sowie im Rhein- und Wormsgau als
wichtigste Machtträger abgelöst.
Um 860 kam es aber zu schweren Spannungen zwischen dem König und
den KONRADINERN.
Ob dieser Konflikt mit Ludwigs
Einfall ins West-Frankenreich 858/59 zusammenhängt, können
wir nur vermuten. [315
Vgl. Friese, Fränkischer Adel S. 105.] Drei
Söhne Gebhards, Uto, Waldo und Berengar, wurden 861 zusammen mit ihrem Onkel Ernst und einem Grafen Sigihard auf einem Prozess
in Regensburg verurteilt und abgesetzt. Die konradinischen Brüder
gingen ins Westreich, wo sie von Karl dem Kahlen mit Lehnsgütern
ausgestattet wurden. [316 Ann.
Fuld. 861 (hrsg. Kurze S. 55) und Ann. Bert. 861 (hrsg. Grat u. a.
Seite 85); vgl. Krah, Absetzungsverfahren Seite 198.]
Außerdem kennen wir die Namen von einigen Grafen aus den
historiographischen Quellen, vor allem aus den Fuldaer Annalen: so die Grafen Bardo und Erpf, die auf dem Feldzug gegen die
Böhmen gefallen sind (zu 856), [87
Ann. Fuld. zu 856 (hrsg. Kurze Seite 47). siehe auch Ebd. Seite 55.]
die Grafen Berengar und Sigihard anlässlich ihrer
Absetzung (zu 861), [88
Ebd. Seite 55.] den karantanischen Grenzgrafen Gundachar,
der Karlmann
an seinen Vater verraten hat (zu 863), Graf
Werinhar, der wegen Konspiration mit den Mährern 865
abgesetzt wird.
Aus dem Jahre 860 besitzen wir ein wichtiges Dokument, in dem die
engsten Vertrauten und Berater der drei Könige Ludwig der Deutsche, KARL DER KAHLE und
Lothar II.
genannt sind. Auf der Seite Ludwigs des Deutschen
handelt es sich um die in Baiern amtierenden Grafen Ernst vom Nordgau und Werner, um den elsässischen Grafen Erchanger,
den Vater der Richgard, der Gattin KARLS
III., um die sächsischen
Grafen Liuthar, Liudolf und
Wihric, den bairischen Grafen Adalbert, den ostfränkischen Grafen Hessi vom
Saalegau, um den Grafen
Sigehard vom Kraichgau und zwei weitere Personen aus der
Umgebung Ludwigs,
die wir nicht näher einordnen können, Atto (vielleicht Graf in Mainz) und Burchard. Da es auf der Versammlung
in Koblenz vom Juni 860 - denn von diesem Treffen ist in dem
erwähnten Dokument die Rede - für Ludwig den Deutschen
um die Wiederherstellung seines Ansehens und seiner politischen
Handlungsfähigkeit nach dem Scheitern des Unternehmens gegen KARL DEN KAHLEN
ging, können wir davon ausgehen, dass Ludwig zu
dieser Konferenz nur seine treuesten Anhänger mitnahm.
oo N.N., Tochter des Grafen Ratolt
†
Ihre Schwester Liutswind war
die Konkubine König
Karlmanns. Waren beide Frauen Verwandte Graf
Ratolts, so erklärt sich sowohl die Namengebung bei ihren
Enkeln, als auch die urkundlich bezeugte Namensgebung ihrer Söhne.
Kinder:
Sieghard I.
Graf von Ebersberg
876/80 †
10.10.906
Literatur:
------------
Fried
Pankraz:
Forschungen zur bayerischen und schwäbischen Geschichte.
Gesammellte
Beiträge. Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1997 Seite 370 - Hartmann, Wilfried: Ludwig der
Deutsche.
Primus
Verlag 2002 Seite 82,87,142,165 - Klaar,
Karl-Engelhard:
Die Herrschaft der Eppensteiner in Kärnten, Verlag des
Geschichtsvereines für Kärnten Klagenfurt 1966 Seite 80
- Mitterauer
Michael: Karolingische Markgrafen
im
Südosten. Archiv für österreichische Geschichte Band
123.
Hermann Böhlaus Nachf./Graz-Wien-Köln 1963 Seite 216 - Schwennicke, Detlef: Europäische
Stammtafeln.
Stammtafeln zur Geschichte der Europäischen Staaten. Neue Folge
Band
XVI, Bayern und Franken, Verlag von J.A. Stargardt Marburg 1984 Tafel
28 -