Das Jahr 815.
Um aber zum Früheren zurückzukehren, - als
Kaiser Karl der Große dem lange
ungebändigten und des christlichen Namens nicht theilhaftigen Sachsenlande,
welches endlich durch den langen Krieg gebeugt war, das Siegel des katholischen
Glaubens aufgedrückt hatte, bezeichnete er unter andern Orten Sachsens,
welche er zu Bischofsitzen zu erhöhen beschlossen hatte, das Dorf
Aulica, welches so von dem Hofe des Königs hieß, der diesen
Ort zierte, und da liegt, wo der kleine aber fischreiche Fluß Sala
in die Leine fließt, als würdig des Sitzes eines Bisthums, sowohl
wegen der vorzüglichen Lieblichkeit des Ortes selbst als auch wegen
der Bequemlichkeit Handel zu treiben, weil die friesischen Schiffe,
welche von der Weser die Leine hinauffuhren, diesen Platz reich und als
allgemeinen und gebräuchlichen Knotenpunkt der Straßen berühmt
machen könnten. Als dies beschlossen war, legte Karl
selbst den ersten Grundstein zur Kirche in Aulica und weihte diese Kirche,
gleichsam als die Erstlinge Sachsens und zum Zeichen des durch Christo
errungenen Sieges, dem auf den Felsen, der Christus ist, fest begründeten
Schlüsselträger des Himmels. Während der fromme Kaiser in
der Folge dort verweilte, erhob sich die Mauer derselbigen Kirche bis zur
Höhe des Maurers. Weil Karl aber,
so lange er lebte, durch Kriegsgeschäfte und Mangel an Grundbesitz
verhindert war, diese und andere Kirchen, welche er erbaut, zu Bisthümern
zu erheben und auszustatten, so ward die Kirche zu Aulica inzwischen durch
die von ihrem Stifter geschickten und eingesetzten Priester, welche
das festerer Speise damals noch nicht fähige Sachsen mit der Milch
der Kirche genetzt hatten - von diesen geleitet, sage ich, für das
umliegende Land die Lehrmeisterin kirchlichen Gesetzes und der christlichen
Religion leuchtendes Vorbild in der Gegend, welche jetzt von der Hildinisheimer
Kirche geschmückt wird, damals aber noch von häßlicher
Wüstheit entstellt war, von Sümpfen im Innern bedeckt, von Wäldern
starrend und gut nur zur Jagd. Als Karl nun
zugleich das Ende seiner Herrschaft und seines Lebens gefunden und Lodowich,
Erbe sowohl der Frömmigkeit des Vaters als seiner Macht, mit ganzer
Seele dabei war, die Kirche zu Aulica zum Haupte und Sitze eines Bisthums
zu erheben, und als er um dies anzuordnen häufiger denselben Ort besuchte,
ist es geschehen, daß er in der Leidenschaft der Jagd die Leine
überschritt und an der Stelle, welche jetzt die Kirche von Hildinisheim
einnimmt, sein Zelt aufgeschlagen, auch bei den herbeigebrachten Reliquien
der königlichen Kapelle Messe gehört hat. Nach Gottes Vorsehung
waren das aber die Reliquien der heiligen Gottesmutter Maria. Als der König
darnach von der Jagd nach Aulica zurückkehrte und dort die Meßfeierlichkeit
hören wollte, da erinnerte sich der Kapellan erst, wie er die Reliquien
auf den Altar setzen wollte, daß er sie in Vergeßlichkeit dort
gelassen, wo am Tage zuvor die Messe gefeiert worden. Vom Stachel der Angst
getrieben ging er zurück und fand sie, wo er sie aufgehängt hatte,
nämlich am Aste eines Baumes, der eine sehr klare Quelle beschattete;
froh eilt er hinzu und - o große Wunderwerke Gottes! o tiefer Abgrund
göttlichen Waltens! - eben die, welche er leicht mit der Hand
aufgehängt, vermochte er mit keiner Anstrengung wegzunehmen.
Er läuft zurück, um dem Kaiser die wunderbare Nachricht zu melden.
Dieser, begierig das Gehörte zu erproben, kam schleunigst von
Vielen begleitet und merkte, daß die Reliquien von dem Orte, wo sie
einmal hingen, nicht weggeschafft sein wollten. Belehrt nun, daß
dies vom Winke Gottes herrühre, errichtete er dort schnell ein Heiligthum
für die Mutter Gottes, so daß der Altar denselben Platz mit
den aufgehängten Reliquien erhielt. Diesen durch die Neuheit
des Wunders verherrlichten, diesen Ort, von dem erwiesen war, daß
er der Gottesmutter so sehr gefallen habe, begann König
Lodowich mit allem Eifer zu fördern, und gab den Hauptsitz
des Bisthums, welchen er früher der von seinem Vater gegründeten
und von ihm so sehr gefeierten Kirche von Aulica zur Ehre des Apostelfürsten
zu ertheilen beschlossen hatte, an das Heiligthum der Gottesmutter und
setzte über dieses einen im Glauben bewährten Mann Guntar
als ersten Bischof. Während also die Hildinisheimer Kirche
so den Vorsitz erhielt und also der Apostelfürst der Mutter seines
Schöpfers und Erlösers Platz machte, gewann die Kirche zu Aulica,
daß sie Mutter und Tochter sein sollte, Tochter nämlich der
bischöflichen Kirche, Mutter aber von einigen Kirchen, die jenseits
der Leine, und aller, die an derselben Seite der Leine lagen. Das
vom Könige Lodowich erbaute und der heiligen Maria geweihte
Heiligthum von Hildinisheim aber blieb in würdigem Gottesdienste,
ohne daß ein anderes Werk hinzugefügt wäre, bis auf Altfrid,
den vierten Bischof derselben Kirche. Denn Guntar, ihr erster Bischof,
erbaute die bischöfliche Kirche, in der er mit der Hauptschaar der
geistlichen Brüder Gott dienen wollte, entfernter vom genannten
Heiligthume auf seiner Mittagsseite mit zwei sehr hohen Thürmen und
weihte sie vorzüglich zur Ehre der heiligen Jungfrau Cäcilia.
Aber diese Kirche ward von der Versammlung der Brüder und dem Dienste
der Kanoniker nur unter der Regierung dreier Bischöfe eingenommen,
unter Guntar und Reinbern, welche zwanzig Jahre jener Kirche
vorstanden, und unter dem dritten Ebbo, der früher Erzbischof von
Reims, dann Bischof von Hildinisheim war.
Das Jahr 1062.
Der königliche Knabe wird auf Anstiften einiger Fürsten, nämlich des Mainzer Erzbischof Sigefrid, des Herzogs Otto von Northeim und des Grafen Ekbert von Bruneswik, der ein Vetter des Königs selbst war, der Kaiserin-Mutter geraubt.
[Markgraf Willehelm .... starb. Seine Braut Sophia
nahm Odalrich, der Markgraf der Carentiner, sein Verwandter. Seine Mark
aber erhielt sein Bruder Otto von Orlagemünde]. Ihr, nämlich
der Markgrafen Willehelm und Otto, Bruder war Poppo, der einen Sohn Odalrich
hatte, welcher die Schwester
des Königs Ladizlaus von
Ungarn Sophia zur Frau nahm, und sie gebar ihm den jüngern
Odalrich, der des Grafen Lodowich von Thüringen Tochter heirathete.
- Markgraf Otto aber hatte eine Frau Namens Adela von Brabant, von dem
Schlosse, das Lovene heißt, welche ihm drei Töchter Oda,
Kunigunde und Adelheid
gebar, Oda bekam der Markgraf Ekbert der Jüngere von Bruneswik, und
sie starb kinderlos. Kunigunde heirathete
den König der Ruzen und gebar eine Tochter, welche ein Edler
aus Thüringen Namens Gunter empfing, und er zeugte mit
ihr den Grafen Sizzo [1 von Kevernburg]. Nach dem Tode ihres
Mannes kehrte Kunigunde in die Heimat
zurück und verband sich mit dem Grafen Cono von Bichlingge, dem Sohne
des Herzogs Otto von Northeim, und sie gebar ihm vier Töchter. Als
jener ebenfalls starb, wurde ihr dritter Mann Wipert der Aeltere. Adelheid
aber wurde mit dem Grafen Adalbert von Ballenstide verehelicht, welchen
Egeno der Jüngere von Konradesburg, Burchards Sohn, Egeno's des Aeltern
Enkel tödtete, indem er den durch den Klang der Glocke Verrathenen
überfiel. Dieser Adalbert zeugte mit ihr den Grafen Otto und den Pfalzgrafen
Sigefrid.
Das Jahr 1103.
Graf Kono [Otto's, des ehemaligen Herzogs von Baiern Sohn]
hatte eine Frau Namens Kunigunde, die
Tochter des Markgrafen Otto von Orlagemunde. Diese hatte zuerst den König
von Ruzien geheirathet, nach dessen Tode sie in die Heimat zurückkehrte
und diesen Kono heirathete. Ihre Tochter aber, welche sie vom Könige
der Ruzen hatte, empfing einer von den Fürsten der Thüringer
Namens Gunter und zeugte mit ihr den Grafen Sizo. Darnach
gebar sie [4
das heißt Kunigunde]
vom Grafen Kono vier Töchter, von denen eine Graf Heinrich von
Suitfene bekam, die zweite Graf Willehelm von Licelenburg und die
dritte, welche Adela hieß, Graf Thiederich von Katelenburg; als er
aber todt war, führte Graf Helprich von Ploceke sie heim und sie gebar
ihm den Markgrafen Konrad und den Grafen Bernhard. Die vierte, welche Kunigunde
hieß, wie die Mutter, heirathete den jüngern Wipert; als er
gestorben war, nahm sie Markgraf Thieppold von Baiern. Der ältere
Wipert heirathete die Mutter jener Mädchen als ihr dritter Mann. Markgraf
Heinrich von Ilburg, der Sohn des Markgrafen Dedo von der Markgräfin
Adhela, welche des Markgrafen Otto von Orlagemunde Witwe war, ist gestorben,
zu seiner Zeit der mächtigste Mann in Sachsen. Er hatte aber von der
Gräfin Gertrud von Bruneswik einen Sohn, den Markgrafen Heinrich den
Jüngern, von dem gesagt wurde, daß er untergeschoben und in
Wahrheit nicht sein Sohn sei. Die Fürsten Sachsens versammeln sich
gegen den Markgrafen Udo und belagern Alesleve, das Vaterland aber wird
von beiden Theilen durch gar großes Brennen verwüstet. Graf
Rotbert von Flandern bat den Kaiser durch seine Boten um Frieden und erhielt
Waffenstillstand, um mit dem Kaiser bei Lüttich zusammenzutreffen,
damit der Streit dort entschieden würde. Am Feste der Apostel Petrus
und Paulus also kam der Kaiser Heinrich mit einer sehr zahlreichen Versammlung
von Fürsten aus dem ganzen Reiche nach Lüttich und daselbst gewann
Rotbert die Gnade desselben. Des Kaisers Sohn Heinrich nahm die sehr feste
Burg
Glizberg ein.